Juniper Moon 1: Das Geheimnis von Arcanum - Magdalena Gammel - E-Book
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Juniper Moon 1: Das Geheimnis von Arcanum E-Book

Magdalena Gammel

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Beschreibung

»Wer Hexen, Dämonen und gefallene Engel liebt, sollte sich Juniper Moon nicht entgehen lassen.« Julia Dippel, Autorin der Izara-Chroniken
Junipers Flucht endet ausgerechnet dort, wo sie begonnen hat: in Arcanum – ihrem Zuhause und zugleich dem gefährlichsten Ort für sie als Hexe. Denn sie wird bereits sehnsüchtig vom Kardinal erwartet, einem gefallenen Engel, der die Macht über Arcanum und alle Hexenwesen an sich zu reißen droht. Und June soll ihm dabei helfen. Mit ihrer Widerspenstigkeit hat er allerdings nicht gerechnet, sie will sich nämlich schnellstmöglich aus dessen himmlischen Klauen befreien. Bald muss June jedoch feststellen, dass sie mit dem Feuer spielt, sogar einem ziemlich höllischen. Immerhin scheint sie das Interesse des Teufels höchstpersönlich geweckt zu haben ...

Herzklopfen pur! – Textauszug:
Er blickte mich wieder an, so verzweifelt, als sei ich die gefährlichste Versuchung, der er jemals hatte widerstehen müssen. So etwas Absurdes. Er war der Teufel – ich sollte Angst davor haben, ihm nicht widerstehen zu können.
»Bei dir zu sein, ist das Schlimmste, was ich dir antun kann«, murmelte er.
Mein Herz begann schneller zu schlagen.
»Und dennoch bist du hier.«
»Ich bin ein selbstsüchtiger Mann.« Ein frustriertes Lächeln stahl sich auf seine Lippen, bevor mir diese einen unerträglich unschuldigen Kuss auf die Stirn hauchten.



//Dies ist der erste Band der »Juniper Moon«-Reihe. Alle Romane der teuflisch-guten Liebesgeschichte im Loomlight-Verlag:
-- Band 1: Das Geheimnis von Arcanum
-- Band 2: Das Schicksal von Arcanum//


Für ein kleines Wiedersehen mit June und Azazel lasst euch das Spin-off »Daughter of Heaven« nicht entgehen!

-- Band 1: Where Angels Fall
-- Band 2: When Demons Rise//

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Das Buch

Willkommen in Arcanum, der Stadt der Hexen und Dämonen! – Mitreißender Fantasy-Liebesroman

Junipers Flucht endet ausgerechnet dort, wo sie begonnen hat: in Arcanum – ihrem Zuhause und zugleich dem gefährlichsten Ort für sie als Hexe. Denn sie wird bereits sehnsüchtig vom Kardinal erwartet, einem gefallenen Engel, der die Macht über Arcanum und alle Hexenwesen an sich zu reißen droht. Und June soll ihm dabei helfen. Mit ihrer Widerspenstigkeit hat er allerdings nicht gerechnet, sie will sich nämlich schnellstmöglich aus dessen himmlischen Klauen befreien. Bald muss June jedoch feststellen, dass sie mit dem Feuer spielt, sogar einem ziemlich höllischen. Immerhin scheint sie das Interesse des Teufels höchstpersönlich geweckt zu haben ...

Die Autorin

© Isabella Böhm

Magdalena Gammel wurde 1997 in München geboren. Literatur und Film waren schon immer ihre Leidenschaft. Ein paar Ausflüge in die Schauspielerei machten ihr aber klar, dass sie die Geschichten lieber erzählt, als sie darzustellen. Auf das Kunst-Abitur folgte eine Ausbildung zur Mediengestalterin für Bild und Ton, was sie nach Hamburg brachte. Dort lebt und schreibt Magdalena momentan, wenn sie nicht gerade im südafrikanischen Busch bei ihrer Familie nach neuen Abenteuern sucht.

Magdalena Gammel auf Instagram: www.instagram.com/magdalena.gammel/

Der Verlag

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Viel Spaß beim Lesen!

Magdalena Gammel

Juniper MoonDas Geheimnis von Arcanum

1. Die besten Partys eskalieren

Mit all dem Alkohol im Blut würde ich bestimmt gut brennen.

Aber wenn ich jetzt in Flammen aufginge, wären achtzehn Jahre der Flucht umsonst gewesen. Meine Schwester wäre verdammt sauer, dabei war sie heute schon drei Mal über die Feuer gesprungen.

Berge aus Flammen, die den Nachthimmel rötlich färbten. Das einzige Element, das unseren unsterblichen Seelen ernsthaft schaden konnte. Feuer war gefährlich und wunderschön. Verlockend. Eine Versuchung, der keine Hexe widerstehen konnte.

Eine betrunkene schon gar nicht.

Also nahm ich Anlauf und sprang hindurch.

Meine Welt färbte sich rot und orange. Ich spürte die Hitze auf meiner nackten Haut – ein kleiner Vorgeschmack auf die Hölle, in der ich so oder so landen würde. Dann war ich durch. Mein Puls raste, meine Wangen glühten. Ich schwankte einen Moment und grub meine Füße in den erdigen Boden. Jetzt auf dem Hinterteil zu landen, würde meinem dramatischen Sprung einen uneleganten Abgang verpassen. Ich fand mein Gleichgewicht und war ziemlich stolz, das in meinem berauschten Zustand noch hinbekommen zu haben.

Großartige Leistung!

Kühle Nachtluft strich über mein Gesicht und ich atmete tief ein. So fühlte sich das Leben an. Ich spürte es bis in die Fingerspitzen. Am liebsten hätte ich meine Euphorie in die Nacht hinausgeschrien, aber ich war bereits ganz heiser.

Ich klatschte fröhlich in die Hände, schließlich war ich nicht allein auf dem Feld. Um mich herum feierten Hunderte von Menschen. Der Nächste sprang durch die Flammen und die Menge applaudierte. So ging das schon den ganzen Abend. Es war ein Wunder, dass noch niemand in Flammen aufgegangen war. Das Knistern des Feuers vermischte sich mit Freudengeschrei und der wilden Geigenmusik. Es roch nach verbranntem Holz, ätherischen Ölen und der lauen Frühlingsnacht. Beltane, eines der acht Hexenfeste, wurde auch von dem einen oder anderen Menschen auf exzessive Art und Weise gefeiert. Sonderlinge und Freaks, die in den Mai tanzten, während wenige Kilometer von uns entfernt die meisten Menschen lieber vor ihren Fernsehern saßen.

Meine Schwester und ich hatten uns auf unserer Flucht diesen kleinen Ort ausgesucht, weil es egal war, wohin wir flohen. Hauptsache, immer in Bewegung bleiben. Also warum nicht in ein verschlafenes Örtchen auf dem Land, wo von Hunderten Sterblichen das Fest der Hexen gefeiert wurde, als gehörten sie zu uns. Als könnten sie spüren, was diese Nacht für uns bedeutete. Es war Magie, die die Luft zum Zittern brachte. Die die Elemente verrücktspielen ließ und unser Blut in Wallung versetzte. Jedes meiner Nervenenden, jeder Zentimeter auf meiner Haut nahm dieses magische Phänomen wahr. Es machte den Wein süßer, die Nacht strahlender und mich vollkommen ungezügelt. Zugegeben: Selbstbeherrschung war ohnehin keine meiner glänzendsten Eigenschaften, aber heute Nacht würde ich das Wort nicht einmal verstehen, wenn man es mir direkt ins Gesicht schrie. Ich war eine von Liliths Enkelinnen und damit verpflichtet, mich an Beltane so verrückt wie möglich aufzuführen. Alle Fesseln zu sprengen. 

Ich lachte und klatschte in die Hände, als Feuerspucker rote Zungen in die Nacht spien und ich ihre vertraute Hitze auf der Wange spürte. Um uns herum wirbelten Frauen in hauchdünnen Kleidern und warfen mit Funkenpulver um sich. Obwohl an ihm nichts magisch war, glitzerte es wie Feenstaub zwischen den tanzenden Körpern. Ich hätte echte Magie regnen lassen können, obwohl damit anzugeben vermutlich keinem dieser Sterblichen aufgefallen wäre und es mich zudem in unnötige Gefahr bringen könnte. Also verwarf ich diesen übermütigen Gedanken und folgte stattdessen der Gier meiner trockenen Kehle, die sich ausschließlich mit Wein zufriedengeben würde. Dabei hielt ich Ausschau nach meiner Schwester. Ich hatte Callas grazile Gestalt irgendwann aus den Augen verloren, obwohl sie in ihrem weißen Kleid kaum zu übersehen war. Zusammen mit ein paar Kindern, saß sie an einem der Lagerfeuer und hatte ein kleines Mädchen auf dem Schoß.

»… denn nur ein Engel kann einen Engel töten«, beendete sie gerade eine Geschichte, die ich nur zu gut kannte.

»Aber er war doch nur ein gefallener Engel!«, protestierte das kleine Mädchen auf dem Schoß meiner Schwester. Calla nickte und sah in die Runde. Das Feuer spiegelte sich in ihren großen Augen wider und ließ sie wie zwei Bernsteine glitzern. Das goldene Haar floss ihr in seidigen Strähnen bis auf die Hüften hinab. Ich sah mich um und musste grinsen, weil ein paar Männer die Kinder mit neidischen Blicken straften. Anstatt ihre Aufmerksamkeit dem anderen Geschlecht zu schenken, erzählte Calla lieber Kindern ein paar Geschichten.

»Und was ist dann passiert?«, fragte ein Junge und starrte Calla an, als seien ihre nächsten Worte essenziell für sein Überleben.

»Danach?«, fragte meine Schwester.

»Ja, nachdem Luzifer ein zweites Mal gefallen ist. Was ist dann passiert? Was ist mit seinem Mörder?« Ich verdrehte die Augen. Das war nun wirklich keine Geschichte, die man kleinen Kindern erzählen sollte. Sterblichen Kindern schon gar nicht. Sie kannten vielleicht Luzifers ersten Fall – den aus den Himmeln. Er war in genügend heiligen und unheiligen Schriften niedergeschrieben worden. Aber seinen zweiten Fall – den hatten nur wir Arcanier miterlebt.

»Ist der Teufel wirklich tot?«, fragte das kleine Mädchen auf ihrem Schoß, und ich sah, wie Calla zusammenzuckte. Ihr schönes Gesicht wirkte einen Moment sehr traurig, und ich fühlte ihren Schmerz. Wir Hexen hatten Luzifer verloren, so wie wir Lilith verloren hatten. Ein Teil von uns war vor achtzehn Jahren gestorben, als beide von einem fanatischen, gefallenen Engel ermordet worden waren. Von dem Untergang unserer Welt zu erzählen, war ja wohl der größte Stimmungskiller, den meine Schwester sich hatte aussuchen können.

»Luzifer mag besiegt sein, aber den Teufel wird es immer geben. Er ist der Schatten, ohne den es das Licht nicht gibt. Er ist die Sünde, die dieses Leben erst so süß macht.«

»Das verstehe ich nicht«, sagte das kleine Mädchen. Wie sollte sie auch? Sie war ein Mensch.

»Teufel ist lediglich ein Titel«, sagte ich, und alle Blicke richteten sich auf mich. Ich lächelte, weil einige der Kinder sich nicht sicher waren, ob ich die Geschichte unterbrechen oder sie zu Ende erzählen wollte. Calla zwinkerte mir zu. Ich wollte keine kleinen Kinderherzen brechen und seufzte: »Teufel ist ein Titel. So wie König ein Titel ist. Jeder kann ihn tragen, und die Hölle braucht immer einen Herrscher.«

Das Mädchen auf Callas Schoß sah mich mit großen Augen an.

»Ist es jetzt der gefallene Engel? Luzifers Mörder? Das wäre furchtbar. Er darf nicht König sein!« Ich schüttelte den Kopf. »Er hat Luzifer besiegt, aber ihm wird die Hölle niemals gehören.« Ich trat in den Schein des Feuers und setzte eine ernste Miene auf. Calla mochte Kinder, und ich mochte es, sie zu erschrecken. »Auf dem Thron der Hölle sitzt jetzt ein Dämonenfürst. Ein gefallener Engel, so wie Luzifer einer war. Der Schlimmste von ihnen, mit Augen so dunkel wie die Nacht. Azazel, der Sündenbock. Der Herrscher über die Flammen der Hölle. Er richtet über die Seelen, die der Himmel nicht wollte, und lacht, wenn er sie in die ewige Verdammnis schickt. Wenn ihr Fleisch verbrennt und ihre Knochen zu Asche zerfallen.« Die Kinder starrten mich an. So hatten sie gewiss nicht gedacht, dass die Geschichte endet. »Er kennt keine Gnade und kein Erbarmen. Er ist die Nacht und das Chaos. Mit dem Wink seines kleinen Fingers kann er die Welt aus ihren Fugen reißen. Der Engel mag Luzifer getötet haben, aber das, was nun an seiner Stelle sitzt, ist der Teufel in Person.«

Das kleine Mädchen auf Callas Schoß war den Tränen nahe, und ich zuckte nur mit den Schultern, als meine Schwester mir einen bösen Blick zuwarf. Sie wollten eine Geschichte haben, hier hatten sie sie. »Das ist die Geschichte von Himmel und Hölle«, fuhr ich fort und sah in die verängstigten Kinderaugen.

»Hört nicht auf sie. Sie will euch nur Angst machen. Der Teufel ist nicht böse, nur weil er der Teufel ist«, sagte Calla und strich dem Mädchen über den Kopf.

»Das habe ich auch nicht gesagt«, warf ich ein.

»Was soll das heißen?«, fragte einer der Jungen. Calla hob das Mädchen sanft von ihrem Schoß und stand auf.

»Das erzähl ich euch ein anderes Mal.« Sie nahm mich an der Hand und ich zwinkerte den Kindern mit einem gefährlichen Lächeln zu.

»Passt gut auf eure Seelen auf, sonst kommt Azazel und zwingt euch, für den Rest eures Lebens Blumenkohl zu essen. Hört ihr? Blumenkohl! Aller Laster Anfang!« Calla riss mich vom Feuer weg, bevor sich ein paar Eltern beschweren konnten, dass ich ihre Kinder traumatisiert hatte.

»Du bist unmöglich«, sagte Calla, lächelte aber.

»Das muss so sein.«

»Blumenkohl? Was hat Azazel mit Blumenkohl zu tun?«

»Na ja, ich hasse Blumenkohl, und das wäre wohl das, was man mir in meiner persönlichen Hölle servieren würde.«

»Du kennst Azazel nicht einmal und tust ihm unrecht.«

»Aber du kennst ihn und hast selbst gesagt, was für ein grausamer Dämon er ist.« Ich war zum Zeitpunkt unserer Flucht noch ein Baby und hatte keinerlei Erinnerung an diesen Tag, Luzifers Mörder oder Azazel. Calla schon. Sie war sehr viel älter, als sie aussah.

»Ich habe gesagt, dass er ein mächtiger Dämon ist. Die Geschichten der Hexen, die in der Menschenwelt existieren, erzählen nicht die Wahrheit. Sie kennen Azazel nicht. Vermutlich sind sie in ihrem ganzen Leben noch keinem gefallenen Engel begegnet.« Ich zuckte mit den Schultern und führte Calla zu einer der großen Tafeln, die mit Gebäck überladen war.

»Irgendwoher müssen die Geschichten ja stammen.« Calla legte mir eine Hand auf die Schulter und grinste, auch wenn ich nicht wusste, über was genau.

»Irgendwann wirst du das Vergnügen haben, Luzifers Nachfolger in die Augen sehen zu können. Dann rate ich dir, deine Zunge zu hüten und dein Herz gut festzuhalten.«

»Was hat denn mein Herz damit zu tun?«

Calla sah mich lange an, öffnete den Mund, sagte aber nichts. Stattdessen strich sie sich das Haar zurück, wie immer, wenn sie von jetzt auf gleich so nachdenklich wurde. Manchmal war meine Schwester ein Buch mit sieben Siegeln.

»Nicht so wichtig«, sagte Calla schließlich, griff sich ein Stück Butterkuchen und schob es sich in den Mund. Ich seufzte, weil ich wusste, dass sie mir keine weitere Antwort geben würde. Meine Schwester fand Geheimnisse nämlich schick.

»Fein, ich verstehe trotzdem nicht, warum du ihnen unbedingt die Geschichte von Luzifer und Claudius erzählen musstest.« Allein den Namen des Kardinals auszusprechen, brannte auf meiner Zunge. Luzifers Mörder. Der Mann, der uns alles genommen hatte. Calla zuckte mit den Schultern.

»Sie haben mich gefragt, warum Hexen den Teufel so lieben.«

»Aha, und da hast du gleich ganz weit ausgeholt und ihnen unsere Lebensgeschichte erzählt. Lass mich raten, sie haben sofort gewusst, dass du eine Hexe bist?«

»Sie haben es geahnt. Es sind Kinder, June. Sie spüren so etwas.« Wenn ein paar sterbliche Kinder zu wissen glaubten, dass auf diesem Fest eine echte Hexe war, war das nicht weiter schlimm. Ich hielt es trotzdem für verschwendeten Atem, ihnen eine solche Geschichte aufzutischen. Ich erinnerte mich vielleicht an nichts, aber Calla schon. Sie musste schreckliche Bilder im Kopf haben, die sich nur nachts in Form von Albträumen einen Weg an die Oberfläche bahnten. Die einzigen Momente, in denen selbst meine starke Schwester zitterte und weinte.

Wir schlenderten voran und erreichten eine weitere lange Tafel, die gedeckt war mit herzhaften Speisen. Jeder hatte etwas mitgebracht. Goldbraune Hühnchen, saftige Braten und sogar ein ganzes Schwein. Mit Käse überbackene Aufläufe, Zwiebelkuchen, Obst und Fässer voller Bier und Wein. Ich schob mir eine Traube in den Mund und ein Stück Käse hinterher. Während Beltane schmeckte selbst der kleinste Bissen besonders intensiv, was meine Geschmacksknospen vor Freude jauchzen ließ. Ich goss meiner Schwester und mir etwas von dem würzigen Wein ein und schnappte mir ein karamellisiertes Stück Apfel, weil ich von diesen nicht genug bekommen konnte. Sie waren zuckersüß, mit einem Hauch von Zimt bestreut, einem Gewürz, dem ich nicht wiederstehen konnte.

»Willst du den Kleinen vielleicht auch noch erzählen, wie der Kardinal und seine Halbengel unsere Stadt überrannt haben und das Blut unserer Familien im Feuer gebrannt hat, oder können wir endlich tanzen gehen?« Mein Sarkasmus störte Calla nicht, auch wenn sie ihn nicht teilte. Lächelnd schnappte sie meine Hand, und ein wilder Funke flackerte in ihren Augen.

»Schon gut, schon gut. Lass uns tanzen, bis wir unsere Füße nicht mehr spüren!« Wir tranken unseren Wein in einem Zug leer und sprangen zurück zu den Feuern. In einem Kreis aus halbnackten Frauen rissen wir die Arme hoch, wanden uns zur Musik von einer Gruppe Geigenspielern und hüpften besinnungslos um die Feuer. Für Prüderie und Bescheidenheit war heute Nacht kein Platz. Der Wein wärmte meine ohnehin schon glühenden Wangen und brachte meine Füße zum Tanzen. Die Luft war so voller Magie und elektrischer Schwingungen, dass ich gar keinen Wein gebraucht hätte, um in Ekstase zu geraten. Meine Fingerspitzen kribbelten vor Magie. Wir hatten bereits etwas gezaubert, um die überschüssige Energie herauszulassen, aber offenbar war das noch nicht genug gewesen. Dabei war es gefährlich. Magie hinterließ Spuren, und die konnte man nicht gebrauchen, wenn man verfolgt wurde. Aber ein ganz kleiner Zauber würde nicht schaden. Das Feuer vor uns schoss ein Stück höher, noch während die magischen Worte meine Lippen verließen. Die Menge jaulte auf vor Freude, und ich schwor mir, dass das für heute der letzte Zauber war, bevor es noch ungebetene Gäste anlocken würde. Ich sah zu meiner Schwester, die zum Glück nichts gemerkt hatte. In letzter Zeit war sie übervorsichtig und erlaubte sich heute Nacht zum ersten Mal wieder so etwas wie Spaß. Calla drehte sich und klatschte fröhlich in die Hände. Ihr Haar glänzte im Licht der Feuer wie flüssiges Gold. Niemand konnte den Blick von ihr lassen. Wie sie in ihrem schneeweißen Kleid um die Flammen tanzte und dabei ihre sanft gebräunten, schlanken Gliedmaßen zum Rhythmus der Musik bewegte. Selbst für eine Hexe war sie ungewöhnlich schön. Uns umgab eine Ausstrahlung der Magie, die die Menschen anzog und neugierig machte. Vermutlich, weil sie es nicht ganz verstanden. Sie wussten, dass wir anders waren, konnten jedoch nicht sagen, warum. Und Calla strahlte heute Nacht heller als alle anderen. Es war eine Freude, ihr zuzusehen. Obwohl sie die Ältere von uns beiden war, machte ich mir immer mehr Sorgen um sie als um mich. So viel Verantwortung lag auf ihren zarten Schultern. Dank ihr hatten wir es damals aus der Stadt herausgeschafft. Dank ihr gelang uns die Flucht vor den Hexenjägern des Kardinals bereits seit achtzehn Jahren. Sie hatte mich großgezogen. Mir alles beigebracht, was ich wusste.

Das Leben auf der Flucht war nie leicht gewesen, hatte nie viel Platz für Vergnügen gelassen. Dabei waren die Hexenfeste nicht nur Partys. Sie waren essenziell für das Gleichgewicht in unserem Leben. Die vier Sonnenfeste wurden zum Beginn einer neuen Jahreszeit gefeiert und anhand der astronomischen Konstellation der Sonne bestimmt, weshalb sie auch einen besonders starken Einfluss auf die Natur und unsere Kräfte hatten. Die vier Mondfeste symbolisierten den Höhepunkt der jeweiligen Jahreszeit und das spürten wir Hexen bis tief in unser unheiliges Blut.

Beltane war eines davon und zählte zu meinen Lieblingsfesten, weil es voller entfesselter Kraft und Chaos war – ein Fest der Fruchtbarkeit und Ekstase. Ich hatte Ringelblumen im Haar und zerdrückten Flieder auf der Haut, weil beide Blumen für den Frühling besonders wichtig waren. Der Vollmond stand hoch am Himmel und spendete mir die Kraft, die ich brauchte, um mir die Füße blutig zu tanzen. Ich war mehr als bereit, die Realität für eine Nacht zu vergessen und meine Sorgen im Wein zu ertränken.

Inzwischen sollte ich mich daran gewöhnt haben, ständig auf Achse zu sein, während uns Angst und Tod im Nacken saßen. Ich kannte nichts anderes, doch besonders in den letzten Monaten waren wir kaum noch zur Ruhe gekommen. Wir blieben nirgends länger als eine Woche, fuhren von Stadt zu Stadt oder lebten manchmal im Wald und in den Bergen. Von Zeit zu Zeit versuchten wir uns in Großstädten zu verstecken, aber dort gefiel es Calla nicht. Zu auffällig war unsere Energie zwischen all den Sterblichen. Dort konnten uns die Hexenjäger leichter aufspüren. In der Natur war das schon etwas schwieriger. Lilith hatte aus der Macht der Hölle unsere Magie geformt und sie auf der Grundlage der Elemente aufgebaut. Diese beschützten uns. Aber welches neunzehnjährige Mädchen wollte schon in einer Holzhütte am Ende der Welt leben, mit der Garantie, dass kalte Bergflüsse und dichte Wälder für unsere Sicherheit sorgen würden? Die Natur in allen Ehren, doch inzwischen hatte ich Gefallen an Kinos, Coffee-Shops und einer anständigen Internetverbindung gefunden. Außerdem konnten fließendes Wasser und eine funktionierende Heizung nicht zu viel verlangt sein. Das sah Calla leider etwas anders. Vermutlich lag es daran, dass sie bereits über hundert Jahre alt war und andere Prioritäten setzte. Je mehr Magie wir nutzten, desto langsamer alterten wir, und da man zwischen zwanzig und dreißig besonders übermütig zauberte, blieben viele Hexen lange jung. Es war nicht ganz die Unsterblichkeit, aber ein paar Jahrhunderte waren schon drin, und man sparte sich das Lifting.

Nachdem ich mich beinahe in die Besinnungslosigkeit getanzt hatte, fand ich endlich meine Schwester wieder, der es nicht anders zu gehen schien. 

»Wo ist nur unser Wein hin?«, scherzte sie über die Musik und das Lachen der Menschen hinweg.

»In uns drin«, antwortete ich und grinste, weil sie eindeutig Nachschub haben wollte. »Ich hol uns was Neues zu trinken!« Der würzige Punsch kam nicht nur bei meiner Schwester und mir besonders gut an, also wollte ich keine Zeit verlieren, doch Calla hielt mich zurück. 

»Lass mich das machen und tanz endlich mit einem der netten Jungs da drüben!« Sie nickte nach links, wo ein paar Männer standen, die entweder gar keine Hemden trugen oder solche, die ihre muskulösen Oberkörper betonten. Sie hatten uns den ganzen Abend nicht aus den Augen gelassen und kein Geheimnis daraus gemacht, was ihre Blicke wohl bedeuten sollten. Meine Neugierde hatten sie längst geweckt, anders als Calla, die sich noch nie für sterbliche Männer interessiert hatte. Vermutlich, weil sie Hexer gewohnt war, aber die waren in der Menschenwelt rar gesät.

Also hatte ich mir meine Erfahrungen mit Sterblichen holen müssen. Wer wäre ich auch, wenn ich meinen Trieben als Hexe nicht nachgeben würde? Zurückhaltung war etwas für menschliche Mädchen, und ich verzichtete nur selten auf Spaß.

»Später!«, sagte ich zu Calla und schenkte einem jungen Mann mit braunem Haar ein Lächeln. Momentan war mir meine ausgetrocknete Kehle wichtiger als das verlangende Brennen in meinem Unterleib. Man musste Prioritäten setzen. Calla lachte, gab mir einen Kuss auf die Wange und reihte sich wieder bei den tanzenden Menschen ein. Keine Ahnung, weshalb sie all die Jahre über eine für unsere Art so untypische Enthaltsamkeit ausgehalten hatte. Sie zeigte weder an Männern noch an Frauen Interesse, dabei waren wir Hexen sehr bedürftig, was die Nähe und Zuneigung eines anderen anging. Aber Calla brauchte niemanden. Niemanden außer mir, weshalb ich den Gedanken nicht loswurde, dass sie vielleicht durch unsere Flucht eine große Liebe zurückgelassen hatte. Liebe war für uns Hexen eine schwierige Sache. Die meisten fürchteten sie, denn wenn wir sie einmal fanden, ließen wir unser Herz von ihr in Flammen aufgehen. Vielleicht war Callas Herz längst verbrannt.

Ich hatte gerade eine weitere Runde Wein geholt und genoss den scharfen Geschmack von Zimt, als ich meine Schwester etwas abseits der Feuer entdeckte. Mit einem Mann. Einem großen, stattlichen Mann. Einem Mann, der das Wort »Mann« völlig neu definierte und das, obwohl er mir lediglich seinen Rücken präsentierte. Dieser war muskulös und in einen eleganten, etwas zu altmodischen Mantel gehüllt, womit er mehr Kleidung trug als die meisten anderen. Ihm gegenüber wirkte meine Schwester in ihrem weißen Kleid noch fragiler und fast schon unschuldig, während er wie ein lebendiger Schatten vor ihr aufragte. Ich musste sein Gesicht nicht sehen, um mir denken zu können, wie attraktiv er war. Die Reaktion der Frauen um ihn herum war Antwort genug, obwohl sich keine von ihnen in seine Nähe zu trauen schien. Als läge in seiner mysteriösen Ausstrahlung eine Art Warnung. Er hatte helles, volles Haar, das im Schein der Flammen wie flüssiges Karamell glänzte. Noch waren sie einige Meter von mir entfernt, aber ich spürte auch auf diese Distanz, dass das kein normaler Mensch sein konnte. Vielleicht ein Hexer? Konnte Calla deswegen nicht den Blick von ihm lassen? Unmöglich war das nicht. Auch in der Welt der Menschen gab es Hexer. Ich trat einen Schritt zur Seite und stellte verwundert fest, dass Calla das Lächeln vergangen war. Sie nickte angespannt, während der Mann ihr etwas sagte und dabei seine große Hand auf ihre Schulter legte. Eine beruhigende Geste, sanft und vertraut. So berührten sich keine Fremden. Unentschlossen, ob ich dazustoßen sollte, wurde mir die Entscheidung von einem Mann abgenommen, der sich plötzlich vor mich stellte.

»Ist das etwa für mich?«, fragte er und lächelte mich schief an. Ich blinzelte verwirrt. Er deutete auf den zweiten Kelch in meiner Hand, und ich verstand.

»Eigentlich nicht«, sagte ich und musterte ihn. Es war der braunhaarige Kerl, der zu der Gruppe gehörte, die uns seit Stunden mit Augen aufzufressen versuchte. Offenbar hatte er die Gelegenheit nutzen wollen, mich allein anzutreffen. Er schürzte die Lippen und neigte den Kopf zur Seite.

»Ist er für deine hübsche Freundin? Sie scheint beschäftigt zu sein.« Er blickte über seine Schulter, zu meiner Schwester. »Wäre doch schade, die beiden zu unterbrechen.« Das wäre es tatsächlich. Meine Schwester sprach endlich mit einem gut aussehenden Mann, vielleicht einem Hexer, und das auch noch an Beltane. Unter keinen Umständen würde ich sie stören.

»Nun, dann werde ich die beiden wohl allein trinken müssen«, sagte ich und prostete mir selbst zu. Er hob überrascht eine Augenbraue, weil er vermutlich gedacht hatte, mit seinem attraktiven Gesicht leichteres Spiel zu haben.

»Klingt einsam. Ich könnte dir Gesellschaft leisten.« Er machte einen Schritt auf mich zu, und ich musterte ihn genauer. Jedes Wesen hatte eine Art Aura, die wir Hexen spüren konnten. Es war wie eine eigene Duftnote. Bei Menschen war sie nicht besonders ausgeprägt, aber dieser junge Mann roch nach Sommer und Orangen. Ich konnte nichts Hinterhältiges erfühlen, nahm dafür jedoch eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein wahr. Also zuckte ich mit den Schultern und reichte ihm den zweiten Kelch.

»Ich sollte lernen zu teilen.« Er lachte leise und nahm den Wein entgegen.

»Ich bin Owen.«

»June«, stellte ich mich vor. Nachnamen waren für solch eine Art der Bekanntschaft nicht nötig, weil wir uns nach heute Abend niemals wiedersehen würden. Seine Augen funkelten, als habe er gerade im Lotto gewonnen. Ich wusste, was er von mir wollte, und war bereit, mich darauf einzulassen. Warum sollte ich mich in solch einer Nacht nur mit Wein und Tanz zufriedengeben? Wir entfernten uns von den Feuern und spazierten am Rand des Feldes entlang, dort, wo der Wald begann. Ich sah auf einem kleinen Parkplatz die Autos der feiernden Menschen. Ein harter Kontrast zu dem Gewimmel auf dem Feld. Wie wenn in einem Märchen plötzlich alle in Sportwagen herumfahren würden.

»Ihr seid nicht von hier, oder?«

»Nein«, gestand ich. Es war nett, sich mal wieder durch etwas Small Talk wie jemand zu fühlen, dessen Leben nicht in konstanter Gefahr schwebte. »Wir sind nur auf der Durchreise.« Die nächste große Stadt war Edinburgh. Vielleicht würden wir dort noch ein paar Tage bleiben.

»Und von wo kommt ihr?« Ich lächelte. Diese Frage war nicht besonders leicht zu beantworten. Ich konnte schlecht ehrlich sein und sagen: »Wir kommen ursprünglich aus der Stadt der Hexen und Dämonen, die von einem magischen Schleier vor neugierigen Blicken geschützt wird, aber dummerweise seit achtzehn Jahren unter der Tyrannei eines gefallenen Engels leidet.« Damit wäre unser Gespräch wohl schnell beendet gewesen und mein Verlangen nach etwas Zuneigung ungestillt.

»Kleine Stadt, würde dir gewiss nichts sagen.«

Er erwiderte mein Lächeln und beließ es dabei.

»Und wohin wollt ihr?« Noch so eine Frage, die ich nicht beantworten konnte.

»Wir sind auf der Suche nach ... ein paar alten Bekannten.«

»Und warum sind deine Freundin und du dann heute hier?«

»Meine Schwester«, korrigierte ich und lächelte, als er mich überrascht beäugte. »Ich weiß, wir sehen uns nicht besonders ähnlich. Das machen die Haare.« Er war stehen geblieben und berührte sanft meine Hand.

»Würde ich so nicht sagen.« Er strich über meine Finger und lächelte. »Ihr seid beide wunderschön, und ich hatte schon immer eine Schwäche für Mädchen mit braunem Haar.« Ich erwiderte sein Lächeln. Er schien es gewohnt zu sein, Frauen Komplimente zu machen. Dabei wäre das überhaupt nicht nötig gewesen. Ich war kein naives Mädchen aus einer Kleinstadt, dem man mit ein paar hübschen Worten den Hof machen musste. Es war nicht nötig, mich davon zu überzeugen, dass er ein guter Kerl war, weil mich das herzlich wenig interessierte. Aber junge Männer aus solch einer Gegend waren anständige Mädchen gewohnt, die auf einen Märchenprinzen hofften.

»Ich frage mich schon den ganzen Abend, wie sich zwei Engel auf solch ein Fest verirrt haben konnten.« Er schob mich langsam zurück, bis ich gegen den Stamm eines Baumes stieß. Seine Finger strichen mir eine dunkle Strähne hinters Ohr. Er war wirklich gut. Ließ mir den Freiraum, den ich brauchte, und zeigte gleichzeitig eine Entschlossenheit, auf die jede Frau stand.

»Ich verrate dir ein kleines Geheimnis«, sagte ich leise und ließ meine Finger über seine Brust wandern. »Wir sind keine Engel«, ich schaute ihm direkt in die Augen, »sondern Hexen.« Er lachte leise und beugte sich zu mir hinab, um meinen Hals zu küssen. Ein wohliges Kribbeln lief über meinen Nacken, während er mir eine Hand auf die Seite legte und ich ihm meinen Körper entgegenbog. Vermutlich dachte er, mich mit diesen zwei erbärmlichen Komplimenten längst um den Finger gewickelt zu haben, dabei war ich diesem Kerl drei Schritte voraus. Die Hand an meiner Taille strich über den dünnen Stoff meines Kleides. Es endete an meinen Oberschenkeln, die Owen jetzt berührte. Ich gab ihm einen charakterlichen Pluspunkt für seine vorsichtigen Berührungen, auch wenn mein Körper nach sehr viel mehr verlangte. Meine Hände gingen auf Wanderung und tasteten sich an seinen muskulösen Gliedern entlang. Er keuchte überrascht auf. Es war wohl an mir, ihm zu zeigen, dass ich keine zerbrechliche Blume war. Ich strich über seinen Rücken und er über meine Hüften. Als seine Lippen eine Stelle auf meiner linken Schulter berührten und ein heißer Sturm die Funken in meinem Blut zum Leben erweckte, zuckte ich zusammen und schnappte nach Luft. Sofort hielt er inne und sah besorgt auf mich hinab.

»Hab ich dir wehgetan?« Ich lehnte keuchend am Baum und spürte, wie sich die Rinde in meinen nackten Rücken bohrte. Mein Körper brauchte einen Moment, um sich von dieser Berührung zu erholen, also rang ich mir ein Grinsen ab, um ihn nicht zu beunruhigen.

»Nein, alles gut.« Er sah von meinen Augen zu der Stelle, die er gerade eben geküsst hatte. Seine Finger fuhren über das kleine Muttermal, als ziehe es ihn magisch an. Ich presste die Lippen aufeinander, um nicht noch einmal laut aufzustöhnen. Er konnte das nicht wissen, aber es gab nichts Intimeres, als das Mal einer Hexe zu berühren. Die Verbindung zu unserer Seele, das Symbol für den Ursprung unserer Kraft und eine kleine Erinnerung an den Pakt, den Lilith damals mit Luzifer eingegangen war. Ihm das zu erklären, hätte gewiss die Grenzen seiner Vorstellungskraft gesprengt, und plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob ich das hier wirklich wollte. Das da vor mir war nur ein Mensch. Nichts, was mir gewachsen war. Schon gar nicht heute Nacht. Ich schimpfte mich selbst, weil dieses wählerische Denken so gar nicht zu mir passte. Es war ja nicht so, als sei er der erste menschliche Mann, dem ich meine Zuneigung schenkte. Vor meinem geistigen Auge flammte das Bild des Fremden auf, der mit Calla gesprochen hatte. Beschissenes Timing! Neidete ich meiner armen Schwester jetzt schon den ersten Mann, der seit einer Ewigkeit ihr Interesse zu wecken schien, nur weil er ein Hexer war?

»Es ist wunderschön«, sagte Owen fasziniert und riss mich damit aus meinen Gedanken. Er starrte mein Muttermal an, das nur selten als solches wahrgenommen wurde. Menschen hielten es meistens für ein Tattoo, wegen der feinen Linien, dabei war ich mit diesem Zeichen zur Welt gekommen. Und verdammt stolz darauf. Es war schlicht, aber dafür etwas ungewöhnlich. Ein Halbmond, der an seiner offenen Seite von sechs kleinen Punkten umkreist wurde. Hexenmale gab es in allen Formen, selten jedoch so detailliert wie meins.

»Ein Hexenmal«, sagte ich und zwinkerte ihm zu. »Luzifers Zeichen für all jene, die bereit sind, ihm in die Schatten zu folgen.« Er lachte, eine Spur zu unsicher, weil er nicht wusste, ob das nur ein Scherz war. Im besten Fall hielt er mich für etwas verrückt. Hier waren genügend Frauen unterwegs, die sich selbst als Hexen oder Schamaninnen bezeichneten, obwohl ihr einziger Kontakt zur Magie der Natur im Kochen von Kräutertee bestand.

»Klingt gefährlich«, sagte Owen. Ich nickte langsam.

»Die Schatten sind gefährlich. Das macht sie so verlockend.« Ich strich ihm durch das weiche Haar und wollte sein Gesicht zu mir herunterziehen, als ich hinter ihm etwas rascheln hörte. Die Energie in der Luft veränderte sich. Ich verkrampfte mich, roch plötzlich frische Minze und Gefahr. Aber es war bereits zu spät. Owen zuckte zusammen, und etwas Feuchtes bespritzte meine nackten Schultern. Ich sah auf, in sein hübsches Gesicht, das sich nun zu einer schmerzhaften Fratze verzog. Seine Augen weiteten sich. Er öffnete den Mund und röchelte. Ein Rinnsal Blut lief ihm übers Kinn. Ich starrte ihn an, beobachtete, wie sein Blick brach und die Spitze einer Klinge aus seiner Kehle ragte. Er taumelte einen Schritt zurück und griff sich an den blutüberströmten Hals, bevor seine Beine nachgaben und er hustend zu Boden sackte. Ich war einen Moment lang viel zu verwirrt, um irgendetwas fühlen oder denken zu können, geschweige denn um zu begreifen, was hier gerade geschah. Da war Blut und zerfetztes Fleisch und das Funkeln einer verschmierten Klinge. Owen sah mich an, genauso ratlos wie ich, bevor sein Körper erschlaffte und ich in der plötzlichen Stille nur noch meinen rasselnden Atem hörte. Dieser fremde, nette Junge war tot, doch ich verstand nicht, warum.

»Die kleine Unterbrechung tut mir leid.«

Die Stimme drang nur mit Mühe durch die Taubheit in meinen Ohren und ließ mein Herz für den Moment stillstehen. »Aber wir wollen auch unseren Spaß.«

Ich hob langsam den Blick, zu einem Mann, der aus den Schatten der Bäume trat. Im fahlen Licht des Mondes schimmerte sein schwarzes Haar wie Öl und umrahmte ein unerträglich schönes Gesicht. Selbst auf die Distanz erkannte ich das Silbergrau seiner Augen und spürte die bekannte Angst, die ihr bloßer Anblick in mir auslöste.

Nicolai.

Das unerwartete Erscheinen des Hexenjägers traf mich mit solch einer Wucht, dass ich beinahe den Boden unter den Füßen verlor. Mein Magen verkrampfte sich, als ich endlich begriff, was hier los war: Sie hatten uns gefunden.

Zitternd presste ich mich gegen den Baumstamm, momentan mein einziger Halt. Zuletzt war ich Nicolai vor zwei Jahren begegnet, dabei jagte er uns schon, seit ich denken konnte. Damals war es ihm gelungen, meine Schwester und mich in Prag aufzuspüren, wobei wir ihm und seinen Jägern nur knapp entkommen waren. Drei Menschen hatten in jener Nacht ihr Leben lassen müssen, weil Nicolai keine Rücksicht auf Unschuldige nahm. Seitdem waren wir noch vorsichtiger gewesen. Offenbar hatte das nicht gereicht. Denn da stand er und schenkte mir dieses grausame, selbstgefällige Lächeln.

»Wie wundervoll, dich wiederzusehen, Juniper.« Er kam langsam auf mich zu. Jeder Schritt eine Drohung. Jeder Wimpernschlag eine arrogante Zurschaustellung seiner Macht. Er war schön. So schön, wie es alle Halbengel waren. Hexenjäger des Kardinals. Sie umgab eine Aura, die anders war als die von uns Hexen. Hell und kalt, Erinnerungen an die für mich so befremdliche Macht des Himmels. Ein Licht, das ihre Haut makellos erschienen ließ und ihre Augen zum Leuchten brachte. Ihr Strahlen machte mir Angst, denn die Unschuld darin war eine Lüge  – eine Falle.

Hinter Nicolai traten weitere Männer aus dem Gebüsch. Sie hatten Schwerter gezogen, deren Klingen im Licht des Mondes blitzten. Hexenjäger kämpften auf altmodische Art.  

»Du wirkst überrascht«, schnurrte Nicolai. »Dabei hatte ich gehofft, du würdest dich freuen, mich wiederzusehen.« Nun stand er direkt vor mir und verdunkelte meine Welt mit seiner großen Gestalt. Er hob eine Hand und strich mir über die blutbefleckte Wange. Ich rührte mich nicht, gelähmt vor Panik. Mein Blick zuckte zu Owen, was Nicolai nicht entging. Er lachte leise.

»Es tut mir leid um diesen kleinen Sterblichen.« Seine Stimme war samtig weich und trotzdem bedrohlich. »Aber vermutlich habe ich ihm einen Gefallen getan, nicht wahr?« Er fuhr über meine zitternde Unterlippe und beugte sich zu mir hinab. »Der arme Kerl wusste gar nicht, worauf er sich da einließ. Hatte keine Chance gegen etwas so ... Verführerisches.« Er musterte meine Gestalt. Seine Augen glitzerten gierig, als wolle er mir das bisschen Stoff sofort vom Körper reißen. Allein Nicolai brachte es fertig, mich mit einem simplen Blick zu verängstigen. Nur vor ihm hätte ich mich selbst in einem bodenlangen Wintermantel nackt und entblößt gefühlt. »Böse kleine Hexe. Ihr könnt es wohl einfach nicht lassen, unschuldige Männer zu verführen – in uns sündige Gedanken zu wecken.« Er lachte leise an mein Ohr und sein Duft von Leder und Minze strich mir um die Nase. Ich sollte ihn von mir wegstoßen, mich verteidigen, aber mein Hirn war wie leer gefegt. »Keine Worte der Wiedersehensfreude?«, flüsterte er. »Du bist doch sonst nie still.«

»Wie habt ihr uns gefunden?«, brachte ich atemlos hervor. Ich musste ihn ablenken, verhindern, dass er mir noch näher kam. Er lehnte sich etwas zurück, nahm aber nicht die Hand von meinem Gesicht. Stattdessen sah er mich quälend lange an, bis sich seine Lippen zu einem spöttischen Lächeln teilten.

»Ist das noch wichtig?« Seine Hand an meinem Kinn zwang meinen Blick zu sich hoch. »Hier sind wir, und diese Jagd hat endlich ein Ende. Der Kardinal wartet schon viel zu lange auf dich und deine hübsche Schwester.« Der Nagel seines Daumens bohrte sich in meine Haut. »Also lass uns das hier nicht komplizierter als nötig machen. Wir würden Calla und dir nur ungerne wehtun.« Das war eine Lüge, und er lächelte, weil uns beiden das klar war. Schwer atmend starrte ich ihn an, suchte fieberhaft nach einem Ausweg, während Nicolais Hand über meine Schulter strich. Er berührte mein Hexenmal, und ich erschauderte. Er genoss mein Unbehagen, weil er ganz genau wusste, was für eine Auswirkung diese abstoßende Berührung auf mich hatte. Selbstgefälliges, heiliges Arschloch!

Ich entdeckte den Dolch, der noch in Owens Kehle steckte. Unbewaffnet hatte ich keine Chance gegen vier Halbengel, aber ich war eine Hexe und würde mich selbst in der aussichtslosesten Situation mit Krallen und Zähnen wehren. Nicolai lachte leise, als ich meine Hand zur Faust ballte. Er konnte meine Entschlossenheit riechen, genauso wie meine Angst.

»Bist du sicher, dass du das tun willst?«, raunte er mir gefährlich sanft zu. »Verlierst du, werde ich dich bestrafen müssen.« Ich knirschte mit den Zähnen. Für ihn war die Hexenjagd nicht nur ein Job. Es machte ihm Spaß, uns aufzuspüren und vor Claudius zu schleifen. Erst wenn er uns Hexen brennen sah, war dieses Spiel für ihn vorbei.

»Deine Visage ist schon Strafe genug«, zischte ich und steckte meine Angst in eine kleine Kiste, damit meine Überlebensinstinkte die Oberhand gewannen. Leicht würde ich es ihm gewiss nicht machen. »Ventus levare!« Der Geschmack von alter Magie legte sich auf meine Lippen, während der Zauber durch den Wald hallte. Wind, erhebe dich. Eine gewaltige Böe brachte die Baumkronen zum Beben, und bevor Nicolai sein Schwert gezogen hatte, fegte ihn ein Orkan von mir weg. Mit einem Satz war ich bei Owens leblosem Körper und zog ihm den Dolch aus der Kehle. Nicolai rief Befehle, während der Wind zwischen uns tobte. Laub und Äste wirbelten durch die Luft. Der Zauber würde nicht lange wirken, aber hoffentlich lange genug. Ich fuhr herum, als einer der Jäger auf mich zusprang und nach mir greifen wollte. Meine Klinge schnitt durch die Luft und streifte seinen Arm. Calla und ich hatten uns noch nie nur auf unsere Kräfte verlassen. Der Mann knurrte und warf etwas vor meine Füße. Eine kleine Kugel, die explodierte und eine Wolke aus Rauch entließ. Ich sprang entsetzt zurück. Verbrannter Efeu. Die einzige Pflanze, die unsere Kräfte für kurze Zeit unterdrücken konnte. Ich entkam der Wolke, doch da ging hinter mir bereits eine weitere Kugel in die Luft, deren Kräuterduft ich einatmete. Hustend schlug ich um mich. Der Wind vertrieb den Rauch schnell wieder, doch leider nicht schnell genug. Ich spürte, wie sich Ketten um meine Magie legten. Hinter mir lachte Nicolai, und ich wirbelte herum. Gerade noch rechtzeitig, um einen Sprung zur Seite zu machen und seinem Schwert zu entgehen.

»Euch jungen Hexen schadet Efeu immer noch am meisten. Selbst an Beltane zeigt es seine Wirkung, also lass den Unsinn, June, und gib mir den Dolch.« Er hielt mir fordernd die Hand hin, als sei ich wirklich so verrückt, mich zu ergeben.

»Eher hack ich dir die Finger ab!« Ich hieb mit meinem Dolch nach ihm, mehr als bereit, mit seinem Blut den Boden zu tränken.

»Immer diese Spielchen«, spottete er und wich geschickt zurück. Zwei Jahre waren für einen Halbengel nicht besonders lang, aber ich hatte in dieser Zeit meine Kampfkünste deutlich verbessert. Es brauchte schon mehr als ein bisschen Efeu und seine grässliche Arroganz, um mich unterzukriegen.

Inzwischen war der Wind gänzlich abgeklungen und meine Magie vollständig versiegelt. Trotzdem hieb ich wie ein Berserker nach Nicolai. Die anderen Männer würden sich erst einmischen, wenn er mit mir fertig war. Ich kannte das bereits. Ihm machte das hier nämlich verdammt viel Spaß. Zwei, drei Mal erwischte ich seine Arme und zerschnitt ihm die Jacke. Leider war er der geübtere Kämpfer, und ich zugedröhnt von giftigem Efeu, Wein und der vergangenen Ekstase auf dem Fest. Sie hatten sich einen für mich wirklich ungünstigen Moment zum Angreifen ausgesucht.

Mir rauschte das Blut in den Ohren, und das kostete mich einen Moment der Konzentration. Seine Klinge durchbrach meine Deckung und bohrte sich in meine rechte Schulter. Ich schrie auf, als er Haut, Fleisch und Muskelgewebe durchstieß. Sofort zog er die Klinge wieder zurück und grinste. Er spielte nur. Diese Verletzung war nicht lebensgefährlich, aber sie tat weh und machte meinen rechten Arm unbrauchbar. Doch ich war schnell. Schneller, als er erwartet hatte, und als ich eine Lücke in seiner eigenen Deckung sah, traf meine Klinge seinen Oberkörper. Dieses Mal zerschnitt ich nicht nur die dämliche Jacke, sondern spürte, wie der Dolch durch Fleisch fuhr und an seiner Rippe abglitt. Nicolai knurrte wütend. Er nutzte die Nähe, die ich gebraucht hatte, um ihn zu erwischen, und verpasste mir einen harten Schlag mit dem Arm. Ich wurde zur Seite geschleudert und stürzte. In meinem Kopf tobte der Schmerz, und einen Moment lang tanzten Sterne vor meinen Augen. Das ist nur dein Körper, redete ich mir ein. Meine Hände gruben sich in kalte, feuchte Erde. Nur dein Körper, lass dich davon nicht ablenken. Verzweifelt versuchte ich meine Sicht zu schärfen. Mir war der Dolch aus der Hand gefallen. Panisch drehte ich mich auf den Rücken und hielt abrupt inne. Die Klinge von Nicolais Schwert lag an meiner Kehle, während er direkt über mir stand und sich die blutende Seite hielt. Er war halb Engel, halb Mensch, daher würde die Wunde bald wieder heilen, aber wenigstens war ihm das arrogante Lächeln vergangen.

»Ich hatte dich gewarnt, was passiert, wenn du verlierst«, sagte er gefährlich leise und drückte die Spitze unter mein Kinn. »Claudius wird warten müssen. Ich bin noch nicht fertig mit dir.« In seinen Augen brannte die Wut. Die Klinge verschwand und er wollte nach mir greifen, als ein gleißendes Licht zwischen uns erstrahlte. Ich kniff alarmiert die Lider zusammen, während Nicolai zurücktaumelte und seine Männer einen Moment lang die Orientierung verloren.

»Bleib unten!«, hörte ich meine Schwester rufen. Ich gehorchte instinktiv und machte mich klein. Calla stand nicht weit von mir. Sie hielt ein Amulett in der Hand und murmelte leise vor sich hin. Ich hatte nicht lange Zeit, sie anzusehen. Ein helles Leuchten tauchte für eine Sekunde alles in weißes Licht, bevor der Zauber schlagartig endete. Ich schnappte nach Luft und hörte auf meinen aus dem Takt geratenen Herzschlag. Um mich herum lagen benommene Hexenjäger am Boden. Selbst Nicolai hatte es von den Füßen gefegt. Calla packte mich am Arm und zog mich auf die Beine. Sie war blass und zitterte. Noch ein Zauber, egal welcher Art, würde sie vollkommen ausknocken. Jetzt lag es an mir, uns hier rauszubringen.

»Schnell«, wisperte sie und zog mich mit sich. Wohin wusste ich nicht, aber Calla hatte immer einen Plan. Egal wo wir waren, egal wie aussichtslos eine Situation auch schien: Sie wusste, was zu tun war.

»Wohin?«, fragte ich atemlos. Calla konnte jeden Moment zusammenbrechen. Gegenstände wie das Amulett halfen zwar, unsere Kräfte zu kanalisieren, aber das, was Calla da gerade geleistet hatte, kam einer Naturgewalt gleich. Sie hatte mehrere Hexenjäger auf einmal einfach umgemäht.

»Die Dinge haben sich geändert«, keuchte sie. »Wir müssen nach Arcanum. Sofort.« Ihre Miene war steinhart, jeder Muskel ihres Körpers angespannt.

»Was?«, fragte ich fassungslos. Wir konnten nicht zurück in die Stadt der Hexen und Dämonen. Der Kardinal hatte alle Portale schließen lassen. Niemand kam oder ging, ohne dass er es erlaubte. Außerdem war die Stadt der letzte Ort, an dem wir vor ihm und seinen Hexenjägern sicher waren. »Bist du verrückt geworden? Wir würden ihm direkt in die Arme laufen!« Wir kamen auf einer kleinen Lichtung an, und ich drehte mich verwundert um die eigene Achse. Nicht weit von uns türmten sich drei Steinplatten zu einer Art Tisch, der bereits mit Moos überwachsen war.

»Woher zum Teufel wusstest du von diesem Altar?«, fragte ich Calla und verband meine Schulter mit einem Fetzen meines Kleides. Inzwischen war mein rechter Arm rot und klebrig von dem ganzen Blut. Calla sah mich besorgt an, aber wir hatten keine Zeit für die Notfallversorgung. Ich winkte ab und beobachtete, wie meine Schwester ihren kleinen Beutel hervorzog. Egal wo wir waren, dieses unscheinbare Ding war immer an ihrer Seite. Für genau diesen Fall: eine spontane Flucht.

»Hexenfeste werden immer an magischen Orten gefeiert. Das solltest du wissen«, sagte sie und legte den Beutel auf dem steinernen Tisch ab. Ich strich mir das zerzauste Haar zurück, während Calla einen kleinen Handspiegel, Kerzen, getrocknete Kräuter und ihren Athame-Dolch auspackte.

»Ich weiß das, aber normale Menschen doch nicht!« Sterbliche hatten dieses Fest organisiert. Wie eine gewöhnliche Party.

»Du würdest dich wundern, wie viele Sterbliche sich an die Regeln unserer Bräuche halten. Man muss keine magischen Kräfte besitzen, um sich der Magie verbunden zu fühlen.« Richtige Hexenfeste wurden nicht irgendwo gefeiert, sondern dort, wo die Magie am stärksten war. Und das waren meistens Orte, an denen auch Gedenkstätten, Altäre oder Ähnliches errichtet worden waren. An diesen Brauch schienen sich die Organisatoren dieses Festes gehalten zu haben. Pluspunkt für Authentizität. »Du wirst das Portal öffnen müssen«, sagte Calla und gab mir den Athame. Es war ein ritueller Dolch. Für gewöhnlich besaß jede Hexe ihren eigenen. Man nutze ihn nicht zum Kämpfen, obwohl die doppelseitige Klinge durchaus dafür geeignet wäre. Statt den Dolch zu nehmen, packte ich Callas Hand.

»Was ist passiert? Wer war der Mann, Calla?« Ihre Augen weiteten sich. Offenbar hatte sie gehofft, dass er mir nicht weiter aufgefallen war.

»Ein Freund«, versicherte sie mit zittriger Stimme. Die Angst in ihrer sonst so entschlossenen Miene verschlug mir die Sprache. Calla hatte nie Angst. Das war die eine Sache, auf die ich mich mein Leben lang hatte verlassen können. »Claudius hat die anderen Mädchen gefunden.«

Ich starrte sie fassungslos an. »Alle zwölf?«

Sie nickte. Panik schoss mir durch die Brust.

»Jetzt fehlen nur noch wir?« Calla nickte erneut und drückte meine Hand. Wir waren nicht irgendwer, flohen nicht grundlos vor dem Kardinal.

Die Stadt Arcanum war einst von dreizehn Hexen und Hexern erschaffen worden. Lilith und Luzifers Kinder, die den ersten Zirkel, den Arcanum-Zirkel, gegründet hatten.

Unser Vater war eines von diesen Kindern gewesen und zusammen mit seinen zwölf Geschwistern am Tag von Claudius‘ Überfall einfach abgeschlachtet worden.

Damit waren Calla und ich, zusammen mit den Töchtern der anderen zwölf Zirkelmitglieder, Lilith und Luzifers Enkelkinder.

Angeblich hatten es ein paar von den anderen ebenfalls aus der Stadt und in die Menschenwelt geschafft.

Seitdem suchten wir sie.

Genauso wie Claudius. Keine Ahnung, warum. Vielleicht, weil er Lilith und Luzifers Blutlinie auslöschen wollte. Fest stand, dass er uns Arcanum-Erbinnen wie Tiere jagen ließ und damit offensichtlich Erfolg hatte.

»Hat dir all das dieser Mann erzählt? Ist er ein Hexer aus Arcanum?«, fragte ich Calla. Sie drückte mir den Dolch in die Hand. Richtig, das Ritual. Ich zündete die Kerzen an. Meine Schwester war zu schwach, um ein Portal zu öffnen. Ich hatte das erst ein Mal gemacht, aber jetzt war keine Zeit, um sich selbst zu unterschätzen. Ich verbrannte getrocknete Weide, zum Zerreißen der Schleier zwischen den Räumen dieser Welt; Rosmarin, der die Magie um uns herum beschwören sollte; und Majoran, der uns Kraft bei der Reise gab. Sofort war die kalte Waldluft erfüllt von dem Duft der verbrannten Kräuter.

Meine Hände bebten, als ich den Athame nahm und mir in die Handfläche schnitt.

»So ungefähr. Er weiß von Claudius‘ Plänen und wollte uns vor Nicolai warnen. Ich hatte keine Ahnung, dass er uns bereits so nahe war«, sagte Calla und hielt meinen Arm. Ich ließ etwas Blut auf den Spiegel tropfen, während Calla sich ebenfalls in die Hand schnitt und das Ganze wiederholte. Dann nahm sie eine Kerze und zündete es an. Menschliches Blut brannte nicht. Das von uns Hexen schon. Sie legte den Spiegel mit unserem entflammten Blut auf den Altar und griff nach meiner unverletzten Hand.

»Die Portale sind seit achtzehn Jahren verriegelt. Wie sollen wir sie öffnen?«

»Es gibt ein paar geheime Portale in den Katakomben, die man gewiss noch nicht gefunden hat. Halt du nur meine Hand gut fest, um den Rest kümmere ich mich.« Ich nickte, und Calla atmete keuchend ein. Sie würde uns retten, so wie sie es immer tat.

»Bereit?«

»Immer«, log ich, weil ich überhaupt nicht bereit war für irgendwas.

»Ein Zauber, den die Nacht nur hört,

und Blut, das für die Reise brennt,

ein Schleier wird von uns zerstört,

für einen Weg, den niemand kennt«, flüsterten wir gleichzeitig. Ich drückte die Hand meiner Schwester und spürte das Knistern der Magie. Wind kam auf, und aus einer Brise, die durch die Blätter strich, wurde ein Sturm, der an unseren Haaren zerrte. Die Elemente zu beschwören war nie leicht, und Wind sträubte sich gerne. Aber er würde unserem Befehl gehorchen, daran durfte ich nicht zweifeln. Wer Zweifel hegte, hatte schon verloren. Wer zögerte, wurde von der Magie überrannt. Eine Hexe musste entschlossen sein.

Plötzlich verschwand Callas Hand. Ich riss erschrocken die Augen auf. Sie war nicht mehr neben mir.

»Hör nicht auf, June!«, rief sie, und ich wirbelte herum. Mit dem Athame bewaffnet, stand sie hinter mir und schlug auf Nicolai ein. Woher kam der denn plötzlich? Das Haar hing ihm in die Stirn, konnte die irre Wut in seinen Augen jedoch nicht verdecken. Callas Zauber hatte sein Ego angeknackst, und nichts war gefährlicher als ein gedemütigter Mann mit Engelsblut. »June, mach weiter!«, rief Calla mir zu. So fehlerfrei, wie sie die Kunst des Hexens beherrschte, so geschickt konnte sie mit einer Waffe umgehen. Wie ein weißer Racheengel schlug sie auf Nicolai ein. Schnell, präzise und gnadenlos. Nicolai knurrte wie ein wildes Tier. Er wollte Vergeltung und würde sie bekommen, wenn wir nicht bald verschwanden.

»Öffne das Portal!«, rief Calla, als der Wind langsam abklang. Ich zuckte zusammen und sprach erneut die Worte. Immer leiser und immer schneller, bis ich in einen Singsang verfiel. Meine ganze Konzentration galt unserem fast verbrannten Blut. Ich flüsterte ein letztes Mal den Zauberspruch, nahm den Spiegel mit beiden Händen und zerschlug ihn auf dem Altar. In einer kleinen Explosion aus Splittern, Blut und Feuer zersprang der Spiegel und ein Ruck ging durch den Boden. Der Altar riss auf und blauweißes Licht schoss daraus hervor, das mich wie eine Wand aus purer Energie traf.

»Geh!«, rief Calla mir zu. War sie verrückt geworden? Ich würde nicht ohne sie verschwinden. Niemals! Panisch sah ich, dass zwei weitere Hexenjäger auf die Lichtung traten. Callas Magie hatte ihnen ordentlich zugesetzt, aber sie lebten noch. Ich wollte losstürmen, durfte jedoch nicht unseren letzten Fluchtweg in sich zusammenbrechen lassen, als Nicolai plötzlich die Hand meiner Schwester zu fassen bekam. Er lachte bösartig, weil der Zauber von vorhin seinen Tribut forderte und sie nicht schnell genug hatte reagieren können. Er riss ihr den Dolch aus der Hand und zog sie an sich, um ihr etwas zuzuflüstern. Ihre Augen weiteten sich vor Angst, von der sie sich niemals unterkriegen lassen würde. Dessen war ich mir sicher. Sie versuchte sich aus Nicolais Griff zu befreien, der sie achtlos zurückstieß, direkt in die Arme seiner Männer. Zwei von ihnen fingen sie auf und waren so viel größer in ihrer Gestalt als meine zierliche Schwester.

»June, bitte! Geh!«, schrie sie. Nicolai kam auf mich zu. Ich spürte, wie sich das Portal hinter mir schloss. Uns lief die Zeit davon.

»Komm, kleine June.« Nicolais Blick war lauernd wie der eines Raubtieres und umso vieles furchteinflößender. Schritt für Schritt kam er mir näher und verpestete meine Gedanken mit Angst. »Du willst sie doch nicht mit mir allein lassen.« Er kniff die Augen zusammen und lächelte. »Ich werde ihr wehtun, verstehst du? Willst du das wirklich zulassen?« Die Grausamkeit seiner Worte bohrte sich quälend in meine Eingeweide. Es gab keinen Grund, diese Drohung anzuzweifeln. Nicolai war ein Psychopath. Sein Lächeln wurde breiter, als ich die Schultern sinken ließ. Wir hatten verloren, und er wusste das. Ich würde nicht fliehen und meine Schwester im Stich lassen. Wenn man uns vor den Kardinal bringen und verbrennen würde, dann gemeinsam. Ich schaute an Nicolai vorbei zu Calla. Einer der Männer zückte ein Eisenhalsband. Wenn sie das meiner Schwester anlegten, war sie besiegt.

Tränen der Verzweiflung schnürten mir die Kehle zu, doch Calla verstand auch so, was mein Zögern bedeutete. Ich konnte sie nicht zurücklassen. Sie atmete einmal tief durch und hob die Hand. Ich hörte nicht, was sie sagte, aber ein Zauberspruch verließ ihre Lippen, dessen Bedeutung meine Sinne mit Entsetzen identifizierten. Ventus levare. Der gleiche Zauber, der mir vorhin Nicolai vom Hals gehalten hatte. Die Welt verlangsamte sich. Ich sah den verzweifelten Ausdruck im Gesicht meiner Schwester und wusste, was er bedeutete: Dieses Mal würden wir nicht gemeinsam fliehen. Dann traf mich der Windstoß und schleuderte mich zurück. Mir wurde die Luft aus der Lunge gepresst. Nicolais wütender Ruf hallte über die Lichtung. Ich war einen Moment lang im freien Fall und wurde im nächsten von gleißendem Licht umhüllt. Das Letzte, was ich wahrnahm, war meine Schwester, mit diesem verfluchten Eisen um den Hals. Alle Kraft war ihr entwichen. Wie eine hilflose Puppe hing sie in den Armen der Jäger. Vollkommen schutzlos und allein. Dann verschluckte mich das Portal, und alles um mich herum löste sich auf. Der Wald, Nicolai und Calla. Alles. Ich wurde durch ein Meer aus Energie gerissen und schrie auf. Vor Verzweiflung, vor Angst und Wut. Einen Moment später schlug ich auf hartem Boden auf, das Licht erlosch, und meine Reise war vorbei. Ich lag auf dem Rücken und fühlte mich wie von innen nach außen gestülpt. Vollkommen orientierungslos wälzte ich mich auf die Seite und erbrach den säuerlichen Inhalt meines Magens. Dann sackte ich schwer atmend und zitternd auf dem lehmartigen Boden zusammen und schloss die Augen. Um mich herum war es totenstill. War das hier mein persönliches Grab? Ich hoffte es. Ich hatte es nicht anders verdient. Calla war verloren. Ich hatte meine Schwester dem sicheren Tod überlassen.

2. Luzifers Leidensgenossen

Ich erwachte aus meiner Besinnungslosigkeit und schluckte den säuerlichen Geschmack des erbrochenen Weins herunter. Der Fetzen, mit dem ich meine Schulter notdürftig verbunden hatte, klebte am aufgerissenen Fleisch fest. Ich betastete die Wunde. Warmes Blut sickerte durch meine Hände. Ich presste die Lippen aufeinander, um nicht laut aufzuschreien. Nicolais Schwert hatte mehr Schaden angerichtet, als mir bis jetzt klar gewesen war, und die Reise durchs Portal hatte es nicht gerade besser gemacht. Ich musste diese Wunde versorgen, wenn ich nicht verbluten oder einer Infektion erliegen wollte.

Stöhnend drehte ich mich auf die Seite und schaute zu dem Portal, durch das ich gekommen war. Alles, was ich in der Dunkelheit wahrnahm, waren die Umrisse eines alten Steinhaufens. Nicht größer als ein Baumstumpf und gewiss schon seit einigen Jahren unberührt. Aber ich sah ihn, was bedeutete, dass von irgendwoher Licht kommen musste. Mein Blick zuckte in alle Richtungen. Callas Portal hatte mich in eine Art Höhle gebracht. Die Wände waren mit grauem Stein verkleidet, der Boden aus fest getrampelter Erde. Es roch nach kaltem Gestein und Moder. Die Decke über mir war leicht gewölbt. Durch kleine Spalten am Rand sickerte Licht hindurch. Wenn mich Calla nicht ans andere Ende der Welt gebracht hatte, konnte das unmöglich Sonnenlicht sein. Es war mitten in der Nacht gewesen, als sie mich durch das Portal geschleudert hatte.

Ich blinzelte, um meine Sicht zu schärfen, und hörte über mir Schritte. Männer, die riefen. Waren das Nicolai und seine Hexenjäger? Unmöglich! Sie konnten nicht wissen, wo ich war. Das Portal war nur für Calla und mich bestimmt, markiert mit unserem Blut. Die aufgebrachten Stimmen vermischten sich. Jemand bellte Befehle. Leise fluchend versuchte ich auf die Beine zu kommen, brach aber sofort wieder zusammen. Mein ganzer Körper zitterte. Ich grub meine Finger in die feste Erde und krümmte mich. Weder hatte ich die Mittel noch die Kraft, erneut ein Portal zu öffnen. Ich saß hier fest. Heiße Wut trieb mir die Tränen in die Augen. Ich war so müde. Am liebsten hätte ich mich auf dem kalten Boden zusammengerollt und ... ja und was? Für eine solche Situation hatten wir keinen Notfallplan. Und wenn wir einen hätten, dann wüsste ihn nur Calla. Aber meine Schwester war nicht hier, sondern wurde vermutlich in diesem Moment vor den Kardinal gezerrt. Er würde über ihr Schicksal entscheiden, so wie er über das Schicksal von allen Hexen entschied, die vor ihm geflohen waren. Würde er sie sofort verbrennen? Würde er sie foltern, um zu erfahren, wo ich war? Die Vorstellung ließ mich noch einmal würgen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.

Meine Schulter pulsierte, und ich zerrte mit einem Ruck den durchbluteten Stoff ab. Ein erbärmliches Wimmern entfuhr mir und hallte von den Wänden wider. Schnell presste ich mir die Hand auf den Mund. Frisches Blut floss meinen Arm hinab. Ich würde hier sterben. An diesem dunklen, trostlosen Ort. Allein, ohne Calla. Mir war klar, dass es für uns niemals einen sicheren Ort gegeben hatte. Wir hatten ein Leben auf der Flucht geführt. Immer in Bewegung. Daran hatte ich mich gewöhnt. Fliehen  – das war die einzige Sache, die ich konnte. Aber jetzt sah ich keinen Sinn mehr darin. Wohin, ohne Calla? Worum kämpfen, ohne meine Schwester? Ich schleppte mich bis zur Wand der kleinen Höhle und lehnte meinen Rücken gegen den Stein. Sofort fraß sich seine Kälte bis tief hinab auf meine Knochen. Ohne das Adrenalin war mein zerfetztes Kleid keine ausreichende Bedeckung mehr. Müde schloss ich die Augen und lauschte den Schritten über meinem Kopf.

»Bewacht alle Ausgänge!«, hörte ich eine raue, unfreundliche Stimme rufen. »Mir egal, wie lange es dauert, aber findet dieses Portal, verflucht!«

Ich lächelte erschöpft. Offenbar hatte man bemerkt, dass sich ein Portal geöffnet hatte, wusste aber nicht, wo es war. Bis man mich fand, war ich längst tot. Sollte ich nach Hilfe schreien? Vielleicht konnten mir die Leute helfen, die dort oben wie wild herumtrampelten. Ich hob den Kopf und sah Schatten an den Schlitzen in der Decke vorbeirennen. Das waren viele Männer. Wohin zum Teufel hatte mich dieses Portal gebracht?

»Hauptmann, Verstärkung aus dem Palais. Wir haben Befehl bekommen, die Hauptportale zu kontrollieren.«

»Verdammte Hexenfeste!«, fluchte der, der mit Hauptmann angesprochen worden war. Ich seufzte, mein Gehirn fühlte sich träge und schwammig an. An welchem Ort sagte man denn Hauptmann? Das dort oben konnten unmöglich Polizisten sein. Und woher wussten sie, was Portale waren? Ein Ruck ging durch meine trägen Gedanken. Palais ... Es gab nur einen Ort, eine Stadt unter uns Hexen, in der es ein Palais gab.

Ich riss mich von der Wand los, plötzlich hellwach. Callas Portal hatte mich in die Stadt der Hexen und Dämonen gebracht. Nach Arcanum! Das bedeutete, dass ich meiner Schwester näher war als gedacht. Wenn ich es hier herausschaffte, hatte ich vielleicht noch eine Chance, sie zu retten. Eine verschwindend geringe Chance, aber bei all dem Blutverlust war ich ohnehin nicht in der Lage, realistisch zu sein. Calla retten, das war alles, was in meinem Kopf Platz hatte.

Ich krallte mich an den schiefen, groben Steinplatten der Höhlenwand fest und zog mich daran nach oben. Meine Finger fingen zu bluten an, so scharf waren die Kanten, aber eine Wunde mehr oder weniger machte jetzt auch keinen Unterschied mehr. Ich musste hier raus, meine Schulter versorgen, irgendwie in das Palais gelangen und Calla retten, bevor man sie auf dem Scheiterhaufen verbrennen würde. Nichts leichter als das. Wenn ich damit fertig war, könnte ich ja gleich noch ein achtes Weltwunder erschaffen und den Kardinal stürzen. 

Schritt für Schritt tastete ich mich an der Wand entlang. Ich entdeckte mehrere Abzweigungen, die von der kleinen Höhle aus in die Dunkelheit führten. Es war vollkommen egal, welche davon ich nahm, solange sie mich nur von den Männern über mir wegbrachte. Es mussten Stadtwachen sein. Calla hatte mir von ihnen erzählt. Nachdem Claudius und seine Halbengel Arcanum eingenommen hatten, hatte er alle wichtigen Positionen mit seinen Leuten besetzt. Die Männer dort oben waren genauso schlimm wie Nicolais Hexenjäger.

Ich schleppte mich an der Tunnelwand entlang, als ich hinter mir Schritte hörte. Entsetzt blieb ich stehen und presste mich in der Dunkelheit gegen den kühlen Stein. Sie waren hier. Ich unterdrückte Tränen der Hilflosigkeit und eilte weiter. Inzwischen war es um mich herum stockdunkel geworden. Unheimliches Geraschel und Gezische vermischte sich mit meinem rasselnden Atem. Ich war nicht allein, und das, was da in der Dunkelheit so unheimliche Geräusche machte, schien nicht besonders gut auf ungeladene Gäste zu sprechen zu sein.