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Bereits 1899 erschien Bierbaums Roman "Das schöne Mädchen von Pao". Das humorvoll geschriebene und in China angesiedelte Werk fand schnell eine große Leserschaft und gehört zu den bekanntesten Werken des Autors.
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Seitenzahl: 175
Veröffentlichungsjahr: 2013
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Das schöne Mädchen von Pao
Otto Julius Bierbaum
Inhalt:
Otto Julius Bierbaum – Biografie und Bibliografie
Das schöne Mädchen von Pao
Widmung
I. Das unheimliche Lied.
II. Das Vierhundertachtzigmonatkind.
III. Die beiden schneidigen Staatsräthe.
IV. Die roten Vögel.
V. Lachen und Weinen.
VI. Die böse Jagd.
VII. Der neue Kurs.
VIII. Das Mädchenschwärmen.
IX.Die Mission des Herrn We.
X. Die große Wo.
XI. Das talentvolle Mädchen.
XII. Ein sehr schöner Brief der Madame Wo.
XIII. Ihr Debüt.
XIV. Im Juwelenpavillon.
XV. Die Kaiserin und der Purpurkelch aller Seligkeiten.
XVI. Die Mitregentin.
XVII. Der wütende Kronprinz.
XVIII. Der Trumpf.
XIX. Reisbier und Mandelkuchen.
XX. Ein Brief aus dem östlichen Palaste.
XXI. Ein Kronrat.
XXII. Die blühenden Talente.
XXIII. »Seligkeiten überall.«
XXIV. Die roten Drachen.
XXV. Das Seidereißen.
XXVI. Das Konzert am Goldkarpfenteiche.
XXVII. Die unglaublichen Künste des Herrn A-yu.
XXVIII. Eine politische Rede des Grafen Schên.
XXIX. Die Witzkonkurrenz.
XXX. Die enttäuschten Witzbolde.
XXXI. »Für tausend Taels ein Lächeln kaufen.«
XXXII. Die nackte Kaiserin.
XXXIII. Der Epilog des Kommentators Tiïen-tzê.
Das schöne Mädchen von Pao, O. J. Bierbaum
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849627188
www.jazzybee-verlag.de
Schriftsteller, geb. 28. Juni 1865 zu Grünberg in Schlesien, verstorben am 1. Februar 1910 in Dresden. Studierte in Zürich, Leipzig, München und Berlin, widmete sich jedoch bald der literarischen Tätigkeit. Der modernen Kunsttheorie huldigend, übernahm er 1892 in Berlin die Redaktion der »Freien Bühne«, der er den Namen »Neue deutsche Rundschau« gab, gründete hierauf mit Julius Meier-Graefe die Kunstzeitschrift »Pan«, die er bis 1895 leitete, und lebt jetzt als Mitherausgeber der »Insel« in Berlin. Vorübergehend gehörte er der Überbrettlbewegung an. Außer den Monographien »Detlev von Liliencron« (Leipz. 1892), »Fritz von Uhde« (Münch. 1893), »F. Stuck« (das. 1893, Text zu Reproduktionen Stuckscher Werke) und dem Band »Stuck« in Knackfuß' Künstler-Monographien (Bielef. 1899) u. a. veröffentlichte er »Erlebte Gedichte« (Berl. 1892) und einen zweiten Band Lyrik: »Nemt, Frouwe, disen Kranz« (1894); ferner die Novellen: »Studentenbeichten« (1893, 4. Aufl. 1899; 2. Reihe 1897), »Die Schlangendame« (2. Aufl. 1897), »Kaktus und andre Künstlergeschichten« (3. Aufl. 1898); die Romane: »Die Freiersfahrten und Freiersmeinungen des weiberfeindlichen Herrn Pankrazius Graunzer« (1896 u. ö.), »Stilpe« (2. Aufl. 1897), »Das schöne Mädchen von Pao« (1899); gesammelte Essays, Gedichte, Sprüche, u. d. T.: »Der bunte Vogel von 1897, ein Kalenderbuch« (1896) und »von 1899« (1898); Dramatisches: »Lobetanz, ein Singspiel« (1895), »Gugeline, ein Bühnenspiel« (1899), »Pan im Busch«, Tanzspiel (mit Musik von F. Mottl, 1900), sämtlich in Berlin erschienen, und »Irrgarten der Liebe«, Lieder, Gedichte und Sprüche aus den Jahren 1885–1900 (Leipz. 1901). Auch gab B. den »Modernen Musenalmanach« (Münch. 1891, 1893, 1894) und »Deutsche Chansons (Brettl-Lieder)« (Berl. 1901) heraus.
An den erhabenen, dick mit Perlen besäten, fußhoch von Edelsteinen bedeckten, an allen Ecken ausgiebig mit Gold beschlagenen
Stufen des unbeschreiblich prächtigen Thrones der Kaiserin-Tante von China Majestät &c. &c. p. p. p.
unter konvulsivischem Zittern seines ganzen schäbigen Leibes, mit bebenden Lippen, ehrfürchtig gesträubten Haaren und bedrückt von dem schmerzlichen Gefühle des Bedauerns, keinen Schweif zu haben, mit dem er wedeln könnte,
niedergelegt von dem jammervollsten aller rotborstigen Barbaren, dem zwar streb- samen, aber leider noch recht mangelhaften Baccalaureo der schönen Künste Bi-bao-mo
annoch Inhaber keines Mützenknopfes und keiner Rangklasse angehörig, aber ersterbend in der berauschenden Hoffnung, mit nächster Post nach Ankunft dieses Geschichtswerkes in China den Drachenorden mit Lotoslaub unter Erlassung der Sporteln zu erhalten.
Der Sohn des Himmels von Hunden und Schweinen besiegt, der Rücken Seiner Majestät beschmutzt von grinsenden Blicken siegreicher Barbaren, – oh alle Gongs und Lärmtrompeten: Dröhnt, dröhnt und heult! Denn auch die Seele Hsüan-Wangs, das kaiserliche Gong von China, dröhnt, und auch der erhabene Mund des Reiches, Hsüan-Wangs Mund, heult, heult, heult – vor Schmerz und großem Grimme.
Aber nicht lange sollen sie ihren Triumph feiern mit Tänzen und Reisbier die hündischen Jung, die schweinischen Ti!
Seine Majestät wird eine Volkszählung veranstalten lassen, wird erkunden, wieviel Kriegssteuern zuwege gebracht werden können vom blumigen Reiche der Mitte, und dann: wehe den Hunden und Schweinen! Er wird sie zerstampfen und zu Dung machen!
Vergebens legen die Minister ihre Köpfe auf die Stufen des Thrones und wimmern: Oh Sohn des Himmels, lasse ab von solchen Plänen, denn unziemlich ist es mit Perlen auf Vögel zu schießen!
– Was soll das heißen! ruft der Kaiser. Redet Chinesisch, oh meine Minister!
– Wir reden Chinesisch, Majestät, und eben deshalb in Bildern. Kaiserliche Waffen sind Perlen, aber Barbaren, die sich erfrechen, ungezogen zu sein, dünken uns nicht mehr, als wertlose Spatzen.
– Und wenn ich sie mit Perlen erschießen soll, – tot müssen sie werden, tot, tot, tot!
Seine Majestät war durchaus nicht umzustimmen. Er hatte sich die Rache nun mal in den Kopf gesetzt. und da war es eigentlich dumm von den Ministern, erst noch in Bildern zu reden. Volkszählung! Und damit Basta!
Gut denn: Volkszählung! Das wird zwar nette Scherereien geben, aber Der, der unterm Himmel sitzt, wills haben, also: zählen wir in Gottesnamen das Volk!
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– – Aber, der Himmel meints manchmal doch gut mit seinen Mandarinen; ehe man sichs versieht, passiert etwas Neues, und der Kaiser vergißt darüber seinen Grimm und seine Befehle.
Und es passierte etwas.
Eine Revolution? Gottbewahre! Hungersnot? Überschwemmung? Wirren im Frauenpalaste? Nichts derlei von Belang.
Sondern: Der Kaiser hörte, gerade wie er in seine Hauptstadt einziehen will, auf der Straße eine Schar kleiner Knaben – ein Lied singen.
Unerhört: ein Lied, das sich mit seiner Dynastie beschäftigt! Und zwar in Ausdrücken von einer höchst widerwärtigen Unbegreiflichkeit. Orakelhaft. Mystisch.
Und so sangen die kleinen Knaben:
Es steigt der Mond! Die Sonne sinkt! Durch den Bogen von Yen Und den Köcher von Tschi Droht Untergang, Droht Untergang, Oh, oh, oh, Dem Hause Tschou!
Mond? Sonne? Yen? Tschi? Untergang? Dem Hause Tschou? – Was für eine niederträchtige Singerei! – Arretiert die Bengel! Her das Gesindel!
Die Bübchen waren bald eingefangen und standen nun heulend vor Seiner Majestät.
– Ruhe! schnaubte der Sohn des Himmels sie an, der selber genug Kinder zu Hause hatte, Ruhe! und die Wahrheit gesagt! Wer von euch Lümmels hat das Lied aufgebracht!
– Ich nich! Ich nich! Ich nich! beteuerten sie alle und heulten noch gräßlicher.
– Ich laß euch allen fünfundzwanzig aufzählen, wenn ihr nicht gleich erzählt, wer euch das infame Lied beigebracht hat.
– Der Rote ist es gewesen! Der Rote!
– Was für ein Roter?!
– Ein Junge in roten Röcken. Wir kennen ihn nicht. Keiner kennt ihn. Vor drei Tagen kam er und sang das Lied. Und seitdem singens alle Kinder in der Stadt, überall, auf allen Gassen, in den Stuben am Tage und abends im Bette. Alle! Alle!
– Wo ist der infame Bengel?!
– Fort. Weg. Nirgends zu sehn.
Dem Kaiser wurde unbehaglich. Das sah nach Wunder aus. Der rote Knabe . . . wer weiß . . . Der Himmel liebte es, zuweilen Boten auf die Erde zu senden, Warner. Jedenfalls schnell ein Edikt!
Das hatte der Polizeipräsident bald:
»Auf Allerhöchsten Befehl!
Seit drei Tagen wird von den Kindern der Haupt und Residenzstadt ein höchst unziemliches Lied gesungen, das die Dreistigkeit hat, dem Allerhöchsten Herrscherhause unter albernen und sinnlosen Wendungen den Untergang anzukündigen. Das ist kein Lied für Kinder treuer Untertanen, und somit wird es hierdurch auf das Nachdrücklichste verboten. Sollte sich fürderhin irgendein Kind unterstehen, dieses Lied zu singen, so wird nicht allein das Kind, sondern es werden auch seine Eltern und älteren Brüder sehr fühlbar bestraft werden. Der Polizeipräsident.«
Dieses Edikt hatte zur Folge, daß die sorglichen Eltern ihren Kindern dicke Seidentücher vor den Schnabel banden, und somit war das Lied allerdings unmöglich gemacht.
Aber seiner Sorge war der Kaiser darum nicht ledig.
Ich muß durchaus wissen, was die Singerei bedeutet, dachte er sich und berief seine Minister und den Hofastrologen zu einem Kronrate.
– Zuerst bitte ich S. Exzellenz den Kultusminister um seine Meinung.
Der Kultusminister, Herr Schau-hu, machte ko-tao und sprach: Es gilt zuvörderst, die Bedeutung der Worte Yen und Tschi zu eruieren. Ich habe mich sofort darum bemüht und schätze mich glücklich, folgendes an Ew. Majestät Throne niederlegen zu können: Yen ist der Name einer Maulbeerbaumart, aus deren Holze man Bogen schnitzt, und Tschi heißt ein Kraut, aus dem man Pfeilbeutel macht. Wenn ich mir erlauben darf, den logischen Schluß aus diesen Tatsachen zu ziehen, so kann der nicht anders lauten, als: Es droht Unheil durch Pfeil und Bogen.
– Das scheint mir auch so, meinte der Kaiser. Aber nun S. Exzellenz der Minister des Innern. wenn ich bitten darf!
Der Minister des Innern hatte bloß darauf gewartet, denn das mit Pfeil und Bogen war Wasser auf seine Mühle, da er vor allen andern gegen Wiederaufnahme des Barbarenkrieges gewesen war. So machte er also schnell ko-tao und sprach: Kein Zweifel, oh Majestät, das Lied bedeutet, daß man nicht nochmals mit Pfeil und Bogen gegen jene Hunde und Schweine zu Felde ziehen soll.
– Hm, meinte der Kaiser, das klingt ja ganz plausibel . . . indessen . . . . : Was bedeutet der Knabe in Rot? Vielleicht wissen mir Ew. Liebden etwas darüber zu sagen. Herr Hof und Reichsastrologe?
Der Hof- und Reichsastrologe Herr Po-yang-ju war froh, endlich zu Worte zu kommen, machte ko-tao und sprach, feierlich, wie es sein Amt mit sich brachte: Majestät! Wenn in Straßen und Gassen ein Wort umgeht, niemand weiß, woher es kam, wer es fand und prägte, so ist dies kein gewöhnliches Wort und nicht von irdischer Herkunft, sondern es ist Prophezeiung, gelegt auf die Zunge des Volkes. Fragt sich nur: von welchem Sterne ist dieses Wort? Nun wohl! Rot war der Knabe gewandet: rot muß also der Stern sein, von dem er kam! Welcher Stern aber ist rot? Rot ist der Mars, der Yung-huo, der Feuerstern! Vom Mars also der Knabe, vom Mars das Lied!
Herr Po-yang-ju wollte eigentlich noch weiter reden, aber der Kaiser hatte gerade einen Gedanken und ließ den auch sogleich hören: Hm! Ja! Wohl! Die Sache ist sicher eine Warnung von oben, und darnach muß man sich natürlich einrichten. Demnach wären erstmal sämtliche Pfeile und Bogen aus diesem abscheulichen Maulbeerbaum Yen und dem ebenso greulichen Kraute Tschi zu konfiszieren und gleichzeitig aufs Strengste zu verbieten, fürderhin diese gefährlichen Materialien bei der Pfeil- und Bogenfabrikation zu verwenden.
Sämtliche Mitglieder des Kronrates huldigten der Weisheit Seiner Majestät durch die denkbar tiefsten Verbeugungen.
Aber der Hof- und Reichsastrologe bat nochmals um das Wort, machte nochmals ko-tao und sprach: Ohne Zweifel hat die Weisheit Ew. Majestät das Richtige befunden. Indessen: was bedeutet der Anfang des Liedes? Was bedeutet:
Es steigt der Mond! Die Sonne sinkt! . . . ?
Unmöglich kann dies nur eine kalendarische Bedeutung haben! Tiefer sitzt der Kern des dunklen Sinnes! Und dies ist der Sinn: Es steigt das Weib! Es sinkt der Mann! Denn der Mond ist das Abbild des Weiblichen, wie die Sonne das Abbild des Männlichen ist.
– Ja aber um Gotteswillen: daraus werde ich nun erst recht nicht klug! rief der Kaiser; das Weib, der Mann, – das sind ja wieder bloß Rätsel!
Darauf Herr Po-yang-ju: Um Verzeihung, Majestät, – es bedeutet: von einer Kaiserin droht dem Reiche Unheil!
– Was nicht gar! Von einer Kaiserin! Ew. Liebden sollten wohl wissen, daß ich nicht mehr in dem Alter bin, mich auf galante Abenteuer einzulassen, und überdies: In den Angelegenheiten der sechs Serails durfte und darf ich mich durchaus auf die Tugend, die Klugheit und den Takt meiner hohen Gemahlin Tschiang verlassen. Sie ist bei der Auswahl der Palastdamen noch immer mit sorgsamster Kritik zu Werke gegangen und wird, dessen bin ich mir sicher, auch künftighin es an nichts darin fehlen lassen. Unsinn! An Weibergeschichten ist absolut nicht zu denken.
Aber der Hof- und Reichsastrologe war nicht der Mann, sich so schnell aus dem Sattel heben zu lassen, und so machte er nochmals ko-tao und sprach nochmals: Es lag mir ferne, oh Sohn des Himmels, an die Möglichkeit zu denken, daß die Gefahr von einer Dame drohen könnte, die in den sechs Serails Ew. Majestät zu leben die hohe Ehre und das unaussprechliche Glück hat. Aber muß die Gefahr denn augenblicklich drohen? Muß denn das Unheil in den jetzigen sechs Serails schlummern? Daß etwas vorgeht, schon jetzt vorgeht, ist freilich leider nur zu wahrscheinlich, – doch glaube ich nicht, daß es in nächster Zeit bereits in Erscheinung treten werde. Dafür sind mir Bürge die hohen moralischen Prinzipien, denen mein allerhöchster Herr huldigt.
Der Kaiser lächelte und sagte: Ja ja, ich bin über die Jahre hinaus; das steht fest; leider; und somit wäre in diesem Punkte: Mond – Sonne, Weib – Mann, alles in bester Ordnung. Aber unheimlich bleibt die Geschichte doch. Die ganze Sache gefällt mir gar nicht. Gar noch zukünftige Weibergeschichten! Das ist doch furchtbar lästig.
Etwas unwirsch entließ er den Kronrat.
Aber, kaum, daß er glaubte, nun für eine Weile Ruhe zu haben, da meldete sich die Kaiserin bei ihm an, warf sich lang vor ihm nieder und schrie: Schrecklich! Schrecklich! Schrecklich!
– Ja mein Gott, was ist denn schon wieder passiert!
– Gräßlich! Gräßlich!
– Aber wollen Ew. Majestät sich nicht erheben und mir ruhig sagen, was Sie so aus der Fassung gebracht hat?
Die Kaiserin erhob sich, ließ sich auf einen Sessel nieder und starrte vor sich hin.
– Betragen sich die Damen unziemlich? fragte mit liebenswürdigem Tone der Kaiser. Muckt die Eunuchengarde wieder einmal auf? Diese Verschnittenen haben einen widerwärtigen Charakter, ich weiß es, – aber: was will man machen? Man braucht derlei Leute, es geht nicht anders . . .
– Ach nein, ach nein! Wenns das bloß wäre, – es ist was viel, viel Greulicheres . . . Kennt Ew. Majestät die alte Wang?
– Was soll ich die alte Wang kennen!? Was ist das für eine Person?
– Es ist das eine alte Seraildienerin, die noch vom vorigen Kaiser her da ist.
– Die muß aber schon schrecklich alt sein.
– Freilich, ist sie auch! Und die . . . die . . . die . . . oh, mein hoher Gemahl: es ist fürchterlich, unmöglich, schauderhaft . . .
– Also! Also?!
– Die alte Wang hat ein Kind gekriegt . . .
– Wa . . . a . . . . as? Im Serail, wo's keine Männer gibt, außer mir? Sollte ich . . . aber das ist ja völlig undenkbar!
Die Kaiserin machte ein empörtes Gesicht: Ich bitte Ew. Majestät, in so ernsten Dingen nicht zu scherzen. Es handelt sich hier um ein höchst schreckliches Phänomen; die alte Wang hat natürlich ebensowenig einen Mann gesehen, als ich einen Halbgott. Ihr Kind ist von keinem Manne.
– Ja von was denn dann?
– Mag sie es selbst erzählen, wenn Ew. Majestät es gestatten.
– Freilich gestatte ich es! Wer weiß . . . Wer weiß . . . oh! mir schwant Fürchterliches! Wie recht hatte Po-yang-ju! Bringt mir die Person! Was werde ich hören müssen!
Die alte Wang, mehr tot als lebendig, ein altes verhutzeltes Weiblein, erschien vor dem Kaiser, legte sich mit einer Miene auf den Boden, als wollte sie sagen: Bitte, zertritt mich, Majestät! und schluchzte fürchterlich.
– Wer ist der nichtswürdige Vater! herrschte sie der Kaiser an.
– Kein Vater! kein Vater! Oh Gott, oh Gott! Ich unglückselige Kreatur! Huhuhuhu!
– Du wirst sofort aufhören zu heulen und mir augenblicklich Aufschluß darüber geben, woher du das Kind hast. Aber halt! Wo ist es!
– Bei den Dienerinnen im westlichen Palaste!
– Man setze es sogleich aus!
– Ja, ja, ja, nur fort mit der Drachenbrut!
– Was: Drachenbrut?!
– Ja: Drachenbrut!
– Ah, also du weißt doch etwas!? Daß du mir nichts verschweigst! Was weißt du!
Und nun erzählte die alte Wang folgende bedenkliche Geschichte, etwas weit ausholend, wie es alter Weiber Art ist:
– Ich habe sagen hören, daß sich im letzten Jahre der Hsia-Dynastie . . .
– Was geht mich die Hsia-Dynastie an? fiel der Kaiser ein.
– Es . . . es gehört dazu . . . wirklich . . .
– Also meinetwegen; was hast du sagen hören!
– Daß im letzten Jahre des letzten Kaisers der Hsia-Dynastie zwei Gott-Menschen aus der Stadt Pao als Drachen herbeigeflogen sind zur Kaiserburg und sich im Hofe da niedersetzten.
– Greulich!
– Ja! Und Speichel ist aus ihren Mäulern geflossen.
– Äh!
– Aber aus einmal haben sie reden können; und so haben sie geredet, zum Kaiser Tschïe geredet, der gerade da war: »Wir . . sind . . zwei . . Fürsten . . aus Pao!« Darüber ist der Kaiser furchtbar erschrocken.
– Natürlich!
– Er wollte sie auch gleich totschlagen lassen.
–Hm!
– Aber zuvor ließ er den Reichsastrologen kommen und fragte den.
– Das war weiser, als ich es einem aus dem Hause Hsia zugetraut hätte; aber erzähle mir nun nicht etwa erst, was der Hofastrologe gesagt hat, denn das führt zu weit. Was tat der Kaiser?
– Er ließ ein seidenes Tuch vor den Drachen ausbreiten und ihnen ein Opfer bringen.
– Also nichts mehr vom Totschlagen? Seltsam.
– Und einen Teller aus lauter Gold ließ er bringen und fing damit den Drachenspeichel auf.
– Pfui Teufel! Das sieht einem Hsia-Kaiser ähnlich.
– Ja, und dann ließ er den Teller in einer roten Kiste einschließen.
– In einer – roten Kiste? Du sagtest rot?
– Ja, in einer roten Kiste einschließen.
– Rot, – warum gerade rot? . . Weiter! Weiter!
– Und da kam ein großer Wind, und ein großer Regen fiel, und die Drachen flogen fort. Puh – huh – fort!
– Mach kein Theater! Weiter!
– Und da ließ der Kaiser Tschïe die rote Kiste ins Schatzhaus bringen und dort hinsetzen.
– So? Nun? Und?
– Und nun kam die Yin-Dynastie.
– Das weiß ich schon.
– Und dann kam Ew. Majestät erhabene Dynastie.
– Das weiß ich erst recht. Die Kiste! Die rote Kiste!
– Ja, und dann waren schon wieder fast dreihundert Jahre vorbeigegangen, seitdem das erhabene Haus Tschou den Thron bestiegen hatte . . .
– Ein Haus kann keinen Thron besteigen; drücke dich gewählter aus!
– Oder oben saß, und da war nie irgend etwas passiert, nicht das Geringste.
– Weiter, sag ich! Weiter!
– Aber, da kam auf einmal, gerade wie Ew. Majestät hochseliger, allerhöchst seliger Vater sein letztes Jahr abregierte, ich habe ihn noch sehr gut gekannt, er war so ein . . .
– Was kam!?
– Da kam ein heller Glanz aus der Kiste.
– Hm!
– Der Schatzaufseher meldete das dem Kaiser, der Kaiser fragte, was in der Kiste wäre, der Aufseher holte die Bücher . . .
– Weiter! Weiter!
– Und die Inhaltsverzeichnisse und die . . .
– Was tat der Kaiser!?
– Er machte die Kiste auf.
– Höchstselber?
– Nein, er befahl es einem Kammerherrn.
– Das wollte ich auch gemeint haben. Und der Kammerherr?
– Nahm den goldenen Teller heraus und überreichte ihn dem Kaiser.
– Ach! Und nun? Nun?
– Der Kaiser wollte ihn in die Hand nehmen.
– Wollte bloß? Nahm nicht?
– Nein: er ließ ihn fallen.
– Oh!
– Ja, und da floß der Drachenspeichel auf den Boden.
– Was? War der denn nicht in den 1000 Jahren eingetrocknet?
– Nein, er war ganz frisch und verwandelte sich in eine kleine Schildkröte.
– T . . . t . . . t . . .!
– Ja, und die lief nun auf dem Burghofe rum, immer so im Kreise, immer rum, immer rum . . . das sonderbare Tierchen . . . ganz rot sahs aus am Schilde oben und hatte rote Augen, und die Beine waren auch rot . . .
– Hast du die Kröte denn gesehen?
– Ja, ich . . . hab . . .. die Kröte . . . gesehn . . . und ich sah, wie der Kammerherr sie fangen wollte und immer psch! psch! kiß! kiß! machte . . . aber da lief sie so schnell, so schnell lief sie mit ihren roten Beinen . . . ins Zimmer des Kaisers.
– Die Kröte . . . ins Zimmer des Kaisers . . . mit den roten Beinen. ? .
– Ja, und ich, mein Gott, zwanzig war ich gerade vorbei, ich . . . ich mußte . . . lachen, wie das Tierchen so lief und der Kammerherr gegen die Türpfosten rannte mit seinem spitzen Kopfe und sich die Stirne rieb. Da rief der Kaiser: Du! was hast du da! Bist auch so eine Kröte! Komm mal her und heb den Teller auf! Und lachte auch.
– Lachte . . . auch? . . . Ich hätte nicht gelacht. Und du?
– Ich ging zum Kaiser und da, . . . da . . . huh, mich grausts . . . da . . . trat . . . ich . . . auf was Nasses . . . und ich sah . . . daß ich . . . in . . . die Spur . . . der . . . äh . . . der Kröte getreten war . . . und es wurde mir so . . . mir wurde übel, und ich . . . fiel nieder.
– Fielst nieder?
– Ja, und mir war . . . mir war . . . als wenn ich in der Hoffnung wär' . . .
– Du warsts am Ende auch, du schlechte Dirne damals!
– Das sagte der Kaiser auch und schalt mich, und ließ mich einsperren. Aber ich war ja unschuldig wie eine Wolke am Himmel, und es war nichts mit mir.
– Gut . . . aber nun?
– Aber nun . . . nun . . . nach vierzig Jahren seitdem, gestern, am Abend, bekam ich die Wehen und . . . brachte ein Mädchen zur Welt.