Das Vagus-Training - Dr. med. Ellen Fischer - E-Book
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Das Vagus-Training E-Book

Dr. med. Ellen Fischer

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Beschreibung

 Das umfassendste Übungsbuch rund um den Vagusnerv  Das vegetative oder autonome Nervensystem verrichtet seine Arbeit ohne unser bewusstes Zutun. Es steuert die Funktion unserer Organe und Gefäße und nimmt Einfluss auf unser Hormon- und Immunsystem. Seine Bedeutung ist enorm! In diesem Buch erfahren Sie endlich mehr über dieses rätselhafte System, das immer im Hintergrund arbeitet und so viel Einfluss auf unser  körperliches und emotionales Wohlbefinden  hat – und natürlich über seinen prominentesten Vertreter, den Vagusnerv. Im ersten Teil lernen Sie die Polyvagal-Theorie und die drei Anteile des vegetativen Nervensystems kennen: das alte parasympathische System, den Sympathikus und das neue parasympathische System. Sie bekommen einen Überblick über Entwicklung, Funktion, Anatomie und erfahren alles über die mehr oder weniger angenehmen Regulationszustände dieses Systems. Der zweite Teil zeigt Ihnen, wie Sie die Balance Ihres vegetativen Nervensystems  aktiv fördern  können. Mit  über 25 Übungen  können Sie bewusst regulierend auf diesen unbewussten Teil Ihres Nervensystems einwirken – je nachdem, ob Sie Entspannung oder Anregung brauchen. Eine vielfältige Übungspalette zeigt Ihnen, wie Sie: - mit der  Release-Technik  Bewegungsapparat, Organe und sogar Gefäße entspannen, - die  Hirnnerven aktiveren , - mit dem Atem üben, - die  Kraft der Visualisierung  nutzen, - und mit  heilenden Berührungen  zum Beispiel das limbische System beruhigen und den Magen-Darm-Trakt harmonisieren können.

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Seitenzahl: 172

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Impressum

© eBook: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

GU ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Franziska Daub

Lektorat: Andrea Panster

Bildredaktion: Nadia Gasmi, Nele Schneidewind

Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München

eBook-Herstellung: Isabell Rid

ISBN 978-3-8338-7848-0

2. Auflage 2022

Bildnachweis

Coverabbildung: Susanne Schramke

Illustrationen: Michael Vestner/kombinatrotweiss

Fotos: Susanne Schramke; Adobe Stock; Getty Images; iStock; Mauritius Images; Science Photo Library; Shutterstock; Stocksy

Haare & Make-up: Corina Friedrich

Syndication: www.seasons.agency

GuU 8-7848 05_2021_02

Das vorliegende E-Book basiert auf der 5. Auflage der Printausgabe.

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wir wollen Ihnen mit diesem E-Book Informationen und Anregungen geben, um Ihnen das Leben zu erleichtern oder Sie zu inspirieren, Neues auszuprobieren. Wir achten bei der Erstellung unserer E-Books auf Aktualität und stellen höchste Ansprüche an Inhalt und Gestaltung. Alle Anleitungen und Rezepte werden von unseren Autoren, jeweils Experten auf ihren Gebieten, gewissenhaft erstellt und von unseren Redakteuren/innen mit größter Sorgfalt ausgewählt und geprüft.

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GRÄFE UND UNZER VERLAG Grillparzerstraße 12 81675 München

Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

DAS VAGUS-TRAINING

WAS SIE DAMIT ERREICHEN KÖNNEN:

Schneller Abschalten nach Stress

Besser schlafen

Belastungssymptome reduzieren

Verspannungen abbauen

Funktionelle Beschwerden von Herz, Kreislauf und Bauchorganen lindern

Autoimmunerkrankungen günstig beeinflussen

Die nonverbale Kommunikation mit anderen Menschen verbessern

Den Erfolg einer Traumatherapie unterstützen

Immer mehr Menschen leiden unter den Folgen von Stress wie starken Verspannungen, Kreislauf- und Verdauungsproblemen, Schlafstörungen und Erschöpfung. Aus diesem Grund wächst das Interesse am Vagusnerv: Er ist das Tor zu Selbstregulation und Regeneration, zu Ausgeglichenheit und Wohlbefinden.

Dr. med. Ellen Fischer

ist Yogalehrerin und Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin. Sie verfügt über eine umfangreiche psychosomatische und manualtherapeutische Ausbildung und behandelt in ihrer Praxis Menschen mit Schmerzen aller Art. Im Jahr 2007 nahm sie an einem Seminar des Wissenschaftlers Stephen Porges über die Polyvagal-Theorie teil. Seither stehen der Vagusnerv und die Regulation des vegetativen Nervensystems im Mittelpunkt ihrer therapeutischen Arbeit.

EIN WORT VORAB

»Man muss sich aufregen können, und man muss sich wieder abregen können.« Mit diesem Satz leitet der renommierte Neurowissenschaftler Gerhard Roth üblicherweise seine lehrreichen Vorträge ein. Unser Nervensystem und unser Organismus können beides: auf der einen Seite hellwach sein und geistige sowie körperliche Höchstleistungen erbringen; auf der anderen Seite regungslos verharren und sich in tief entspannte Zustände versenken. Für die Gesundheit ist es am besten, wenn wir rhythmisch zwischen aktiven und passiven Zuständen hin- und herpendeln.

Der typische Alltag der Menschen in westlichen Kulturen bietet leider mehr Anlässe, sich aufzuregen, als Zeiträume für Ruhe und Regeneration. Dies gilt ganz besonders für die Bewohner von Großstädten. Künstliche Beleuchtung erlaubt es, die Nacht zum Tag zu machen. Moderne Kommunikationsmittel verwischen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. Permanente Erreichbarkeit erschwert das Abschalten.

Dies bleibt nicht ohne Folgen. Seit mehr als zehn Jahren sind Stressfolgen wie Angst, Depressionen und Erschöpfung in Deutschland mit mehr als 30 Prozent der häufigste Grund für Frühverrentungen. Bei den erwachsenen Bundesbürgern gehen mehr als 60 Prozent aller Arztbesuche auf das Konto von Gesundheitsstörungen, die direkt oder indirekt durch psychische Belastung verursacht werden.

Die Fähigkeit, »sich abregen zu können«, also die Fähigkeit zur bewussten Selbstregulation, wird deshalb immer wichtiger. Dabei spielen das vegetative Nervensystem und der Vagusnerv eine zentrale Rolle.

Finden Sie mithilfe des Vagusnervs zurück ins Gleichgewicht!

DER VAGUSNERV UND SEINE MITSPIELER

Eine Reise durch die Evolution macht Sie mit den Funktionen des parasympathischen und des sympathischen Nervensystems vertraut, bevor es ins anatomische Detail geht. Sie erfahren, was Sie aus dem Gleichgewicht bringt und wie Sie Ihren Regulationszustand erkennen.

UNSER VEGETATIVES NERVENSYSTEM

Als vegetatives Nervensystem bezeichnet man die Anteile des menschlichen Nervensystems, welche die Funktion von Organen und Gefäßen steuern. Es wird in vielen medizinischen Texten als »autonomes Nervensystem« bezeichnet, weil es auch ganz ohne die Mitwirkung unseres Bewusstseins tadellos funktioniert und sich nicht direkt durch den Willen beeinflussen lässt. Es handelt sich um ein komplexes System, das in den Jahrmillionen der Evolution Schritt für Schritt entstanden ist. Der Sympathikus ist verantwortlich für das »Aufregen«, also die Steigerung der Aktivität. Der Parasympathikus ist zuständig für das »Abregen«, also das Herunterregulieren des Körpers. Ihr Zusammenspiel lässt sich am leichtesten erklären, wenn man einen Blick in die Entwicklungsgeschichte wirft.

DAS VEGETATIVE NERVENSYSTEM IN DER EVOLUTION

Der Prozess der Evolution ist schon seit vielen Millionen Jahren im Gang. Es grenzt an ein Wunder, dass auf dem Planeten Erde überhaupt Leben entstanden ist und sich dieses Leben von einfachen einzelligen Organismen wie Mikroalgen und Bakterien zu immer komplexeren Formen weiterentwickelt hat. Die Entstehung neuer Pflanzen und Tierarten in Anpassung an ihre Umwelt nennt man »Phylogenese«. Auch der Mensch hat seinen Platz im Gefüge der Evolution. Er hat einen langen Stammbaum, und viele Vorgänge im menschlichen Organismus lassen sich nur aus dieser Entwicklungsgeschichte heraus erklären.

Alle Lebewesen stehen vor dem gleichen Grundsatzproblem: Sie benötigen Energie, aber nicht immer stehen beliebige Mengen davon zur Verfügung. Da kann es für das Überleben einer Art von großem Vorteil sein, besonders sparsam damit umzugehen.

Das Zeitalter der Reptilien

Betrachten wir zum Beispiel die Lebensweise der Reptilien, die seit 300 Millionen Jahren auf der Erde leben. Hier finden wir ein primitives parasympathisches Nervensystem, das bereits eine ganze Reihe von Prozessen im Organismus der Reptilien koordiniert:

Es gibt ein Atem- und ein Gefäßsystem: Über die Lunge wird Sauerstoff in den Körper aufgenommen und mithilfe des Blutes zu allen Organen transportiert.

Es gibt ein schlauchförmiges Verdauungssystem: Am Anfang wird die Nahrung aufgenommen. Im mittleren Abschnitt wird sie mittels chemischer Prozesse in ihre Bestandteile zerlegt und in den Organismus aufgenommen. Und am Ende wird alles, was nicht verdaut werden kann, aus dem Körper ausgeschieden.

Es gibt ein Fortpflanzungssystem: Das heißt, die weiblichen Tiere produzieren Eier und die männlichen Tiere Spermien. Es kommt zu einer Begattung, bei der die Eier befruchtet werden. Anschließend werden sie jedoch an einem geeigneten Ort abgelegt und sich selbst überlassen.

Genauso erhellend ist es, sich klarzumachen, was es bei den Reptilien nicht gibt:

Es gibt keine »Heizung«. Reptilien sind wechselwarm. Sie können ihre Körpertemperatur nicht konstant halten. Sinkt die Umgebungstemperatur, erstarren sie. Diese Erstarrung kann nur kurz, zum Beispiel über Nacht, oder über einen längeren Zeitraum wie den ganzen Winter anhalten. Es handelt sich auch keineswegs um einen passiven Prozess. Der gesamte Organismus muss gezielt heruntergefahren werden, um mit minimaler oder ohne jede weitere Sauerstoff- und Nahrungszufuhr überdauern zu können.

Es gibt kein »Gaspedal«. Reptilien können ihre Beute nicht über längere Strecken hinweg verfolgen. Sie sind sogenannte sit and wait feeders (»Lauerjäger«). Das heißt, sie sitzen in einem Versteck und warten ab, bis sich ein geeignetes Beutetier nähert. Nun schnellt ihre Zunge vor, oder sie machen einen Satz und schnappen zu.

Abhängig von der Umgebungstemperatur können Reptilien umgekehrt auch schlecht vor Fressfeinden davonlaufen. Aus diesem Grund sind die Tiere farblich so gut an ihren Lebensraum angepasst, dass sie bei Reglosigkeit optisch mit dem Hintergrund verschmelzen. Das heißt, sie schützen sich durch Erstarrung.

Reptilien können schlecht kommunizieren und kooperieren. Sie verfügen weder über eine Mimik noch können sie Laute bilden. Es gibt kollektive Verhaltensweisen wie die gemeinsame Eiablage von Tausenden von Schildkröten an einem Strand, aber meist keine Paarbildung oder Brutpflege.

»DIE EVOLUTION MACHT KEINE SPRÜNGE«

In der Biologie gibt es das geflügelte Wort: »Die Evolution macht keine Sprünge.« Von einer Generation zur nächsten ergeben sich nur minimale Veränderungen. Diese entstehen durch Mutationen, also durch dauerhafte Veränderungen des Erbguts, zum Beispiel durch Fehler beim Kopieren der Erbinformation.

Beim Menschen ist die Häufigkeit von Mutationen gut untersucht. Wir verfügen über ungefähr eine Million Gene, die man als Bauanleitungen für die Bestandteile des Körpers oder als Betriebsanweisung für alle nötigen Stoffwechselvorgänge betrachten kann. Vergleicht man das Erbgut der Eltern mit dem ihrer Kinder, findet man je nach Lebenssituation zwischen 50 und 500 Mutationen. Manche sind unbedeutend, viele sind von Nachteil für die Gesundheit. Mutationen, die einen Vorteil für das Überleben und die Fruchtbarkeit mit sich bringen und deshalb erhalten bleiben, sind die Ausnahme. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass immer wieder neue Arten mit ganz neuen Eigenschaften auf diesem Planeten aufgetaucht sind.

Das Zeitalter der Vögel

Unser Wissen über die Evolution ist noch immer lückenhaft. Eines aber ist bekannt: Die Vögel entwickelten sich vor etwa 160 Millionen Jahren. Sie waren die ersten Lebewesen, die ihre Körpertemperatur konstant halten konnten. Dies hatte für sie einen ganz entscheidenden Vorteil: Sie konnten ihre Eier warmhalten, sie selbst ausbrüten und damit auch bewachen und beschützen. Auf diese Weise erhöhten sie die Überlebenschancen ihres Nachwuchses.

Da sich die Vögel schon bis zum Schlüpfen um die Brut kümmerten, war es naheliegend, damit auch in den ersten Lebenswochen weiterzumachen. Doch dazu mussten die Elterntiere zusammenarbeiten und eine Möglichkeit haben, sich durch Signale zu verständigen. Die Jungvögel konnten den Eltern ihrerseits durch das Aufsperren ihrer Schnäbel und durch Laute signalisieren: Wir haben Hunger!

Außerdem waren die Vögel deutlich mobiler als die Reptilien. Dies gilt zum einen für die Geschwindigkeit, die bei der erfolgreichen Jagd eine Rolle spielt: Ein Wanderfalke kann im Sturzflug ein Tempo von 250 Kilometern in der Stunde erreichen. Es gilt zum anderen für die Ausdauer, die es zum Beispiel den Zugvögeln ermöglicht, weite Strecken zwischen Sommer- und Winterquartier zurückzulegen. Für warmblütige Tiere ist es von Vorteil, kalten Temperaturen ausweichen zu können, und auch für die Nahrungssuche ist es hilfreich, sich immer dort aufhalten zu können, wo es reife Früchte gibt. Die Weltmeisterin im Fernfliegen ist die Küstenseeschwalbe, die eine Distanz von etwa 40 000 Kilometern überwinden kann.

Da die Vögel das Energiesparen zugunsten eines neuen Lebensprinzips namens heat and speed (»Wärme und Geschwindigkeit«) aufgaben, wurden neue Schaltkreise im vegetativen Nervensystem benötigt. Dies war die Geburtsstunde des Sympathikus. Dieses neue Lebensprinzip blieb auch beim Menschen erhalten: Das sympathische Nervensystem kann die Fettzellen veranlassen, die gespeicherte Energie in Wärme umzusetzen.

Ein kleiner Tipp: Wer mit überflüssigen Pfunden kämpft, kann die Temperatur in seiner Wohnung etwas absenken. Eine Raumtemperatur von 18 °C ist ideal, um den Grundumsatz und den Kalorienverbrauch anzukurbeln.

Der Stammbaum des Menschen verrät auch, wie sich unser vegetatives Nervensystem entwickelt hat.

Das Zeitalter der Säugetiere

Ab wann ist ein Säugetier ein Säugetier? Und seit wann gibt es sie überhaupt? Darüber diskutieren Biologen seit vielen Jahren, und es werden immer wieder Fossilien gefunden, die dieser Diskussion neue Nahrung geben.

Die frühesten Tiere, welche die Eigenschaften von Säugetieren zeigten, lebten vor ungefähr 215 Millionen Jahren. Anders als die von Schuppen bedeckten Echsen und die Vögel mit ihrem Federkleid haben Säugetiere eine behaarte Haut, also ein Fell oder einen Pelz. Wie der Name schon sagt, verfügen die Muttertiere über Milchdrüsen, um ihre Nachkommen zu säugen. Deswegen findet bei den Jungtieren auch ein Zahnwechsel statt. Sie bekommen zuerst das sogenannte Milchgebiss, das so angelegt ist, dass es die Zitzen der Muttertiere nicht verletzt. Nach dem Ende der Säugephase erfolgt der Wechsel zum bleibenden Gebiss mit meist viel größeren und schärferen Zähnen.

Außerdem haben die Säugetiere ein deutlich größeres Gehirn im Vergleich zum Rest des Körpers sowie leistungsfähigere Sinnesorgane. Aber auch die frühen Säuger legten noch Eier oder brachten ihre Jungen in einem sehr unreifen Stadium zur Welt, um sie danach noch eine Weile in einem schützenden und wärmenden Beutel mit sich herumzutragen.

Das erste höhere Säugetier, das die gleichen Eigenschaften besaß wie die meisten der heute noch lebenden Säuger, tauchte vor etwa 60 Millionen Jahren in der Biosphäre auf, als die Dinosaurier schon ausgestorben waren. Die höheren Säugetiere haben eine Plazenta (»Mutterkuchen«). Sie wird während der Schwangerschaft in der Gebärmutter gebildet und sorgt für eine bessere Ernährung des heranwachsenden Nachwuchses, der deshalb deutlich ausgereifter zur Welt kommt. Wie weit das Jungtier bei der Geburt sein muss, ist stark von der Lebensweise der Art abhängig. Bei Tieren, die in Herden umherstreifen, sind die Jungen sogenannte Nestflüchter. Diese Bezeichnung ist ein wenig irreführend, da es meist kein Nest im wörtlichen Sinne gibt. Der Nachwuchs wird zum Beispiel in der Savanne geboren und muss in der Lage sein, innerhalb von Stunden auf die Beine zu kommen und den Eltern zu folgen.

Immobilisierungsprogramme gibt es auch bei Säugetieren, etwa diesem Siebenschläfer im Winterschlaf.

NEUE AUSSTATTUNG FÜR EIN KOMPLEXERES SOZIALVERHALTEN

Die Säugetiere entwickelten ein sehr viel komplexeres Sozialverhalten, als man es bei den Vögeln findet. Auch die Jungtiere werden noch intensiver umsorgt. Dies beginnt meist direkt nach der Geburt damit, dass das Muttertier den frischgeborenen Nachwuchs gründlich ableckt, um ihn von Blut und anderen Überresten der Geburt zu säubern. Selbstverständlich haben auch die Reptilien und Vögel schon eine Zunge, aber lecken können sie damit nicht.

Das Saugen ist ebenfalls eine neue Erfindung der Ära der Säugetiere – genau wie das Kauen. Reptilien verschlingen ihre Beute üblicherweise im Ganzen oder nur grob zerkleinert. Für den Kauvorgang waren einige neue anatomische Strukturen nötig: Bewegliche Kiefer, mit Muskeln versehene Lippen und Wangen, ein Gebiss mit unterschiedlichen Zähnen zum Abbeißen und Kauen.

Ein komplexeres soziales Gefüge verlangt auch nach vielfältigeren Möglichkeiten der Kommunikation. Zur Körpersprache kommt die Mimik, die Lautbildung wird von den Arten unterschiedlich stark genutzt. Deshalb gewinnen die Hirnnerven, die einerseits die Informationen der immer komplexeren Sinnesorgane zum Hirn transportieren und andererseits Kiefer- und Gesichtsmuskeln steuern, bei den Säugetieren an Bedeutung.

Unter den Hirnnerven findet sich auch der Vagusnerv. Denn schließlich muss das, was die Nase riecht, was zum Beispiel an Muttermilch gesaugt oder an Nahrung gekaut und geschluckt wird, später auch verdaut werden. Da ist es naheliegend, die Steuerung des Verdauungssystems unmittelbar neben den Empfangsbereichen für das Riechen, Sehen und Schmecken sowie den Befehlszentren für die Steuerung von Zunge, Kiefer- und Gesichtsmuskeln unterzubringen.

Die Kerngebiete aller Hirnnerven liegen wie eine Perlenschnur nacheinander im Hirnstamm, dem ältesten Teil des Gehirns. Natürlich ist auch die »Notrufzentrale« des Sympathikus nicht weit entfernt. Wenn ein Tier Gefahr wittert oder erspäht, muss alles blitzschnell gehen: Kampf oder Flucht? Die Entscheidung muss sofort fallen!

DIE HORMONE – DAS ZWEITE SIGNALSYSTEM

Bei den Säugetieren ist das vegetative Nervensystem nicht allein für die Steuerung von Verhalten und Stoffwechsel verantwortlich. Es wird durch ein zweites Signalsystem ergänzt und unterstützt: die Hormone. Sie werden auf Deutsch auch als »Botenstoffe« bezeichnet. Die Bildung der meisten Hormone findet in speziell dafür vorgesehenen Drüsen statt.

Das wichtigste Hormon für das soziale Verhalten ist Oxytocin. Es wird von der Hirnanhangsdrüse produziert und am Ende der Schwangerschaft ausgeschüttet, um die Wehen auszulösen. Saugt ein Neugeborenes an den Milchdrüsen der Mutter, wird ebenfalls Oxytocin bei ihr freigesetzt. Umgekehrt kommt es zur Ausschüttung dieses Hormons bei den Jungtieren, wenn die Mutter den Nachwuchs leckt. Beides fördert die Bindung zwischen den Generationen. Was bedeutet das? Tiere, die eine Bindung eingegangen sind, wollen und können auch auf engem Raum zusammenleben. Sie sind bereit, ihr Futter zu teilen und sich gegenseitig zu wärmen. Sie spielen gern miteinander und verteidigen einander auch bei Gefahr.

Die Säugetiere nützen die alten parasympathischen Schaltkreise zum Beispiel zum Verdauen weiter. Aber auch die Immobilisierungsprogramme kommen bei einigen Arten zum Einsatz. Einige Säugetiere wie Siebenschläfer, Hamster und Murmeltiere machen Winterschlaf und müssen dazu ihre Körpertemperatur absenken sowie alle weiteren Körperfunktionen drastisch herunterfahren. Fledermäuse können sowohl Kälteperioden als auch Nahrungsknappheit mit einem Energiesparschlaf überbrücken. Andere Tiere wie tropische Igel nutzen den Mechanismus, um Hitze und Wassermangel zu überstehen. Das Erstarren im Angesicht eines Fressfeindes ist als Überlebensstrategie ebenfalls weit verbreitet, wenn Kampf oder Flucht keine Aussicht auf Erfolg (mehr) bieten.

Diese Reaktion wird oft als »Totstellen« bezeichnet, doch das ist nicht ganz richtig. Kein Tier kann sich verstellen und »so tun als ob«. Die Erstarrung geschieht unwillkürlich, und das betroffene Tier kann nicht entscheiden, wann es wieder erwacht. Die Regungslosigkeit kann eine letzte Überlebenschance sein. Man denke an eine Maus, die von einer Hauskatze gefangen wird. Eigentlich ist die Katze satt, aber das Futter im Napf befriedigt nur den Hunger, nicht den Jagdtrieb. Wenn die Maus tot erscheint, verliert die Katze oft das Interesse und verzieht sich wieder. Glück für die Maus, wenn sie sich erst wieder regt, nachdem die Luft rein ist. Dank der Erstarrung ist sie noch einmal davongekommen.

Für die Säugetiere ist das Erstarren gefährlicher als für die Reptilien. Sie können den Sauerstoffbedarf des Gehirns nicht so weit absenken wie die Schuppentiere. Je länger der sogenannte Shutdown (»Schreckstarre«) dauert, desto größer ist das Risiko, dass es dem System nicht mehr gelingt, wieder hochzufahren – und wenn ein Tier mehrfach kurz hintereinander in Lebensgefahr gerät, dauert es von Mal zu Mal länger.

Beim Übergang von der Erstarrung zurück zum gut regulierten Alltagszustand treten bei Tieren interessante Phänomene auf. Wissenschaftler, die ihre Fachartikel meist in englischer Sprache verfassen, bezeichnen sie als discharge, was wörtlich übersetzt »Entladung« heißt. Auf > werden Sie mehr über diesen Mechanismus erfahren.

Der Mensch, das am höchsten entwickelte Säugetier

Charles Darwin war ein englischer Naturforscher und trug im 19. Jahrhundert mit seinen Forschungsreisen maßgeblich zur Entwicklung der Evolutionstheorie bei. Er behauptete zwar nicht als Erster, dass Menschen und Affen verwandt seien und gemeinsame Vorfahren hätten. Aber als er im Jahr 1871 ein Buch mit dem Titel Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl veröffentlichte, war dies für viele religiös geprägte Menschen ein Skandal. Noch heute glauben einige religiöse Gruppierungen, die Schöpfungsgeschichte habe sich so zugetragen, wie die Bibel sie beschreibt.

Aber die wissenschaftliche Beweisführung ist lückenlos und überzeugend: Der Mensch ist ein Säugetier, und letztlich ist sein Nervensystem genauso organisiert wie das seiner Ahnen. Nur das menschliche Gehirn ist größer, und viele Prozesse sind komplexer als bei allen anderen Säugetieren.

DER ALTE PARASYMPATHIKUS: VERDAUEN UND ABSCHALTEN

Aus diesem Grund verfügt auch der Mensch über ein altes parasympathisches Nervensystem, das sich im besten Fall geräuschlos im Hintergrund um die Verdauungs- und Ausscheidungsprozesse kümmert. Er kennt verschiedene Formen der Immobilisierung. Es gibt einerseits angenehme Ruhezustände. Wir halten gern still, wenn wir liebkost werden, und bei Naturvölkern gibt es die verschiedensten Formen von sozialer Hautpflege. Personen, die sich nahestehen, suchen sich zum Beispiel gegenseitig nach Läusen ab oder entfernen Dornen und andere Fremdkörper, die man sich beim Umherstreifen in der Natur zuziehen kann. Dies kann zwei bis drei Stunden am Tag in Anspruch nehmen. In sogenannten zivilisierten Gesellschaften gibt es das nicht mehr, aber das Bedürfnis nach dieser Zuwendung ist nach wie vor lebendig. Es wird nun aber von einer ganzen Dienstleistungsbranche erfüllt – von Friseuren, Kosmetikerinnen, Nagelstudios, Fußpflegerinnen bis hin zu Masseuren. Über die Rolle des alten Parasympathikus bei angstvoller Erstarrung werden Sie auf > mehr erfahren.

ZÄHMUNG DES SYMPATHIKUS

Fast alle Kulturen kennen ritualisierte Veränderungen des Körpers: Es werden die Ohrläppchen oder Nasenflügel durchbohrt, die Haut tätowiert oder kleine Verletzungen gesetzt, um sogenannte Schmucknarben zu erzeugen. Dies ist ein besonderes Phänomen. Für gewöhnlich aktivieren Schmerzreize das sympathische Nervensystem, und wir reagieren reflexartig mit Abwehr oder Flucht. Doch im Fall der genannten Manipulationen, die zu sogenannten Initiationsritualen gehören, kommt es darauf an, stillzuhalten. Es ist gewissermaßen eine besondere Trainingseinheit in der Beherrschung der aggressiven oder defensiven Impulse des Sympathikus.

Diese Form der Selbstbeherrschung war nicht nur in archaischen Stammesgesellschaften von allergrößter Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt. Deshalb gibt es in neuzeitlichen Kulturen auch viele weniger schmerzhafte Optionen, um bewusst Zustände hoher, aber kontrollierter sympathischer Aktivität herbeizuführen: Spiel, Sport und Wettkämpfe. Allerdings bleibt ein gewisses Restrisiko bestehen, dass die Situation kippen und es zum Beispiel auf dem Fußballplatz zu tätlichen Auseinandersetzungen kommen kann.