Daughter of Heaven 1: Where Angels Fall - Magdalena Gammel - E-Book
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Daughter of Heaven 1: Where Angels Fall E-Book

Magdalena Gammel

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Beschreibung

Einst fielen sie, nun soll der Himmel ihnen folgen …

Elodie besitzt die Gabe, das Licht himmlischer Wesen zu erspüren. Aber als Halbengel wird sie in Aeternitas, der Stadt der Engel, verachtet. Als sie einen ermordeten Engel findet, kommt ein finsterer Plan ans Licht: Dämonenfürsten und Halbengel wollen den Himmel stürzen! Auch Elodie gerät zunächst unter Verdacht. Doch ausgerechnet Raphael, der undurchschaubare Erzengel, glaubt an ihre Unschuld und bietet ihr einen Deal an: Wenn sie ihm mit ihrer Gabe hilft, die Rebellion zu verhindern, ist ihr ein Platz in der himmlischen Stadt sicher. Hin- und hergerissen zwischen ihren Gefühlen für Raphael und dem Misstrauen gegenüber den Erzengeln riskiert Elodie mehr als nur ihr Leben …

Epische Romantasy über den Kampf zwischen Gut und Böse, Himmel und Hölle, Engel und Dämonen – voller Drama, Knistern und unglaublicher Plot Twists.


//Dies ist der erste Band der »Daughter of Heaven«-Dilogie. Alle Romane der dämonisch-himmlischen Liebesgeschichte im Loomlight-Verlag:

-- Band 1: Where Angels Fall

-- Band 2: When Demons Rise (August 2023)//

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Das Buch

Die Autorin

© Isabella Böhm

Magdalena Gammel wurde 1997 in München geboren. Literatur und Film waren schon immer ihre Leidenschaft. Ein paar Ausflüge in die Schauspielerei machten ihr aber klar, dass sie die Geschichten lieber erzählt, als sie darzustellen. Auf das Kunst-Abitur folgte eine Ausbildung zur Mediengestalterin für Bild und Ton, was sie nach Hamburg brachte. Dort lebt und schreibt Magdalena momentan, wenn sie nicht gerade im südafrikanischen Busch bei ihrer Familie nach neuen Abenteuern sucht.

Für mehr Informationen über Magdalena Gammel und ihre Bücher folgt der Autorin auf: www.instagram.com/magdalena.gammel

Der Verlag

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Loomlight auf Instagram:https://www.instagram.com/thienemannesslinger_booklove

Viel Spaß beim Lesen!

Für alle Verlorenen, die sich noch finden müssen und mutig genug sind, sich auf die Suche zu machen.

1.

Risiken und Nebenwirkungen

Meine kleine Rebellion im Morgengrauen könnte mich den Himmel kosten, denn zum ersten Mal brach ich eine ihrer Regeln.

Wandere niemals allein durch die Stadt der Engel.

Aber eine geringe Dosis gewaltfreien Ungehorsams war nur dann schädlich, wenn sie mich erwischten.

Jophiel zog mir die Kapuze meines Mantels über den Kopf und hob mahnend den Zeigefinger.

»Du wartest genau hier, bis ich dich wieder abhole, verstanden?« Sie hatte die bezaubernde Stimme einer Sirene, konnte aber den schneidenden Befehlston eines Feldmarschalls imitieren, wenn es ihr so ernst war wie jetzt.

Ich nickte ergeben und tätschelte wie nebenbei Jedidas Kopf, den sie an meinem Bein rieb, weil ihr meine Nervosität nicht entging. Die schneeweiße Füchsin fühlte meine Emotionen oft, bevor ich sie überhaupt verstanden hatte, obwohl sie Jophiels Begleiterin war und nicht meine.

»Was, wenn du aufgehalten wirst? Wenn du nicht rechtzeitig wiederkommst«, warf ich zum hundertsten Mal meine Bedenken ein.

»Dann hattest du von mir die Erlaubnis, hier zu sein.«

»Und wenn das jemand dem Chor verrät?«

»Dann haben wir wenigstens beide ein Problem.«

Ich zog die Stirn kraus und sah sie vorwurfsvoll an, weil mir nicht gefiel, was für Risiken Jophiel seit einiger Zeit bereit war einzugehen. Zwischen ihr und dem Chor war irgendetwas vorgefallen – irgendetwas war in die Brüche gegangen. Als Botschafterin des Himmels hatte sie stets die Gunst der Erzengel genossen und deren Willen mit treuem Gewissen ausgeführt. Inzwischen zog jedoch alles, was mit ihnen zu tun hatte, Jophiels Laune in den Keller.

»Mach dir nicht zu viele Gedanken, Elodie«, sagte sie und schenkte mir ihr schönstes Lächeln. »Die Stadt ist doch jetzt schon so gut wie leer gefegt und keiner wird auf die Idee kommen, den Berg zu verlassen, bevor der Meteorschauer vorbei ist.« Das war ein gutes, mich durchaus beruhigendes Argument. Zwar fieberte ich bereits seit Tagen auf das heutige Spektakel hin, hatte mir aber bis zu unserem kurzen Flug durch die Nacht nicht vorstellen können, dass sich wirklich alle Engel im Berg Tabbur versammeln würden. Dieser bildete das Zentrum der Stadt und leuchtete wie eine überdimensionale Glühbirne. Eigentlich glich er eher einer Festung, deren filigrane und reich verzierte Tore, Balkone, Säulen und Zinnen kunstvoll ineinander übergingen. Und alles war, so wie der Rest der Stadt, mit Glas veredelt und von Pflanzen überwuchert.

Heute versammelten sich dort die Bewohner von Aeternitas. Jeder durfte kommen. Jeder, nur ich nicht.

Aber den Meteorschauer, dessentwegen sich alle dort zu Speis und Trank trafen, würde ich trotzdem nicht verpassen. Er symbolisierte den größten Triumph des Himmels, denn angeblich bestand er aus den Resten von Luzifers Palast. Dieser war vor langer, langer Zeit durch die anderen Erzengel zerstört worden, als sie ihren Bruder besiegt und verbannt hatten. Seitdem zogen die Trümmer in großen Kreisen um die Welt, wobei alle dreihundert Jahre Teile davon wie Sternschnuppen in der Atmosphäre der Stadt verglühten. Irgendwann würde auch das letzte Staubkorn des einst prächtigsten Hofes verschwunden sein, sodass nur noch Erinnerungen von dem Himmelsspektakel berichten würden. Das hier könnte meine erste und auch letzte Chance sein, denn dreihundert Jahre zu überleben war eine knifflige Aufgabe.

»Am liebsten würde ich bei dir bleiben«, sagte Jophiel und zog ihre perfekt geschwungenen Augenbrauen zusammen. »Aber so kann ich dir wenigstens etwas Kleines mitbringen. Irgendetwas Süßes. Als Wiedergutmachung.« Sie zögerte, dann fand ich mich plötzlich in einer oberflächlichen Umarmung wieder. Obwohl wir uns schon so lange kannten, war die Zurschaustellung von Emotionen nicht unsere Sache. Das lag vor allem an Jophiels würdevoller Art und meiner einstudierten Zurückhaltung.

»Du musst nichts wiedergutmachen.« Ich erwiderte den Druck ihrer Arme, wusste, dass sie die Wahrheit sagte und wirklich lieber mit mir zusammen den Meteorschauer beobachtet hätte. Aber es war ihre Pflicht, im Berg zu erscheinen und dem Chor Respekt zu zollen.

Rasch löste sich Jophiel von mir, was mich mit einer eigenartigen Leere zurückließ. Wie lange hatte ich schon keine Umarmung mehr gespürt? Jahre vermutlich.

»Viel Spaß«, sagte ich und kraulte Jedida zum Abschied hinter den seidigen Ohren. Sie leckte mir schnell über die Hand, bevor sie zu Jophiel eilte, die bereits ihre himmelblauen Flügel ausgebreitet hatte. Die Mauern der Stadt strahlten ohne Unterlass ein warmes Licht aus, was die Federn der mächtigen Schwingen wie Diamanten funkeln ließ.

Als Jophiel abhob und Jedida ihr als weißer Nebel folgte, verschlug es sogar mir die Sprache. Sie war ein so wunderschöner, graziler Engel, mit goldenem Haar und elfenbeinfarbener Haut. Natürlich wusste Jophiel, was für einen Anblick sie in diesem Kleid aus silbernen Schleiern abgab.

Die Morgenröte malte rosige Pinselstriche an den Horizont, sodass sich in den Wolken die Farben eines neuen Tages mit dem dunklen Blau der Nacht vermischten.

Ich sah dabei zu, wie Jophiel auf einem der vielen Balkone des Berges landete, von eifrigen Dienern empfangen wurde und im Inneren verschwand. Der kurze Stich der Eifersucht traf mich bei dem Gedanken an das Gelächter, die geteilte Vorfreude und das Gefühl von Zugehörigkeit.

Ich schnupperte und nahm den köstlichen Duft wahr, der durch die gesamte Stadt wehte. Frischer Beerenwein, glasierte Früchte, die es nur in Aeternitas zu ernten gab, in Honig gebratenes Gemüse, das mit nichts aus der Menschenwelt zu vergleichen war.

Mein Magen knurrte, aber ich würde niemals in den Genuss der Speisen kommen, die im Berg vermutlich auf endlos langen Tafeln serviert wurden.

Aus diesem drang fröhliche Musik, Harfen- und Geigenspiel, die zum Tanz aufforderte.

Um mich nicht länger selbst zu quälen, zog ich mich unter die Kuppel des Donnerturms zurück, auf dem mich Jophiel abgesetzt hatte. Er und die anderen Türme standen um Tabbur herum und waren für das Wetter auf der Erde zuständig, genauso wie die Wasserspeier, Blitztempel und Sonnenmühlen. Tag und Nacht wirkten sie ihren Einfluss aus, nur der Turm, auf dem ich mich befand, hatte schon vor langer Zeit ausgedient.

Der rote Schein am Ende der Welt wuchs und plötzlich wüteten Blitze wie Drachen durch den Himmel. Ich krallte mich am Geländer fest und wartete auf den ersten Donnerschlag, mit dem die Erzengel erscheinen würden.

Obwohl die Stadt bereits in einem Meer aus Wolken schwebte, befanden sich ihre Höfe noch einmal einige Hundert Meter über den Dächern von Aeternitas, sodass zwischen uns und ihnen der Horizont lag. Viel mehr als dicke Wolkenberge, die von Nordlichtern durchzuckt wurden, sah man jedoch nie, denn diese umgaben die drei Paläste wie Schutzmauern.

Auf meiner Haut bildete sich eine feine Gänsehaut, was längst nicht mehr an der Kälte des Morgens oder meinem kleinen Regelverstoß lag.

Der erste Knall klang wie das Malmen von gigantischen Zähnen, als würde eine Riese an einem Gebirge herumknabbern. Das Gewitter über der Stadt begann zu splittern und durch die Risse drang reines Licht. Es begleitete die drei Gestalten, die sich weder zu schnell noch zu langsam dem Berg näherten.

Michael, Gabriel und Raphael.

Ihre ausholenden Flügelschläge waren bis hierher zu hören und brachten die Luft mit all ihrer Macht zum Zittern. Ihre Federn wirkten wie aus Licht und Nebel gesponnen, dabei konnten sie schärfer als jeder Dolch sein.

Am liebsten hätte ich an Ort und Stelle eine Flunder imitiert und mich flach auf den Boden gepresst oder mich anders verborgen. Erzengel waren nicht gerade dafür bekannt, unaufmerksam zu sein, und ich bezweifelte, dass die drei Mächte des Himmels schlaftrunkene Morgenmuffel waren, die alles um sich herum ignorierten, bevor sie nicht ihren ersten Kaffee hatten.

Aber um mich zu entdecken, müssten sie schon ganz genau hinsehen und wissen, wonach sie zu suchen hatten. Glücklicherweise taten sie das nicht, sondern hielten geradewegs auf den Berg zu.

Mit formvollendeter Eleganz landete der erste Erzengel auf einem der Felsvorsprünge und schüttelte seine Schwingen. Es musste Michael sein. Der Älteste von ihnen. Selbst von hier erkannte ich sein goldenes Haar und das reine Weiß seiner Flügel, welche von einem perlmuttfarbenen Schimmer umstrahlt wurden. Regentropfen aus den Wolken rieselten wie Sternenglanz von seinen Flügeln, als er diese zusammenfaltete. Er und die anderen bildeten zusammen mit vier weiteren Engeln den Chor von Aeternitas, welcher bereits seit Anbeginn der Zeit für die Stadt und so ziemlich alles den Himmel Betreffende die Verantwortung trug.

Die Landung der anderen konnte ich nicht länger bestaunen, denn plötzlich drehte sich der Wind und trug einen eigentümlichen Geruch heran. Ich erstarrte und atmete tief ein, nicht sicher, ob mir meine Sinne einen Streich spielten. Aber es war eindeutig.

Blut. Es lag der Gestank von Blut in der Luft.

So etwas hatte ich in der Stadt der Engel noch nie gerochen. Hier ging es meistens sehr geordnet und friedlich zu, was wohl an der strengen Hierarchie und den drakonischen Gesetzen lag. Natürlich gab es Streitereien und Unstimmigkeiten, auch die ein oder andere körperliche Auseinandersetzung, aber dem schweren Geruch zufolge, der direkt aus dem Garten unter mir kam, verlor gerade irgendjemand eine Menge Blut.

Unschlüssig trat ich auf der Stelle, starrte angestrengt in den Garten, doch es war unmöglich, etwas Genaueres zu erkennen. Der Garten trennte den Donnerturm vom Berg und war ein einziges Labyrinth aus Hecken und Hügeln, über die kreuz und quer steinerne Treppen führten.

Ich konnte nicht einfach herunterklettern und nachschauen, ob jemand meine Hilfe brauchte. Für gewöhnlich hielten Engel viel aus und ich würde mich damit nur in unnötige Schwierigkeiten bringen.

Aber was, wenn es wirklich ernst war? Wenn jemand im Sterben lag und Hilfe brauchte?

Meine menschliche Hälfte hatte stets eine ungesunde Neugierde empfunden, während der Engel in mir bei jedem noch so kleinen Risiko um seine Chance auf einen Platz im Himmel fürchtete. Zu Recht.

Ich legte den Kopf zurück, denn der Meteorschauer müsste jeden Moment beginnen. Die Erzengel öffneten zum ersten Mal, seit ich in der Stadt war, die Schilde um ihre Höfe, sodass alle Wolken an den Rand getrieben wurden, und man freie Sicht auf die drei gigantischen Paläste hatte. Darüber tat sich ein makelloser Himmel auf, hinter dem die Endlosigkeit des Alls wartete.

Die Höfe schwebten schwerelos über der Stadt und waren aus unterschiedlichem Gestein erbaut.

Violetter Amethyst, schwarz-silberner Hämatit und weißer Mondstein.

Allein für diese freie Sicht hatte sich mein Verstoß gegen die mir auferlegten Regeln gelohnt. Ich schnupperte, in der Hoffnung, dass der metallische Geruch verflogen war und ich mich nur geirrt hatte, als durch die Lüfte etwas ganz anderes zu mir drang. Ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit. So schwer wie Blei auf meiner Brust, so dunkel wie die Ängste in meinem Herzen.

Ich sträubte mich, brach mir zwei Nägel ab, bei dem krampfhaften Versuch, Halt am Geländer zu finden.

Dann erklang ein Schrei, den ich nur in meinem Innersten hören konnte, weil er aus den Tiefen eines anderen Wesens stammte. Ein Schrei voller Schmerz, Kummer und Leid.

Er hallte durch meinen Körper, ließ Knochen knirschen und Sehnen reißen. Kurz glaubte ich, wie ein altes Haus einzustürzen, doch dann ebbte der Schmerz ab und nichts als Leere blieb zurück.

Schweiß stand mir auf der Stirn und meine Augen tränten. Mir war sofort klar, von welchem Wesen diese Lawine gekommen war, auch wenn ich nicht verstand, was sie hätte lostreten können.

Jede Abwägung von helfen oder nicht helfen, gehorchen oder nicht gehorchen, war plötzlich hinfällig. Ich kletterte über den Balkon, griff nach einer der Wurzeln, die den Turm umarmten, und seilte mich hinab in die Tiefe.

Ohne Flügel war Aeternitas ein einziger Klettergarten.

Meter für Meter näherte ich mich dem Boden und warf dabei immer wieder hektische Blicke hinter mich.

Die ersten Sonnenstrahlen eroberten den Horizont und brachen in einer Welle aus orangerotem Licht über die Stadt herein. Der Frühnebel lichtete sich und gab frei, was für mich auch nach Tausenden solcher Tagesanbrüche noch immer nicht weniger als ein Wunder war. Aus Marmor gemeißelt und mit Glas verziert – von Unsterblichen erschaffen.

Tauben stoben von filigranen Türmchen und flatterten zwischen den zahllosen Zinnen hindurch. Es blieben Minuten, vielleicht auch nur noch Sekunden bis zum Meteorschauer.

Endlich spürte ich festen Boden unter den Füßen und rannte augenblicklich los, dem Gefühl von Verzweiflung entgegen.

Immer tiefer trieb es mich in den Garten hinein, direkt auf den Berg zu. Brücken aus Glas führten über Bächlein und Teiche. Improvisierte Treppen, die eigentlich nur versetzte Granitplatten waren, wanden sich Hügel hinauf und wieder hinunter, waren Teil moosbewachsener Mauern oder verschmolzen mit dichten Hecken.

Noch konnte ich umkehren, den Turm wieder hinaufklettern und so tun, als hätte ich nichts gespürt. Wenn mich jetzt ein Engel erwischte, würde auch Jophiel mir nicht mehr helfen können.

Riskiere nichts und verhalte dich unauffällig!

Am liebsten hätte ich die Stimme meiner Vernunft in einem der umliegenden Teiche ertränkt.

Sie war sonst ein treuer Begleiter, hielt mich stets von Dummheiten ab und meine Prioritäten im Gleichgewicht.

Aber gerade eben konnte ich nicht anders, als unvernünftig zu sein. Dieser Schrei, den ich auf dem Turm gehört hatte, war lauter als alles andere.

Ich bog um die nächste Ecke und stand plötzlich direkt vor den Mauern des Berges, wo ich so abrupt abbremste, dass ich beinahe über meine eigenen Füße stolperte.

Vor mir führte eine mindestens fünf Meter breite Treppe zu einem Tor im Berg. Über ihre glatten Stufen floss Blut.

Ich vergaß zu atmen, spürte, wie mein Kreislauf absackte und ich mit einem Schlag alles, was ich heute nach dem Aufstehen getan hatte, zutiefst bereute. Ich hätte im Bett bleiben sollen …

Der Schrei war von einem Schatten gekommen, da war ich mir sicher. Von dem Begleiter eines Engels. Zusammen mit diesen, wurden sie aus himmlischem Licht geboren und spiegelten, in weißer Tiergestalt, das Innere ihrer Herren wider. Es gab keine engere, stärkere Verbindung, als die zwischen einem Engel und seinem Schatten, denn auch wenn beide keine Seele besaßen, teilten sie sich ein und dieselbe Essenz.

Aber auf den ersten der fast fünfzig Stufen lag kein verwundeter Schatten, sondern ein Engel. Blutüberströmt.

Seine Flügel waren erschlafft, die Federn stumpf und glanzlos.

Schwerfällig machte ich einen Schritt nach vorne. Die Stimme der Vernunft war verstummt, als hätte dieser brutale Anblick sie zum Schweigen gebracht.

Je näher ich dem Engel kam, desto mechanischer fühlten sich meine Bewegungen an. Das schnelle Laufen hatte meinen Atem beschleunigt und mein Herz zum Rasen gebracht, doch beides wurde jetzt unnatürlich langsam. Watte legte sich auf meine Ohren, verbannte alle Geräusche der Außenwelt. Mit weichen Knien betrat ich die Treppe, schleppte mich drei blutige Stufen hinauf, beugte mich über den Engel und bewegte meine zitternde Hand an seinen Hals.

Ich war eine gute Heilerin, aber die Katastrophe, in die ich hier gestolpert war, überforderte auch meine Fähigkeiten.

Meine Finger fanden seine Halsschlagader, tasteten nach einem Puls, fanden jedoch keinen. Er war tot.

Wie gelähmt sackte ich auf die Stufen und ließ den Blick über den leblosen Körper wandern. Mein Hirn war wie leer gefegt.

Ich wusste, dass nur ein Engel mächtig genug war, um einen anderen Engel zu töten, das hieß, ein Mörder schlich durch die Gassen der Stadt. Das war absurd, völlig absurd.

Engel durften nicht töten. Niemals und unter keinen Umständen. Das war eines ihrer heiligsten Gesetze. Und gegen sie zu verstoßen, eines ihrer schlimmsten Sakrilege.

Verzweifelt versuchte ich meine Taubheit abzuschütteln und die Situation möglichst analytisch zu betrachten. Der Verwundete war ein Wächterengel. Das verriet mir seine kobaltblaue Rüstung, die aus einem Material gegossen war, das keine gewöhnliche Waffe hätte beschädigen können. Den Brustharnisch zierten goldene Gravierungen, die nun aber größtenteils von Blut verdeckt wurden. Die Waffe, die ihn getötet hatte, hatte das Metall wie eine Nussschale aufgebrochen. Sie war so tief eingedrungen, dass ich Muskelgewebe und Knochen klar in dem zerfetzten Fleisch erkennen konnte. Ein einziger Hieb, direkt ins Herz. Rundherum fraßen sich weiße Linien, wie kleine Blitze, durch die zerstörte Haut. So wie das aussah, war die Waffe nicht besonders scharf gewesen. Im Gegenteil. So ein grober Einstich konnte nur von etwas mit stumpfer, unebener oder sogar rostiger Klinge kommen.

Schnell zog ich meine feuchten Hände zurück, als ich bemerkte, dass sie die blutbeschmierte Rüstung berührt hatten. Kalte, klare Energie sprudelte durch meine Venen, weckte den Drang, zu retten, was nicht mehr zu retten war.

Ich erhob mich, nicht sicher, was ich nun tun sollte.

Hilfe rufen?

Dann würden die Erzengel erfahren, dass ich in der Stadt unterwegs gewesen war.

Ihn hier einfach liegen lassen?

Dagegen sträubte sich mein Gewissen. Aber irgendjemand würde ihn schon finden und dem Chor melden, dass es einen Mord gegeben hatte.

Himmel! Allein diese Worte zu denken, fühlte sich falsch und unwirklich an.

Den Blick noch immer auf die Leiche gerichtet, zog ich mich langsam zurück.

Auch wenn vermutlich niemand anderes außer mir den Schrei des Schattens gehört hatte, so würde jeder Engel in unmittelbarer Nähe den Geruch von Blut riechen können. Im schlimmsten Fall würde sich jeden Moment die Tür dort oben öffnen und ein weiterer Wächterengel – oder – viel schlimmer – ein Erzengel uns entdecken.

Huu-hu.

Ein Heulen ließ mich erschrocken zusammenfahren. Automatisch fiel mein Blick gen Himmel, denn ich war es gewohnt, stets über mir die Gefahr zu finden. Doch kein Engel war zwischen den Treppen, die in den Berg hineinführten, zu sehen. Meine Finger wurden feucht, sodass sich das getrocknete Blut mit dem Schweiß auf meinen Handflächen vermischte. Das Heulen wurde lauter, flehentlicher. Es schien von der Treppe zu kommen, auf der der tote Engel lag. Dort war unter den Stufen ein Freiraum, groß wie ein Tunnel und von beiden Seiten betretbar. Vorsichtig linste ich um die Mauer und entdeckte im diffusen Licht ein weißes, zusammengesacktes Federbündel.

Mir klappte der Mund auf, aber viel mehr als ein ersticktes Keuchen brachte ich vor Überraschung nicht hervor.

Das da vor mir war eine Eule. Keine, wie man sie aus der Menschenwelt kannte. So strahlend weiße Federn, wie aus Licht und Nebel gewebt, hatten nur ganz bestimmte Wesen. Schatten.

Das musste der Begleiter des Engels sein, dessen Schrei ich gehört hatte, als dieser ermordet worden war. Nur warum lebte er noch?! Begleiter starben mit ihren Herren, aber das zitternde Häufchen Elend da vor mir war ganz offensichtlich lebendig. Vollkommen verstört, blutbesudelt und in tiefer Trauer – aber lebendig.

Ganz langsam ging ich in die Hocke und streckte der Eule meine Hand entgegen. Sie zuckte zurück, bewegte zaghaft die Flügel, als habe sie längst alle Kraft verlassen. Doch verletzt schien sie nicht, das Blut musste von ihrem Herrn stammen.

Ich redete ihr gut zu und hoffte, dass sie noch nicht zu verwirrt war, um mir zu vertrauen. Jedem anderen hätte ich davon abgeraten, fremden Schatten auch nur zu nahe zu kommen. Der Schnabel war groß genug, um mir mit einem gezielten Hieb die Hand zu durchbohren, und die Krallen lang wie Schaschlikspieße.

Ich wusste nicht, wie es sein konnte, dass sie noch lebte, während der Engel tot auf den Stufen lag, und ihr schien das ein genauso großes Rätsel zu sein. Die blauen Augen bettelten förmlich darum, sie von ihrer Trauer zu erlösen, sie dem Toten hinterherzuschicken, um diesen unnatürlichen Zustand zu beenden.

»So etwas habe ich auch noch nie gesehen.«

Ich fuhr herum, was die Eule panisch aufschreien ließ. Sie schlug wild mit den Flügeln und brachte sich damit selbst aus dem Gleichgewicht. Verängstigt zog sie sich wieder tiefer in den Schutz der Treppe zurück, während ich mich schützend vor ihr positionierte und den Mann anstarrte, zu dem die Stimme gehörte. Die Arme lässig vor einer muskulösen Brust verschränkt, lehnte er entspannt an der Säule einer Treppe, keine drei Meter von uns entfernt.

Die Eule krächzte kläglich. Der Fremde schnalzte bei ihrem Gezeter mit der Zunge und drückte sich geschmeidig von der Wand ab.

»Sie lassen für gewöhnlich niemanden außer ihren engsten Vertrauten an sich heran, schon gar nicht in einem solchen Zustand.« Statt der Eule sah er mich neugierig an und ließ den Blick einmal an mir hinabwandern.

Ich hielt stand und musterte ihn meinerseits, tat es aber lange nicht so selbstgefällig wie er.

Das Erste, was mir an ihm auffiel, war seine verlotterte Erscheinung. Hemd und Hose hatten die beste Zeit längst hinter sich. Das schwarze Haar war zerzaust, einige Strähnen vollkommen verklebt. Trotzdem glich sein Auftritt dem eines Engels, denn unter all dem Schmutz verbarg sich ein markantes Gesicht mit makelloser, von der Sonne geküsster Haut.

Das Zweite, was mir auffiel, war, dass er keine Flügel hatte.

Und diese Tatsache beunruhigte mich weitaus mehr als seine schäbige Erscheinung. Denn ich war das einzige Wesen in Aeternitas, das keine Flügel besaß, und das war nichts, auf das man hätte stolz sein können. »Wer oder was bist du?«

Der Mundwinkel des Fremden zuckte – eine kleine Geste, die mehr Spott barg, als meiner Meinung nach nötig gewesen wäre.

»Was denkst du denn, was ich bin?«

Fand er das auch noch amüsant? Wer war denn so umnachtet, Spielchen spielen zu wollen, während im Garten die Leiche eines Unsterblichen lag.

»Jedenfalls kein Halbengel«, sagte ich knapp und ballte die Hände zu Fäusten.

Er schmunzelte und betrachtete abfällig den Berg, der über uns aufragte, als richtete er seine nächsten Worte direkt an ihn.

»Nein, gewiss nicht. Der ach so heilige Chor von Aeternitas duldet in seiner Stadt nur einen Halbengel, und dieser bist du, nicht wahr?«

Ich antwortete nicht, was er lediglich mit einem Schulterzucken quittierte. Dann rieb er sich nachdenklich das Kinn und zog fragend die Stirn in Falten. »Korrigier mich, wenn ich falsch liege, aber haben dir meine Brüder nicht ausdrücklich verboten, allein durch die Stadt zu spazieren?« Er lächelte mich charmant an. »Dir könnte sonst etwas passieren.«

Ich atmete scharf ein. Woher wusste er das?! Mit überheblichem Blick trat er einen Schritt auf mich zu. Ich konnte nicht zurückweichen, weil direkt hinter mir die Eule kauerte und fauchende Laute von sich gab. Etwas, was ich so noch nie gespürt hatte, umgab den Mann. Alle Lebewesen strahlten eine Aura aus, eine eigene Duftnote, die sie umhüllte. Die seine roch nach Kiefern und orientalischen Gewürzen und wurde getragen von einer heißen Energie. Einer höllisch heißen Energie.

»Dämon«, entfuhr es mir, als es in meinem Kopf endlich klick machte. Das Wort hing schwer zwischen uns, obwohl meine Stimme dünn wie die einer Sterbenden klang. Seine Macht drängte gegen die kühle Essenz meines Engels, nicht schmerzhaft, aber unmissverständlich präsent.

»Etwas unpräzise«, sagte er, wobei sich ein gefährliches Funkeln in seine bernsteinfarbenen Augen stahl.

Er hatte von seinen Brüdern gesprochen, von den Engeln des Chors, obwohl er selbst keine Flügel besaß. Dann musste er ein Dämonenfürst sein. Jene Engel, die aus dem Himmel auf die Erde gefallen waren. Bei solch einem Sturz verbrannten ihre Schwingen, was sie dazu verdammt, mit einem kümmerlichen Rest ihrer einstigen Macht unter den Sterblichen zu leben. Ein Schicksal, das die wenigsten akzeptieren, weshalb ihnen nur noch der Abstieg in die Hölle blieb. Dort lockte eine ganz andere Form von Macht, wenn sie ihre Herzen im Fegefeuer badeten und damit auch die letzten Fetzen ihrer himmlischen Essenz vernichteten. So wurden aus gefallenen Engeln Dämonenfürsten, mit pechschwarzen Schatten.

Ich war noch nie einem begegnet, obwohl mein Vater, den ich nicht kannte, einer von ihnen gewesen sein musste.

Mit meiner Mutter, einer sterblichen Frau, hatte er ein Kind gezeugt, was strengstens verboten war und mit Verbannung bestraft wurde. Leider hatte mir der Chor nicht einmal seinen Namen sagen können und ich wusste keine weiteren Details über meine Eltern, die die Liste der gefallenen Engel eingrenzten.

Aber wenn ich mir diesen fremden Mann ohne Flügel, in dessen Aura die bedrohliche Hitze der Hölle brodelte, so ansah, war es vielleicht ganz gut, dass die Suche nach meinem verbannten Vater bis jetzt erfolglos verlaufen war.

Dämonenfürsten waren gefährlich.

Und sie hatten in Aeternitas eigentlich Hausverbot.

Plötzlich fuhr die Eule mit einem alarmierenden Schrei auf und schlug mit den Flügeln so heftig gegen die Mauer der Treppe, dass sich jeder andere Vogel längst die Knochen gebrochen hätte. Ich verstand nicht, was sie so in Panik versetzte, als ich direkt hinter ihr, auf der andere Seite der Stufen, eine gigantische Gestalt entdeckte, die uns lauernd beobachtete. Feuerrote Augen ruhten in einem dicken Schädel, der zu einem aus Rauch geformten Körper gehörte. Es war ein Wolf – mit tellergroßen Tatzen, auf denen er langsam und lautlos näher kam.

»Keine Angst«, sagte der Dämonenfürst hinter mir. »Hadar findet Geflügel ungenießbar und hübsche Mädchen verschont er für gewöhnlich.«

»Soll das amüsant oder auf schräge Weise beruhigend sein?«, flüsterte ich erstickt, denn weder konnte ich über seine Worte lachen noch irgendeinen Trost in ihnen finden.

»Natürlich beides«, lachte er, wofür ich ihm einen verständnislosen Blick zuwarf. Entweder war er vollkommen wahnsinnig oder ich zu dumm, um die Gefahr richtig einzuschätzen. Aber egal, was von beidem zutraf, ich musste hier verschwinden. Er hatte den Engel nicht umgebracht, dafür fehlte ihm die Macht, was ihn aber noch lange nicht unschuldig machte – geschweige denn die Frage beantwortete, warum er hier war.

»Ich sollte gehen.« Eine dämliche Aussage, die den Fremden zu Recht zum Lächeln brachte.

»So plötzlich?«

»Ist das ein Problem?«

»Nein … nur etwas enttäuschend. Du hast so einiges riskiert, um dem Schrei dieses Schattens zu folgen und möchtest nun ohne ihn einfach so verschwinden?«

Ich presste die Kiefer zusammen und stellte mich schützend vor die Eule. Als ob ich das verstörte Geschöpf bei ihm lassen würde. Ganz bestimmt nicht.

»Was willst du von ihr?«

Der Dämonenfürst wiegte den Kopf hin und her, als müsse er seine Antwort genau überdenken.

»Nicht das Geringste. Wir können diesen Schatten nur leider nicht in deiner Obhut lassen.«

»Wir?«

Er hob das Kinn und sah wie nebenbei nach oben, woraufhin ich seinem Blick folgte und mit Schrecken erkannte, dass über mir, am Rand der obersten Treppenstufe, eine weitere Gestalt stand. Durch die tief ins Gesicht gezogene Kapuze konnte ich keine genauen Züge erkennen, aber der Statur zufolge war es ein Mann – ohne Flügel. Hatte ich versehentlich ein geheimes Nest von Dämonenfürsten angestochen oder woher kamen die alle so plötzlich?

»Habt ihr den Wächterengel umgebracht?«, platzte es aus mir heraus. Inzwischen zitterte ich am ganzen Körper. Meine Haut war mit einem dünnen Film von Angstschweiß überzogen.

Der Dämonenfürst machte eine wegwerfende Handbewegung und blinzelte mich unschuldig an.

»Wie hätten wir das anstellen sollen, meine Liebe?«

Guter Punkt.

Aber irgendetwas hatten sie mit dem Mord zu tun. Um das zu erkennen, musste man nun wirklich keine Detektivin sein.

»Der Schatten kommt mit mir.« Oho, jetzt gab ich also schon Befehle? Allein der Tonfall passte nicht zu mir und das schien dem Dämonenfürsten auch aufzufallen. Sein Mundwinkel zuckte nach oben und er grinste mich spöttisch an.

»Sieh einer an. Da scheint wohl jemand das Herz einer wahren Kämpferin zu besitzen. Wie ungewöhnlich für euresgleichen.«

Das schmerzte mehr, als ihm bewusst sein konnte. Halbengel hatten sich im Laufe der Zeit, besonders im vergangenen Jahrzehnt, nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Hexenjäger und Fanatiker waren unter ihnen gewesen, die sich damals einem Tyrannen namens Claudius angeschlossen hatten, um Arcanum, die Stadt der Hexen und Dämonen, zu vernichten. Aber damit hatte ich nichts zu tun. Diesem gefallenen Engel, der Arcanum erobert und seine Bewohner achtzehn Jahre unterdrückt hatte, war ich niemals begegnet. Lediglich von seinen Missetaten und dem Blutvergießen der Halbengel, die ihm gefolgt waren, hatte ich gehört. Egoistische, den Namen des Himmels missbrauchende Monster. Ich war mehr als froh gewesen, als es dem jetzigen Zirkel von Arcanum gelungen war, diese Schreckensherrschaft zu beenden und wollte mit den Verbrechern von damals nicht in einen Topf geworfen werden.

Der Dämonenfürst schien zu erkennen, dass er mit seiner Stichelei direkt ins Schwarze getroffen hatte, denn er schmunzelte zufrieden und wurde mir damit zum ersten Mal so richtig unsympathisch.

Es war an der Zeit, dass ich und das kleine tierische Rätsel hinter mir verschwanden. Doch dafür mussten wir zusammenarbeiten.

Meistens vertrauten mir Schatten selbst dann, wenn sie mich noch nie gesehen hatten. Es war eine Gabe. Eine, dank der ich mit dem Licht des Himmels kommunizieren konnte. Dieses floss besonders stark durch die Begleiter von Engeln, aber so verwirrt, wie mich die Eule momentan musterte, war es fraglich, ob sie mir noch Zugang zu ihrem Bewusstsein erlauben würde.

Ich rief die Dunkelheit vor mein geistiges Auge, denn in dieser konnte ich nach der Essenz himmlischer Wesen suchen. Als weiße Sonnen, bunte Lichtstrudel oder funkelnde Sterne erhellten sie die lebendige Finsternis und waren gefüllt mit Emotionen oder Eindrücken, manchmal sogar mit klaren Bildern und Erinnerungen.

Mit dem festen Ziel, den Verstand der Eule zu finden, marschierte ich durch die endlose Finsternis und sandte sanfte Strahlen meiner eigenen Macht aus, die die Schwärze für einen Moment erhellten und wie weiße Vögel durch sie hindurchflatterten.

Nach wenigen Sekunden trafen sie auf ein kleines flimmerndes Etwas aus trübem Licht, das einsam in der Dunkelheit schwebte. Es war das Bewusstsein der Eule, das bereits reichlich ramponiert und durcheinander war. Voller verschwommener, blutiger und pechschwarzer Horrorszenarien. Ich berührte ihren Verstand, um sie aus ihrer Lethargie zu befreien, keine Sekunde zu früh, denn hinter uns schoss der Wolf mit einem markerschütternden Heulen nach vorne, das Maul weit aufgerissen, um mich oder die Eule in Stücke zu zerreißen. Doch er erwischte keinen von uns beiden, denn der Begleiter des toten Engels stürzte sich mit ausgestreckten Krallen auf den Dämonenfürsten und ermöglichte uns so die Flucht nach vorn.

Ich schickte einen Pfeil eiskalten, weißen Lichts durch meine Fingerspitzen, das den Wolf direkt zwischen den Augen traf und ihn quer über die blutige Treppe schleuderte.

Dann feuerte ich einen zweiten Pfeil in Richtung des verhüllten Mannes, doch mein Angriff ging ins Leere, weil dieser längst nicht mehr auf der obersten Stufe stand. Ich sah ihn nirgends und hatte auch keine Zeit, mir Gedanken darüber zu machen, denn der Wolf hatte sich bereits erholt und kam knurrend auf mich zu. Schritt für Schritt wich ich zurück. Da schossen über der Stadt plötzlich die Meteore am Himmel entlang. Ich suchte die Verbindung zur Eule und schickte ihr ein einziges, flehendes Wort.

Flieh!

Dieses kam mit so viel Nachdruck, dass sie überrascht von ihrem Opfer abließ und steil in den Himmel stieg.

Dort rasten wie magisch angezogen aus dem letzten Rest der Nacht Hunderte von Sternschnuppen über den rotorangenen Himmel, direkt auf die Sonne zu.

Ich hatte ein wunderschönes Naturspektakel erwartet, doch stattdessen krampfte sich mein Herz beim Anblick der verglühenden Meteore zusammen. Das Bild erinnerte an Engel, die mit brennenden Flügeln zu Boden stürzten, während die Asche ihrer verglühten Federn im Morgenwind zerstob. Ich wusste nicht, woher dieser Gedanke kam, aber allein die Vorstellung davon, dass unzählige Bewohner Aeternitas’ bei ihrem Fall genauso aussehen würden, nährte meine Albträume für die kommenden Nächte.

Ich schüttelte diese absurde Fantasie ab, denn Engel fielen nicht einfach so, und versuchte das funkelnde Wunder über mir zu ignorieren.

Die Sternschnuppen zogen meterlange Schweife aus Licht hinter sich her und durchschossen die Wolken am Horizont, sodass diese von Blitzen und violettblauem Wetterleuchten erhellt wurden.

Das lenkte sogar den Dämonenfürst und seinen Schatten für einen Moment ab und gab mir genug Zeit, meine Kräfte zu sammeln. Ich hob die Hände und entsandte zwei nicht besonders starke, aber ausreichend helle Blitze, die direkt vor den Füßen des Fremden in den Boden einschlugen. Er sprang überrascht zurück, während ich an ihm vorbeihuschte.

Treppen hinauf und wieder hinunter, über Mauern, Hügel, zwischen Hecken hindurch. Mal links, dann wieder rechts, ohne Plan, ohne Sinn und Verstand. Im Garten kannte ich mich nicht aus, aber solange ich den Berg im Rücken behielt, würde ich schon irgendwie hinausfinden.

Nachdem ich zweimal beinahe gestürzt war, ließ ich die Gartenanlage endlich hinter mir und erreichte die ersten Gebäude der Stadt, wo ich sofort in eine der Gassen abtauchte. Fast alle Wege wurden vom Licht der Mauern oder bunten Kristallen, die in den Boden eingelassen worden waren, erhellt. Nachts hatte man beinahe das Gefühl, durch die Milchstraße zu laufen.

Außerdem halfen die kantigen Steine hervorragend dabei, nicht auszurutschen, wenn man wie eine Wahnsinnige um die Ecke schlitterte.

Zurück zum Donnerturm konnte ich nicht. Sie würden sehen, wie ich dort hinaufkletterte, und dann säße ich in der Falle.

Die Viertel von Aeternitas waren unterschiedlich hoch angeordnet und durch architektonische Meisterleistungen miteinander verbunden. Aus Marmor geschlagene Korridore und Straßen führten meterhoch über Marktplätze hinweg, unter denen wiederum gläserne Brücken zu den verschiedenen Tempeln führten.

Ich rannte einen überdachten Korridor mit offenen Außenwänden entlang, der zu einem der gigantischen Versammlungshäuser führte. Anstatt hineinzulaufen – ich war schließlich nicht wahnsinnig –, kletterte ich auf einen der äußeren Strebebögen, die den Hauptteil des Gebäudes mit nebenstehenden Bauwerken verband. Ich balancierte darauf über schwindelerregende Höhen, bis ich die Wand erreichte, an der ich mich, dank der vielen Ornamente, wie an einer Kletterwand bis zum Dach hinaufhangelte.

Wenn ich auch nur zur Hälfte ein Engel war, konnte ich mich dennoch auf meine Sinne und physischen Kräfte verlassen. So schnell wie ein Dämonenfürst war ich nicht, aber ich war flink und wusste mich in Aeternitas auch ohne Flügel zu bewegen.

Ich sprang auf das Dach und wurde abrupt von den Füßen gerissen. Zwei riesige Tatzen drückten auf meine Brust, drohten meine Lungen zu zerquetschen und mir die Rippen zu brechen. Aschiger Speichel tropfte auf meinen Hals und verbrannte mir die Haut. Einen Wimpernschlag lang lag ich wie eingefroren da, starrte in die glühenden Augen des Schattenwolfs, der die Zähne bleckte. Wenn er mir damit die Kehle herausriss, würde mich selbst ein Erzengel nicht retten können. Diese Mühe würde sich ohnehin keiner machen.

Der Schatten schnupperte an mir und rieb seine feuchte Nase an meinem Gesicht. Ich verkrampfte, drehte den Kopf zur Seite und wartete darauf, dass er zubiss.

»Du bist schnell.«

Die Stimme des Dämonenfürsten bohrte sich hart in meine Ohren. Mit einem hochmütigen Lächeln im Gesicht stand er am anderen Ende des Daches. »Aber Hadar und ich haben Jahrhunderte in dieser Stadt gelebt. Wir kennen sie in- und auswendig.« Bei jedem Schritt, den er auf mich zukam, füllten sich meine Augen mit Tränen. Ich wollte nicht sterben. Nicht so. Nicht hier.

Der Dämonenfürst kniete sich neben mich und beobachtete mit sanfter Geduld, wie ich meine Schluchzer zu unterdrücken versuchte.

»Ruf ihn.« Der Befehl kam so unerwartet freundlich, dass ich erst nicht begriff, was die Worte überhaupt bedeuteten. Wen rufen? Den Schatten? Ich blinzelte verwirrt, regte mich unter dem Wolf, der sofort ein mahnendes Knurren ausstieß.

Er besaß keinen noch so kleinen Lichtschimmer des Himmels mehr in sich, weshalb ich es gar nicht erst zu versuchen brauchte, eine Verbindung zu ihm aufzubauen.

Die Finger seines Herrn geisterten über meine feuchte Wange, aber ich wagte nicht, das Gesicht abzuwenden. Heiße Energie sickerte durch meine Haut und schoss in Form von brennenden Funken durch mein kühles Blut. Ich presste die Lippen aufeinander, unterdrückte ein Stöhnen, was ihm ein Lächeln ins Gesicht zauberte.

»Du hast gehört, wie er geschrien hat, und er wird hören, dass du ihn rufst.«

Wusste er von meiner Gabe? Von dem, was mich mit den Begleitern von Engeln verband?

»Niemals«, brachte ich erstickt hervor und sah ihn so entschlossen wie möglich an. Ich war der Eule nichts schuldig, wollte nicht für sie sterben, aber allein der Gedanke daran, sie in den Tod zu locken, riss mein Herz entzwei.

Der Dämonenfürst hob die Stirn in Falten, aber bevor er mich erneut berühren konnte, verschwanden die Tatzen des Wolfes plötzlich von meiner Brust. Er heulte gepeinigt auf, schnappte blindlings hinter sich, bekam aber nichts zu fassen, sodass seine mächtigen Kiefer aufeinanderschlugen. Ich rollte mich herum, von dem Dämonenfürsten weg, und sah erschrocken, dass die Eule ihre Krallen in den Rücken des Wolfes gebohrt hatte. In einer Mischung aus weißen Federn und schwarzem Rauch kugelten beide Schatten über das Dach und versuchten sich gegenseitig zu zerfleischen. Der Wolf buckelte wie ein Pferd, die Eule hackte mit dem Schnabel nach seinen Augen. Beide kamen dem Rand des Daches gefährlich nahe, als die Eule plötzlich ihre Krallen aus dem massigen Körper löste und in die Luft schoss. Der Wolf setzte ihr nach, drückte sich kraftvoll mit den Hinterläufen ab und erwischte die Eule im Flug. Ich schrie auf, als seine Reißzähne an ihrem Hals zupackten und beide wie ein Sack Steine in die Tiefe stürzten.

Den Dämonenfürsten für einen Moment vergessend, sprang ich auf und eilte an die Kante des Daches. Dort lag sie, fünfzehn, vielleicht zwanzig Meter unter mir. Regungslos.

Der Wolf hatte der Eule den Kopf halb abgerissen. Ihre Flügel waren unnatürlich verdreht, der Körper zerschmettert. Schatten waren unsterblich wie ihre Engel. Aber der Engel dieses Schattens war bereits tot. Und nun würde sie ihm doch noch folgen.

Mein Inneres wurde von Scherben zerfetzt, als sei meine eigene Seele in tausend Teile zerbrochen. Es gab keine Dunkelheit mehr, durch die ich die Eule hätte erreichen können. Die Verbindung war gerissen – ihr Verstand ausgelöscht. Ausgelöscht auf ungerechte, grausame Art, die ich am eigenen Leib gespürt hatte.

In meiner Kehle brauten sich Schmerz, Wut und Verzweiflung zu einer Mischung aus Schluchzen und Schreien zusammen.

Ich richtete mich auf, kaum stark genug, um auf eigenen Beinen zu stehen.

Der Dämonenfürst war mir nicht näher gekommen.

Sein Lächeln war verschwunden. Stattdessen sah er mich gelassen und vollkommen abgeklärt an, als sei all das hier nötig gewesen.

»Lauf heim, kleiner Halbengel.«

Und genau das tat ich. Ich rannte los, sprang vom Dach auf die nächste Brücke, hetzte durch die Straßen, blind von all den Tränen.

Über mir zischten die letzten Meteore hinweg, beflügelten meinen Willen und ließen mich mit ihnen um die Wette rennen. Ich wusste nicht, ob ich verfolgt wurde. Die Angst trieb mich an, das letzte bisschen Hoffnung gab mir Kraft. Ich musste es irgendwie ungesehen durch die Stadt und zurück zum alten Penemue schaffen. In seinem Laden am Rande der Stadt war ich sicher oder zumindest besser aufgehoben als hier draußen.

Aufgelöst kam ich dem schwebenden Stadtring immer näher. Nur noch wenige Straßen, eine letzte Brücke. Ich schlitterte mehr als dass ich rannte eine Treppe hinab, auf deren linker Seite einer der vielen Wasserfälle von weit oben in ein gut zehn Meter unter mir liegendes Becken schoss. Die Stufen waren glitschig, aber ich wurde nicht langsamer. Am Ende lag eine große, runde Plattform, von der aus mehrere Straßen ohne Geländer über die darunter liegenden Häuser führten. Ich erreichte sie, ohne einmal ausgerutscht zu sein, als sich über mir das Rauschen von mächtigen Schwingen mit dem des Wasserfalls vermischte. Mehr aus einem Reflex heraus drehte ich mich etwas nach hinten, blieb aber nicht stehen, was sich drei Schritte weiter als großer Fehler entpuppte. Mein Fuß traf nicht die erwartete Straße, sondern trat ins Leere. Ich brachte gerade noch ein überraschtes Japsen zustande, bevor ich in die Tiefe stürzte.

2.

Vom Regen in die Traufe

Zu fallen war nicht wie fliegen, denn der Gedanke an den Aufprall passte nicht zu dem schwerelosen Gefühl in meiner Brust.

Ich wusste längst nicht mehr, wo oben und unten war, als sich plötzlich starke Arme unter meinen Rücken und die Knie schoben. Ein sanfter Ruck ging durch meinen Körper und sofort hörte die Welt auf, an mir vorbeizusausen. Zwar drehte sich in meinem Kopf noch alles, aber wenigstens raste ich nicht mehr auf die Zinnen und Dächer unter mir zu. Stattdessen wurde ich an einen breiten Oberkörper gedrückt, der gleichzeitig hart und geschmeidig war. Ich fühlte weiche Baumwolle an meiner Wange und konnte nicht anders, als die Augen zu schließen und das Gesicht daran zu verbergen. Der Stoff roch nach Heimat. Nach den fruchtigen Trauben der Weinberge und endlosen Zypressen. Nach mediterranen Kräutern, trockener Erde und dem Harz der Bäume; nach kurzen Momenten der ­Geborgenheit und flüchtigen Träumen von einer Familie.

Die Hoffnung, doch nicht sterben zu müssen, würde ab heute und für immer nach dem Mann duften, der mich gerettet hatte. Ich schluchzte leise, vollkommen überfordert von diesem Wechselbad der Emotionen. Der heftige Adrenalinschub ließ abrupt nach und das Chaos aus Panik und Angst löste sich langsam auf. Die Erleichterung zog eine entsetzliche Müdigkeit mit sich und entspannte meine verkrampften Muskeln. Für den Augenblick fühlte ich mich sicher und beschützt, noch etwas aufgelöst und durcheinander, aber nicht länger wie ein gehetztes Tier.

Ein sanftes Lachen brachte die Brust, an der ich Schutz suchte, zum Vibrieren, was mir bewusst machte, dass ich lediglich von einem Problem in das nächste gestolpert war.

»Ich wusste, dass ich dich fangen würde, wenn du fällst.« Die Stimme war tief und ruhig, versüßt mit einem Hauch Spott, was mich augenblicklich den Kopf heben ließ.

Es war Raphael, der mich hielt. Erzengel Raphael. Der jüngste der drei Brüder. Als Heiler Gottes brachte er die Dinge in Ordnung, schenkte Einklang und Geborgenheit und half den Menschen zu finden, was sie brauchten, um gesund zu werden. Sowohl körperlich als auch seelisch.

Und ich hatte in beiderlei Hinsicht viel Pflege nötig.

Leider gehörte Raphael immer noch zum Chor von Aeternitas, und dieser hatte es mir strengstens verboten, allein durch die Stadt zu streifen.

Ich war erledigt.

Raphael landete mit mir auf einer der mittleren, runden Steinplattformen, die wie die Blätter einer Blume an einem mit cremefarbenen Mosaiksteinen verzierten Turm befestigt waren. Ein Nebelschweif war uns gefolgt, der sich verformte und die massive Gestalt eines monströsen Tigers annahm. Sein Fell schimmerte so weiß wie das aller Schatten, doch war von silbernen Streifen durchzogen.

So schnell wie möglich versuchte ich, mich aus den Armen des Erzengels zu befreien, was dieser amüsiert beobachtete, denn ich stellte mich dabei furchtbar ungeschickt an. Meine Muskeln zitterten, meine Beine hatten keine Kraft mehr und knickten, kaum belastete ich sie, unter mir weg.

Raphaels Hände, die mich noch an den Armen hielten, verhinderten, dass ich wie eine Marionette mit durchgeschnittenen Fäden zusammenklappte. Langsam ließ er mich zu Boden gleiten. Das fühlte sich schon einmal besser an. Und er besaß sogar die Güte, ein Knie zu beugen, und sich zu mir hinabzubegeben. So musste ich wenigstens nicht vor seiner fast zwei Meter großen Gestalt kauern, die dank der silbernen Flügel besonders eindrucksvoll wirkte. Er faltete die Schwingen zusammen, wobei sich Lichter wie Regentropfen von den Federn lösten. Zuletzt hatte ich ihn vor über zwanzig Jahren aus der Nähe gesehen. Alle Jubeljahre bestellte der Chor mich zu sich, um zu prüfen, ob ich schon »würdig« genug war, auch ohne Flügel in den Himmel eingelassen zu werden. Das war ich bis jetzt noch nie gewesen und würde es vermutlich bis in alle Ewigkeit nicht sein.

Ich erinnerte mich gut an Raphael.

In seinem rechten, gewittergrauen Auge, das silbrige Splitter durchzogen, lag stets dieser spöttische Funke.

Das linke hingegen war von einem milchigen Schleier durchzogen. Jophiel hatte mir erzählt, dass er damit nicht mehr sehen konnte, da er einst einen Teil seiner Macht verschenkt hatte. Seitdem war er auf dem linken Auge blind.

Seiner Schönheit tat das keinen Abbruch, vielmehr hatte sie den Charme der Unvollkommenheit, die wahren Kunstwerken etwas Magisches verlieh. Er strich sich das kastanienbraune Haar zurück, woraufhin ihm sofort wieder ein paar Strähnen ins Gesicht fielen.

Seine Miene verriet nicht, was er davon hielt, mich hier erwischt zu haben. Aber besonders glücklich machte es ihn bestimmt nicht.

»Was tust du hier, Elodie?«

Um mein Leben rennen? Das wäre die ehrlichste und dümmste Antwort gewesen, um die ich irgendwie herumkommen musste. Engel konnten Lügen riechen, weshalb ich am besten gar nichts sagte. Raphael wartete geduldig und musterte mich mit einem Blick, der sowohl besorgt als auch bestimmt wirkte.

»Hat dir jemand wehgetan?« Die Frage traf mich unvorbereitet. Gerade eben war ich noch in die Arme des Todes gestürzt und ausgerechnet von denen eines Erzengels aufgefangen worden. Ich schüttelte hastig den Kopf und fühlte mich wie ein zerzaustes, aus dem Nest gefallenes Küken. Mein Haar hatte sich aus dem Pferdeschwanz gelöst und die dunkelbraunen Wellen fielen mir über die Schultern.

Raphaels Blick glitt tiefer. Eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen, als hätte er etwas entdeckt, das ihn zutiefst verärgerte. Langsam hob er die Hand, was meinen Verstand für den Bruchteil einer Sekunde lahmlegte. Ehe ich es verhindern konnte, schlug ich seine Finger beiseite, bevor diese meinen Hals berühren konnten.

In einem eiskalten Moment der Erkenntnis gefangen, schnappte ich nach Luft und war mir sicher, damit meinen letzten Atemzug genommen zu haben.

Ich hatte einen Erzengel geschlagen.

Mein gesamter Körper erstarrte, als würde er nur noch darauf warten, für diesen Fehler bestraft zu werden.

Raphael hingegen runzelte verwundert die Stirn und schien meine selbstmörderische Gedankenlosigkeit auf unheimliche Art und Weise amüsant zu finden.

»Bedankst du dich so bei dem Mann, der dich vor dem Fall in die Tiefe gerettet hat?«

In seiner dunklen, tiefen Stimme klang unverhohlener Spott mit, der sich mir schmerzhaft in die Brust bohrte und ungeahnten Widerwillen weckte.

Ich öffnete den Mund, aber kein Ton kam über meine bebenden Lippen, weil die Angst stärker war als die Wut über seine Arroganz.

»So verängstigt?«, fragte er leise. Entspannt legte er einen Arm auf das gebeugte Knie und deutete wie nebenbei auf meinen Hals.

Erst jetzt erinnerte ich mich daran, dass dort noch der schwarze Sabber dieses riesigen Wolfes kleben musste. Hektisch wischte ich mir über die Kehle, traute mich aber nicht, Raphael dabei anzusehen.

»Es tut mir leid«, wisperte ich, weil mir sonst nichts Besseres einfiel.

Raphael stieß ein freudloses Lachen aus.

»Das glaube ich gern.«

Er klang beängstigend erheitert, dabei sollte er eigentlich fuchsteufelswild sein. Einen Erzengel auch nur zu berühren, konnte mich in den Kerker bringen. Aber ihn zu schlagen … jeder andere seiner Brüder hätte mich für so eine Respektlosigkeit vermutlich grün und blau geprügelt.

Gemächlich richtete Raphael sich auf, als wollte er mich nicht mit zu hektischen Bewegungen erschrecken. Verstohlen schob ich meine klammen Hände unter meinen Kapuzenmantel, damit er das Blut des Wächterengels nicht auch noch entdeckte.

»Warum hetzt du wie von Dämonen verfolgt durch die Stadt, Elodie?« Das war das Stichwort, um ihm die Wahrheit zu erzählen, aber noch brachte mich nichts mit der Leiche im Garten in Verbindung – und es war wohl besser, wenn das so blieb. Also schwieg ich, auch wenn Raphaels Frage nach einem Befehl klang, den nur jemand mit sehr viel Geistesarmut ignorieren würde. Seufzend sah er gen Himmel, an dem im Sonnenlicht vereinzelte Nachzügler des Sternenschauers entlangzischten.

»Ich kann es mir schon denken«, murmelte er und betrachtete mich wie ein ungezogenes Kind, das mit der Hand in der Keksdose erwischt worden war. »Du wolltest den Meteorschauer sehen.« Laut ausgesprochen klang das Offensichtliche wie die schlimmste Straftat aller Zeiten.

»Allein, nehme ich an?« In seinen silberweißen Augen funkelte eine stumme Warnung. Erzengel ignorierte man nicht.

»Keiner von uns beiden will, dass ich dich zu einer Antwort zwingen muss, aber es gibt Mittel und Wege, mit denen zumindest ich einverstanden wäre«, sagte er trocken. »Also?«

Er konnte mich zwingen und er würde es tun. Die Mitglieder des Chors waren nicht gerade für ihre moralischen Bedenken bekannt. Also gab ich meine sinnlose Stummheit auf und nickte zaghaft.

»Ja. Allein«, war allerdings alles, was ich hervorbrachte. Mehr konnte ich ihm nicht verraten. Es würde mir nur noch schlimmere Probleme einhandeln.

»Verstehe«, murmelte er und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, während er die andere in der Hosentasche verstaute. Ihn zu lesen war fast unmöglich. Er wirkte missmutig und gelassen zugleich, selbstbewusst und dennoch unentschlossen, als er zum Berg sah und sich die Muskeln seines eleganten Halses anspannten.

»Was mach ich jetzt mit dir, hm?«

Ich biss mir auf die Zunge und starrte stur zu Boden, weil er meine Meinung dazu gewiss nicht hören wollte.

120 Jahre unter der Herrschaft von Engeln hatten mir jede Arglosigkeit genommen und mir beigebracht, unscheinbar und folgsam zu sein; anders wurde ich in dieser Welt nicht akzeptiert.

»Irgendwelche Vorschläge, passerotta?«

Raphaels Stimme klang samtig weich, was die Warnung in ihr nicht verbergen konnte.

Und der Kosename machte es auch nicht unbedingt besser. »Kleiner Spatz« war wohl eine sarkastische Anspielung auf meinen ungeplanten Sturzflug, aber da Engel alle Sprachen der Welt beherrschten und Raphael wusste, dass ich aus Italien kam, wunderte es mich nicht weiter.

»Keinen, dem du zustimmen würdest«, murmelte ich, was Raphael ein leises Lachen entlockte, das tief in seiner Brust vibrierte. Er legte einen schlanken Zeigefinger unter mein Kinn und zwang dieses mit sanfter Gewalt höher.

»Die Wahrscheinlichkeit ist groß, ja.« Er zuckte mit den Schultern und schien sich über meine Furcht zu amüsieren. »Unglücklicherweise würden meine Brüder deine schlecht durchdachte Ungehorsamkeit recht hässlich bestrafen. Und da ich es gerade heute furchtbar lästig fände, mit Michael zu diskutieren oder Gabriel davon abzuhalten, dich auspeitschen zu lassen, bleiben uns nicht besonders viele Optionen.« Meine Eingeweide verknoteten sich, bis ich das Gefühl hatte, innerlich zu zerreißen.

Raphael klang vollkommen mitleidslos und auf eine Art gelangweilt, die sich schmerzhaft bis hinab in meine Knochen bohrte. Sein Blick glitt über mein Gesicht, um mich zu betrachten. An meinen zitternden Lippen blieb er hängen und spannte die Kiefer an. Ein Ausdruck von Ergriffenheit oder Verwirrung huschte über seine Züge, verschwand aber wieder so schnell wie die Meteore am Himmel über uns. Er schnaubte ungehalten und fuhr sich fahrig durchs Haar.

»Lass dich nicht noch einmal allein erwischen«, knurrte er streng und wandte sich von mir ab.

Mir klappte der Mund auf.

Hatte ich mich verhört?

Meine Gedanken begannen zu rasen, hin- und hergerissen zwischen Kopfschmerzen auslösender Verwirrung und naiver Hoffnung.

»Du lässt mich gehen?«

Das musste eine Falle sein. Das konnte nur eine Falle sein!

»Nur, wenn du dich beeilst«, sagte er und grinste mich über die Schulter hinweg an. Ich erschauderte.

Entweder er meinte das ernst, was völlig undenkbar war, oder er hatte Humor – was genauso grotesk klang.

»Damit du mich jagen kannst?«

»Glaub mir, ich habe Besseres zu tun, als kleinen, unartigen Halbengeln hinterherzujagen.« Gelassen richtete er sein Hemd, schloss die Knöpfe an den Ärmeln und zwinkerte mir selbstgefällig zu. »Obwohl es mir gewiss Spaß machen würde, ein flinkes Ding wie dich so lange durch die Straßen zu hetzen, bis du keinen Schritt mehr gehen kannst und keuchend vor mir auf die Knie sinkst.«

Ich versuchte krampfhaft die Gänsehaut und das Beben meines Körpers zu unterdrücken und die unerwünschten Bilder, die Raphael mit seinen arroganten Worten hervorgezaubert hatte, zu verdrängen.

»Warum?«, fragte ich und bohrte die Fingernägel in meine Handballen. Raphael runzelte die Stirn.

»Warum das Jagen oder warum das keuchend auf die Knie –«

»Warum du mich einfach so gehen lässt«, unterbrach ich ihn.

Das war dumm. Das war sehr, sehr dumm. Aber mein wilder Herzschlag dröhnte mir so laut in den Ohren, dass ich die Stimme meiner Vernunft längst nicht mehr hören konnte.

Raphaels Lächeln verblasste. Die Luft um uns herum zog sich knisternd zusammen und lud sich, wie bei einem Gewitter, mit elektrisierender Energie auf.

»Muss ich mich wirklich vor dir rechtfertigen, passerotta?«

Mit geschmeidigen Schritten kam er langsam auf mich zu. Wie ein Raubtier, kurz vor dem Sprung. »Oder wäre es eventuell ratsamer, wenn du meinen gnädigen Beschluss dankend akzeptieren würdest und ich dich ohne weitere Konsequenzen ziehen lasse?«

Genau das war der Punkt. In Aeternitas hatte alles Konsequenzen, weil Engel keine Seelen besaßen und deswegen gerne Götter spielten.

»Na komm«, forderte er mich auf, sein Blick bohrte sich in meinen. »Sag, was du zu sagen hast, denn ich werde dir gewiss nicht den Mund verbieten.«

Warum nicht?

Warum forderte er es förmlich heraus, dass ich ihm die Stirn bot? Warum gab er mir überhaupt die Chance, gegen ihn aufzubegehren, anstatt selbst den kleinsten Funken Renitenz mit aller Grausamkeit im Keim zu ersticken?

Aber ich würde Raphael nicht weiter reizen, egal wie unerklärlich sein Verhalten war.

»Danke«, sagte ich leise und senkte den Blick. »Für alles.«

Das Lächeln, das er mir daraufhin schenkte, war ehrlich und fast schon liebevoll. Es gab keine Anspannung mehr, keine knisternde Gefahr.

»Jederzeit wieder.« Er wollte sich mit der Andeutung einer Verbeugung verabschieden. Doch sein Schatten-Tiger trat zum ersten Mal näher und ich konnte nicht anders, als ihn voller Bewunderung anzustarren. Er bewegte sich geschmeidig und majestätisch und genauso bedacht wie sein Herr.

»Du erinnerst dich an Tobit?«, fragte Raphael, als ich wie hypnotisiert eine Hand ausstreckte und der Schatten sich ohne zu zögern den Kopf von mir kraulen ließ. Er war so groß, dass er diesen problemlos auf meiner Schulter ablegen konnte, aber weder seine Reißzähne noch die gigantischen Tatzen machten mir Angst.

»Natürlich«, flüsterte ich und lächelte, glücklich wie ein kleines Kind, als der Tiger sich so nah an mich drängte, dass ich beinahe zu Boden geschubst wurde.

»Nicht einmal mir gegenüber ist er so verschmust«, sagte Raphael und nickte anerkennend. »Das muss an deiner Gabe liegen.«

Ich wich seinem Blick verlegen aus, weil es sich eigentlich nicht gehörte, mit dem Schatten eines Erzengels zu kuscheln. Aber für heute hatte sich die Ordnung dieser Welt ohnehin eine Auszeit genommen und die Verbindung, die zwischen Schatten und mir bestand, konnte ich nur selten ignorieren.

Der Chor hatte es, als ich das erste Mal vor ihn getreten war, einen »Segen« genannt. Ein Phänomen, das bei Menschen – oder in meinem Fall eben Halbengeln, die von der Macht eines wahren Engels gerettet worden waren, in sehr unterschiedlicher Form auftrat. Manche wurden durch solch einen Segen besonders stark oder schnell. Andere entwickelten einen sechsten Sinn für gewisse Dinge oder erhielten plötzlich Visionen.

Solche Menschen hatten es gewiss nicht immer leicht, denn entweder wurden sie von ihresgleichen als Lügner bezichtigt oder als Heilige verkannt.

Ich konnte mich an so eine Rettung jedoch beim besten Willen nicht erinnern.

Und trotzdem besaß ich die Fähigkeit, in himmlischem Licht zu lesen.

Aus ihm wurden Engel und ihre Schatten geboren, weshalb ein Teil davon wie eine Seele in ihnen schlummerte, zu der ich eine Verbindung aufbauen konnte, wenn sie es zuließen. Obwohl ich es gerade bei Engeln noch nie gewagt hatte, einen metaphysischen Zugang zu ihnen zu suchen. Sie waren mächtiger und würden es gewiss nicht gutheißen, wenn eine Kreatur wie ich solch eine intime Annäherung wagte.

Dafür gelang es mir sogar bei Gegenständen, die auf besonders intensive Weise mit dem Himmel in Berührung gekommen waren. Diese Gabe machte mich nützlich und ermöglichte es mir, zumindest in der Stadt, im Laden des alten Penemue, zu arbeiten. Sonst war Aeternitas für mich tabu. Und genau dorthin sollte ich jetzt so schnell wie möglich zurückkehren.

»Du solltest heimgehen, Elodie«, sagte Raphael, als habe er meine Gedanken gehört. Er spreizte die schillernden Schwingen zu ihrer vollen Größe, was silberne Lichtschimmer über seine hohen Wangenknochen tanzen ließ. »Bevor ich es mir doch noch anders überlege und dich mit mir nehme.«

Ich schluckte schwer und bekam von Tobit ein aufmunterndes Maunzen geschenkt, ehe er sich in die funkelnde Nebelgestalt seiner himmlischen Form verwandelte.

Mit einem kräftigen Flügelschlag stieß Raphael sich ab, während ich vor Erleichterung aufatmete und mir zum ersten Mal die Frage stellte, wie er mich überhaupt hatte erwischen können, wenn doch alle Engel eigentlich im Berg gewesen sein sollten.

3.

Im Haus der Gefahren

Der alte Penemue betrieb seit über fünfhundert Jahren ein Antiquitätengeschäft, das voller unheimlicher Schönheiten und zeitlosem Schnickschnack war. Von magischen Artefakten, heiligen Reliquien und verfluchten Gegenständen war so ziemlich alles dabei. Und seit etwas mehr als einhundert Jahren arbeitete ich bei ihm. Das klang nach einer sehr langen Zeit, aber Engel maßen diese an der Ewigkeit und für Halbengel verging alles etwas … langsamer.

Nachdem der Körper eines Halbengels wie der eines normalen Menschen geboren wurde, hörte er auf zu altern, sobald er ausgewachsen war.

Obwohl ich 1897 geboren wurde und bereits viel von der Welt gesehen hatte, kam ich mir noch immer wie ein verlorenes Waisenkind vor und fragte mich, wo meine Weisheit war, die doch angeblich mit dem Alter kommen sollte.

Was, wenn der Verstand sich zum eigenen Schutz an ein längeres Leben anpasste, weil ihn zu viel Zeit sonst zermürbte. Ich sah jedenfalls nicht viel älter aus als Anfang zwanzig, fühlte mich aber oft jünger – und hilfloser.

Das Antiquitätengeschäft lag am Rande der Stadt. Unweit davon markierte der in fünfzig Metern Höhe schwebende Steinring den Rand von Aeternitas. Er ähnelte einer Stadtmauer, nur dass man unter ihm hindurchgehen konnte und Flügel brauchte, um auf ihn zu gelangen. Dahinter gab es nicht mehr viel, außer Wolken.

Penemues kleines Häuschen aus verblichenem Sandstein lag am Ende einer Treppe, die hinauf zu den höheren Gebäuden führte. Darüber hing ein schiefes, furchtbar hässliches Schild, mit dem eingravierten Namen des Geschäfts. Pericolosum domum. Das gefährliche Haus. Treffender hätte Penemue seinen Laden nicht nennen können.

Dieser wirkte von außen sehr düster und nicht besonders einladend. Der Engel bevorzugte Kerzen oder Fackeln, weil ihm alles andere zu hell war. Der Schein der Stadt und die schimmernden Mosaiksteine in allen Gebäuden gingen ihm auf die Nerven.

Er sagte oft, er sei zu alt für dieses reine Licht, hatte er doch schon genügend Schmutz in seinem Leben sehen müssen.

Schwer atmend erreichte ich das Haus und öffnete eine der beiden großen Flügeltüren, in die theatralische Szenen von Mord und Totschlag geschnitzt waren. Fallende Engel, brennende Hexen, zerfleischte Dämonen. Alles sehr dramatisch.

Penemue wurde nicht müde, mir das Schicksal jeder einzelnen Figur zu erzählen, was mich anschließend immer mit Schrecken und Faszination zu Bett gehen ließ.

Er war ein ungewöhnlicher Engel. Etwas morbid, sehr verschroben und weit entfernt von himmlischer Perfektion.

Der Meteorschauer war ihm egal gewesen, die Versammlung im Berg zuwider, und trotzdem nahm er an dieser teil, da es von ihm verlangt wurde.

Ich schlüpfte durch den schmalen Spalt, schloss die Tür schnell wieder und lehnte mich erschöpft gegen das glatte Holz. Den Innenraum des Ladens erhellten Öllampen, was ihn warm und behaglich wirken ließ. Von der Decke hingen Dutzende unterschiedlicher Kronleuchter, die alle zum Verkauf standen. In den Regalen an den Wänden lag allerlei Ramsch herum, mancher magisch, das meiste aber einfach nur alt. Rot- und ockerfarbene Teppiche, über die schon Tausende von Schuhen getrampelt waren, bedeckten den Boden. Hier und da stapelten sich Berge von Büchern. Es gab Schränke mit altertümlichen Waffen, Phiolen voller undefinierbarer Flüssigkeiten und ein Arsenal aus Pflanzen, die nicht gegossen werden mussten. Hunderte von Reliquien hatte Penemue hier gesammelt. Gegenstände und Gebeine Heiliger oder solcher, die es gerne gewesen wären.

Es war ein Durcheinander aus übernatürlichem Trödel und ich liebte den Duft von altem Papier, Leder und Mottenkugeln.

Ich fand den alten Engel in einem Sessel auf der Galerie, die über eine Schneckentreppe hinter dem Verkaufstresen zu erreichen war.

Offensichtlich hatte er das Fest so schnell wie möglich wieder verlassen und sich zurück an seinen Lieblingsplatz begeben.

Er trug einen dunkelroten Morgenmantel aus Samt, der vermutlich ein Überbleibsel aus dem 18. Jahrhundert war. Neben ihm, auf dem Beistelltisch, entdeckte ich ein leeres Glas und ein angenagtes Sandwich. Ich seufzte. Penemue war vermutlich der einzige Engel, der zur Erde hinabflog, um sich einen Snack bei Subway zu besorgen.