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Es muss sich nicht unbedingt um Drogenkartelle, Agenten, Terroristen oder kriminelle Familienclans handeln, wenn es um Mord und Totschlag geht. Es kann auch der nette Nachbar von nebenan sein, der seiner Ehefrau überdrüssig ist oder im Urlaubsflieger der etwas seltsame Passagier, den der Wahnsinn treibt. Den in acht Episoden agierenden Protagonisten - allesamt Menschen wie du und ich - ist eines gemeinsam: In ihnen keimt der Hang zum Verbrechen auf, bis sie schließlich zu Täterinnen und Tätern werden. Beim Schreiben hat mich wiederholt eine Frage beschäftigt, die ich mit diesem Buch auch an die Leserschaft weitergeben mag: Tragen wir nicht alle eine dunkle Seite in uns?
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Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2019
Über das Buch
Es muss sich nicht unbedingt um Drogenkartelle, Agenten, Terroristen oder kriminelle Familienclans handeln, wenn es um Mord und Totschlag geht.
Es kann auch der nette Nachbar von nebenan sein, der seiner Ehefrau überdrüssig ist oder im Urlaubsflieger der etwas seltsame Passagier, den der Wahnsinn treibt.
Den in acht Episoden agierenden Protagonisten – allesamt Menschen wie du und ich – ist eines gemeinsam: In ihnen keimt der Hang zum Verbrechen auf, bis sie schließlich zu Täterinnen und Tätern werden.
Beim Schreiben hat mich wiederholt eine Frage beschäftigt, die ich mit diesem Buch auch an die Leserschaft weitergeben mag:
Tragen wir nicht alle eine dunkle Seite in uns?
Hans-Werner Lücker im November 2019
Über den Autor
Hans-Werner Lücker, geboren 1953, ist pensionierter Gymnasiallehrer mit den Fächern Mathematik, Physik und Informatik. Er widmet sich seit elf Jahren dem Schreiben.
Nachdem er sich zunächst vorwiegend mit der Lyrik beschäftigte, hat er sich in seinen letzten Büchern der erzählenden Literatur zugewandt.
Eine Aufstellung seiner bisher erschienenen Werke befindet sich am Ende dieses Buches.
Hans-Werner Lücker
Das Verbrechen wohnt gleich nebenan
Mörderische Geschichten
Ich freue mich über eine Rückmeldung auf meiner
Facebook-Autorenseite:
www.facebook.com/hanswernerluecker
© 2019 Hans-Werner Lücker
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN:
978-3-7497-8255-0 (Paperback)
978-3-7497-8256-7 (Hardcover)
978-3-7497-8257-4 (e-Book)
Umschlagfoto: Hans-Werner Lücker
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
INHALT
Prolog
Und wieder
Wenn der Paketbote klingelt
Wie du mir
Die Terrasse
Drei
Licht in der Firma
Reihe dreizehn
Vollmond
Bittersüße Geheimnisse
Prolog
Und wieder
Und wieder drängt die Nacht dermaßen, entzündet ungestillte Zwänge und leitet mich entlang der Straßen in einer Gasse dunkle Enge.
Die Zeugen sind nur die Gestirne, als dort nach langen, schwülen Stunden die müde, rotgeschminkte Dirne entlässt den allerletzten Kunden.
Mein Atem stöhnt die Furcht beiseite und treibt den Puls zum Hoch der Lüste. Ich ziehe meinen Dolch und gleite bis an das Heft in ihre Brüste.
Ihr Schrei versiegt im Gurgellaut – sie sinkt ins Nass der stummen Gasse. Ich bin entspannt und schlitz’ die Haut – bis dass ihr Blut zeigt, wie ich hasse.
Wenn der Paketbote klingelt
Gleich bist du fällig, denkt sich Manfred, als Erika in den Garten tritt, um unter dem Dach am Hintereingang der Garage Wäsche aufzuhängen.
Er sitzt auf der Terrasse und scheint in das Lesen der Morgenzeitung vertieft zu sein. Jedenfalls würdigt er seine vorbeigehende Frau keines Blickes.
Alles hat er vorbereitet. Der sorgfältig gereinigte Schraubenzieher aus der Werkzeugkiste liegt griffbereit auf der Bank neben der Tür und die Arbeitshandschuhe ruhen auf seinem Schoß. Die zwölf über Wochen nacheinander gekauften Packsets lagern versteckt im Gartenhaus. Sie warten auf den Einsatz der Transportdrohne, die ihren Probeflug bereits erfolgreich absolviert hat. Es fehlt nur noch die elektrische Kettensäge. Aber deren Lieferung hat der Paketdienst ja für morgen angekündigt.
Da klingelt das Telefon. Erika stellt den Wäschekorb ab und kehrt wieder ins Haus zurück. „Das kann länger dauern“, murmelt Manfred, als er hört: „Ach du bist es, Mama.“ Offensichtlich ruft mal wieder seine betagte Schwiegermutter aus dem Seniorenheim an.
Natürlich ist er angespannt – aber nervös? Nein. Dafür hat er alles zu gut geplant und sein Entschluss steht unerschütterlich fest.
Er zündet sich eine Zigarette an und greift zum Handy. „Vera, jetzt kannst du mich einloggen. Der Countdown läuft, mein Schatz.“
Manfred und Erika Volland führen seit einem Jahr nur noch eine Scheinehe. Das kinderlose Paar regelt zwar im gemeinsamen Haus stillschweigend die Dinge des Alltags, geht sich aber ansonsten möglichst aus dem Weg.
Es ist der sportliche und frisch pensionierte Berufssoldat gewesen, der den Traum der Finanzbeamtin in Altersteilzeit von einem harmonischen Lebensabend platzen ließ.
„Ich habe eine junge Freundin“, eröffnete er seiner Frau eines Tages beim Abendessen. „Sie bedeutet mir viel mehr, als dass ich diese Beziehung nur eine flüchtige Affäre nennen könnte.“
„Und jetzt?“ Erika strich sich eine Strähne ihres ergrauten Haares aus der Stirn und versuchte besonnen zu wirken, obwohl sie am liebsten laut aufgeschrien hätte.
„Ich verlange, dass du gehst und möchte dann Vera zu mir holen.“ Manfreds Worte hätten brutaler nicht klingen können.
Doch sein Gegenüber war nicht bereit, die Segel zu streichen. „Du darfst gern ausziehen. Ich kann vielleicht nicht mit deinem Flittchen mithalten, aber das ist hier immerhin auch mein Haus.“
Manfred stand unwirsch vom Tisch auf. Er hatte sich eine andere Reaktion gewünscht – wenn auch nicht direkt erwartet, denn er wusste um das unerschütterliche Selbstbewusstsein seiner Frau.
In den folgenden Monaten gab es immer häufiger Streit zwischen den beiden. Manfred konnte es nicht ertragen, dass Erika alle seine Umstimmungsversuche unbeeindruckt an sich abprallen ließ.
Zunächst hatte er ihr finanzielle und organisatorische Unterstützung bei der Suche nach einer neuen Wohnung in Aussicht gestellt. „Meine Pension reicht mir völlig“, musste er sich daraufhin anhören, „zumal ich in unserem Haus ja keine Miete bezahlen muss.“ Dann versuchte er mit der Verweigerung seiner Alltagspflichten wie Gartenarbeit, Reparaturen an Haus und Hof, Erledigung der wirtschaftlichen Angelegenheiten und vielem mehr Erika das Leben unerträglich zu machen. Doch er besann sich schnell eines Besseren, als diese seine Wäsche ungewaschen ließ und nur noch für sich selbst kochte.
Auch die immer wieder auf Figur und Alter seiner Frau gezielten bösen Sticheleien, die die eheliche Atmosphäre vergiften sollten, verfehlten den erhofften Effekt.
Als er schließlich androhte, die Freundin auch so einziehen zu lassen, entgegnete Erika lakonisch: „Nur über meine Leiche!“
Dieser Satz ging ihm seitdem nicht mehr aus dem Kopf, vor allem auch weil Vera zunehmend ungeduldiger wurde und ultimativ forderte: „Manfred, tu endlich etwas! Lange mache ich das nicht mehr mit.“
So reifte sein Plan, sich der unbeugsamen Ehefrau mit Gewalt zu entledigen. Ich werde sie umbringen.
Die Frage nach dem Wie machte ihm dabei wenig Kopfzerbrechen. Als ehemaliger Berufssoldat konnte er natürlich mit einer Pistole umgehen. Aber dann müsste er Erika in eine Umgebung locken, wo niemand den Geschossknall hören konnte.
Außerdem hätte er sich die Waffe samt Munition illegal beschaffen müssen, was ihn gegenüber dem kriminellen Verkäufer erpressbar gemacht hätte.
Nein – der große Schraubenzieher aus seiner Werkzeugkiste erschien ihm in jeder Hinsicht als die besser geeignete Alternative. Mit der schmal zulaufenden Klinge würde er Erika erstechen – und zwar zu Hause.
Dabei kam ihm der Umstand entgegen, dass die Eheleute weder Kontakt mit der Nachbarschaft noch einen Freundeskreis pflegten. Auch sonst würde kaum jemand Erika vermissen, da sich die spärliche Verwandtschaft der beiden in der Person der dementen Schwiegermutter erschöpfte.
Aber wie sollte er die Leiche verschwinden lassen?
Auf einem seiner Joggingläufe durch die Felder am Ortsrand fiel ihm ein geeigneter Platz ins Auge. In dem fußballfeldgroßen, dichten Gestrüpp wilder Brombeersträucher würde sie niemand finden, bevor die hungrigen Wildschweine aus dem anliegenden Waldstück ihren Part erledigt hätten.
Nur konnte er selbst nicht in das unwegsame Gelände gelangen, ohne dabei im Gebüsch eine sichtbare Spur zu hinterlassen.
Die zündende Idee lieferte ihm schließlich ein junger Mann, den er einmal auf dem an der Laufstrecke liegenden Übungsplatz des örtlichen Modellflugclubs antraf.
Er hielt an und verfolgte aufmerksam, wie der Hobbypilot eine Drohne aufsteigen ließ und diese geschickt manövrierte.
Die beiden kamen ins Gespräch. Manfred wurde hellhörig, als ihm sein Gegenüber von den Einsatzmöglichkeiten des Fluggerätes vorschwärmte.
Fotografieren wäre ja nur eine Sache. Er selbst hätte sich seine Drohne so umgebaut, dass sie eine Last aufnehmen, transportieren und wieder absetzen könnte. Mittlerweile würden aber professionelle Exemplare auch zum Kauf angeboten.
„Wenn man bereit ist, den recht hohen Preis zu bezahlen, erhält man schon ziemlich leistungsstarke Geräte“, schloss der junge Mann seine Ausführungen.
„Was heißt ‚ziemlich’?“, wollte der Jogger noch wissen, als er sich anschickte weiterzulaufen.
„Na - so sechs bis sieben Kilogramm Tragkraft.“ „Aha – dann mal tschüss!“
Ich werde mir noch eine Kettensäge besorgen müssen, dachte sich Manfred auf dem restlichen Weg zu seinem Auto und ließ etwaige Skrupel erst gar nicht dabei aufkommen. Töter als tot geht ja nicht.
Erika hat ihr Telefongespräch beendet und tritt über die Terrasse wieder nach draußen an die Hintertür zur Garage, um die Wäsche aufzuhängen.
Endlich! Manfred ist bereit und entschlossen. Er legt die Zeitung beiseite, zieht sich die Arbeitshandschuhe an und folgt seiner Frau.
Als diese sich über den Wäschekorb bückt, stößt er sie durch die offene Tür in die Garage und rammt ihr den eilig gegriffenen Schraubenzieher dreimal zwischen linkem Schulterblatt und Wirbelsäule in den Rücken.
Die Getroffene stürzt mit einem leisen Gurgellaut zu Boden und bleibt bewegungslos in der sich sofort bildenden und schnell vergrößernden Blutlache liegen.
Manfred lehnt sich benommen an die Garagenwand. Das Hämmern des Pulsschlags in seinen Schläfen lässt ihn fast nicht das Zuschlagen einer Autotür und das anschließende Klingeln an der Haustür hören.
Er schleicht mit leisen Schritten zum geschlossenen Schwingtor und lugt durch den kleinen Spalt am Rand nach draußen.
Mist, der Paketdienst! Plötzlich kann er wieder glasklar denken. Wunschort bei Abwesenheit: Hintereingang Garage, schießt es ihm durch den Kopf. Der wird nicht noch einmal klingeln.
Hastig schließt er die Hintertür, verliert dabei den Schraubenzieher und rennt über die Wiese ins Gartenhaus.
Schon biegt der Bote mit einem Paket unter dem Arm um die Hausecke und steuert mit emsigen Schritten auf die Garage zu. Die Jungs haben es gezwungenermaßen ja immer eilig.
Der kleingewachsene Mann drückt die Klinke herunter und zieht an ihr. Aber die Tür klemmt. Die Klinge des Schraubenziehers hat sich unter sie geschoben hat. Er zieht das Werkzeug am Griff heraus, wiederholt seinen Öffnungsversuch und steht mit einem Schritt vorwärts mitten in der Blutlache.
Schreck und Panik ergreifen den Zusteller. Er lässt Paket und Schraubenzieher fallen und stolpert nach draußen. Als er die offene Terrassentür erblickt, rennt er ins Wohnzimmer. „Hallo, Herr Volland!“ Aber er trifft niemand an – wie denn auch?
Manfred hat dies alles durch das kleine Fenster des Gartenhauses beobachtet. Sein ursprünglicher Plan ist damit nun hinfällig geworden.
Aber ein Gedankenblitz lässt ihn hoffen, die geänderte Situation doch noch zu seinem Vorteil nutzen zu können. Er entledigt sich seiner Arbeitshandschuhe und lässt sie auf Boden fallen.
„Was machen Sie in meinem Haus?“ Manfred steht im Wohnzimmer und fixiert mit einem vorwurfsvollen Blick den Paketboten. „Suchen Sie etwas?“ Der Angesprochene stammelt aufgeregt: „Ihre Frau – in der Garage – alles ist voller Blut.“
„Das sehe ich!“ Der Hausherr deutet auf die dunkelroten Fußabdrücke, die sich deutlich von dem hellbeigen Teppichboden abheben. „Was hast du verdammter Kerl Schreckliches mit meiner Frau gemacht?“
Der Bote zittert am ganzen Leib. „Ich doch nicht! Schauen Sie endlich in der Garage nach!“ Aber sein Gegenüber greift zuerst einmal zu seinem Handy. „Später.“ Dann wählt er die 110.
„Volland am Telefon. Kommen Sie bitte in die Kirchstraße 5. Meine Frau ist umgebracht worden.“
Die Kriminalpolizei und der Rettungsdienst sind schnell vor Ort.
„Thomas Marquardt“, stellt sich der ältere der beiden Beamten im ebenfalls schon in die Jahre gekommenen hellbraunen Cordjackett vor. „Wo ist das Opfer?“
„Volland – Manfred Volland. Meine Frau müsste in der Garage liegen.“ „Was heißt ‚müsste’?“ Der Gefragte räuspert sich. „Ich konnte den Täter doch nicht hier alleine lassen.“
Kommissar Marquardt kratzt sich den spärlich behaarten Schädel und deutet seinem schlanken, großgewachsenen Mitarbeiter mit einer Kopfbewegung an, den genannten Ort mit den wartenden Sanitätern aufzusuchen. „Und nun zu Ihnen!“
Die nachfolgenden Schilderungen des immer noch verängstigen Paketboten und des sehr selbstsicher auftretenden Hausherren finden das Gehör des aufmerksamen Polizeibeamten.
„Wir haben die Leiche einer Frau gefunden. Offensichtlich wurde sie mit einem Schraubenzieher erstochen.“ Der aus der Garage zurückgekehrte Kollege erstattet seinem Chef Bericht.
Und der kommt jetzt seiner Dienstpflicht nach. „Ich verhafte sie hiermit vorläufig wegen des dringenden Tatverdachtes, einen Tötungsdelikt begangen zu haben, Herr?“
„Kowalski, Da.. David Kowalski“, stottert der Angesprochene und schüttelt verzweifelt den Kopf. „Aber …“
„Kein ‚aber’!“, insistiert Kommissar Marquardt und zieht schwerfällig ein Paar Handschellen aus der ausgebeulten Jacketttasche. Während er sie mit gebeugtem Oberkörper mühsam dem Festgenommenen anlegt, presst er die Lippen fest aufeinander und atmet laut schnaubend durch die Nase.
„Und Sie, Herr Volland, gehen bitte jetzt mit Inspektor Hoffmann in die Garage, um die Tote zu identifizieren.“ Mit einem stummen Kopfnicken verlassen die Aufgeforderten das Wohnzimmer.
„Ja – es ist meine Frau Erika“, versichert Manfred dem Kommissar, der bis zur Rückkehr der beiden Männer den verhafteten Paketzusteller im Auge behalten hat.
„Die Leiche ist hiermit beschlagnahmt.“ Marquardt richtet sich an den jungen schwarzhaarigen Kollegen in Jeans. „Stefan, bitte regele den Abtransport, nachdem du in der Garage alle Spuren gesichert hast. Schau hinterher auch im Gartenhaus nach.“
Dann wendet er sich wieder Manfred zu. „Und ich, Herr Volland, werde mich in der Zwischenzeit hier in Ihrem Haus betätigen müssen.“
Während seiner Arbeit wird der Kommissar einen Gedanken nicht los: Wie konnte der Ehemann am Telefon der Leitstelle von einem Mord an seiner Frau berichten, wenn er noch gar nicht in der Garage gewesen war?
Aber er findet es zu früh, diese Frage jetzt schon dem Hausherrn zu stellen, der ihn die gesamte Zeit kritisch beobachtet.
Die beiden ungleichen Kriminalbeamten haben ihren Job erledigt. Die Garage ist versiegelt und die Gerätschaften zur Spurensuche sind in zwei handlichen schwarzen Lederkoffern verstaut.
„Bring du die Sachen schon mal zum Wagen“, bittet Marquardt seinen Kollegen an der Haustür. „Ich komme gleich nach.“ Er wartet einen Augenblick, bevor er sich behäbig nach Manfred umdreht.
„Und Sie, Herr Volland, kommen bitte morgen früh um zehn Uhr auf unsere Dienststelle.“ Die kleinen Augen des Kommissars fixieren mit einem bedeutungsvollen – fast verschmitzten Blick – sein sichtlich verblüfftes Gegenüber. „Ich habe da noch einige Fragen an Sie.“
Die folgende Nacht lässt Manfred nicht schlafen. Er tigert unruhig durchs Haus und ruft schließlich seine Freundin an, um ihr von den Geschehnissen zu berichten.
„Ist doch alles irgendwie noch gut verlaufen“, versucht ihn die Stimme am Telefon zu beruhigen.
„Ja – eigentlich schon, mein Schatz“, seufzt der Anrufer. Aber er kann seine Zweifel nicht unterdrücken. „Ich verstehe nur nicht, was der Bulle noch von mir will. Ich habe ihm doch schon alles gesagt.“
„Du schaffst das schon – uns zuliebe.“ Vera gelingt es in der nachfolgenden Unterhaltung Manfreds Anspannung so runterzufahren, dass er schließlich einschlafen kann.
„Nehmen Sie Platz, Herr Volland.“ Kommissar Marquardt weist auf den leeren Stuhl vor seinem Schreibtisch im Vernehmungszimmer und kratzt sich nachdenklich das unrasierte Kinn.
„Ich werde – Ihr Einverständnis vorausgesetzt – unser Gespräch mit einem Audiorekorder aufzeichnen.“
„Warum?“, will der Vorgeladene wissen. Die faltenreiche Stirn des Kriminalbeamten scheint noch Zuwachs zu bekommen.
„Dann haben wir die Angelegenheit schneller hinter uns, weil ich mir die Pausen für das schriftliche Mitprotokollieren sparen kann.“
Manfred nickt. „Okay, fangen Sie ruhig an.“
Nach den Angaben zur Person erklärt der Wortführer: „Bevor wir zur Sache übergehen, weise ich Sie auf Ihr Recht hin, die Aussage zu verweigern, um sich nicht selbst zu belasten.“
Manfred reagiert empört. „Beschuldigen Sie etwa mich, meine Frau umgebracht zu haben?“
Marquardt schüttelt den Kopf. „Die Schuldfrage stellt die Staatsanwaltschaft vor Gericht. Ich führe nur die Ermittlungen in einem Mordfall und Sie gehören durch ihre Anwesenheit am Tatort zum Kreis der Verdächtigen.“
„Aber ich habe doch gestern schon alles gesagt.“ Manfred kann seine Zerknirschtheit nicht verbergen. „Dann schildern Sie die Ereignisse halt noch einmal“, fordert ihn der Beamte in ruhigem Ton auf.
Nachdem der Befragte seine Ausführungen beendet hat, möchte der Kommissar noch mehr Details erfahren. „Was haben Sie im Gartenhaus gemacht?“ „Ich habe aufgeräumt.“
Marquardt bleibt hartnäckig. „Und wo war ihre Frau während dieser Zeit?“ „Das weiß ich nicht genau. Sie war halt mit der Wäsche beschäftigt, die sie gewöhnlich unter dem Dach vor der Garage aufhängt.“
„Stand dort die Hintertür denn auf, als Sie über die Terrasse ins Wohnzimmer gingen?“ Der Beamte fixiert mit einem prüfenden Blick sein Gegenüber.
„Ich habe nicht hingeschaut“, antwortet Manfred – sichtlich nervös. „Aber Sie müssen doch direkt daran vorbeigegangen sein“, wirft der Fragesteller ein.
„Ich war in Gedanken schon beim Sport und wollte im Haus meine Tasche packen.“
Der Kommissar lässt nicht locker. „Ohne sich von Ihrer Frau zu verabschieden?“
„Doch, doch. Ich wusste in diesem Moment nur nicht, wo sie war. Und dann entdeckte ich den verfluchten Paketboten und die Blutspuren auf dem Teppichboden.“
Der Verhörende macht eine Pause. Er dreht nachdenklich und provozierend langsam einen Bleistift zwischen seinen Fingerspitzen, bevor er fortfährt.
„Wie konnten Sie bei Ihrem Notruf davon sprechen, Ihre Frau wäre umgebracht worden, wenn Sie noch gar nicht in der Garage gewesen waren?“
„Habe ich ‚umgebracht’ gesagt?“, flüchtet sich Manfred in die Gegenfrage. „Ja“, beharrt Marquardt knapp.
„Ich kann mich nicht genau erinnern. Ich stand ja unter Schock. Aber die Blutspuren auf dem Teppichboden und dazu der Bote in meinem Haus haben mir gesagt, dass Erika gewaltsam getötet wurde.“
Der Kommissar läuft zur Hochform auf. „Wie erklären Sie sich aber, dass auf der Tatwaffe – dem von Ihnen gewöhnlich verwendeten Schraubenzieher – nicht auch Ihre Fingerabdrücke sind?“
„Muss ich das erklären können?“, kontert Manfred. „Vermutlich weil ich immer Arbeitshandschuhe