Das Pünktchen trägt Strümpfe - Joanna Lisiak - E-Book

Das Pünktchen trägt Strümpfe E-Book

Joanna Lisiak

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Beschreibung

Texte voller Zauber erwarten den Leser bei der Lektüre von Das Pünktchen trägt Strümpfe. Die kleinen Geschichten - oder vielmehr unabgeschlossene Episoden - sind voll von überraschenden Bildern und Wendungen. Man liest zuweilen wie durch den Blick eines Träumenden. Die Wörter fliegen farbig auf einen zu, landen unverhofft an Stellen, die man nicht vermutet. Bruchstückhafte Welten eröffnen sich, die wie aus dem Unterbewusstsein gefischt, dann ins Literarische transformiert wurden. Entzückende Kleinstkompositionen, die man dem Leben entgegensetzen kann.

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Zur Entstehung dieses Buchs

Aus dem Unterbewusstsein unbewusst gefischt. Halb bewusst ins Literarische transformiert, komponiert. Aus etwas, etwas anderes geschaffen. Dieses Etwas, das man dem Leben entgegenzusetzen versuchen kann.

"An jener Nachricht über die Mauersegler, die bei Nacht in großen Höhen schlafend fliegen, hat mich ergriffen, dass Traum und Flug noch zusammenfallen."

Elias Canetti

Komatös bin ich heute aufgewacht. Es ist nicht leicht, den Traum in Worten wiederzugeben.

Was mich verwirrt, sind gewisse Bilder, die an alte Traumbilder gemahnen.

Heute ist mir G. im Traum begegnet.

Der Traum ist schnell erzählt. Es war ein Alptraum.

Regelmäßig und seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, träume ich davon. Heute Nacht wieder.

Fahrgefühl. Auf einem Schlitten. Auf einem Motorboot. Unterwegs. Fast fliegend.

In einem Traumteil bin ich auf einer Schneewanderung.

Ich habe mich transformiert. Halb hier, halb jenseits. Halb in mich gekehrt, halb körperlich präsent.

In einem Teil des Traums gehe ich durch verlassene Alleen.

Ziemlich wahrscheinlich träumte ich diesen Traum bereits.

Diesen Traum hatte ich öfters in verschiedenen Versionen, mit ganz klaren Bildern.

Vielleicht muss ich diesen Traum gar nicht erzählen. Denn seit Jahren gehe ich an dem Ort vorbei, wo dieser Traum stattfand.

In der Extrastunde Schlaf, die ich mir heute gegönnt habe, träumte ich ein großes Durcheinander.

Kein eigentlicher Traum, eher eine Beobachtung.

Dieser Traum scheint mir deswegen erzählenswert, weil er mir eher vorkommt wie ein friedliches Dasein, denn als wenn ich geschlafen und geträumt hätte. Es ging um eine Seinsform, die absolut in sich stimmig war. Halb war ich hier, halb im Übergang oder bereits schon andernorts.

Ich bin an einem Ort, an dem es furchtbar langweilig ist.

An Details erinnere ich mich nicht. Aber es war, als hätte ich mit der Person, die im Traum war und ich war, nicht das Geringste zu tun.

Ich träumte, aber ich habe das Gefühl, dass nicht ich der bin, der träumte. Als hätte sich mir ein anderer meinen Körper und meinen Geist geborgt. Ich habe ihn gebeten, bitte meinen Körper und meinen Geist zu verlassen. Aber er tat sich schwer damit. Er blieb noch lange bei mir. Wollte verhandeln.

Ein sehr physischer, wirklicher Traum.

Ein kreativer, visueller Traum.

Taumel. Verstörendes.

Ich war in der Vergangenheit.

Eigenartig insofern, als dass der Traum mich eher an einen Film erinnert. Vermutlich, weil ich keinen Film in dieser Art gesehen habe.

Im Traum war mir bewusst, dass eine Zeit vergangen ist, seit ich das letzte Mal dort war und entsprechend haben sich gewisse Dinge verändert.

Faszinierend, vor allem die Präzision der Bilder.

Ein wirrer Traum.

Nur ein kleiner Traum.

Ein schrecklicher Traum.

Ein Traum, in dem ich mich einmal mehr höchst genial fand.

Ich träumte von einer Situation, in der ich kaum zugegen war.

Nicht immer sind meine Träume schön oder verrückt kreativ.

Es ist eigenartig mit den Träumen. Per se fühlen sie sich lebendig, ja lebendiger an als der Wachzustand in der Realität.

An inhaltliche Einzelheiten erinnere ich mich nicht.

Das Wichtigste an diesem Traum war tatsächlich die Eindeutigkeit des Gefühls.

Ich habe den Verstand verloren. Ich war orientierungslos. Fuhr auf der falschen Straßenseite.

Langer Schlaf, langer langer Traum.

Nur schwache Erinnerungen.

Eine kurze Nacht, vielleicht deswegen diese tiefe Dimension.

Langer, komplexer Traum. Daraus nur Sequenzen.

Unzusammenhängender Traum. Verwandtschaftsverstorbene Wesen. Nonverbale Sprache. Alles schiebt sich ineinander wie tektonische Platten. Überall sind Zwischenräume. Es gibt kein Drinnen, kein Draußen. Nur Drinnendraußen. Oder Draußendrinnen.

Drei Träume diese Nacht. Tendenziell alptraummäßiger Art.

Kein außergewöhnlicher Traum eigentlich. Aber zum ersten Mal habe ich nebst meinen visuellen, haptischen, akustischen Träumen nun auch gustatorisch geträumt.

Heute habe ich in meinem Traum laut gelacht. Vielleicht war das Lachen durch den Schlaf sogar hörbar.

So ein Erlebnis hatte ich in meinem Traum noch nie.

Bruchstücke.

Bloß Teile.

Ich kreise. Ich kreise.

Ein besonders klarer Traum.

Schlecht geschlafen. Nur Traumfetzen.

Ein verkehrter Traum.

Ein Traum von der üblen Sorte.

Ein tragischer Traum.

Der Traum ging in alle Richtungen.

An Details erinnere ich mich nicht. Im Traum aber war alles logisch.

Dieser Traum verschob alles: Zeiten, Personen, Geschlechter, Orte, Sprachen.

Diesen Traum kann ich nicht einfangen, nicht in meinen Wachzustand ordnen. Die Sprache ist zu schwach, sie schafft das nicht.

*

Sie wohnt in einem Glashaus. Es steht im Hof des dänischen Königshauses. Um den Hof herum liegen Hotels. Touristen kommen. Morgens hat sie wenig Möglichkeiten sich abzugrenzen. Die Touristen gaffen ins Glashaus, wo sie der Morgentoilette nachgehen möchte. Sie hat Lust zu zitieren. Einen bestimmten Kassayek hat sie im Kopf. Einen Philosophen. Den hat sie sich ausgedacht. Er steht dafür, Erbsen zu zählen. Aber nicht einfach so. Er besteht darauf, dass die Erbsen von Dritten gezählt werden, nicht von ihm. In der Hostentasche hat sie einen Schlüssel. Es ist der Schlüssel zur Wohnung aus ihrer Kindheit. Dort geht sie hin und wartet, bis alle das Haus verlassen haben. Dann lässt sie sich im Korridor fotografisch abbilden. Der Korridor ist lang.

Die Konzertpianistin ist in der Oper und hat ihren Hund mitgebracht. Er weiß, was sich gehört und hat ins Bidet gemacht. Der Hund liegt vor dem Bidet. Sein Ohr ist ans Porzellan gelegt. Die Akustik im Bidet ist wunderbar. Eine alte Schulkameradin kommt vorbei. Sie ist jetzt Künstlerin. Sie arbeitet vorwiegend mit Blumen. Sie bindet Blumensträuße. Dann sprengt sie sie.

Ein Vogel landet neben mir. Es ist kein typisches Federvieh. Es trägt eine Mischung aus Federn und Fell. Das Federfell ist schwarzbraun und glänzt. Der Vogel ist riesig. Ein Meter Umfang mindestens. Sein Gesicht ist das Gesicht einer Frau. Sie ist geschminkt mit roten Lippen und Wimperntusche. Die Vogelfrau blickt ernst drein. Ich bin nicht sicher, ob sie echt ist. Ich frage Nina scheu, ob sie die Vogelfrau auch sieht. Nina nickt.

Ich bin bei Nina Hagen zum Tee eingeladen. Der Tee steht warm gebrüht auf dem Tisch. Die Tassen aber fehlen. Nina lacht. Ich muss die Tassen in der Wohnung suchen. Das ist bei ihr so. Erst danach gibt es Tee. In der Wohnung hat jemand eine giftige Schlange freigelassen. Ich muss vorsichtig sein. In einem der Zimmer entdecke ich eine Frau. Sie cremt sich in aller Seelenruhe und wie in Zeitlupe ihren Körper mit einer teuren Lotion ein.

Wohnungsbesichtigung. Sie verläuft gut und man nimmt sich Zeit. Man lässt sich in der potentiellen Wohnung ein Bad einlaufen, um die Wohnung zu testen. Nach dem Bad macht man ein kleines Nickerchen auf einem Bett. Das gehört sich bei einer ausführlichen Wohnungsbesichtigung so. Danach studiert man die Dokumente. Das Besondere an dieser Wohnung ist, dass der Wohnblock auf Rollen auf Schienen steht. Immer am Freitagabend rollt der ganze Block aus der Stadt ins Grüne, wo sich die Mieter erholen können. Das Konzept ist ansprechend. Man zweifelt dennoch. Was, wenn man mal freitags später nach Hause kommt, der Block ist weg und man nicht weiß, wo genau er im Grünen steht. Den Anforderungen dieser Wohnung muss man gewachsen sein.

Wir betrachten Fotos. Auf den Fotos sind wir alle immer gleich alt. Wir müssen lachen. Wir erzählen uns Geschichten. Auch solche von Pudeln, denn die sind sehr lustig. Wir haben uns schicke weiße Hosen angezogen. Sie sind lang und reichen bis zum Hals. Wir gehen auf den Bazar. Wir schlendern, schauen. Am Ende des Bazars ist Schluss. Wir können von da an nicht mehr weitergehen. Wir müssen klettern. Steil nach oben klettern.

Es ist jetzt Mode mit Wecktüchern geweckt zu werden. Wecker war gestern. Heute die Wecktücher, mit denen man sehr angenehm geweckt werden kann. Sie schlingen sich um einen, tupfen, reiben. Dann ist man wach. Ich gehe in die Küche. Auf dem Küchentuch liegen Nagellacke. G. ist auch da und schneidet Gurken. G. schneidet die Gurken in regelmäßige kleine Würfelchen. G. überreicht mir ein Gurkenwürfelchen zum Probieren. Ich bin nicht sicher, ob ich es essen darf. Doch, doch, meint G. Aber dieser Gurkenwürfel kann offenbar mehr. Er kann radieren. Ich bin erstaunt, wie viele Radiergummigurkenwürfelchen man aus einer einzigen Gurke machen kann.

Eine neue Universität ist soeben eröffnet worden. Sie steht für eine ganz neue Form und hat einen anderen Ansatz als die bisherigen Universitäten. Sie ist eine Plattform mitten in der Stadt mit einem kleinen Podium in der Mitte. Leute, die sich für ein bestimmtes Thema interessieren, gehen zum Podium und erzählen davon. Wenn die Menschen aus dem Publikum Interesse am Thema haben oder etwas darüber wissen, können sie ebenfalls am Podium teilnehmen. Es entstehen interessante Gespräche und Kontakte. L. interessiert das nicht besonders. Sie ist im Wasser und macht Purzelbäume. Die Purzelbäume sind sehr rund und ich bin begeistert. Nach einer Weile merke ich, dass mit jedem Purzelbaum ein kleines Licht aufflackert. Am Beckenrand sitzt eine Frau, die sich nur für ein Thema interessiert. Für die Form von Brustwarzen. Sie entblößt eine Brust und fragt, ob ihre gut gewachsen sei.

Vorstellungsgespräch. Bevor es losgeht, befühlt man meinen Blusenstoff. Ich schwitze ungewöhnlich viel, aber es ist für einen solchen Fall vorgesorgt. Auf dem Tisch liegen ein Dutzend Stirnbänder. Ich darf mir alle fünf Minuten ein neues Stirnband anziehen. Im Gang fährt ein kleiner Mann Rollschuh. Der Gang ist lang und hat einen glatten Marmorboden. Der kleine Mann kommt gut vorwärts. Er rollt, und ich sehe ihn während meines Vorstellungsgesprächs durch den Türspalt hindurch am Zimmer vorbeirollen. Es ist dieses Mannes Beruf tänzelnd Rollschuh zu fahren und dabei Jazz zu singen. Er macht das hervorragend.

F. sitzt gemütlich in einem Café. Da sieht er etwas Braunes, Voluminöses herumstehen. Er geht hin und entdeckt ein durchnässtes Cello und eine Gitarre. Alles tropft. Die Instrumente sehen erbärmlich aus. Zu Recht ist F. empört. F. nimmt das Cello, die Gitarre aus den nassen Koffern und legt sie zum Trocknen hin. Er sieht den Verkäufer aus dem Musikgeschäft unweit des Cafés. Der Verkäufer trägt weitere Instrumente raus, wo er sie bewusst zum Nässen in eine Lagune legt. F. ist außer sich vor Wut über dieses Gebaren.

Ich treffe ein paar Freunde, aber nicht etwa, um zusammen zu essen, zu reden oder etwas zu unternehmen. Man hat sich verabredet, um gemeinsam den Nachmittag dösend zu verbringen. Es soll ein dunkler, stiller Nachmittag werden. Dabei möchte ich gerne von einem Filmprojekt erzählen. Ich habe nämlich ein Mandat und darf einen Film drehen. Der Film soll «Falafel» heißen. Der Hauptdarsteller hat einen Rücken, der sehr vernarbt ist und aussieht wie ein aufgeschnittener Weißkohl.