Das Weihnachtsgeheimnis (NA) - Jostein Gaarder - E-Book

Das Weihnachtsgeheimnis (NA) E-Book

Jostein Gaarder

4,4

Beschreibung

Joachim möchte gern einen Adventskalender haben. Doch sie sind alle ausverkauft – bis auf einen ziemlich alten, handgefertigten. Zu Hause öffnet Joachim das erste Fenster und ein kleiner, eng beschriebener Zettel fällt heraus. Die Geschichte, die er darauf entziffert, erzählt von einer Reise. Bis Weihnachten gibt es jeden Tag eine Geschichte über eine Episode der Reise. Sie führt zurück bis nach Bethlehem zur Geburt des Jesuskindes. Mit den Geschichten tun sich täglich neue Rätsel auf. Und wer hat die Zettel im Adventskalender geschrieben? Die Lösung findet Joachim erst am 24. Dezember ... Der Weihnachtsbestseller mit neuen Illustrationen, ideal zum Anschauen und Vorlesen im Advent.

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Seitenzahl: 249

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Über das Buch

Nur einen einzigen, handgearbeiteten Adventskalender hat der Buchhändler noch im Angebot – doch der erweist sich für Joachim und seine Eltern als ein aufregender Glücksfall. In jedem der 24 Fenster steckt ein Zettel mit einer Geschichte. Jede dieser Geschichten beschreibt die Etappe einer aufregenden Reise von Norwegen über Deutschland, Italien, den Balkan, die Türkei ins Heilige Land. Diese Reise verläuft an 24 Tagen rückwärts gegen die Zeit, bis zur Geburt Chrisi, und die Reisetruppe wird immer größer: Das Mädchen Elisabet, ein Lämmchen, einige Schafe, Schäfer, drei berühmte Weisen, schließlich sogar Kaiser Augustus. Stets werden sie begleitet von Engeln, die ihnen Mut machen.

Mit jedem geöffneten Fenster wird klarer, dass in diesem Adventskalender noch eine weitere Geschichte steckt, die mit dem alten Blumenhändler zu tun hat. Nun ist es an Joachim und seinen Eltern, ihm dabei zu helfen, wie er ein großes Geheimnis aufklären kann.

Jostein Gaarder

Das Weihnachtsgeheimnis

Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs

Carl Hanser Verlag

Neu überarbeitete Ausgabe 2013

Die Originalausgabe erschien 1992 unter dem Titel Julemysteriet bei H. Aschehoug & Co. (W. Nygaard) in Oslo

Dieses Buch ist erstmals 1998 auf Deutsch bei Hanser mit den Illustrationen von Rosemary Wells erschienen

ISBN 978-3-446-24456-6

© für den Text: H. Aschehoug & Co., Oslo 1992

Alle Rechte dieser Ausgabe vorbehalten

© Carl Hanser Verlag, München 2013

Umschlag, Layout und Satz: Hildegard Müller, Ginsheim

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele andere Informationen finden Sie unter www.hanser-literaturverlage.de .

Erfahren Sie mehr über uns und unsere Autoren auf www.facebook.com/HanserLiteraturverlage oder folgen Sie uns auf Twitter: www.twitter.com/hanserliteratur

Datenkonvertierung E-Book: le-tex publishing services GmbH, www.le-tex.de

Inhalt

1. Dezember… vielleicht hatten die Zeiger es satt, Jahr um Jahr denselben Weg zurückzulegen, weshalb sie plötzlich die Gegenrichtung einschlugen …

2. Dezember… ich kenne eine Abkürzung, gleich hier …

3. Dezember… wie mit dem Wind zu laufen – oder eine Rolltreppe hinunterzurennen …

4. Dezember… er konnte nur noch schnell die Augen aufreißen …

5. Dezember… Zeiten sind gekommen, und Zeiten sind verstrichen, und eine Generation ist auf die andere gefolgt …

6. Dezember… aber ein Kamel kann sich dabei zusätzlich noch von einem Ort zum andern bewegen, ungefähr so wie die Türme auf einem Schachbrett …

7. Dezember… wir im Himmel haben das allerdings immer für eine gelinde Übertreibung gehalten …

8. Dezember… ein Zipfel der himmlischen Herrlichkeit, der sich auf die Erde verirrt hat …

9. Dezember… sie hatten nämlich ein feierliches Versprechen gebrochen …

10. Dezember… einige Sekunden später hob das, was Elisabet für einen Vogel gehalten hatte, ab und flog in Schlangenlinien auf den Pilgerzug zu …

11. Dezember… viele Menschen bekommen doch einen Mordsschrecken, wenn sie einen Engel des Herrn sehen … 113

12. Dezember… denn es ist totaler Quatsch, das Richtige zu glauben, wenn es einen nicht dazu bringt, Menschen in Not zu helfen …

13. Dezember… so, wie der Blitz über den Himmel jagt und für ein oder zwei Sekunden einen Strom aus Licht über die Landschaft ergießt …

14. Dezember… lange, bevor noch der Zeigefinger des Kindes sich ausstrecken konnte …

15. Dezember… fürchte dich nicht, sagte er mit seidenweicher Stimme …

16. Dezember… als ob das Engelskind an einem heiligen Schluckauf litte …

17. Dezember… sehr viel ist in Jesu Namen geschehen, was dem Himmel überhaupt nicht gefällt …

18. Dezember… Gottes Reich steht allen offen, auch denen, die ohne Fahrkarte reisen …

19. Dezember… es machte ihm nämlich tierischen Spaß, den Leuten Geschenke durchs Fenster zu werfen …

20. Dezember… schien plötzlich etwas vom Himmel zu fallen …

21. Dezember… dass der See aussah wie eine blaue Porzellanschüssel mit Goldrand …

22. Dezember… er ernährte sich von Heuschrecken und wildem Honig …

23. Dezember… alle schienen etwas zu üben, was sie auswendig können mussten …

24. Dezember… wo die Sterne durch die Nacht leuchteten wie die Funken eines Feuers in der Ferne …

… vielleicht hatten die Zeiger es satt, Jahr um Jahr denselben Weg zurück zulegen, weshalb sie plötzlich die Gegenrichtung einschlugen …

1. Dezember

Es war in der Abenddämmerung. Die Weihnachtsbeleuchtung war eingeschaltet, dicke Schneeflocken tanzten zwischen den Lichtern. Auf den Straßen wimmelte es von Menschen.

Zwischen all den Eilenden gingen auch Papa und Joachim. Sie waren in die Stadt gefahren, um einen Adventskalender zu kaufen – leider aber erst in allerletzter Minute. Morgen war schon der 1. Dezember. Am Kiosk und in dem großen Buchladen am Marktplatz waren die Adventskalender schon ausverkauft.

Doch plötzlich zerrte Joachim an Papas Hand und zeigte auf ein kleines Schaufenster. An einem Bücherstapel lehnte ein grellbunter Kalender.

»Da!«, sagte Joachim.

Papa drehte sich um.

»Gerettet!«

Sie betraten den winzig kleinen Buchladen. Joachim fand alles darin alt und heruntergekommen. Die Wände waren vom Boden bis zur Decke mit Bücherregalen zugestellt, und in sämtlichen Regalen reihten sich die Bücher dicht an dicht. Kaum zwei davon sahen sich gleich. Auf dem Ladentisch lag ein ganzer Stapel Adventskalender. Es gab zwei Sorten. Der eine Kalender zeigte vorn einen Weihnachtsmann mit Rentier und Schlitten. Auf dem anderen war eine Scheune zu sehen, in der ein winzig kleiner Weihnachtsmann aus einer großen Schüssel aß.

Papa hielt die beiden Kalender hoch.

»In dem hier sind Schokoladenfiguren«, sagte er. »Das findet der Zahnarzt wahrscheinlich nicht so gut. Im andern sind Plastikpüppchen.«

Joachim betrachtete die beiden Kalender. Er konnte sich nicht entscheiden.

»Als ich klein war, war das alles ganz anders«, sagte sein Vater.

Joachim blickte zu ihm hoch. Das wollte er doch gern genauer wissen.

»Und wie?«

»Damals war immer nur ein kleines Bild unter den Klappen des Kalenders, für jeden Tag eins. Aber wir waren trotzdem jeden Morgen von neuem gespannt. Wir haben immer erst zu raten versucht, was für ein Bild wohl als Nächstes kommen würde. Und dann … ja, danach haben wir dann die Klappe aufgemacht. Es war, als ob wir die Tür zu einer anderen Welt öffneten.«

Joachim hatte plötzlich etwas entdeckt. Er zeigte auf eines der Bücherregale.

»Da ist noch einer.«

Er lief hinüber, holte den Adventskalender und hielt ihn seinem Vater entgegen. Der Kalender hatte vorn ein Bild von Josef und Maria, die sich über das Jesuskind in der Krippe beugten. Im Hintergrund knieten die drei Weisen aus dem Morgenland. Vor dem Stall standen die Hirten mit ihren Schafen, und vom Himmel schwebten die Engel herab. Einer von ihnen blies eine Trompete.

Die Farben des Kalenders waren blass, als ob er einen Sommer lang in der Sonne gelegen hätte. Aber das Bild war so schön, dass Joachim beim Angucken fast ein bisschen traurig wurde.

»Den will ich«, sagte er.

Papa lächelte.

»Der ist bestimmt unverkäuflich. Ich fürchte, der ist sehr alt. Kann sein, so alt wie ich.«

Joachim ließ nicht locker.

»Die Türchen sind alle noch zu.«

»Der steht nur zur Dekoration.«

Joachim konnte den Blick nicht von dem alten Adventskalender wenden.

»Den will ich«, rief er noch einmal. »Den, der nur einmal da ist.«

Jetzt erschien der Ladenbesitzer. Es war ein weißhaariger Mann. Er machte große Augen, als er den Adventskalender sah, den Joachim in der Hand hielt.

»Ein wunderschönes Stück!«, sagte er. »Und noch … ja, noch ganz im Originalzustand. Er sieht beinah handgefertigt aus.«

»Mein Sohn möchte ihn kaufen«, erklärte Papa und zeigte auf Joachim. »Ich versuche, ihm zu erklären, dass er wohl unverkäuflich ist.«

Der weißhaarige Mann hob die Augenbrauen.

»Sie haben ihn … hier im Laden gefunden? Ich habe so einen Kalender seit Jahren nicht gesehen.«

»Er stand da vor den Büchern«, sagte Joachim und zeigte auf das Regal.

Der Buchhändler nickte.

»Das war wohl wieder der alte Johannes.«

Papa musterte den weißhaarigen Mann.

»Der alte Johannes?«

»Ja, ein komischer Vogel … er verkauft auf dem Markt Rosen, aber niemand weiß, wo er sie herhat. Manchmal kommt er zu mir in den Laden und bittet um ein Glas Wasser. Im Sommer, wenn es heiß ist, gießt er sich schon mal den Rest über den Kopf, ehe er wieder geht. Zweimal hat er auch mich mit ein paar Tropfen bespritzt.«

Papa nickte, und der Weißhaarige fuhr fort:

»Als Dank für das Wasser legt er ab und zu ein oder zwei Rosen auf den Ladentisch … oder stellt ein altes Buch ins Regal. Einmal hat er das Bild einer jungen Frau ins Schaufenster gestellt. Es stammte aus einem fernen Land. Vielleicht kommt er ja selber daher. Auf dem Bild stand: Elisabet.«

Papa blickte dem Buchhändler in die Augen.

»Und jetzt hat er einen Adventskalender hinterlassen?«

»Sieht so aus.«

»Auf dem Kalender steht was«, sagte Joachim. Er las laut vor: »MAGISCHER ADVENTSKALENDER. PREIS: 75 ÖRE.«

Der Ladenbesitzer nickte.

»Dann muss er schon sehr alt sein.«

»Kann ich ihn für 75 Öre haben?«, fragte Joachim.

Der weißhaarige Mann lachte.

»Ich glaube, du kannst ihn umsonst haben. Bestimmt hat ihn der alte Johannes genau für dich da hingestellt.«

»Tausend Millionen Dank«, antwortete Joachim, der schon mit dem Kalender unterwegs aus dem Laden war.

Papa gab dem Buchhändler die Hand, und gleich darauf stand auch er wieder auf der Straße.

Joachim drückte den Kalender an sich.

»Morgen mach ich ihn auf«, sagte er.

In der Nacht wurde Joachim immer wieder wach. Er dachte an den weißhaarigen Buchhändler und an Johannes mit den Rosen, die er auf dem Markt verkaufte. Einmal ging Joachim ins Badezimmer und trank Wasser aus dem Hahn. In dem Moment fiel ihm wieder ein, dass sich Johannes angeblich Wasser über den Kopf gegossen hatte.

Vor allem dachte Joachim aber an den magischen Adventskalender, der mindestens so alt wie Papa war. Merkwürdig war nur, dass trotz dieses Alters niemals jemand die Türchen geöffnet hatte. Vor dem Schlafengehen hatte Joachim immer wieder alle Klappen von 1 bis 24 betrachtet. Für Heiligabend war das Türchen viermal so groß wie die anderen. Es reichte fast über die ganze Krippe im Stall.

Wo hatte nur der magische Adventskalender über vierzig Jahre verbracht? Und was würde passieren, wenn Joachim in ein paar Stunden die erste Klappe öffnete? Sie hatten den Kalender über sein Bett gehängt.

Als er wieder wach wurde und der Wecker sieben Uhr zeigte, stand Joachim auf und versuchte, das erste Türchen zu öffnen. Er war so nervös, dass er das Türchen kaum zu fassen kriegte. Schließlich gelang es ihm aber doch, eine Ecke loszupulen, danach ging alles ganz leicht.

Joachim starrte auf das Bild eines Spielwarenladens. Zwischen den Spielsachen und den Menschen davor standen ein kleines Lamm und ein Mädchen. Doch er konnte sich das Bild gar nicht genau ansehen, denn beim Öffnen des Türchens war etwas auf sein Bett gefallen. Er bückte sich und hob es auf. Es war ein dünner, viele Male zusammengefalteter Zettel. Als er ihn auseinanderfaltete, sah er, dass auf beiden Seiten etwas geschrieben stand. Er versuchte, die winzige Schrift zu entziffern und las:

Das Glockenlamm

Elisabet!«, rief die Mutter hinter ihr her.

Elisabet Hansen hatte den großen Haufen Teddys und Kuscheltiere angestarrt, während ihre Mutter nach Weihnachtsgeschenken für die Cousinen suchte. Plötzlich sprang ein kleines Lamm aus dem großen Haufen. Es sprang auf den Boden und schaute sich um. Am Hals trug es eine Glocke, die jetzt mit den Registrierkassen um die Wette bimmelte.

Ein Kuscheltier mit einer Glocke um den Hals hatte Elisabet schon oft gesehen. Aber wie konnte ein Stofftier plötzlich lebendig werden? Elisabet war so verblüfft, dass sie einfach hinter dem Lamm herrannte, quer durch den Laden auf die Rolltreppe zu.

»Komm her, mein Lämmchen!«, lockte sie.

Bald stand das Glockenlamm auf der Rolltreppe, die zum nächsten Stockwerk hinunterführte. Die Treppe bewegte sich ziemlich schnell, und das Lamm war noch ein bisschen schneller. Elisabet musste jetzt also schneller sein als Rolltreppe und Lamm zusammen, wenn sie das Lamm noch einholen wollte.

»Komm jetzt, Elisabet!«, sagte in dem Moment ihre Mutter mit mürrischer Stimme.

Aber Elisabet war schon auf die Rolltreppe gesprungen. Sie sah, dass das Lamm durch das Erdgeschoss wanderte, wo Unterwäsche und Schlipse verkauft wurden.

Sobald sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, lief sie in dieselbe Richtung wie das Lamm. Das hatte jetzt schon die Straße erreicht, wo die Schneeflocken zwischen den vielen Weihnachtslichtern tanzten, die an dünnen Drähten über die Straße hingen.

Elisabet stieß ein Gestell mit Winterhandschuhen um und stürzte hinter dem Lamm her.

Draußen im Straßenlärm konnte sie kaum noch hören, ob im Kirkeveien eine Glocke bimmelte. Aber Elisabet gab nicht auf. Sie war fest entschlossen, dem Lamm das weiche Fell zu streicheln.

»Komm her, mein Lämmchen!«

Das Glockenlamm lief bei Rot über die Kreuzung. Vielleicht glaubte es, Rot bedeutete gehen und Grün stehen bleiben. Elisabet meinte sogar, in der Schule gelernt zu haben, dass Schafe farbenblind sind. Jedenfalls blieb das Lamm nicht bei Rot stehen. Deshalb konnte auch Elisabet nicht warten. Sie wollte unbedingt das Lamm einholen, und wenn sie ihm bis ans Ende der Welt folgen müsste.

Autos hupten, ein Motorrad konnte nur noch auf den Bürgersteig ausweichen, um weder Elisabet noch das Glockenlamm zu überfahren. Die Menschen, die unterwegs waren, um Geschenke einzukaufen, rissen die Augen auf. Schließlich rannte nicht jeden Tag ein kleines Mädchen bei Rot über den Kirkeveien, um ein Lamm einzuholen, das aus dem Kaufhaus geflohen war. Überhaupt kam es nicht sehr häufig vor, dass irgendwer mitten im Winter in der Stadt ein Lamm verfolgte.

Im Laufen hörte Elisabet die Kirchturmuhr dreimal läuten. Das war merkwürdig, denn sie wusste, dass sie mit dem Fünfuhrbus in die Stadt gekommen war. Vielleicht hatten die Zeiger es satt, Jahr um Jahr denselben Weg zurückzulegen, weshalb sie plötzlich die Gegenrichtung einschlugen. Elisabet überlegte sich, dass auch Uhren es langweilig finden könnten, bis in alle Ewigkeit immer dasselbe zu tun.

Aber das war noch nicht alles. Als Elisabet in das Kaufhaus gegangen war, war es fast dunkel gewesen. Jetzt war es plötzlich wieder hell. Das war doch sehr seltsam, schließlich war zwischendurch nicht Nacht gewesen.

In diesem Moment entdeckte das Lamm einen Weg, der aus der Stadt hinausführte, und lief auf ein Wäldchen zu. Dort sprang es in einen Hohlweg mit hohen Fichten darüber. Jetzt wurde das Lamm ein bisschen langsamer, denn der Pfad war in den letzten Tagen dick zugeschneit.

Elisabet lief hinterher. Auch ihr machte das Laufen jetzt Mühe. Aber das Lamm hatte vier Beine, die im Schnee stecken blieben, sie selber nur zwei. Vielleicht würde dieser Vorteil helfen, den Vorsprung des Lamms aufzuholen.

Die Rufe ihrer Mutter waren längst nicht mehr zu hören. Aber etwas sang noch immer in ihren Ohren:

»Sollen wir lieber dies hier oder das da kaufen? Was meinst du, Elisabet? Oder besser beides?«

Vielleicht war das Lamm lebendig geworden und aus dem Kaufhaus fortgelaufen, weil es die vielen Registrierkassen und das ganze Einkaufsgeschwätz nicht mehr ertragen konnte. Vielleicht lief Elisabet aus dem gleichen Grund hinter ihm her. Sie war noch nie gern einkaufen gegangen.

Joachim blickte von dem dünnen Zettel auf, der aus dem magischen Adventskalender gefallen war. Was er gelesen hatte, war so erstaunlich, dass er beim Lesen mit halb offenem Mund dagesessen hatte.

Er hatte Geheimnisse schon immer toll gefunden. Jetzt fiel ihm die kleine Schatulle mit dem Schlüssel ein, die seine Großmutter ihm mal aus Polen mitgebracht hatte. Mama und Papa hatten ihm damals feierlich versprochen, nie nach dem Schlüssel zu suchen und die Schatulle zu öffnen, wenn Joachim schlief oder in der Schule war. Das wäre genauso schlimm, wie fremde Briefe zu lesen, hatten sie gesagt.

Bis heute hatte Joachim aber überhaupt keine richtigen Geheimnisse gehabt, die sich lohnten, in der Schatulle verschlossen zu werden. Doch nun tat er den dünnen Zettel aus dem Adventskalender hinein, drehte den Schlüssel um und schob ihn sorgsam unter sein Kopfkissen.

Als seine Eltern aufwachten und auch den Adventskalender sehen wollten, zeigte er ihnen nur das Bild mit dem Lamm im großen Kaufhaus.

»Ach, weißt du noch?«, sagte Mama und sah Papa an. »Genau wie damals, als wir klein waren.«

Papa nickte.

»Da konnten wir uns in das Bildchen hineinträumen und dann den Rest selber dazudichten. Das war viel besser als all die Plastikpüppchen heute, die früher oder später ja doch nur vom Staubsauger verschluckt werden.«

Etwas in Joachim lachte. Nur er wusste, dass im Kalender ein geheimnisvoller Zettel verborgen gewesen war.

Er zeigte auf das Glockenlamm und sagte:

»Das Lamm ist aus dem Laden weggelaufen, weil es die vielen Registrierkassen und das ganze Einkaufsgeschwätz nicht mehr hören konnte. Aber ein kleines Mädchen, das Elisabet heißt, rennt hinter ihm her, weil es sein weiches Fell streicheln will.«

»Hab ich’s nicht gesagt«, nickte Papa. »Was soll unser Junge mit Plastikpüppchen?«

Im Lauf des Tages überlegte Joachim immer wieder, ob Elisabet das Lamm wohl einholen würde, um ihm das Fell zu streicheln.

Ob er es morgen erfahren würde?

Dann würde es doch wohl wieder einen dünnen Zettel geben?

… ich kenne eine Abkürzung, gleich hier …

2. Dezember

Auch am nächsten Morgen wurde Joachim früher wach als seine Eltern. Das war fast immer so. Er stand auf und sah sich als Erstes den großen Adventskalender an, der über seinem Bett hing.

Erst jetzt entdeckte er darauf ein kleines Lamm, das zu Füßen eines Hirten lag. War das nicht seltsam? Er hatte sich das große Bild mit den vielen Engeln, den Weisen, den Hirten und den Schafen immer wieder angesehen. Aber das kleine Lamm war ihm nie aufgefallen.

Vielleicht beachtete er das Lamm jetzt, weil er gestern auf dem Zettel, der aus dem ersten Kalendertürchen gefallen war, etwas über ein Lamm gelesen hatte.

Ob es dasselbe Lamm war? Aber das andere war aus einem modernen Kaufhaus weggelaufen – und dies hier auf dem Adventskalender hatte vor sehr langer Zeit in Bethlehem gelebt. Damals hatte es weder Autos noch Verkehrsampeln gegeben. Läden hatten sie ja damals vielleicht schon gehabt, aber keine Kaufhäuser mit Rolltreppen und Registrierkassen.

Elisabet hatte außerdem die Kirchturmuhr dreimal schlagen hören, und vor zweitausend Jahren hatte es doch noch keine Kirchturmuhren gegeben.

Jetzt suchte er sich das Türchen, auf dem eine Zwei stand, und öffnete es vorsichtig. Dabei rutschte wieder ein zusammengefalteter Zettel heraus. Joachim sah vor sich das Bild eines Waldes. Im Wald stand ein Engel, der seinen Arm um ein kleines Mädchen legte.Joachim bückte sich und hob den Zettel auf, der auf sein Bett gefallen war. Er faltete ihn auseinander und sah, dass wieder beide Seiten mit winzig kleinen Buchstaben beschriftet waren. Sofort fing er an zu lesen:

Efiriel

Elisabet Hansen wusste nicht, wie weit oder wie lange sie inzwischen hinter dem Glockenlamm hergelaufen war. Aber als sie durch die Stadt gerannt war, hatte es ein Schneegestöber gegeben. Jetzt hatte es nicht nur aufgehört zu schneien. Elisabet wunderte sich, dass überhaupt kein Schnee mehr auf dem Weg lag. Zwischen den Bäumen wuchsen Leberblümchen, Huflattich und Buschwindröschen, und das war wirklich seltsam, so kurz vor Weihnachten.

Elisabet kam der Gedanke, dass sie vielleicht bis in ein Land gelaufen war, in dem das ganze Jahr Sommer war. Wenn nicht, musste sie zumindest so lange gerannt sein, dass es schon wieder Frühling und deshalb wärmeres Wetter war. Vielleicht war sie ja doch noch in Norwegen, aber was war dann aus dem Weihnachtsfest geworden?

Während sie sich all das überlegte, hörte sie in der Ferne das zarte Glockengebimmel. Elisabet rannte wieder los und sah auch bald das Lamm. Es hatte eine kleine Wiese gefunden und fraß gierig.

Das war ja auch nicht verwunderlich. Bestimmt hatte das Lamm schrecklichen Hunger. Den ganzen Winter über hatte es ja kein Gras zu fressen bekommen. Wahrscheinlich hatte es sowieso nie einen Bissen gesehen, solange es Kuscheltier gewesen war.

Elisabet schlich sich zu dem Lamm, aber als sie gerade den letzten Schritt machen und sein Fell streicheln wollte, rannte es wieder los.

»Komm her, mein Lämmchen!«

Elisabet versuchte, Schritt zu halten, aber sie stolperte über eine Fichtenwurzel und schlug der Länge nach hin.

Es tat weh, aber das war nicht so schlimm, doch auf einmal begriff sie, dass es gar nicht feststand, ob sie das Glockenlamm je einholen würde. Sie hatte beschlossen, ihm bis ans Ende der Welt zu folgen, aber die Welt war rund, da konnte es passieren, dass sie in alle Ewigkeit um die Welt laufen würde, zumindest aber, bis sie erwachsen wäre, dann würde sie ja vielleicht ihr Interesse an Glockenlämmern verlieren.

Als sie wieder aufblickte, entdeckte sie plötzlich eine leuchtende Gestalt zwischen den Bäumen. Elisabet machte große Augen, denn es war weder ein Mensch noch ein Tier. Aus dem Gewand, das mindestens so weiß war wie das Glockenlamm, ragten zwei Flügel hervor.

Elisabet hatte die Welt gerade erst kennengelernt. Sie wusste, wie die häufigsten Tiere hießen, aber sie kannte zum Beispiel nicht den Unterschied zwischen einer Kohlmeise und einer Goldammer und auch nicht den zwischen einem Kamel und einem Dromedar. Trotzdem kamen ihr jetzt keine Zweifel. Elisabet begriff sofort, dass es sich bei der leuchtenden Gestalt um einen Engel handeln musste. Sie hatte in Büchern und auf Glanzbildern Engel gesehen, nun begegnete ihr so ein Geschöpf zum ersten Mal in Wirklichkeit.

»Fürchte dich nicht!«, sagte der Engel milde.

Elisabet richtete sich gerader auf:

»Glaub ja nicht, ich hätte Angst vor dir«, antwortete sie ein bisschen vergrätzt, weil sie hingefallen war und sich wehgetan hatte.

Der Engel kam näher. Er schien einen Viertelzentimeter über dem Boden zu schweben. Das erinnerte Elisabet an ihre Cousine Anna, die auf Zehenspitzen tanzen konnte. Der Engel kniete nieder und streichelte ihr vorsichtig mit einer Flügelspitze den Nacken.

Er sprach:

»Ich sage nur sicherheitshalber ›Fürchte dich nicht!‹. Wir zeigen uns den Menschen ja nicht so oft, deshalb gehen wir bei den seltenen Malen, wenn es passiert, lieber auf Nummer sicher. In der Regel bekommt ihr nämlich einen Mordsschreck, wenn euch ein Engel aufsucht.«

Elisabet brach plötzlich in Tränen aus, aber nicht, weil sie Angst vor Engeln hatte. Auch nicht, weil sie sich wehgetan hatte. Warum sie weinte, begriff sie selber erst, als sie sich schluchzen hörte:

»Ich wollte … das Lamm streicheln!«

Der Engel nickte graziös:

»Gott hätte den Lämmern bestimmt kein so weiches Fell gegeben, wenn die Menschen nicht Lust bekommen sollten, es zu streicheln.«

Elisabet schluchzte weiter:

»Das Lamm läuft aber viel schneller als ich … es hat ja auch doppelt so viele Beine … das ist doch ungerecht. Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum es ein Glockenlamm so schrecklich eilig hat.«

Der Engel half ihr auf die Füße und sagte vertraulich:

»Es ist unterwegs nach Bethlehem.«

Elisabet weinte schlagartig nicht mehr.

»Nach Bethlehem?«

»Ja, nach Bethlehem, nach Bethlehem. Dort wird Jesus geboren.«

Elisabet war sehr verwundert über die Worte des Engels. Um ihre Überraschung zu verbergen, fing sie an, sich Erde und Gras von der Hose zu wischen. Sie hatte auch auf ihre rote Jacke ein paar hässliche Flecken bekommen.

»Dann will ich mit nach Bethlehem«, sagte sie.

Der Engel tanzte jetzt wieder wie auf Zehenspitzen über den Weg. Einige Millimeter über dem Boden schwebend sagte er:

»Das trifft sich gut, da will ich auch hin. Dann können wir uns ja alle drei zusammentun.«

Elisabet hatte gelernt, dass sie niemals mit fremden Menschen gehen durfte. Sicher galt das auch für Engel. Sie blickte zum Engel auf und fragte:

»Wie heißt du?«

Elisabet hielt den Engel für einen Mann, war sich aber nicht ganz sicher. Jetzt machte er einen Knicks wie eine Balletttänzerin und sagte:

»Efiriel.«

»Hört sich an wie ein Schmetterling. Hast du wirklich Efiriel gesagt?«

Der Engel nickte.

»Einfach Efiriel, ja. Engel haben keine Eltern, deshalb gibt es bei uns auch keine Nachnamen.«

Elisabet schniefte zum letzten Mal. Dann sagte sie:

»Ich glaube, wenn wir den ganzen Weg nach Bethlehem gehen wollen, haben wir jetzt keine Zeit mehr, uns weiter zu unterhalten. Das ist doch bestimmt ziemlich weit.«

»Ja, es ist weit – und sehr lange her. Aber ich kenne eine Abkürzung, gleich hier.«

Und dann liefen sie los. Zuerst kam das Lamm, dann Elisabet. Der Engel Efiriel tanzte hinterher.

Im Laufen bereute Elisabet, dass sie den Engel nicht gefragt hatte, wieso plötzlich Sommer war. Aber als sie das Glockenlamm dicht vor sich auf dem Weg erblickte, wagte sie nicht mehr anzuhalten.

»Komm her, mein Lämmchen!«

Joachim legte den Zettel schnell in seine Geheimschatulle.

Der Blumenmann Johannes hatte den alten Adventskalender im Buchladen hinterlegt. Wusste er auch etwas über die kleinen Zettel? Oder kannte als Einziger auf der Welt Joachim dieses Geheimnis? Schließlich hatte nur er den Kalender geöffnet.

Aber ihm fiel noch etwas anderes ein. Elisabet!, dachte er. Hieß nicht die Frau, von der Johannes ein Bild ins Schaufenster gestellt hatte, Elisabet?

Doch, da war er sich ganz sicher. Ob es dieselbe Elisabet war wie die, von der der Adventskalender erzählte? Die auf den Zetteln war zwar nur ein Kind, aber der Kalender war ja so alt, dass sie in all den Jahren bestimmt Zeit gehabt hatte, erwachsen zu werden.

Auch heute kamen Mama und Papa, um sich das Bild im Kalender anzusehen.

»Ein Engel«, flüsterte Mama feierlich.

»Er tröstet Elisabet«, erklärte Joachim. »Sie ist nämlich so schnell hinter dem Glockenlamm hergelaufen, dass sie hingefallen ist und sich wehgetan hat.«

Mama zwinkerte Papa zu, und Papa lächelte. Sie fanden es wahrscheinlich sehr tüchtig, wie Joachim sich Geschichten zu den Bildern im Adventskalender ausdachte. Sie wussten ja nicht, dass überhaupt nichts erfunden war.

An diesem Morgen musste er schon zur ersten Stunde in die Schule, da blieb leider keine Zeit mehr, weiter über den Adventskalender zu sprechen. Aber Joachim dachte auf dem ganzen Schulweg an nichts anderes.

In den letzten Tagen hatte es so heftig geschneit, dass es schwer würde, über den großen Sportplatz zu gehen. Plötzlich blieb er stehen und überlegte. Elisabet war im dichten Schnee hinter dem Glockenlamm hergelaufen. Dann war plötzlich Sommer geworden. War das nicht völlig unmöglich?

Als er aus der Schule nach Hause kam, war er zunächst wie fast immer allein. Mama kam meistens ein bisschen später.

Joachim lief in sein Zimmer, um nach dem magischen Adventskalender zu sehen. Natürlich hing er noch da. Zweimal hatte sich Joachim in der Schule gefragt, ob alles vielleicht nur ein Traum gewesen war, zumal er ohnehin immer die seltsamsten Dinge träumte. Aber der Kalender war Wirklichkeit.

Jetzt war er so neugierig auf das Bild hinter der Drei, dass er lange das Türchen und die Zahl anstarrte. Er hätte zu gern gewusst, wie es mit Elisabet und dem Engel Efiriel weiterging.

Ob er das dritte Türchen aufmachen sollte? Er könnte es ja danach wieder zudrücken und so tun, als ob nichts passiert wäre.

Aber das wär geschummelt gewesen. Beim Kartenspielen durfte man auch nicht schummeln, und mit der Zeit bis Weihnachten zu schummeln war noch viel schlimmer. So schlimm, wie in Päckchen zu gucken, die erst am Heiligabend geöffnet werden durften. Es war fast, wie sich selber bestehlen.

Mama kam von der Arbeit und fing an, Kartoffeln und Möhren zu schälen. Dann kam auch Papa. Er jammerte, dass er seinen Führerschein verloren hatte.

»Unbegreiflich«, sagte er. »Er ist nicht im Auto, nicht im Büro, auch nicht in der Manteltasche.«

»Du bist eben ein richtiger Schussel«, sagte Joachim, denn das sagte Papa sonst immer zu ihm, wenn er sein Federmäppchen nicht finden konnte oder irgendwelche Spielsachen, die er nicht aufgeräumt hatte.

Nach dem Essen erklärte Joachim, er wolle gleich schlafen gehen. Es war vielleicht das erste Mal in seinem Leben, dass er von sich aus ins Bett wollte.

»Du bist doch nicht krank, mein Junge?«, fragte Mama.

… wie mit dem Wind zu laufen – oder eine Rolltreppe hinunterzurennen …

3. Dezember

Am Morgen des 3. Dezember wurde Joachim besonders früh wach. Er warf einen Blick auf die Donald-Uhr, die über dem Schreibtisch hing. Es war Viertel vor sieben. Mama und Papa würden erst in einer halben Stunde aufwachen.

Er wusste noch, dass er etwas Seltsames geträumt hatte, aber was, daran erinnerte er sich nicht mehr genau. Irgendetwas über den Engel Efiriel und das Glockenlamm.

Wieder setzte er sich im Bett auf und betrachtete den magischen Adventskalender, den ihm der weißhaarige Buchhändler geschenkt hatte. Er sah sich die Engel an, die von ganz oben durch die Wolken herabschwebten. Einer von ihnen spielte Trompete. Er wollte bestimmt die Schafe und die Hirten wecken.

Joachim überlegte, dass der Engel rechts auf dem Bild Efiriel sein musste, der Elisabet getröstet hatte, als sie über die Fichtenwurzel gefallen war und sich wehgetan hatte. Genauso hatte er sich Efiriel jedenfalls vorgestellt, als er den letzten Zettel gelesen hatte.

Plötzlich bemerkte er, dass der Engel ihm zulächelte und einen Arm hob, als ob er Joachim zuwinken wollte. Irgendwie schien der Engel auf dem Bild seit gestern deutlicher geworden zu sein.

Jetzt richtete sich Joachim im Bett auf und öffnete die Klappe mit der Drei. Dahinter fand er das kleine Bild eines Oldtimers. Genauso ein altes Auto hatte er mal mit seinem Großvater zusammen im Technischen Museum gesehen.

Joachim verstand nicht, was ein Oldtimer mit Weihnachten zu tun haben soll, aber dann hob er das Zettelchen auf, das wie die beiden an den Tagen zuvor auf sein Bett gefallen war. Er machte es sich unter der Decke bequem und fing an zu lesen.

2. Schaf

Elisabet und der Engel Efiriel liefen weiter hinter dem Glockenlamm her, das vor den vielen Registrierkassen und dem ganzen Einkaufsgeschwätz aus dem Kaufhaus geflohen war. Bald lag der Wald hinter ihnen, und sie erreichten eine schmale Landstraße. In der Ferne quoll dicker Rauch aus Fabrikschloten.

»Da liegt eine Stadt«, sagte Elisabet.

»Das ist Halden«, erklärte der Engel. »Wir kommen jetzt bald nach Schweden, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Nach Bethlehem geht es nämlich durch Schweden.«

Er hatte seinen Satz noch nicht beendet, als sie hinter sich einen scheppernden Lärm hörten. Elisabet sah sich um und entdeckte ein altes Auto, das direkt auf sie zufuhr. Im Auto saß ein Mann in Hut und Mantel. Er hatte einen gewaltigen Schnurrbart und ein bisschen Ähnlichkeit mit dem Bild ihres Urgroßvaters, das zu Hause auf dem Kamin stand. Als das Auto an ihnen vorbeifuhr, hupte der Mann und schwenkte seinen Hut.

»Ein Oldtimer!«, rief Elisabet. »Der muss ja uralt sein!«

Der Engel Efiriel musste sich einen Arm vors Gesicht halten, um nicht loszuprusten.

»Nein, ich glaube eher, er war ganz neu.«

Elisabet seufzte resigniert.