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Telefonieren mit Marlene Dietrich, Momente mit Lauren Bacall oder Eartha Kitt. Ein geplatzter Reißverschluss am Kleid von Verona Feldbusch, ein Song von Cindy Crawford, ein guter Rat von Greta Garbo und eine brenzlige Fotosession mit Pamela Anderson. Sharon Stone und Katarina Witt im Fahrstuhl, 44 Jahre wahre Freundschaft mit Lilo Wanders, und auch Isabella Rossellini, Ute Lemper, Joan Collins, Gianni Versace, Wolfgang Joop, Barbara Becker, Heidi Klum, Brad Pitt, Jennifer Rush oder Christopher Lee stand er gegenüber. Und was hat das alles mit Marianne Rosenberg zu tun? Private Momente, Begegnungen, Anekdoten und Kurzgeschichten, amüsant und berührend. Erlebt und aufgeschrieben von Michael Reh: Nach fast vier Jahrzehnten im Foto- und Medienzirkus erzählt der deutsche Starfotograf und Autor von Stars, Ikonen und anderen Menschen, die ihn berührt und sein Denken und Handeln beeinflusst haben. „Es ist eine Hommage an all die wunderbaren Menschen, die ich in den letzten Jahrzehnten getroffen habe. Im Besonderen an all die Frauen, deren Erinnerung und Engagement ich bewahren möchte. Es sind Geschichten über Menschen, die mich emotional berühren, mit denen ich gemeinsame Erfahrungen gemacht habe und die mein Leben, meine Haltung und meine Handlungen beeinflussten. Und gleichzeitig ein intimer, unterhaltsamer und amüsanter Blick hinter die Kulissen.“
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Seitenzahl: 265
Veröffentlichungsjahr: 2025
Michael Reh
Das wüssten Sie wohl gerne!
Begegnungen eines Fotografen mit Legenden, Stars und anderen Menschen
Das wüssten Sie wohl gerne!
Begegnungen eines Fotografen mit Legenden, Stars und anderen Menschen
1. Eine neue Liebe ist (nicht immer) wie ein neues Leben! Von Meryl Streep und Liz Taylor und was das mit Jürgen Marcus und meiner Mutter zu tun hat.
2. Die Nacht, in der Marlene Dietrich anrief! Und was es mit der Marlene-Hose auf sich hat.
3. Greta, die Göttliche im Männerschuh
4. Auf Wolke sieben mit Eartha Kitt. Oder: Was ich von einer strickenden Frau über den Wolken lernte.
5. Ein Jahrzehnt der Superlative: die Neunziger. Oder: Schweini und die Supermodels
6. Veronas Welt! Da werden Sie geholfen!
7. Voll Porno!
8. Frühstück mit Inge Meysel
9. Lauren Bacall: Fahrstuhl zum Wäschekeller
10. Pamela Anderson: Auf eine Zigarette!
11. Lilo Wanders: Vierundvierzig Jahre wahre Liebe
12. Walking Dogs mit Brad in Beverly Hills
13. Toni Colette oder: »I am not your fucking Honey!«
14. Chita Rivera: Der Kuss der Spinnenfrau
15. Jennifer Rush: The Power of Love. Oder: Wie Frau gekonnt Nägel ins Parkett schlägt und Christopher Lee zum Tanzen bringt.
16. Marianne Rosenberg. Ein Nachtschattengewächs, Rex Gildo und Costa Cordalis. Oder: »Das ging nach hinten los!«
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Cover
Reh, Michael : Das wüssten Sie wohl gerne! Begegnungen eines Fotografen mit Legenden, Stars und anderen Menschen. Hamburg, Charles Verlag 2025
1. Auflage 2025
ePub-ISBN: 978-3-910408-07-4
Dieses Buch ist auch als Print erhältlich und kann über den Handel oder den Verlag bezogen werden.
Print-ISBN: 978-3-910408-06-7
Lektorat Birgit Rentz
Satz: Sarah Schwerdtfeger, Charles Verlag, Hamburg
Umschlaggestaltung: Charles Verlag, Hamburg
Umschlagbild: © Lilo Wanders
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Hermannstal 119k, 22119 Hamburg
E-Mail: [email protected]
© Charles Verlag, Hamburg 2025
Alle Rechte vorbehalten.
https://www.charles-verlag.de
»Schreib’s für dich.«
Lilo Wanders
Für Michael Valenti, den wahren »RAKE«,
a true gentleman and friend.
I love you!
1. Eine neue Liebe ist (nicht immer) wie ein neues Leben! Von Meryl Streep und Liz Taylor und was das mit Jürgen Marcus und meiner Mutter zu tun hat.
Vierzig Jahre sind eine lange Zeit, auch wenn sie in der Retrospektive wie im Flug vergangen sind und ich eigentlich erst in der Lebensmitte stehe – zumindest in meinem Kopf.
In diesen Jahrzehnten ist viel passiert! Eine illustre Runde von Menschen, die meinen Weg kreuzten und die aus den unterschiedlichsten Gründen »berühmt« sind oder es waren. Menschen, die mir wichtig sind und es auch bleiben.
Schubladendenken war nie mein Fall.
Ich finde Menschen spannend, mit allen »Ups« und »Downs«. Vor allem bewundere ich Integrität.
Strukturen finde ich interessant, die inneren, die bewussten und unbewussten. Äußere Strukturen sind meistens nur Schubladen, die uns helfen sollen, Dinge einzuordnen, damit wir uns in dieser tollen, aber hoffnungslos überlaufenen und oft komplizierten Welt zurechtfinden. Weiter nichts! Sie sind wie Verkehrsampeln, die in Deutschland befolgt, in New York hingegen meistens ignoriert werden. Nichts ist in Stein gemeißelt, außer den zehn Geboten. Und selbst das ist lange her und wirkt heute manchmal fragwürdig. Gott und Moses? Brennender Dornbusch in der Wüste? Tolles Bild! Aber wir wissen ja, wie das mit der Vergangenheit und der Erinnerung ist. Da verklärt sich einiges, wird hinzugefügt oder aus gesellschaftlichen, religiösen und politischen Gründen verändert, gestrichen oder neu erfunden. Beispiele gibt es zur Genüge, also bleibe ich lieber bei der Wahrheit – soweit ich mich erinnere.
Ich habe meine Magisterarbeit wirklich selbst geschrieben und einen Abschluss der Uni Hamburg als Magister Artium. Ich hebe kaum Dinge auf, aber dieses Zertifikat liegt immer noch in Lilo Wanders’ Anwesen in Niedersachsen, meinem »home away from home«. Und zwar in einer alten Holzkiste neben meiner Geburtsurkunde, vergilbten Polaroids und einem Buch mit dem Titel »Wie werde ich wie Verona Feldbusch?«.
Für die wenigen, die das nicht wissen: Ja, Verona Pooth hieß früher »Feldbusch«. Das Buch entdeckte ich während einer gemeinsamen Reise nach Leipzig auf dem Flughafen in Hannover. Eine liebenswerte und lustige Persiflage auf Verona, mit der ich für einige Zeit die Freude hatte zu arbeiten. Als ihr Make-up-Artist. Zu Zeiten von »Blubb«, »Veronas Welt«, »Da werden Sie geholfen!« und »Peep!«.
Als Widmung schrieb sie mir in besagtes Taschenbuch: »Das Reh. Mal springt es hoch, mal springt es weit, warum auch nicht? Es hat ja Zeit.« Weil ich das Buch meiner Schwester schenken wollte, schrieb Verona in weiser Voraussicht darunter: »Wenn du ihn nicht willst, nimm ich ihn!«
Da ist es dann auch wurscht, dass es korrekterweise »nehme« heißt. Denn Verona ist Verona und sich selbst über die Jahrzehnte treu geblieben.
Als Meryl Streep 2012 ihren dritten Oscar für ihre grandiose Darstellung der Margaret Thatcher in dem Film »Die Eiserne Lady« erhielt, sagte sie Folgendes: »Als ich gerade meinen Namen vernahm, hörte ich halb Amerika sagen: ›Also wirklich! Warum? Die schon wieder.‹« Sie lachte. »Wie auch immer!«
Sie dankte ihrem Make-up-Artist und sagte, vermutlich ironisch, dass sie wohl nie wieder auf dieser Bühne stehen würde, um erneut einen Oskar zu bekommen, zog die Augenbraue leicht hoch, weil sie wusste, sie würde ganz bestimmt noch einmal gewinnen, und schloss mit den Worten: »Ich möchte mich vor allen Dingen bei meinen Freunden bedanken, bei den alten, bei den neuen und bei denen, die nicht mehr unter uns sind.«
Darum geht es auch in diesem Buch: um Freunde, um Austausch, um das Miteinander. Was diese Verbindungen ausmacht, ist das gegenseitige emotionale Verständnis, ein Gefühl des Vertrauens und der Lebensfreude.
Nun, ich bin nicht wie Meryl Streep, obwohl ich in New York bei William Esper, Uta Hagen und am Actor Studio drei Jahre Schauspielunterricht genommen habe. Ich war und bin kein Schauspieler. Punkt. Ich war nicht berufen.
Jonathan Larson hatte damals, Anfang der Neunziger, gerade ein Musical namens »RENT« geschrieben und stellte es im East Village vor. Ein Meilenstein der Musicalgeschichte. Es gibt Momente, da begegnest du wahrem Talent und Können. Natürlich reichte mein Talent nicht für dieses Projekt, aber Jonathan stellte mir einen durchgeknallten Regisseur vor, der mich an Klaus Kinski erinnerte und eine völlig verrückte und talentierte Gruppe von Schauspielern namens »Naked Angels« leitete. Ich hatte dort einen kurzen Gastauftritt als Nazi, der unerkannt zum Lover einer gewissen Miss Scheißkopf avancierte. Diese wiederum wurde von Kristen Johnston gespielt, die später für einige Jahre sehr erfolgreich in der US-Serie »Hinterm Mond gleich links« mitspielte. Jüngeren wird sie als Lexi Featherston bekannt sein, das Partygirl aus »Sex and the City«, das besoffen aus dem Fenster eines Wolkenkratzers fällt. Kleine Rolle, großes Kino. Immense Wirkung. So war Kristen schon damals. Mich bemerkte man neben ihr kaum.
Außer Probeaufnahmen in Hollywood für irgendeinen Baywatch-Aufguss mit einem dubiosen Produzenten passierte nicht viel auf meinem erhofften Weg zu Ruhm und Oscar. Immerhin traf ich während meines Aufenthalts in Beverly Hills einen Dogwalker – ich glaubte zumindest, er sei einer – mit langem blondem Haar, der sich als jemand ganz anderes herausstellte.
Nach den Probeaufnahmen blieb mir alles Weitere erspart, ich entsprach einfach nicht dem Typ, den sich der Produzent vorgestellt hatte. Gott sei Dank!
So wurde aus mir nach dem Modeln und meinem Studium zunächst ein Make-up-Artist, dann ein Fotograf und vor einigen Jahren ein Schriftsteller.
Es gibt nur wenige, die es als Künstler ganz nach oben schaffen. Weil sie die Ausnahme bilden, weil sie lieben und leben, was sie tun. Weil sie wahre Talente sind, weil sie tief in ihrem Inneren wissen, dass es nichts anderes für sie gibt, und weil sie eine Voraussetzung erfüllen, die Heidi Klum einmal so wunderbar in ihrer knappen Art beschrieb: »It’s all about preparation and opportunity.«
Du musst dein Handwerk beherrschen, an dir arbeiten, bereit sein, dann aber auch die Gelegenheit erhalten, das Ganze zu zeigen und einzusetzen. Dabei geht es nicht um den roten Teppich, den Glitzer und Glamour, den Luxus und die Kohle. Oder um die Bewunderung des Publikums, so wunderbar lakonisch vermittelt von Renée Zellweger in dem Film »Chicago«: »Ich liebe das Publikum und das Publikum liebt mich dafür, dass ich es liebe. Und wir lieben uns gegenseitig. Und all das nur, weil wir in unserer Kindheit zu wenig Liebe erfahren haben.« Das Ego und die unstillbare Sehnsucht nach Liebe und mehr, mehr, mehr. Aber muss man dafür ein Star werden?
Bleiben wir kurz bei den wahren Talenten, denjenigen, die ihre Kunst leben und lieben, und davon habe ich zu meinem Glück einige getroffen. Diese absolute Hingabe, dieses Sich-Auflösen in und mit dem, was man tut, wahrhaftig sein. Das ist wie Meditieren, wie Eintauchen in eine andere Dimension. Solche Momente habe ich selbst beim Fotografieren erlebt, beim intensiven Austausch mit demjenigen, der vor der Kamera stand. Es kam natürlich auch vor, dass mir nicht bewusst war, mit wem ich sprach oder wen ich gerade traf. Man kann schließlich nicht jeden kennen!
Ja, ich gebe zu, ich habe Künstler wie David Bowie, Greta Garbo und Brad Pitt schlichtweg nicht erkannt und Bastian Schweinsteiger nicht gekannt. Mit Letzterem handelte ich mir offene Münder und konsternierte Blicke von Fußballbegeisterten in Deutschland ein. Wie konnte ich »Schweini« nicht erkennen, den Fußballgott? Weil mich Fußball nicht interessierte oder ich zu jung war – whatever. Brad-Pitt-Fan war ich übrigens auch nicht. Das hat sich geändert. Fußball ist nach wie vor nicht mein Ding, aber Brad ist einfach ein cooler Typ und ein sehr guter Schauspieler.
Also verzeihe ich allen, die so manchen der hier erwähnten Namen nicht kennen.
Meryl Streep kannte ich natürlich, nur bin ich ihr leider nie »wirklich« begegnet. Lediglich ihrem Hinterkopf für vier Stunden in der Carnegie Hall, als sie bei einer konzertanten Aufführung von »Kristina aus Duvemåla«, dem grandiosen »unbekannten« ABBA-Musical, vor mir saß. Aber sie würde auf meiner Liste, wen ich gerne treffen würde, ganz oben stehen. Es müsste allerdings zufällig passieren. Sie zu treffen, wäre interessant, um herauszufinden, wer und was sich hinter meinen sie betreffenden Erwartungen verbirgt. Würde ich sie mögen oder sie mich? Hätten wir uns was zu sagen? Gäbe es eine Verbindung, wenn auch nur für den Moment?
So etwas ist mir wirklich einige Male mit Stars passiert.
Natürlich dank meiner Arbeit, denn ich hatte das Glück und das Privileg, erst als Make-up-Artist und dann als Fotograf Promis und die Menschen, die sich dahinter verbergen, zu treffen und abzulichten.
Es geht also um diese Begegnungen, um Erlebnisse mit Menschen, um persönliche Geschichten.
Mein Weg führte mich von Bövinghausen, einem Provinznest im Ruhrgebiet, über Hamburg, Paris, Tokio, New York und Berlin zuletzt nach Miami. Stationen meines Wirkens waren Hawaii, Südafrika, Island, Marokko, Kolumbien, Australien, Dubai, die Kykladen und die Karibik. Nicht zu vergessen Lissabon, Kroatien, Sardinien, Finnland, Tokio, Stade und Coesfeld-Lette.
Ich wurde Teil einer Welt, zu der ich bereits als junger Mann gehören wollte. Heute sieht der »Modezirkus« anders aus und hat für mich so manches Mal sein »It-Feeling« verloren. Natürlich war damals nicht alles besser, bestimmt nicht, aber heute reißt mich keine Fashion Week mehr vom Hocker. Agnetha Fältskog von ABBA brachte es 2013 in einem Interview auf den Punkt. Zehn Jahre aktives Gruppenleben und Weltruhm, in unserer kurzweiligen Zeit zu Recht eine »Legende«.
Ich meine, welche Gruppe lässt sich vierzig Jahre Zeit bis zum nächsten Album? Von der Frage, ob man so etwas überlebt, einmal ganz abgesehen. Auf das Nachhaken einer Journalistin, ob sie denn nicht noch mal in der Wembley Arena auftreten wolle (was sie 1979 des Öfteren tat – »sold out«, wohlgemerkt), reagierte Agnetha Fältskog mit einem ungläubigen Blick und meinte: »Why? I’ve done it!«
Genau! Erlebnisse lassen sich nur schwer mit dem gleichen Erfolg oder dem gleichen Gefühl wiederholen!
Die Menschen, die mich als Kind beeinflussten, waren weder Stars noch prominent. Ich komme aus einem »Kaff« bei Dortmund. Da gab es keine Stars, die man treffen konnte.
Das stimmt so nicht ganz! Juliane Werding, die inzwischen dem Showgeschäft Lebewohl gesagt hat und Heilpraktikerin wurde, trat einmal in unserer Dorfdisco auf, es war eher eine Kneipe. »Am Tag, als Conny Kramer starb«, ein Riesenhit, den ich lauthals mitsang, ohne zu verstehen, worum es ging.
»Doch der Rauch schmeckte bitter, aber Conny sagte mir, was er sah. Ein Meer von Licht und Farben, wir ahnten nicht, was bald darauf geschah.«
Drogen, Overdose, Tod! Uff, deutscher Schlager, 1972, ich war zehn.
Daisy Door – die hieß bestimmt auch anders – folgte dem Trend, sang »Du lebst in deiner Welt«, ein Lied über Heroin, und verkaufte mehr als eine Million Exemplare. Schallplatten, wohlgemerkt!
Juliane war auch ein Ruhrpottkind, sie kam aus Essen, gleich »um die Ecke«. Mein Cousin nahm mich mit zu ihrem Auftritt. Sie sang ihre Songs, saß mitten unter uns. Irgendwann lachte sie mich an, strich mir über den Kopf. Ich war verliebt. So viel zu meiner Promi-Erfahrung als Kind.
Obwohl! Halt! Da war ja noch Jürgen Marcus!
Ich begegnete ihm auf dem alljährlichen Schützenfest des Dorfes. Zu der Zeit muss ich zwölf Jahre alt gewesen sein. Herr Marcus fühlte sich an diesem kalten Abend offensichtlich unwohl. Vor seinem Auftritt kuschelte er sich hinter der Bühne in einen riesigen Fuchsmantel und dachte wahrscheinlich mit Grauen an die fast fünfhundert Menschen, die ihm, vom Alkohol stimuliert, gleich in einem zugigen Zelt zujubeln würden.
»Ein Festival der Liebe«, »Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben, nananananana«. Millionen Mal verkauft. Jürgen Marcus musste liefern, das Volk unterhalten. Das tat er dann auch, Vollprofi, großer Star damals, Hitparade, Disco, Starparade, das volle Programm. Jürgen war im Fernsehen, da wollte ich auch eines Tages hin. Ich konnte zwar nichts, aber irgendwie würde ich das schon schaffen.
Es dauerte lange, bis ich begriff, dass das Leben kein Wunschkonzert ist – vom berühmten Ponyhof ganz zu schweigen. Dass der Weg ein anderer ist als die zu Tode gequälte Antwort auf die Frage, was Mann oder Frau denn mal werden möchte: schön, reich und berühmt!
Schön, okay, das kann ich verstehen. Attraktivität erleichtert so manches, ist jedoch keine Garantie für was auch immer!
Reich, ein guter Punkt, aber viele sind nicht glücklicher, wenn sie erst einmal reich sind.
Natürlich darf »berühmt« nicht fehlen. Weil man ja die in der unglücklichen Kindheit zu kurz gekommene Liebe ausgleichen muss. Jene diffuse, illustre »Berühmtheit« war mal mein Bestreben, heute könnte ich von dieser seltsamen Begierde nicht weit genug entfernt sein. Warum will fast jeder heute berühmt werden und nutzt Social Media als vermeintliche Plattform? Was fasziniert uns so an Stars und dem Berühmtsein?
Ich dachte später oft zurück an den Sänger Jürgen Marcus, der hinter der Bühne ganz anders war als während seiner Auftritte. Meine Mutter Brigitte wollte an diesem Abend unbedingt ein Autogramm von ihm. Ihn »mal drücken«, ihm sagen, wie schön sie seine Stimme fand. Meine Mutter war sehr forsch und engagiert, sah gut aus, hatte es bis zur Pfarrsekretärin und in den Gemeinderat geschafft. In unserem Dorf war sie bekannt, wenn auch nicht berühmt. Sie genoss es, wenn man sie auf der Straße grüßte, was das halbe Dorf auch tat. Zumindest die katholische Seite. Gut fürs Ego, ihr Ego! Sie flog als Mitglied einer Kommission, die Missionare unterstützte, nach Samoa, auf die Fidschi-Inseln, nach Australien, sie war in Thailand und Nordamerika. Sie wollte raus aus dem Ruhrpottkaff, merkte aber sehr schnell, dass sie nur dort ein »Star« war und in der großen weiten Welt keine Rolle spielte. Heute hätte meine Mutter einen Instagram- und einen TikTok-Account und würde alles, was sie erlebt, auf der Stelle posten: sämtliche Erlebnisse auf ihren Reisen, alles, was sie isst, was sie trägt und jeden Entwicklungsschritt ihrer Kinder. Ein solches Szenario blieb mir Gott sei Dank erspart. Wir hatten damals ein Telefon, ein Radiogerät, die »Ruhr Nachrichten« und drei Fernsehprogramme. Die »Berühmtheit« meiner Mutter beschränkte sich auf einen kleinen lokalen Radius.
Stars hatten früher einen anderen Status als heute. Wer es so weit nach oben geschafft hatte, war außerhalb der Reichweite der gewöhnlichen Sterblichen.
Sterne – »Stars« – leben im Himmel, deswegen ist der Fall auf die Erde auch umso schmerzhafter.
Was bleibt also hängen vom Ruhm einer Person? In unserem Bewusstsein? Im gesellschaftlichen Kontext? In einer politischen Wahrhaftigkeit? Von meiner Mutter nicht viel, weil sie nichts davon hatte. Leider. Deswegen klappt das mit dem Berühmtwerden auch nie, wenn Mann oder Frau es um des Berühmtwerdens willen anstrebt und sonst nur heiße Luft dahintersteht. Substanz ist da vonnöten, was die meisten Duckfaces auf Instagram vergessen!
Am Abend ebenjenes Schützenfestes befand sich meine Mutter in der Blüte ihrer gesellschaftlichen Position. Wie selbstverständlich ging sie zum Star des Abends, bekannt aus Funk und Fernsehen, in die Garderobe. Sie strahlte den verhaltenen Jürgen Marcus an, drückte ihm einen Stift in die Hand und bat ihn um ein Autogramm. Ohne ihm die Gelegenheit zu geben, etwas zu erwidern, erzählte sie ihm, wie toll sie ihn fand, und er sei ja auch aus Herne, ein Ruhrpottkind. Ihre ganze Nervosität entlud sich in einer sprudelnden und viel zu positiven Quirligkeit, die mir damals peinlich war. Ruhig stand ich neben ihr, verfolgte das Spektakel und dachte: So wirst du nie. Jürgen ist auch nur ein Mensch. Siehst du nicht, dass er friert und dass er eigentlich gar nicht hier sein will?
Ich wusste natürlich noch nichts vom Showgeschäft, von Umsätzen, Managern und dem Druck, dem fast alle unterliegen, die im Rampenlicht stehen. Vom Ego, von ihrer Schüchternheit, von Drogen oder Alkohol. Aber ich »fühlte« diesen Menschen Jürgen. »Marcus« war ein Künstlername, er hieß eigentlich »Beumer« und war gelernter Schlosser. Ich dachte nur: Der hat es auch nicht leicht. Das hatte er auch nicht. Seine Karriere hielt ein paar Jahre an, verbunden mit einigen Goldenen Schallplatten, Ottos, Löwen, Goldenen Europas, dann war Schluss mit lustig. Da nützte ihm auch seine wunderbare Stimme nichts.
Jürgen Marcus wurde irgendwann von der Bild am Sonntag geoutet und starb vor einigen Jahren.
Viele seiner Kollegen, so zum Beispiel Rex Gildo, traf ein ähnliches Schicksal: Karriere, Hossa, Kohle, dann Absturz, Krankheit, Alkohol und Auftritte in Möbelgeschäften.
Ja, Ruhm ist nicht etwas, das ewig währt oder sich als das herausstellt, was wir erwarten. Wie war das noch mit den berühmten fünfzehn Minuten? Die sind schnell rum! Wenn es überhaupt so lange dauert.
Jürgen Marcus ertrug meine übergriffige Mutter, sah mich an und strich mir kurz über den Kopf. Er gab ihr das ersehnte Autogramm, das sie in den darauffolgenden Tagen allen zeigte, die es sehen wollten oder auch nicht, dann zwinkerte er mir zu und lächelte verhalten. In diesem Moment war es egal, ob und wer hier ein Star war, darum ging es nicht. Einfach nur um das gegenseitige Verständnis, dass meine Mutter ihn nervte und es mir unangenehm war. Dass ich auf seiner Seite war.
Ich traf ihn nie wieder. Ein guter Sänger, der nur mit Hitparadenmarschmusik erfolgreich sein durfte. Wer einmal in dieser Schublade steckte, hatte Pech.
Was hat Jürgen Marcus also mit Marlene Dietrich und Pamela Anderson zu tun? Es sind Menschen, die ich getroffen habe und von denen ich etwas lernen konnte. Die großartige Liz Taylor sagte einmal in einem Interview: »James Dean, Monty Clift und Rock Hudson waren meine Freunde. Sie haben mir alles erzählt. Alles!« Dann beugte sie sich leicht zum Journalisten vor, musterte ihn und sagte: »Wouldn’t you like to know.« (»Das wüssten Sie wohl gerne.«) Anschließend warf sie den Kopf zurück und brach in schallendes Gelächter aus. Sie hatte ihre Freunde nicht verraten.
Schmutzige Wäsche gehört in die Maschine.
Als ich neulich einem jungen Freund in Miami fragte, ob ihm der Name »Marlene Dietrich« etwas sage, zuckte er mit den Schultern. Eartha Kitt? Nein, die auch nicht. Lauren Bacall, Joan Collins, Angela Merkel? Nie davon gehört. Ja, Cindy Crawford, der Name sagte ihm etwas. Als ich Pamela Anderson erwähnte, leuchteten seine Augen. Ariana Grande? Ja klar, die kannte er! Er lachte und sagte: »Michael, du bist einfach zu alt. Warum sollte ich diese Leute kennen, die sind ja tot. Was habe ich mit denen zu tun?«
In drei Sätzen sprach ich über Marlene, ihre politische Einstellung, ihre Überzeugung und ihren Einsatz. Sein Blick änderte sich. »Oh, so she was kind of a hero?«
Ich nickte. Genau, sie war – und bleibt – eine Art Heldin, und vielleicht ist es deshalb so wichtig, hinzuschauen, was ihre Person betrifft, und an sie zu erinnern. Und nicht, weil man eine Hose nach ihr benannt hat!
Hier sind also einige Geschichten rund um die wunderbaren Begegnungen mit all diesen seltsamen, talentierten, begabten, schlauen, verschrobenen und vor allem menschlichen Wesen, die, ebenso wie ich, in ihrer Kindheit zu wenig Liebe erfahren haben.
Bis auf einige Ausnahmen, so wie Meryl Streep, denn die habe ich leider noch nicht persönlich getroffen. Kann ja noch was werden.
Man(n) weiß ja nie.
Frau auch nicht immer.
2. Die Nacht, in der Marlene Dietrich anrief! Und was es mit der Marlene-Hose auf sich hat.
Ich lag schon im Bett. Es war gegen 23 Uhr an einem regnerischen Novemberabend Ende der Achtzigerjahre in Hamburg.
Ich hatte nicht den besten Tag hinter mir: Stress an der Uni, danach ein Job in einem unpersönlichen Studio in Hamburg-Winterhude mit einem schlecht gelaunten Fotografen.
Wenn ich eines Tages mal Fotos machen würde, selber Fotograf werden sollte, dann hätte ich bessere Laune und würde alle am Set gut behandeln – oder es zumindest probieren! Dachte ich in meinem jugendlichen Leichtsinn. Es sollte noch mehr als zehn Jahre dauern, bis es so weit war, doch das wusste ich damals nicht. Genauso wenig, was es bedeutet, Fotograf zu sein, oder welche Probleme das Erwachsensein mit sich bringen kann. Wie hart die Realität oft ist und warum Mann oder auch Frau manchmal zur Flasche greift oder sich anderweitig beruhigt, um alldem zu entkommen. Um Situationen zu ertragen.
Mein Kosmos sollte sich erst in der zweiten Lebenshälfte erhellen, erst dann ergaben Dinge einen Sinn und fügten sich zusammen. Dennoch begleitet mich – glücklicherweise, möchte ich an dieser Stelle hinzufügen – bis heute eine Art Peter-Pan-Syndrom: Der Gedanke, immer noch alles vor mir zu haben, beflügelt mich nach wie vor. Gut so! Ich war damals schon ein Reisender, ein Beobachter, der die Dinge als Außenstehender betrachtete und sich selten in etwas hineinziehen ließ. Aber dieser feucht-dunkle November hatte es in sich und mich plagten ganz andere Probleme.
Außerdem hatte ich genug mit der Vorbereitung meiner Magisterarbeit zu tun. »Literaturverfilmung alter französischer Werke«, so lautete das Thema. Fachübergreifend sozusagen und somit nicht rein wissenschaftlich. Meine Professorin, Professor Doktor Christa Schlumbohm vom romanischen Seminar der Universität Hamburg, hatte mich dazu angeregt. Ich mochte meine Professorin, eine schöne, witzige und sehr kluge Frau, mit der ich immer noch in Verbindung stehe. Sie hatte mich nach dem Vorstudium dem Direktor der Pariser Elite-Uni Sorbonne empfohlen. Tatsächlich bekam ich ein Stipendium und durfte dort achtzehn Monate lang studieren. Hauptsächlich Literatur, aber auch Filmwissenschaften und Kunstgeschichte.
Ich liebte das Medium Film. Damals gab es noch kein Internet, kein YouTube oder Streaming. Man musste sich wirklich in die Kinos und die Cinematheken begeben, um Filme zu sehen, um die Kostbarkeiten zu entdecken, die nicht im Fernsehen gezeigt wurden.
Das Pariser Leben entsprach ganz meinen Vorstellungen. Ich trank Unmengen von Café au Lait, zitierte Voltaire und hatte sehr viel Spaß.
Jetzt war ich wieder zurück im kalten, regnerischen Hamburg und eine wissenschaftliche Arbeit zu dem Thema »Literaturverfilmung« war etwas ganz anderes als mein »Pariser Leben«. Der Geruch der »Stabi« und der Bibliothek im elften Stock des »Philturms« der Hamburger Uni klebten praktisch an mir. Da half auch »Fahrenheit« von Dior nicht.
Ich lag im Bett und konnte nicht einschlafen. Das Telefon klingelte. Ich schaute auf den Wecker. 23:10 Uhr. Himmel, wer war das denn jetzt noch? Wahrscheinlich meine Freundin Sassa, die wieder Ärger mit ihrem Typen hatte, oder Ernie, der von einem Auftritt kam und somnambul durch die Nacht schwankte. Genervt richtete ich mich auf und nahm den Hörer ab.
»Ja, hallo! Ich bin schon im Bett.«
Es knisterte kurz in der Leitung und ich vernahm ein erstauntes, gurrendes Lachen.
»Mais cést genial, moi aussi. Bonsoir, cést possible de parler avec Michael Reh?«
Für alle, die der französischen Sprache nicht mächtig sind, nachfolgend die Übersetzung, und ich bleibe dann gleich bei der deutschen Sprache. Das macht die Sache einfacher.
»Aber das ist ja wunderbar. Ich bin auch bereits im Bett. Guten Abend, könnte ich bitte mit Michael Reh sprechen?«
Ich vermutete, es war irgendeine Bekanntschaft aus meiner Pariser Zeit – oder eher die Mutter einer Bekanntschaft. Die Stimme klang alt, leicht brüchig, gleichzeitig aber auch irgendwie bekannt.
»Ja, hier ist Michael Reh. Mit wem habe ich das Vergnügen?«
»Guten Abend. Hier ist Marlene Dietrich.«
Flashback.
»Marlene hatte andere Pläne«, sang Nina Hagen auf ihrer ersten West-LP »Nina Hagen Band«. Ich war gerade fünfzehn Jahre alt und Nina Hagen öffnete mir die Augen für eine andere Welt, die nichts mit der kleinbürgerlichen und katholischen Provinznestrealität zu tun hatte, in der ich lebte. Nina sang vom Bahnhof Zoo, von Drogen, vom Scharfsein und Rangehen, vom »Schlüpfer mit der Queen von London drauf« und von anderen Ufern. Völlig neu und ausgeflippt, was mich und mein damals naives Denken betraf. Und sie sang sich mitten in mein bis dahin noch unentdecktes Revoluzzerherz, das bereits spürte, dass es eines nahen Tages laut schlagen würde.
Marlene kannte ich kaum. Die Dietrich. Noël Coward verglich sie mit der schönen Helena, mit Eva und Cleopatra. Selbst Madonna versuchte später, Marlene zu imitieren, und ich sage bewusst »versuchte«, denn es gelang ihr nicht. Die Deutschen mussten ja bereits Katja Flint in dieser Rolle ertragen. Kein Highlight der Filmgeschichte. Marlene mochte Frau Ciccione nicht besonders und betitelte sie sogar als »Floozie«. Ein wunderbarer Ausdruck, der so viel wie »leichtes Mädchen« oder »Nutte« bedeutet. Oder auf Neudeutsch »Sexworker«.
Ach ja, die deutsche Sprache, so genau, so präzise, neuerdings so genderorientiert, damit Mann oder Frau oder das, was dazwischenliegt, bloß niemandem auf die Füße tritt. So mutlos, so konfliktscheu, so konform.
Ganz anders als die Frau, von der wir hier sprechen. Marlene Dietrich scherte die Moral ihrer Zeit und vor allem die Konformität der Gesellschaft einen Dreck. Sie gehorchte ihrer eigenen Moral und tanzte zu ihrer eigenen Musik. Intelligent, scharfsinnig, schön, spontan. Laut eigener Aussage suggerierte sie Erotik. Ihre »durchsichtigen Kleider« waren gerade das, und vor allem eins nicht: billig. Es waren Kunstwerke von Jean Louis, nach Marlenes Vorstellungen angefertigt.
(Jean Louis fertigte übrigens auch das Kleid der Monroe zu JFKs Geburtstag, an dem sie »Happy Birthday« ins Mikrofon hauchte. Kim Kardashian trug dieses Kleid vor zwei Jahren zur Met Gala in New York. Tragisch! Es gibt Dinge, die sollte man lieber nicht tun.)
Marlene ließ sich nicht wie die Monroe in ein Kleid hineinnähen, denn die Kleider und was darunter noch so alles auf ihrem Körper platziert wurde, passten sehr lange – bis zu ihrem zweiundsiebzigsten Lebensjahr – und auch ohne große Änderung. Preußische Disziplin! Gute Gene, wie sie oft betonte. Die Pillen von Dr. Feelgood und den späteren Alkoholkonsum lassen wir an dieser Stelle weg. Ohne ihn wegzureden. Eine Idealfigur will ich aus der Dietrich bestimmt nicht machen, denn das war sie nicht! Nobody is perfect!
Ich höre in der letzten Zeit so oft: »Warum sollte ich die Dietrich kennen? Die Frau wurde vor einhundertzwanzig Jahren geboren und ist seit über dreißig Jahren tot. Die hat nichts mit meinem Leben gemeinsam.«
Doch, hat sie!
Abgesehen von ihren Bildern, die sich, wenn auch oft neu interpretiert, in unser gesellschaftliches (Unter-)Bewusstsein eingeprägt haben, war sie vor allen Dingen eine politische deutsche Frau und ein Weltstar, der 1936 öffentlich Hitler trotzte. Vorher versuchte sie, die englische Monarchie zu retten, indem sie dem amtierenden König Edward Wallis Simpson ausreden wollte.
Und da viele Marlene nicht mehr kennen, hier einige wichtige Informationen zu dieser bemerkenswerten Frau:
Marlene Dietrich wurde am 27. Dezember 1901 in Berlin-Schöneberg geboren und starb am 6. Mai 1992 in Paris. Das Filmfestival in Cannes hatte ein Bild von ihr aus dem Film »Marokko« von Josef von Sternberg als Poster der Filmfestspiele 1992 bestimmt, und so hing das Werbeplakat von Cannes mit einem Schwarz-Weiß-Foto von Marlene, passend zu ihrem Tod, in jeder französischen Stadt. Genialer ungewollter Schachzug und PR-Coup einer bereits Verstorbenen.
Marlene wurde Mitte der Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts Schauspielerin in Berlin, bis ihr mit dem Film »Der blaue Engel« 1929 der internationale Durchbruch gelang. Da saß sie in Strapsen und Zylinder auf einem Holzfass und sang: »Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt.« Hollywood, Josef von Sternberg und die »Paramount« riefen, und Marlene zog nach Beverly Hills. In der Zeit von 1930 bis 1978 drehte sie sechsunddreißig Filme. Unter anderem mit Orson Welles, Gary Cooper, David Bowie, Billy Wilder und Alfred Hitchcock. Marlene erhielt nie einen Oskar, obwohl sie ihn für ihre Rolle in »Zeugin der Anklage« oder in dem hochpolitischen Film »Eine auswärtige Affäre« verdient hätte. Letzterer spielt nach dem Krieg in Berlin. Die Dietrich mimt eine nazitreue deutsche Nachtclubsängerin, die selbst mit Hitler scherzt. Weiter entfernt von der Privatperson hätte eine Filmrolle für eine Schauspielerin nicht sein können.
In der Realität wollten die Nazis Marlene 1936 »heim ins Reich« holen und versprachen ihr eine großartige Karriere. Nachdem sie davon erfahren hatte, wurde sie amerikanische Staatsbürgerin und unterstützte die US-Truppen während des Zweiten Weltkrieges, indem sie im Rahmen der Truppenbetreuung Verwundete im Lazarett besuchte und an der Front mit ihren Shows begeisterte. Sie war die einzige deutsche Schauspielerin, der einzige internationale Star, der sich bereits vor dem Zweiten Weltkrieg vehement und öffentlich gegen die Nazis aussprach und aktiv handelte. Laut und vernehmlich tat sie kund, was sich die meisten nicht trauten.
»Wir wussten, was passierte. Wir wussten von den Juden und den Konzentrationslagern. Und bei Hitler, da ging es nicht mehr mit mir.«
Ihre von den Nazis versprochene Karriere in Deutschland ging dann an die Schwedin Zarah Leander.
Mit der habe ich nie telefoniert.