Das Testament des Herrn Napumoceno - Germano Almeida - E-Book

Das Testament des Herrn Napumoceno E-Book

Germano Almeida

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Beschreibung

Wer sich zur Testamentseröffnung des honorigen Herrn Napumoceno, Handelskaufmann auf den Kapverdischen Inseln, versammelt hat, findet es überhaupt nicht amüsant, was der Verstorbene als Letzten Willen hinterlassen hat. Staunend erfährt die Nachwelt von einer leiblichen Tochter, gezeugt auf dem prächtigsten Büromöbel von ganz Mindelo, die von ihm als Haupterbin eingesetzt wird. Den Zeugen offenbaren sich kleine und große erotische Geheimnisse, geschäftliche Transaktionen und politische Neigungen. Ein wunderbar komischer, sinnlicher Roman von den Kapverdischen Inseln, der mit Ironie und Heiterkeit wie beiläufig ein Bild der Gesellschaft zeichnet.

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Seitenzahl: 244

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Über dieses Buch

Wer sich zur Testamentseröffnung des honorigen Herrn Napumoceno, Handelskaufmann auf den Kapverdischen Inseln, versammelt hat, findet es überhaupt nicht amüsant, was der Verstorbene als Letzten Willen hinterlassen hat. Den Zeugen offenbaren sich kleine und große erotische Geheimnisse, geschäftliche Transaktionen und politische Neigungen.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

Germano Almeida (*1945) studierte Rechtswissenschaft in Lissabon. Er arbeitet als Anwalt und führt einen eigenen Verlag auf den Kapverdischen Inseln. Sein Roman Das Testament des Herrn Napumoceno wurde verfilmt.

Zur Webseite von Germano Almeida.

Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Germano Almeida

Das Testament des Herrn Napumoceno

Roman

Aus dem Portugiesischen von Maralde Meyer-Minnemann

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Die Originalausgabe erschien 1991 unter dem Titel O testamento do Senhor Napumoceno da Silva Araújo im Verlag Ediciones Caminho, Lissabon.

Originaltitel: O testamento do Senhor Napomuceno da Silva Araújo (1991)

© by Germano Almeida 1991

Vermittelt durch die Literarische Agentur Mertin, Inh. Nicole Witt

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Martina Heuer

ISBN 978-3-293-30863-3

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

Produziert mit der Software transpect (le-tex, Leipzig)

Version vom 13.06.2022, 16:13h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

Impressum

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Inhaltsverzeichnis

DAS TESTAMENT DES HERRN NAPUMOCENO

1 – Die Verlesung des eigenhändig von ihm aufgesetzten Testamentes …2 – Ein neues Licht auf das Leben und die …3 – Man hätte erwartet, dass ein so pingeliger Mann …4 – Die Behauptung Senhor Napumocenos, er sei Holzfäller gewesen …5 – Es hatte viel Gerede gegeben, als Senhor Napumoceno …6 – Das achte Kapitel des Testaments von Senhor Napumoceno …7 – Maria da Graça bedauerte, dass Senhor Napumoceno seine …8 – Die Ledermappe verschaffte Maria da Graça eine beinahe …9 – Weil sie über die ständigen Misserfolge Senhor Fonsecas …

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Über Germano Almeida

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1

Die Verlesung des eigenhändig von ihm aufgesetzten Testamentes von Senhor Napumoceno da Silva Araújo dauerte einen ganzen Nachmittag lang. Als er auf der Seite 150 angelangt war, gestand der Notar, dass er müde war, und unterbrach sogar die Lektüre, um ein Glas Wasser zu erbitten. Und als er es in kleinen Schlucken trank, stöhnte er, der Verstorbene habe im Glauben, ein Testament zu verfassen, eher seine Memoiren geschrieben. Darauf bot sich Senhor Américo Fonseca an fortzufahren und führte an, er sei es gewöhnt, lange Texte laut vorzulesen, und der Notar nahm dieses Angebot gern an, weil seine Stimme, die, um der Amtshandlung Feierlichkeit zu verleihen, anfangs kräftig und wohlklingend gewesen war, immer schwächer geworden war und weil Carlos Araújo wie auch die Zeugen sich bereits sehr bemühen mussten, das Gemurmel zu verstehen, das aus seiner Kehle kam. Doch Carlos sah den Notar lächelnd an. Gleich zu Anfang, als er den riesigen Umfang des versiegelten Dokumentes sah, hatte er angeregt, dass es vielleicht nicht lohne, diesen Wälzer zu lesen, denn schließlich sei man fast en famille, zumindest unter ganz und gar vertrauenswürdigen Leuten, er schlage deshalb vor, das Testament als bekannt zu erklären, er werde es zu Hause aufmerksam und sorgfältig lesen, schon weil er die Absicht habe, allen Wünschen des Verstorbenen peinlich genau zu entsprechen. Der Notar lehnte dennoch diese Erleichterung entschieden ab, Gesetz sei Gesetz, es sei dazu da, erfüllt zu werden, und wenn das Gesetz besagte, alles müsse verlesen werden, dann müsse eben alles von Anfang bis zum Ende in Anwesenheit von Zeugen verlesen werden, und allein aus diesem Grunde seien die Herren Américo Fonseca und Armando Lima anwesend, die mit ihrer Unterschrift bezeugen würden, dass sie der gesamten Verlesung des Dokumentes beigewohnt hätten. Und indem er sich räusperte, hatte er um 14 Uhr 45 mit dem Verlesen begonnen, doch gegen 16 Uhr 10 räumte er ein, müde zu sein und keine Stimme mehr zu haben. Senhor Fonseca las bis 17 Uhr 20, dann bat ihn Senhor Lima bescheiden lächelnd, auch ihn ein Stückchen lesen zu lassen. Ihm fiel deshalb die Verlesung des handgeschriebenen Teils zu, der allerdings in so kleiner Schrift verfasst war, dass er sich mehrfach an einigen Worten verschluckte und noch einmal von vorne lesen musste, und so kam es, dass es den Beteiligten erst gegen 18 Uhr 30 möglich war, jedes einzelne Blatt des besagten Testaments mit ihrem Handzeichen zu versehen, und der Notar dann anordnete, es unter dem Bündel der entsprechenden Urkunden zu den Akten zu nehmen. Nachdem dies geschehen war, drückten die Anwesenden Carlos die Hand, die dieser ihnen notgedrungen ausstreckte, und sprachen ihm ihr tiefstes Beileid aus. Carlos riss sich zusammen und brachte die Kraft für ein Lächeln und ein Scheiß drauf! auf, und indem er allen für ihre Mühe dankte, sagte er, dass angesichts der Umstände jene Maria da Graça für die Auslagen aufkommen müsse und er es richtig fände, dass die Zeugen für ihren verlorenen Nachmittag entgolten würden. Doch während er sich das Jackett anzog, verlor er einen Augenblick lang die Fassung, und es gelang ihm nicht, ein In der Hölle schmoren soll der verdammte Alte! zu verschlucken, was Senhor Fonseca feierlich tadelte, indem er ihn schüchtern lächelnd darauf hinwies, dass jene heftigen Worte und jenes schroffe Verhalten weder zu dem Mann passten, der er sei und den alle kannten, noch zu der Kleidung tiefster Trauer, die er trage. Jedenfalls habe der Verstorbene seinen Neffen nicht vergessen, er habe ihm doch noch etwas hinterlassen, letztlich sei das doch ein großartiger Alterssitz. Deshalb sei es nicht angebracht, dem verstorbenen Onkel den nötigen Respekt zu versagen, dessen Erbe er ja schließlich sei. Doch Carlos, der aufgrund des Tadels noch blasser wirkte, ließ ihn kaum ausreden und sagte, er habe im Verhältnis zu dem, was er bekommen habe, schon viel zu viel Zeit verloren, winkte ihnen zum Abschied und lief nach Hause, Scheiß auf die Trauerkleidung, und zog sich normale Kleider an.

2

Ein neues Licht auf das Leben und die Person des illustren Verblichenen nannte Senhor Américo Fonseca bereits auf dem Wege nach Lombo de Tanque die Eröffnung des Testaments von Senhor Napumoceno. Und Senhor Armando Lima fügte mit der Akribie eines Buchhalters im Ruhestand hinzu, dass dieses Licht alles völlig anders aussehen lasse. Und während er neben Senhor Fonseca dahinschritt, philosophierte er darüber, dass kein Mensch je behaupten könne, einen anderen im ganzen Ausmaß und in der ganzen Tiefe seines Geheimnisses zu kennen. Denn wer hätte je gedacht, dass Napumoceno da Silva Araújo fähig gewesen wäre, die Anwesenheit seiner Putzfrau im Büro dazu auszunutzen, sie in allen Ecken des Zimmers und auf dem Schreibtisch zu lieben, und sogar noch so weit zu gehen, ihr auf der Glasplatte ein Kind oder, besser gesagt, eine Tochter zu machen! Senhor Fonseca stimmte seinem Freund mit einem Kichern zu und lachte dann noch einmal über die Tatsache, dass selbst sie, die engsten Freunde des Verstorbenen, nie auf den Gedanken gekommen wären, dass er eine Geliebte, geschweige denn eine Frucht der Liebe gehabt habe. Natürlich würden jetzt viele Leute kommen und auf Ähnlichkeiten hinweisen, sagen, man sieht es im Gesicht, es sind die gleichen wässrigen Augen usf., die Wahrheit sei indes, dass 25 Jahre lang, falls jemand etwas geahnt hätte, nicht einmal hinter vorgehaltener Hand jemand zu sagen gewagt habe, dass er ein Kind habe oder, besser gesagt, eineTochter.

Und dennoch, als alles herausgekommen war und die Tatsachen belegt waren, zuerst einmal aufgrund des Testamentes und weiterer einzelner verschiedener Schriftstücke, die ordentlich nummeriert und in unterschiedlichen Ordnern mit einer Aufstellung der Daten und Inhalte archiviert worden waren, und dann wegen der Enthüllungen, die Dona Chica selbst machte, weil sie fand, dass es ihre Pflicht sei, der Tochter die Einzelheiten ihrer Zeugung anzuvertrauen – sah man, was man schon lange hätte sehen können, dieses feine schwarze Haar war genau das des Verstorbenen, die hohe Stirn war, da gab es überhaupt nichts, seine Stirn, und selbst die Haltung des Mädchens entstammte nicht ihrer Abkunft von einer Putzfrau, und ganz gewiss floss Händlerblut in ihren Adern.

Auch wenn diese Kommentare richtig waren, so steht doch fest, dass niemand in verleumderischer Absicht, aus purer Taktlosigkeit oder nur zum Spaß Maria da Graça in den 25 Jahren, in denen sie nicht den Namen Araújo trug, auf eine mögliche Verwandtschaft mit Senhor Napumoceno, Im- und Exportkaufmann, Großhandelslager, hingewiesen hatte, vielleicht auch deshalb nicht, weil Dona Chica, gleich nachdem sie von ihrer ungewollten Schwangerschaft erfahren hatte, urplötzlich schwer krank geworden war und deshalb die Stadt verlassen hatte. Wie sie viele Jahre später ihrer Tochter erzählte, habe sie diese Unannehmlichkeit unvorbereitet getroffen, nicht nur, weil sie immer davon überzeugt war, unfruchtbar zu sein, sondern auch, weil sie damals schon über 40 und außerdem Senhor Chenche selbst auch nicht mehr jung war. Doch unglücklicherweise hatte es damals noch nicht diese Pillen zum Nichtgebären gegeben, ganz zu schweigen von den nach der Unabhängigkeit begründeten Familienplanungs- und Schwangerschaftsabbruchsprogrammen. Deshalb musste man, wenn einen dieses Unglück traf, alles in Gottes Hände legen. Und so zog Dona Chica noch bis hinter Lombo de Tanque, kam nicht einmal zum Einkaufen in die Stadt und erhielt jeden Monat als Rente durch einen Überbringer pünktlich einen Umschlag, dessen Inhalt von der Firma Ramires-Araújo, Lda., stammte. Dennoch hätte die merkwürdige Tatsache die Nachbarn zum Nachdenken veranlassen können, dass Dona Chica, als sie im Radio die Nachricht vom Dahinscheiden des wohlbekannten Kaufmanns unserer Kaufmannschaft und einer der aktivsten Stützen unserer Stadt – Senhor Napumoceno da Silva Araújo erfuhr, schreiend im Haus umhergestürzt war und mein Beschützer, mein Gott, was wird jetzt aus mir geweint hatte, ganz anders als bei der gemessenen Trauer beim Tode ihres seligen Silvério, möge er in Frieden ruhen, der zwar kein Ausbund an Tugend, aber auch kein Schuft gewesen war. Trotzdem, als Dona Chica in Ohnmacht gefallen war, sofort Zuckerwasser geholt, sie an die frische Luft gebracht werden musste, die Frauen ihr das Mieder auszogen und weitere Kleidungsstücke, die eine freie Luftzufuhr behinderten, als Dona Chica dann auf dem Liegestuhl hingegossen lag, war niemand auf den Gedanken gekommen, zwei und zwei zusammenzuzählen, und so war dieser kleine Unterschied schlicht und einfach übersehen worden. So war es dem einzigen Neffen des illustren Verblichenen, Carlos Araújo, dem beinahe direkten Erben, da andere nähere Verwandte noch nicht bekannt waren, möglich gewesen, dem illustren Verblichenen großzügig ein Loblied zu singen, sein arbeitsames, rechtschaffenes Leben zu preisen, seinen Einsatz für die stiefmütterliche, aber dennoch geliebte Heimat, die Liebe zu seinem Volk, für das ihm kein Opfer zu groß war, sein langes Leben als ehrbarer, seiner Stadt verpflichteter Kaufmann, und zum Abschluss hatte er noch an sein vorbildliches Verhalten in Bezug auf Frauen erinnert: In seinem langen, beinahe 80 Jahre währenden Leben wurde keine einzige Affäre bekannt. Daher, meine Damen und Herren, hat er recht gehabt, als er in einem dem Testament beigefügten Brief darauf bestand, auf dem Weg zu seiner letzten Ruhestätte von den feierlichen, wohltönenden Akkorden des Trauermarsches des großen Beethoven begleitet zu werden. Ihm, Carlos, sei dies als die logische Folge eines ganzen, der Arbeit und Keuschheit geweihten Lebens erschienen. Und ebendaher habe er, sein einziger Verwandter, keine Mühe gescheut, diesen Willen zu erfüllen, so wie er alles dies auch täte, damit die Firma Ramires-Araújo, Lda., nichts von der Aura des von seinem geliebten, zutiefst betrauerten, unvergessenen Onkel strebsam errungenen Ansehens verlöre.

Carlos Araújo hatte diese feierlichen Worte am Rand des Grabes von Senhor Napumoceno gesprochen, und in gewisser Hinsicht konnte er bereits dort beweisen, wie sehr er sich bemüht hatte, dem Verstorbenen zu entsprechen, indem er den Anwesenden die drei Träger zeigte, die ein riesiges Tonbandgerät und zwei schwere, leistungsstarke Lautsprecher transportierten. Denn die Erfüllung des ersten von ihm erteilten Auftrages war auf ein unvorhergesehenes, beinahe unüberwindliches Hindernis gestoßen, weil sie auf den ersten Blick die örtlichen Möglichkeiten überstieg. Es ist in der Tat so, dass es in Mindelo Tradition ist, dass zu einer Beerdigung eine Musikkapelle gehört, und somit hatte Senhor Napumoceno keine Tradition infrage gestellt, was allerdings nicht für die Musik galt, die er sich ausgesucht hatte. Und das Hindernis tauchte auf, nachdem Carlos sich durchgefragt und schließlich erfahren hatte, was es mit diesem Trauermarsch auf sich hatte, denn am Morgen bei der Lektüre des Briefes hatte er sich keine Sorgen gemacht, er war ganz im Gegenteil beruhigt gewesen, bei den Marotten des Onkels konnte man ja auf alles gefasst sein, wie gut, dass es nur das war. Er hätte auf die Idee kommen können, eine Feuerbestattung oder eine Seebestattung zu erbitten. Aber so musste man nur dem Leiter der Musikkapelle sagen, dass die Musik auf dem Weg zum Grabe schlicht der Trauermarsch sei. Das Hindernis tauchte dann aber auf, als der Leiter fragte, was denn das für eine Geschichte mit dem Trauermarsch sei, und Carlos, der inzwischen wusste, was das für ein Marsch war, antwortete leichthin, er sei von irgendeinem Beethoven. Das spielen wir nicht, weigerte sich der Leiter. Bei den Beerdigungen spielen wir immer Djosa quem mandób morrê. Von diesem anderen Trauerdings habe ich noch nie etwas gehört. Außerdem ist es Unsinn. Wenn alle immer mit Djosa zum Friedhof gegangen sind und es nie Klagen gegeben hat, warum kommt jetzt Senhor Napumoceno und nervt uns mit diesem anderen Stück? Wenns Djosa sein soll, stehe ich zu Ihren Diensten. Was das andere betrifft, da läuft nichts.

Der Leiter der Musikkapelle hatte damit nur allzu recht. Seine Künstler beherrschten das Djosa vollkommen, sie spielten es vom Kirchtor bis zum Friedhof mit Variationen, die selbst dem Hartgesottensten Tränen in die Augen trieben, und es war daher nur verständlich, dass sie auf diesen Trumpf nicht verzichten und sich nicht an Unbekanntes heranwagen wollten, indem sie Musikstücke spielten, die womöglich nicht so viel Gefühl und Zerknirschung auslösten wie das Djosa. Daher brachte es Carlos nichts, dass er nicht lockerließ und meinte, die Beerdigung sei doch erst am späten Nachmittag, sie hätten fast noch den ganzen Tag, um zu üben, er würde für den Zuckerrohrschnaps während der Proben aufkommen, ein Mittagessen für alle und dazu noch einen Extralohn für jeden bezahlen. Weil sie unnachgiebig und geeint auf ihrer Ablehnung beharrten und Carlos seinerseits auch nicht einlenkte, es sei schließlich der Letzte Wille des Verstorbenen, in seiner Eigenschaft als Universalerbe könne er ihm nicht zuwiderhandeln, drohte er sogar, ein Sonderflugzeug zu chartern, um die Banda Municipal, die städtische Musikkapelle von der Insel Praia oder sogar eines der Tanzorchester kommen zu lassen.

Aber er wusste, dass dies nur Prahlerei war, denn es wäre nicht nur eine verrückte und unnötige Ausgabe, sondern auch noch eine Schande für Mindelo, wenn er ein fremdes Orchester importierte, um einen Beerdigungszug anzuführen, und er wusste nicht, was er machen sollte, bis ihm der Chef der Kapelle selbst die Lösung präsentierte. Als der nämlich das Djosa in dieser Form abgelehnt und herabgewürdigt sah, murmelte er beleidigt, dass ein Verstorbener eines Tages vielleicht ja noch Roberto Carlos oder einen Reggae haben wollte oder so was Ähnliches. Und da fand Carlos über eine einfache Assoziation die Lösung. Roberto Carlos erinnerte ihn an den Plattenspieler, und er verabschiedete sich vom Leiter der Musikkapelle mit der Drohung, dass die Firma Ramires-Araújo, deren Vertreter er von diesem Tag an sei, einen solchen Affront gegen ihren Gründer nicht vergessen werde.

Weil es für den Transport geeigneter war, nahm er statt eines Plattenspielers ein Tonbandgerät und überspielte 1200 Meter Trauermarsch in 14-facher Wiederholung auf eine riesige Spule. Allerdings war so viel gar nicht nötig, denn bei der Hälfte der siebten Wiederholung ließ er ihn abstellen und begann seine Rede.

Carlos war ein gut aussehender Mann, und ihm war bewusst, dass der schwarze Anzug seine Erscheinung als dynamischer, unternehmerischer Mann, als den ihn die Kaufmannschaft kannte, nur noch unterstrich. Doch er wollte die Feierlichkeit des Augenblicks dazu nutzen, sich beim Publikum von Mindelo nicht nur als rechtmäßiger Erbe eines ehrbaren Namens, sondern auch als die richtige Person, als Leiter der Geschicke der alten Ramires-Araújo, Lda., darstellen, die er im Traum schon als die größte Firma der Stadt sah. Und daher hatte er es auch nicht für unter seiner Würde angesehen, einen Anwalt seines Vertrauens dafür zu bezahlen, dass er ihm die Rede schrieb, mit der er einen Meilenstein zwischen das setzte, was die Firma gestern war, und dem, was er in Zukunft aus dieser Firma machen würde. Er begann daher, die vielen Gaben des Verstorbenen zu loben, sein ganz besonderes Geschick für Geschäfte, die Art, wie er ganz allein von null an eine der größten Handelsfirmen der Stadt, vielleicht sogar des Landes, geschaffen hatte. Er sprach von der Ehrlichkeit der Buchführung, der Bedeutung, die er der Genauigkeit der Buchführung beimaß, in die zwei Centavos ebenso Eingang fanden wie größere Beträge. Er sagte auch, dass es gewiss diese Genauigkeit war, die ihn dazu befähigt habe, sein Anfangskapital mehr als einmillionenmal zu vermehren. Dort am Grabe bereute er einige Enttäuschungen, die er seinem geliebten Onkel bereitet hatte und die viele der Anwesenden sicher kannten. Er persönlich fühle sich des Schicksals unwürdig, das ihn erwarte; doch der Onkel sei würdig und ehrbar gewesen, und zweifellos werde die hier anwesende Menge wissen, dass die dankbare Anerkennung der Bevölkerung der gastfreundlichen Stadt Mindelo diesem Wohltäter gelte, dessen Haus niemand mit leeren Händen verließ, sei es auch nur mit fünf Centavos, sei es mit einem Brot, sei es auch nur mit einer Zigarette. Daher wolle er an diesem geheiligten Orte für die Geste der Kaufmannsvereinigung danken, die ihre würdigen Mitglieder gebeten hatte, ihre Geschäfte zu schließen, damit alle ihre Angestellten jenen zu seiner letzten Ruhestätte geleiten konnten, der … usf.

Und nachdem er das Papier zusammengefaltet hatte, kamen alle, um ihm das Beileid auszusprechen, Mein tief empfundenes Beileid, Ich bin in diesem Schmerz in Gedanken bei dir, defilierten die Anwesenden, während zwei Männer Senhor Napumoceno mit Erde bedeckten. Während er die Beileidsbezeugungen entgegennahm, dachte Carlos darüber nach, dass es doch sehr viel einfacher und bequemer war, die Hände gleich dort auf dem Friedhof zu schütteln, den Ärger und die Umstände zu vermeiden, das Haus voller Leute zu haben, die ständig raus- und reinkamen. Dennoch hatte er unter dem Druck, den Vormittag nicht für Besuche zur Verfügung zu haben, eine Neuerung eingeführt, die die Technik des Trauerns revolutionieren sollte: Er hatte einen Raum im Haus für Beileidsbesuche vorgesehen und dort ein schwarz eingebundenes Buch und einen angemessenen Federhalter ausgelegt. So konnte jeder, der während seiner Abwesenheit kam, insbesondere in der Zeit, als er die Tonbandaufnahmen machte, seinen Namen und schwarz auf weiß, unmissverständlich eine Nachricht hinterlassen. Am Ende würde er wissen, wer sich die Ehre gegeben hatte und wer nicht.

Carlos war inzwischen müde geworden und hatte Lust, sich mit einem Glas in der Hand auszuruhen, und konnte es kaum erwarten, dass Erde seinen Onkel bedeckte, damit er endlich gehen und ein erholsames Bad nehmen konnte. Denn seitdem er die Nachricht erhalten, sich zum Haus des Onkels begeben und den Brief geöffnet hatte, den er auf dem Schreibtisch vorgefunden hatte, war ihm in dem ganzen Hin und Her keine ruhige Minute vergönnt gewesen. Neben der Musik gab es nämlich ein weiteres Problem, das alles durcheinanderbrachte und all diejenigen mit offenem Mund dastehen ließ, die den Verstorbenen gekannt, vor allem aber die, die der Eröffnung seines Testamentes beigewohnt und festgestellt hatten, wie solide seine wirtschaftliche Lage war. Als man unter den Habseligkeiten des Verstorbenen nach einer für den Sarg angemessenen Bekleidung suchte, hatte man festgestellt, dass nur ein einziger Anzug existierte, der sich zudem noch in einem unglaublich schlechten Zustand befand. Tatsächlich war der Anzug schlicht und ergreifend verschimmelt, strömte Leichengeruch aus, schien eine Ewigkeit in einem abgeschlossenen Raum zugebracht zu haben, in dem es nicht nur an Luft gefehlt hatte, sondern wo er auch den Angriffen von Küchenschaben und anderem Getier ausgesetzt gewesen war. Niemand konnte die Nachlässigkeit des Verstorbenen erklären, und es gab auch keine Zeit, um eine Erklärung zu finden, denn worauf es jetzt ankam, war, schnell eine Lösung für das Missgeschick zu finden. Auf Blatt 168 folgende seines Testaments jedoch, in dem Teil, in dem Senhor Napumoceno seine Kleidungsstücke verteilt, lieferte er die Erklärung dieser auf den ersten Blick absurd wirkenden Tatsache, indem er eingehend die Gründe dafür darlegte, weshalb er nur diesen einen Anzug besaß. Es habe, schrieb er, einen Augenblick in seinem Leben gegeben, in dem er etwas leichtfertig den Vorschlag angenommen habe, sich mit der an diesem Handelsplatz bekannten Firma Ramires & Ramires, Lda., zusammenzuschließen, um die Ramires-Araújo, Lda., zu gründen. Indes habe er sich, bevor er diesen Entschluss traf, nicht darum bemüht, die notwendigen Auskünfte über die sicherlich genauen Details zur Lage und Stabilität der Ramires’ einzuholen, habe nicht nur der öffentlichen Meinung vertraut, dass Ramires stark, Ramires solide sei, Ramires Kapital und Kredit habe, sondern auch der Arroganz der Ramires’, die sich in der Stadt, offen gestanden, so aufführten, als seien sie die Könige, und nicht nur im Grémio-Club mit hohen Einsätzen spielten, sondern ständig zu Abendessensgelagen in ihr Haus einluden. Kurz nachdem er den größten Fehltritt seines Lebens als Kaufmann gemacht habe, seien ihm allerdings Klagen über kleine finanzielle Schwierigkeiten seitens der Ramires’ zu Ohren gekommen. Und fast routinemäßig habe er eine eingehende Untersuchung begonnen, die ihn dann in größte Unruhe versetzte, weil er habe feststellen müssen, dass den Ramires’ das Wasser bis zum Hals stand, dass sie wirtschaftlich geschwächt waren und sogar ernsthaft Schwierigkeiten hatten, ihren Anteil an der neuen Gesellschaft einzuzahlen. Da sei ihm bewusst geworden, dass er nicht mit der notwendigen Sorgfalt verfahren war, als er sich mit der einfachen Zeichnung der Anteile zufriedengegeben und nicht beim Gründungsakt der Gesellschaft deren Einzahlung verlangt habe, was ihn allerdings zuerst stutzig gemacht und später sich unbehaglich habe fühlen lassen. Und er habe den Schluss daraus gezogen, dass es weder angeraten war, seine eigene, bereits starke wirtschaftliche Stellung in irgendeiner Weise durchblicken zu lassen, und noch viel weniger, sich mit ihr zu brüsten. Er habe sogar befürchtet, dass jede Art von Äußerung darüber nicht nur gegen ihn arbeiten, sondern ihm möglicherweise auch noch schaden könne. Ganz im Gegenteil, er musste seine materielle Lage vor ihnen verbergen, ihnen in Bezug auf seine Ausgaben das Bild strengster Sparsamkeit bieten, sich als jemand zeigen, der seinen Alltag zwar selbstverständlich nicht ohne das erforderliche Behagen des Magens, aber auch ohne die unsinnige Übertreibung eines täglichen Beefsteaks zubrachte. Daher beschloss er als eine der ersten Maßnahmen in dieser Richtung, die Extravaganz zweier Anzüge pro Jahr zu streichen, ein Anzug in zwei Jahren war mehr als genug für seine gesellschaftlichen Verpflichtungen. Und immer wenn ein Anzug zwei Jahre gut und ordentlich gedient hatte, entließ er ihn, schickte ihn in Rente und ordnete an, ihn auf dem Markt auf der Praça Estrela zu verkaufen.

Und an dieser Stelle sollte man noch erwähnen, dass der Markt auf der Praça Estrela im Testament des Herrn Napumoceno einer besonderen Erwähnung wert war. Er verglich ihn mit einem Mini-Flohmarkt und schrieb, dass er dort vor Jahren die Glasperlenlampe gekauft habe, um die er so beneidet wurde und die alle, die sein Haus besuchten, begehrlich ansahen, die er aber ausdrücklich seiner heimlich angebeteten Tochter, Maria da Graça, als Geschenk vermachte.

Doch was den Anzug betrifft, so erklärte er, dass er, nachdem Jahre vergangen waren und er vom Schrecken der Ramires’ befreit war, diese ihm förderlich erscheinende Gewohnheit des Zweijahresanzuges beibehielt, wozu mehr Anzüge, im Grunde genommen ist es ein unnötiger Luxus in einem Land, in dem Anzug und Krawatte nur eine Hochzeit oder eine Beerdigung – und das nicht einmal bei allen diesen Veranstaltungen – bedeuteten. Nun geschah es aber, dass in der Zeit vor der Unabhängigkeit des Landes, das bisher wegen der Mäßigkeit seiner Sitten bekannt war, eine nie gesehene Welle der Kriminalität die Stadt heimsuchte, die zur Unruhe, die die schwerwiegende politische Entscheidung schon allein mit sich brachte, die noch größere Unruhe gesellte, die die fehlende Sicherheit für Menschen und Güter hervorrief. Er, Napumoceno, wolle bei dieser Gelegenheit klarstellen, dass er, trotz seiner Aufmerksamkeit und seines Interesses als guter Staatsbürger, der er stets gewesen sei, was die Unabhängigkeit betraf, keinesfalls die nicht anzuzweifelnden und ausreichenden Grundinformationen erhalten habe, die er gebraucht habe, um, seinem Gewissen folgend, eine Entscheidung zu treffen. Er habe beispielsweise festgestellt, dass jene, die eine Föderation mit Portugal anstrebten, mit der gleichen Intoleranz vorgingen wie jene, die ihre Gegner nur ins Meer treiben wollten. In einem solchen Klima könne niemand, der bei rechtem Verstand war, seinem Gewissen folgend wählen, und daher habe er, als er sah, wie die Büsten verehrungswürdiger Personen wie die des großen Dichters José Lopes oder die von Professor Duarte Silva zerstört oder durch die Straßen der Stadt geschleift wurden, als wären die berühmten Söhne des Landes Schwerverbrecher und würden die schimpflichsten Strafen verdienen, beschlossen, sich in sein Haus zurückzuziehen, in aller Ruhe sein Testament zu schreiben und geduldig den Tod zu erwarten. Dennoch habe ihn ein Impuls, der nicht allein spiritueller, sondern sogar körperlicher Art war, eine Kraft, deren Ursprung ihm unbekannt war, die indes seine Entscheidungen bestimmte, als er die Niederschrift zur Hälfte fertig hatte, dazu gezwungen, São Nicolau, seinem Heimatort, einen letzten Besuch abzustatten, und er habe gefühlt, dass diese Kraft, die ihn trieb, stärker als er selber war, und obwohl ihn Fragen wie diese quälten, nämlich Was wird während meiner Abwesenheit mit meinem Haus geschehen?, habe er mit seinen Reisevorbereitungen begonnen. Denn er wusste, dass die Menschen am helllichten Tag überfallen wurden, dass unter der Sonne maskierte Männer gewaltsam in die Häuser eindrangen und sogar die Frauen vergewaltigten. Und was würden sie wohl mit einem Haus tun, das nicht nur einsam gelegen war, sondern auch noch leer stand! Und dennoch, trotz der Gefahr, alles zu verlieren, habe er gewusst, dass er nicht umhinkonnte, das zu tun, was ihm aufgetragen war. Und habe er beschlossen, einen einzigen Gegenstand sicher zu verwahren: seinen Anzug, der ihm einst als Totenkleidung dienen würde. Und er habe im ganzen Haus nur einen Platz dafür gesehen: die Speisekammer. Und daher habe er den Anzug in der Speisekammer verwahrt, die Tür zugeschlossen und sei abgereist.