Das Porsche 911 Buch - Wolfgang Hörner - E-Book

Das Porsche 911 Buch E-Book

Wolfgang Hörner

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Beschreibung

Die aktualisierte und erweiterte 4. Auflage feiert die Sportwagen-Ikone aus Zuffenhausen in allen Facetten. Wussten Sie etwa, dass der letzte Fluchtwagen von RAF-Mann Andreas Baader ein 911 war? Spätestens nach der Lektüre dieses Buches wissen Sie es. Vor allem dank vieler Hintergrundinfos, etwa zu Erfolgen im Motorsport, zu innovativen Technologien oder zu Ereignissen in der Unternehmensgeschichte, gewinnt das Buch dem 911 viele neue Aspekte ab.

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Seitenzahl: 217

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WOLFGANG HÖRNER

DASPORSCHE911 BUCH

Erweiterte Neuausgabe

INHALT

1 Ur-Modell

Nachfolge für den 356

Kompletter Neuanfang

Eigene Zweifel am Konzept

Der 911 wird zur Familie ausgebaut

Targa, das andere Cabrio

Evolution und Erfolgsstory

Traumwagen 911 RS Carrera

2 G-Modell

Evolution statt Revolution

Mit dem 911 Turbo aus der Ölkrise

Porsche präsentiert 911-Nachfolger

Dominator auf der Rennstrecke

Der 911 überlebt

Wiedergeburt des Carrera

Endlich ein 911 Cabrio

3 Typ 964

Tribut an die 1980er-Jahre

Erstmals Allradantrieb im 911

Elektrisches Spoilerwerk

Porsche fährt gegen Porsche

Der 911 kann auch manierlich

Faszination Leichtbau im Zeichen von „RS“

4 Typ 993

Porsche vor dem Bankrott

Erste tiefere optische Änderungen

Der 911 wird wieder sportlicher

Völlig neues Targa-Konzept

911 Turbo mit 408 PS und Allrad

Turbo-Look auch ohne Heckspoiler

Der Letzte seiner Art

5 Typ 996

Alles wird anders

Wasserkühlung!

911 im Boxster-Look

Geburt einer Legende: der 911 GT3

Zurück im GT-Sport

Neue Konzepte für mehr Vielfalt

Zurück auf die Erfolgsspur

6 Typ 997

Lernen aus Fehlern

Wiedergeburt des „S“

Porsche setzt auf Modellvielfalt

911 als Maßstab im Motorsport

Der Carrera knackt die 300 km/h

Neue Designobjekte

Der stärkste 911

7 Typ 991

Porsche ist jetzt VW

Mehr Radstand, mehr Technik

Der 911 macht auf vernünftig

Schaltstock ade, PDK hat Zukunft

Messlatte für eine ganze Branche

Turbo für alle

8 Typ 992

Der 911 wird größer

Warten auf den Hybridantrieb

Saugmotormodelle für Sammler

Extrem-Versionen für die Straße

Die Kunst der limitierten Auflagen

Der 911 kann auch offroad

Anhang

Alle Baureihen, Modelle und Motorisierungen im Überblick

Modellbezeichnungen

Eckdaten aller 911-Triebwerke

Chronik des 911

Impressum, Quellenangaben

Kapitel 1: Ur-Modell

DER ERFINDER

Mit dem ersten 911 beginnt 1963 der Mythos eines Sportwagens, der bei seinem Erscheinen nicht unumstritten ist.

Mitte der 1950er-Jahre hat der Porsche 356 seinen Zenit längst noch nicht erreicht. Die A-Serie (1955) und später der B-Nachfolger (1959) verhelfen der Marke zu stetig wachsender Popularität, wirtschaftlichem Erfolg und sportlichen Triumphen. Doch schon zu dieser Zeit folgt Ferry Porsche vor allem seinem Instinkt, der ihm sagt, dass er sich um die Nachfolge für sein einziges Modell kümmern muss.

Ganz von ungefähr kommen seine Überlegungen nicht. Als er im Jahr 1948 „ Nummer eins“ aufbaut, greift er zwangsläufig auf verfügbare Teile der Volkswagen-Produktion zurück. Sie stammen oft noch aus den 1930er-Jahren. Und so entwickelt sich zwar der Porsche 356 in seinen ersten Produktionsjahren rasend schnell weiter, doch immer wieder stoßen die Techniker an die Grenzen des Konzepts – ganz gleich, ob es um die Kofferraumgröße geht oder die Leistungsausbeute des Vierzylindermotors.

Zu allem Überfluss stehen den etablierten Marken jeder Zeit mehr Geld und Möglichkeiten zur Verfügung. Ihre Produkte erscheinen, selbst wenn sie in anderen Fahrzeugsegmenten antreten, einfach „frischer“.

Nicht gerade ein eingschworenes Team: die Entwickler des 911.

Gleichwohl weiß Ferry Porsche, dass es auch das Design seiner Fahrzeuge ist, das die Kundschaft liebt – gerade auch in Nordamerika, wohin ein Großteil der Produktion verschifft wird. Darum ist ihm wichtig, dass ein künftiger Nachfolger für den 356 die wesentliche Designsprache weiterführt. Somit steht zwangsläufig fest, dass der Motor wieder im Heck sitzt, zumal auch Kostenvorteile damit verbunden sind. Doch noch andere Eckdaten werden umrissen: Es muss wieder ein 2+2-Sitzer sein. Ursprünglich plant man sogar einen Viersitzer, doch „das können andere besser“, gesteht man sich schließlich bei Porsche ein. Allerdings muss auf jeden Fall mehr Platz für Gepäck vorhanden sein. Ferry Porsche erschafft in diesem Zusammenhang die „Maßeinheit“, dass mindestens eine Golftasche in den Kofferraum passen muss. Dabei darf das Auto nicht nennenswert größer werden als der 356. Den Radstand legt er mit 2,20 Metern fest – nur zehn Zentimeter mehr als beim 356. In dieser Kürze sieht er klare Handling-Vorteile – ein für die damalige Zeit sicher richtiger Ansatz.

Sensationelle Silhouette: Die flüssige Linienführung vom Dach bis zum Fahrzeugheck ist bis heute unerreicht.

Der Hintergrund beweist: 911 und 356 werden eine Weile parallel gebaut.

So macht sich Chefingenieur und Designer Erwin Komenda an die Arbeit. Er hat bereits den Volkswagen und den 356 gezeichnet und ist ein enger Vertrauter von Ferry Porsche. Doch vielleicht ist er zu sehr in der klassischen Formgebung verhaftet. Sein Konzept ist jedenfalls nicht der große Wurf, den Porsche erwartet.

Um für frischen Wind beim Design zu sorgen, wendet sich Ferry Porsche schließlich auf Vermittlung des US-amerikanischen Porsche-Importeurs Max Hoffmann an Graf Albrecht Goertz.

Nullnummer

Der 911 wird unter dem Namen 901 geboren.

Rund ein Jahr nach seinem Debüt auf der IAA steht der neue Porsche im Herbst 1964 auf dem Pariser Autosalon – als 901. Jetzt erst fällt findigen Peugeot-Managern auf, dass sich die Löwenmarke bereits 1929 im Zusammenhang mit der Limousine 201 die mittige Null in Pkw-Typenbezeichnungen schützen ließ. Zwar gilt dieser Patentschutz nur in Frankreich, doch Ferry Porsche hat weder auf einen Rechtsstreit noch auf einen „Sondernamen“ für den französischen Markt Lust. Kurzerhand macht er aus dem 901 den 911.

„Erfinder“ des 911-Designs: Ferdinand Alexander Porsche.

Nur Details: Das Ur-Modell wird laufend verbessert, die Linie bleibt aber bis ’72.

Der in New York lebende Designer hat gerade den BMW 507 Roadster fertiggestellt, der auf beiden Seiten des Atlantiks große Begeisterung entfacht. Graf Goertz versteht das Porsche-Problem und liefert ein Dreivierteljahr später seinen Entwurf für den 356-Nachfolger ab. Dieser ist stark von aktuellen Designtrends in den USA beeinflusst. So besitzt sein Vorschlag eckige Frontscheinwerfer, einen scharfen Heckabschluss und drei Rückleuchten je Seite. Das Ganze wirkt keineswegs unattraktiv, doch für Ferry Porsche zu amerikanisch.

Zu diesem Zeitpunkt ist Ferdinand Alexander Porsche, Ferrys ältester Sohn, gut 20 Jahre alt. Er hat Design studiert und tritt gerade in das väterliche Unternehmen ein. Er empfiehlt weiter reichende Änderungen, bei denen nur einzelne, aber dafür wesentliche Merkmale des 356-Designs übernommen werden – zum Beispiel die beiden runden Scheinwerfer und die ausgeprägten vorderen Kotflügel.

Der Entwurf von Ferdinand Alexander Porsche, „Butzi“ genannt, hat sieben Zentimeter mehr Radstand. Doch das sind nicht die einzigen Änderungswünsche des Vaters. Zu ihnen gehört nicht nur die Kürzung des Radstands, der am Ende 2,21 Meter beträgt, sondern sie betreffen auch Änderungen an Dach und Heck. Anfangs wirkt die C-Säule sehr filigran und läuft spitz aus, was dem Prototypen gewisse Ähnlichkeiten mit dem späteren Mercedes-Benz 280 SL „Pagode“ verleiht. Das ändert der Designer genauso wie den Verlauf von Heckscheibe und Motorhaube, die sich zusammen erst konkav, später dann konvex wölben. Letztlich entscheidet sich Ferry Porsche aber für das Konzept des Sohns.

Schlanke Füße: Ferry Porsche ist ein Verfechter schmaler Reifen, auf Mischbereifung wird erst später umgestellt.

Der Beginn eines Mythos

Der 911 ist Nachfolger des 356. Damit lastet ein großes Erbe auf ihm, den der 356 ist Kult.

Der Krieg ist gerade vorüber und Ferdinand Porsche noch von den Alliierten inhaftiert, da beginnt sein Sohn Ferry bereits, seinen Traum vom Sportwagen umzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt ist das Ingenieursbüro in Gmünd in Kärnten angesiedelt, wohin es 1944 aus Sicherheitsgründen verlegt worden war.

Ferry Porsche greift bei seinen Entwicklungen auf Konzepte und Komponenten des Volkswagens zurück – jenes Fahrzeugs, das sein Vater maßgeblich mitentwickelt hat und das zum VW Käfer wird.

Gemäß der Gepflogenheiten des Ingenieursbüros erhält das Projekt die fortlaufende Nummer 356. Es ist ein offener Zweisitzer mit 1,1 Liter großem Vierzylinder-Boxermotor, der vor der Hinterachse platziert ist, also ein Mittelmotorwagen ist. Das sportliche Design stammt von Erwin Komenda, der mit Vater Ferdinand bereits eng zusammengearbeitet hat.

Bis der 356 im März 1949 auf dem Genfer Salon offiziell vorgestellt wird, erfährt er noch einige Änderungen.

Die wichtigste betrifft die Anordnung des Motors: Dieser rutscht ganz ins Heck, was in der Folgezeit nicht nur wesentliches Kennzeichen für die gesamte 356-Baureihe wird, sondern auch bis heute die Vorgabe für den 911 ist.

Nach insgesamt 53 gefertigten Fahrzeugen in Österreich kehrt Porsche 1950 nach Stuttgart zurück. Damit verbunden ist ein gewaltiger Aufschwung, denn noch im gleichen Jahr gelingt es Porsche, einen Vertriebspartner für den wichtigen US-amerikanischen Markt zu gewinnen. Wie wichtig dieser ist und wie begehrt Porsche dort wird, zeigt sich bereits 1952: Neben Coupé und Roadster bietet Porsche mit dem 356 America Roadster das erste „maßgeschneiderte“ Fahrzeug für die USA an. Die wichtige Modellüberarbeitung von 1955 (A-Serie) verhilft dem 356 endgültig zum Durchbruch und macht ihn für Porsche zum wirtschaftlichen Erfolg, der noch andauert, selbst als der 911 bereits vorgestellt ist.

Der Erste: „Nummer eins“ von 1948 hat einen Mittelmotor, heißt aber schon 356.

Leistungsstark: Modelle wie der 356 Carrera GT festigen den sportlichen Ruf des 356.

Parallelwelt: Die C-Serie des 356 wird 1963 zeitgleich mit dem 901/911 vorgestellt.

Design ist mehr als drei Ziffern

Ferdinand Alexander Porsche gilt als stilistischer Vater des 911. Doch er kann noch weit mehr als nur Autos zu entwerfen.

Der 911 ist untrennbar verbunden mit dem Namen Ferdinand Alexander Porsche, von Mitarbeitern und später als Unternehmer „F. A. Porsche“ genannt. Er wird als ältester Sohn Ferry Porsches am 11. Dezember 1935 in Stuttgart geboren, siedelt während des Kriegs mit der Familie nach Österreich um, kehrt zurück und studiert in Neu-Ulm Gestaltung und Design. 1958 tritt er in den väterlichen Betrieb ein, wo er zum Initiator innovativer Designvorschläge für den 356-Nachfolger wird. Dabei muss er sich mit Chefdesigner Erwin Komenda arrangieren, der eine konservative Linie befürwortet.

Letztlich setzt sich aber „Butzi“, wie er in der Familie gerufen wird, durch. Im Jahr 1962 wird er zum Chef der Designabteilung ernannt und erhält nicht nur für den 911, sondern auch für den Mittelmotor-Rennwagen 904 große Anerkennung. Er schafft damit jene Designgrundlagen, die bis heute maßgeblich das Aussehen der Porsche-Sportwagen bestimmen. Allerdings bleibt es für ihn im Wesentlichen bei diesen beiden Modellen, denn F. A. Porsche muss Anfang der 1970er-Jahre das Unternehmen verlassen (siehe folgendes Kapitel).

Er gründet das Porsche Design Studio in Zell am See in Österreich. Dort gestaltet er Accessoires wie Schreibgeräte, Brillen und Uhren im „Porsche Design“. Noch bevor es allgemeiner Trend wird, sind Schwarz und puristische Formen sein Credo: „Design muss funktional sein. Diese Funktionalität muss visuell in Ästhetik umgesetzt sein, ohne Gags, die erst erklärt werden müssen.“ Genauso wie beim 911.

Interessante Variante: F. A. Porsche schlägt einen hohen Heckabschluss vor.

Blick in den 911 T 2.2 Targa (1969)

Allerdings sind es nicht nur das Design und die Platzverhältnisse, die zur Herausforderung werden: Auch beim Antrieb müssen die Ingenieure neue Wege gehen. Denn einerseits schätzen die Kunden die hohe Motorleistung, wie sie zum Beispiel ein 356 Carrera 2 mit 100 PS und mehr zu bieten hat. Doch andererseits haben die Vierzylinder-Boxermotoren Defizite bei der Fahrbarkeit und dem Geräuschniveau. Eine Lösung auf Basis dieser Aggregate ist wirtschaftlich zu aufwendig. Ebenfalls aus Kostengründen (und aus Platzgründen) wird ein Achtzylindermotor verworfen.

Exakte Prüfung: Qualitätskontrolle wird großgeschrieben. Rasch zeigt sich, dass Leistungsangaben nicht übertrieben sind.

Am Boxermotor mit Luftkühlung hält Porsche aber fest – nur, dass jetzt zwei Zylinder mehr hinzukommen. Das bringt nicht nur ein höheres Leistungsspektrum, sondern verbessert auch die Laufruhe und damit den Komfort wesentlich. Man spielt verschiedene Triebwerkskombinationen durch, bis die Motorentechniker Bott und Metzger einen passenden Kurzhuber präsentieren. Bohrung mal Hub belaufen sich auf motorsportgeeignete 80 mal 66 Millimeter, woraus sich ein Gesamthubraum von zwei Litern ergibt. Zwei oben liegende Nockenwellen pro Zylinderbank, insgesamt zwei Dreifachvergaser und rennwagentypische Trockensumpfschmierung gehören ebenfalls dazu. Letztere ist auch wichtig, um die Bauhöhe des Motors gering zu halten und so die Hecklinie der Karosserie zu ermöglichen. 130 PS leistet der Motor – mehr als normalerweise der 356 hat.

Beschaulich, aber viel zu klein: Mit dem Erfolg des 911 platzt das Porsche-Werk aus allen Nähten.

Eingesetzt: Der Überrollbügel des 911 Targa ist aus gebürstetem Edelstahl und nicht Bestandteil der Karosse.

Doch im neuen Fahrzeug kommt die Leistung besser zur Geltung. Zwar fällt es größer und etwas schwerer aus, verfügt allerdings über ein völlig neues Fahrwerk. Denn Ferry Porsche muss schließlich einsehen, dass die von ihm zunächst favorisierte, vom Volkswagen stammende und im 356 weiterentwickelte Kurbellenkerachse vorn und die Pendelachse hinten überholt sind. Stattdessen gibt es eine McPherson-Konstruktion für vorn und eine völlig neue Längslenker-Hinterachse, die weniger Platz beansprucht und präziser läuft – zumindest theoretisch. Denn das Fahrwerk bleibt selbst nach Serienanlauf ein Problem, an dem noch über Jahre hinweg gearbeitet wird. Besonders der Geradeauslauf ist eine Katastrophe.

Technisch ist der 911 ein radikaler Neuanfang, der nur konzeptionell Anleihe beim 356 nimmt

Doch bevor es so weit ist, muss sich Ferry Porsche auch mit ganz anderen Problemen herumplagen. Bislang fertigt das benachbarte Karosseriewerk Reutter einen Großteil der 356-Blechkleider. Für das Porsche-Management ist es ein harter Schlag, als es erfährt, dass Reutter weder die Kapazitäten noch die finanziellen Mittel hat, die angepeilten großen Stückzahlen des neuen Modells zu fertigen. Ferry Porsche geht schließlich das große Risiko ein und übernimmt das privat geführte Unternehmen. So häufen sich die Investitionen für das neue Modell inzwischen auf 15 Millionen DM an – extrem viel für ein so kleines Werk wie Porsche.

Eine neue Gattung

Mit dem 911 Targa schafft Porsche eine neue Form des Offenfahrens – und einen neuen Gattungsbegriff.

Porsche-Händler in den USA sind besorgt: Die offenen Modelle des 356 tragen entscheidend zur Beliebtheit der Marke in Nordamerika bei. Doch die Informationen, die Anfang der 1960er-Jahre über den 356-Nachfolger zu ihnen durchsickern, sehen weder Roadster noch Cabrio vor. Obwohl Ferdinand Alexander Porsche zu den großen Verfechtern einer Roadster-Variante für den 911 gehört, kann er sich nicht durchsetzen.

Doch Ferry Porsche deutet die Zeichen der Zeit richtig. Cabrios beginnen aufgrund aufkommender Sicherheitsdiskussionen aus der Mode zu kommen. Das veranlasst ihn, zwei Jahre nach dem Debüt des 911 auf der IAA das „Sicherheitscabriolet“ vorzustellen. Es erhält kurze Zeit darauf den offiziellen Beinamen Targa. Dieser steht einerseits für die Erfolge von Porsche bei dem sizilianischen Rennklassiker „Targa Florio“ und ist andererseits im Italienischen die Übersetzung von „Schild“, was perfekt zum Targa-Konzept passt: Zwischen dem feststehenden Überrollbügel und der Windschutzscheibe befindet sich ein herausnehmbares Dachmittelteil, das bequem im Kofferraum verstaut werden kann.

Verschwindet leider bald wieder: Anfangs kann auch der rückwärtige Bereich geöffnet werden.

Anfangs kann auch die Heckscheibe abgenommen werden, was ab 1969 nicht mehr möglich ist – dafür wird sie beheizbar. Markant ist auch, dass Porsche den Überrollbügel nie farblich kaschiert: Zunächst ist er in Edelstahloptik und wird in den 1970er-Jahren schwarz.

Umstritten: Nicht jeder ist vom Targa-Konzept überzeugt. Zu den Kritikern gehört auch F. A. Porsche.

Forderung aus den USA: Die Erweiterung auf 2,4 Liter Hubraum (hier: 911 E 2.4 Targa) geht mit Bleifrei-Umstellung einher.

Gleichzeitig tritt man bei der Fahrzeugentwicklung auf der Stelle: Techniker, Designer und Management sind untereinander zerstritten, was die Fertigstellung des 356-Nachfolgers immer wieder hinauszögert. 1961 endlich steht fest, dass binnen 24 Monaten die Produktion starten soll. Sie verzögert sich noch einmal um ein Jahr. Immerhin wird das Fahrzeug endlich auf der IAA im September 1963 in Frankfurt gezeigt, wenn auch mit Motorattrappe, und erhält offiziell seinen Namen: Porsche 901. Gut, dass es bis zur ersten Kundenauslieferung noch eine Weile dauert, denn bis dahin muss Porsche wegen des Einspruchs von Peugeot den Namen ändern (siehe Seite 9) – und der Porsche 911 entsteht.

Auch wenn es aus heutiger Sicht kaum vorstellbar ist: Der Wagen sorgt für Skepsis, sowohl beim Publikum als auch bei Porsche selbst. Worte wie „Kompromiss“ oder „Hoffnung“ finden sich in vielen Porsche-Erklärungen jener Zeit. Der 911 ist, auch wenn es später anders dargestellt wird, anno 1963 nicht ganz das, was man als großen Wurf bezeichnet. Auch das Messepublikum ist zunächst zurückhaltend, während sich Journalisten, die das Auto tatsächlich fahren können, begeistert zeigen. Erste Modelle besitzen überdies noch ein Cockpit, das stark an den 356 erinnert und zwei große Rundinstrumente hinter dem Lenkrad hat. Erst als im Oktober 1964 die ersten Fahrzeuge ausgeliefert werden, hat der 911 jene markanten Armaturen aus fünf Rundinstrumenten, die das Interieur bis heute so unverwechselbar machen. Und er hat das Zündschloss links neben dem Lenkrad – ein weiteres ungewöhnliches Merkmal, das bis heute alle Porsche-Modelle aufweisen: Es soll Sportfahrern ermöglichen, bereits während des Startens den Gang einzulegen.

Forever young

Die Preise für das Ur-Modell sind heute hoch – erst recht, wenn es nachweislich von einem berühmten Fahrer bewegt wurde.

Wer heute ein Ur-Modell sucht, muss tief in die Tasche greifen. Für einen guten 911 S sind mindestens 50.000 Euro anzulegen – rund das Fünffache dessen, was der Wagen ursprünglich kostet. Doch es gibt Ausnahmen: Im Sommer zahlt ein Sammler 1,375 Millionen US-Dollar für einen schiefergrauen 911 S 2.2, Baujahr 1970. Es ist allerdings nicht irgendein 911, sondern exakt jenes Fahrzeug, das zu Beginn des Kultfilms „Le Mans“ minutenlang mit Steve McQueen am Steuer zu sehen ist. Eine derart detailliert dokumentierte Vorgeschichte (Steve McQueen nimmt das Auto vorübergehend in Besitz) ist dem Käufer einen satten Aufpreis wert.

Ein Sonderangebot ist der 911 nie. Bei seinem Debüt muss Porsche den Preis trotzdem senken

Der 911 ist nicht das sofortige Ende für den 356 – zu groß ist die Preisdifferenz, was Ferry Porsche um die Loyalität seiner Kunden fürchten lässt. So korrigiert man den Preis für den 911 sogar nochmals nach unten, auf 21.900 DM. Um 356-Fahrern den Umstieg und Neukunden den Porsche-Einstieg leichter zu machen, bringt Porsche bereits 1965 eine zweite Motorisierung auf den Markt, die bereits in der frühen Entwicklungsphase vorgesehen ist. Damals hieß sie 902 und mutiert vor Markteinführung zum 912 (siehe Seite 17). Angetrieben wird sie von einem 90 PS starken Vierzylindermotor, der aus dem 356 stammt.

Der kleine Bruder

Neben dem 911 bietet Porsche auch den 912 an. Beide sehen einander zum Verwechseln ähnlich, spielen aber in zwei unterschiedlichen Preisklassen.

Schon früh ist Ferry Porsche klar, dass der 911 für die Kunden im Vergleich zum 356 ein gewaltiger Preisanstieg bedeuten wird – ungeachtet vom Mehrwert und der höheren Leistung. Tatsächlich liegt 1963 der 356 (C-Serie) bei 14.950 DM, kostet also 7.000 DM weniger als der neue 911. Darum behält man die Baureihe als einfaches Einstiegsmodell bis 1965 im Programm. Dann ist der 356 aber endgültig veraltet.

So führt Porsche den bereits von Beginn an geplanten Zwillingsbruder des 911 ein: der 912, der ursprünglich 902 heißen soll. Optisch sind es nur Details, in denen sich beide unterscheiden und die nur von akribischen Beobachtern wahrgenommen werden. So fehlen beispielsweise die markanten Fuchs-Felgen, während das Cockpit des 912 nur drei Rundinstrumente besitzt – die beiden fehlenden gibt es aber gegen Aufpreis. Als Antriebsquelle dient dem 912 der Vierzylinder-Boxermotor des 356 SC, allerdings mit fünf PS weniger. Das 1,6-Liter-Aggregat erreicht eine Höchstleistung von 90 PS, was dem 912 nur 185 km/h schnell macht. Gegenüber dem 356 SC, der bei den Beschleunigungswerten sogar schneller ist, ist das keine Verbesserung. Allerdings überzeugt der 912 durch sein Fahrverhalten: Es ist „moderner“ als beim 356 und ausgewogener als beim 911, weil sein Heckmotor deutlich leichter ist. 1969 wird der „Vierzylinder-911“ aus dem Programm genommen, dessen Motor entwicklungstechnisch nun am Ende ist.

Verschämt: Das Typenschild „912“ ist heute rar. Viele machten es damals weg.

Vorreiter: Der 911 S 2.4 erhielt als erster 911 serienmäßig einen Frontspoiler.

Und Porsche hat noch mehr Eisen im Feuer: Fast von Planungsbeginn an denkt man nicht nur an ein Coupé, sondern auch an eine offene Variante. Ferdinand Alexander Porsche sieht im 911 auch die Ausgangsbasis für einen Roadster, von dem einige Prototypen entstehen. Sie wirken deshalb etwas eigenwillig, weil im geöffneten Zustand kein Verdeck zu sehen ist und das Fahrzeug wie abgesägt aussieht. Obwohl der Druck aus Nordamerika hoch ist, verwirft man in Zuffenhausen diese Idee und stellt auf der IAA 1965 das Sicherheitscabrio vor: den 911 Targa (siehe Seite 15).

Es entspricht durchaus den Gepflogenheiten jener Zeit, Baureihen fortlaufend weiterzuentwickeln – und Porsche macht davon in den 1960er-Jahren regen Gebrauch. So gibt es zahlreiche kleine Details, anhand derer sich Modelle eines bestimmten Jahrgangs unterscheiden können. Beispielsweise verschwinden schrittweise die kleinen Dreiecksfenster in den Türen, während der 911 ab 1968 einen 57 Millimeter längeren Radstand bekommt, was den Geradeauslauf verbessert. Die US-amerikanische Kundschaft hat Porsche im Visier, als man 1967 die Sportomatic vorstellt. Die Halbautomatik ermöglicht manuelles Schalten, ohne die Kupplung treten zu müssen.

Zeitgeist: Zusatzscheinwerfer – hier an einem 911 S 2.2 – sind in den 1960er-Jahren „in“ und dürfen auch am 911 nicht fehlen.

Der Beginn einer großen Karriere

Der 911 erwirbt sich von Beginn an im Motorsport Meriten – anfangs besonders im Rallyesport, dann auch auf der Rundstrecke.

Kaum läuft die Serienfertigung des jungen 911, da schickt ihn Porsche bereits zu motorsportlichen Einsätzen. Weil zu jener Zeit der Rallyesport sehr populär ist und sich mit ihm auch die Zuverlässigkeit hervorragend dokumentieren lässt, tummelt sich hier bald schon der 911 (siehe Seite 103): Die Fahrzeuge sind weitgehend seriennah und vor allem hinsichtlich Schotterstrecken und Nachtfahrten optimiert. Die erste „wirkliche“ und zudem käufliche Rennversion des 911 stammt aus dem Jahr 1967. Die Ingenieure verpflanzen das 2,0-Liter-Sechszylinder-Boxertriebwerk des Rennwagens 906 in den 911. 19 Kunden haben das Glück und das Geld, diesen 911 R zu erwerben, der mit 45.000 DM rund doppelt so teuer wie der 911 S ist. Dafür hat er aber auch 210 PS und wiegt lediglich 830 Kilogramm. Das ist mehr als ausreichend, um am Nürburgring und bei der „Tour de France“ Siege einzufahren.

Kurz bevor Porsche den straßenzugelassenen 911 Carrera RS vorstellt, entsteht Ende des Jahres 1971 eine Sonderserie des 911 S 2.5, der mit unglaublichen 270 PS neue Maßstäbe setzt. Er darf für sich in Anspruch nehmen, der letzte Renn-911 mit praktisch unveränderter Serienkarosserie zu sein.

Der in Paris 1972 vorgestellte 911 Carrera RS wird auf der Straße und auf der Rennstrecke zum Hit – und ist doch nur der Übergang zu einer richtig heißen Rennversion: Der 911 Carrera RSR 3.0 wird praktisch über Nacht zum Star des GT-Sports. Mit 330 PS ist er 280 km/h schnell. Das reicht, um nicht nur in der GT-Klasse vorn mitzufahren, sondern auch, um die Sportprototypen das Fürchten zu lehren. So holt der 911 Gesamtsiege beim 24-Stunden-Rennen von Daytona, beim 12-Stunden-Rennen von Sebring und bei der Targa Florio. In der Markenweltmeisterschaft erringt Porsche 1973 überraschend einen dritten Gesamtrang, nur geschlagen von den ungleich stärkeren Sportprototypen von Matra und Ferrari.

Einstieg über den Rallyesport: Besonders die Rallye Monte Carlo hat es Porsche angetan.

Wegweisend: Mit dem 911 Carrera RSR 3.0 schlägt Porsche 1973 ein neues Kapitel auf und konzentriert sich fortan auf die Rundstrecke.

Legendär: Die Fuchs-Felgen gelten wie der 911 selbst als stilistischer Meilenstein.

Auch motorenseitig tut sich viel: 1966 präsentiert Porsche den 911 S als sportliches Spitzenmodell. Er hat ebenfalls 2,0 Liter Hubraum, aber 160, später sogar 170 PS – ein Quantensprung für den 911. Während das S für Sport steht, wird aus dem Basis-911 der 911 L (für Luxus), der 1969 zehn PS mehr bekommt. Weil der 912 nicht sonderlich begehrt ist, stellt Porsche dessen Produktion ein und ergänzt bereits 1967 das Angebot um den 911 T (für Touring). Dieser besitzt den 2,0-Liter-Sechszylinder-Boxermotor, allerdings in einer gedrosselten 110-PS-Version. Das senkt den Preis fürs 911-Fahren auf 19.000 DM. Billiger wird es nie wieder. Der schärfer werdende Wettbewerb Ende der 1960er-Jahre zwingt Porsche dazu, stärker an der Leistungsschraube zu drehen.

Entsprechend wird im Jahr 1969 das vorhandene 2,0-Liter-Triebwerk aufgebohrt und auf 2,2 Liter vergrößert. Es kommt im Spitzenmodell, dem 911 S 2.2 mit 180 PS, im 911 T 2.2 mit 125 PS und im neuen 911 E 2.2 mit 155 PS zum Einsatz, der zur neuen mittleren Variante wird. Das E steht dabei für Einspritzung, denn seit 1968 fängt Porsche schrittweise an, alle Fahrzeuge auf Benzineinspritzung umzustellen. Am längsten hält sich die Vergasertechnik im 911 T, der sogar bis zum Auslaufen der Baureihe 1973 an ihr festhält. Bereits zwei Jahre nach der Hubraumerweiterung auf 2,2 Liter verlängert Porsche den Hub der 911-Motoren, sodass die Triebwerke nun 2,4 Liter groß sind. Mit einher geht die Umstellung auf Normalbenzin, was wichtig ist, um den schärferen US-Abgasbestimmungen Rechnung zu tragen. Trotzdem steigt auch die Leistung um fünf PS beim 911 T und um jeweils zehn PS bei 911 E und 911 S. Alle drei sind weiterhin als Coupé und als Targa erhältlich.

Noch mehr 911

Von Beginn an zieht man bei Porsche auch größere 911-Modelle in Betracht. Sie entstehen aber nur als Einzelstücke.

Sportlichkeit darf nicht zu radikal sein, fordert Ferry Porsche während der Entwicklung des 911. Ihm schwebt daher ein viersitziges Coupé vor. Letztlich wird der 911 aber doch ein 2+2-Sitzer, dessen Rücksitze wenigstens zugunsten einer Gepäck- fläche umgelegt werden können. Einige Jahre später unternimmt Star-Designer Pininfarina einen Versuch, den 911 wachsen zu lassen. Dazu verlängert er den Radstand um 19 Zentimeter, behält aber im Wesentlichen die Silhouette bei. Der Entwurf kann genauso wenig überzeugen wie ein zusätzlicher Prototyp, den man im gleichen Jahr bei Porsche selbst aufbaut. Was geht, zeigt 1967 der Porsche-Händler im texanischen San Antonio: Er lässt als Einzelstück einen 911 S um über einen halben Meter strecken und spendiert ihm zwei gegenläufig anschlagende Fondtüren.

Der 911 S von 1971 bekräftigt mit seinen 190 PS und seiner Maximalgeschwindigkeit von 230 km/h den sportlichen Ruf der Marke. Zum ersten Mal hat er einen Frontspoiler serienmäßig, der von T- und E-Kunden gegen Aufpreis zugekauft werden kann. Trotzdem sind 190 PS und Frontspoiler nur ein Vorgeschmack darauf, was die Automobilwelt im Oktober 1972 auf dem Pariser Salon zu sehen bekommt: Dort steht der schnellste Serienwagen aus Deutschland, der 911 Carrera RS. Sein Hubraum ist nochmals erweitert und beträgt nun 2,7 Liter. Daraus resultieren 210 PS und 230 km/h – Porsche ist auf dem Weg in eine neue Dimension, in der erstmals auch Sportwagenherstellern wie Ferrari und Maserati Paroli geboten werden kann.

Nicht zu erkennen: 1968 bekommt der 911 etwas mehr Radstand.

Beim Cruisen nicht zu bemerken: Anfangs hat der 911 ein „giftiges“ Fahrwerk. Nur in kleinen Schritten kommt Porsche davon weg.

Der Reiz des 911-Fahrens

Ende der 1960er-Jahre ist der 911 heiß begehrt – auch bei Top-Terrorist Andreas Baader.