Death - Sadhguru - E-Book

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Sadhguru

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Beschreibung

»Das Buch vom Leben und vom Sterben« aus der Perspektive des Yoga Der Tod wird in der westlichen Welt meistens als Feind angesehen und so weit wie möglich verdrängt. Wie aber, wenn er ein wesentlicher Aspekt unseres Lebens wäre, ein Tor zu einer viel tieferen Bewusstseinsebene? Der indische Yoga-Meister Sadhguru lässt uns einen sowohl aufregenden wie tröstlichen Blick »hinter die Kulissen« werfen. Dabei erklärt er vor allem die spirituellen Aspekte des Todes, über die selten gesprochen wird. Außerdem erläutert er ganz praktisch, welche Vorbereitungen wir auf unseren Tod und den Weg danach am besten treffen können. Sein spirituelles Wissen um die geheimen Vorgänge rund um den Tod legt eine völlig veränderte Sicht auf das älteste aller Mysterien nahe. Was ist der Tod, wie bereite ich mich vor und was kommt danach? Was wäre, wenn der Tod nicht die Katastrophe ist, für die er gehalten wird, sondern ein wesentlicher Aspekt des Lebens und voll von spirituellen Möglichkeiten der Transzendenz? Nach Yoga-Meister Sadhguru ist unsere Angst vor dem Tod in Wirklichkeit eine Angst vor Verlust. Er zeigt uns, wie wir diese Angst überwinden können, sodass sie nicht länger unser Verhalten bestimmt. Im Bewusstsein der Sterblichkeit zu leben, erlaubt uns, das Leben tiefer zu erfahren. Die Auseinandersetzung mit dem Tod wird jeden einzelnen Moment so schön wie möglich gestalten. Sadhguru schöpft aus der Weisheit seiner eigenen transformativen Reise und liefert eine völlig neue und notwendige Perspektive auf das letzte Mysterium. Nach ihm ist der Tod nicht das Ende, sondern Teil unserer Existenz und eine Fortsetzung der Kontinuität unseres Bewusstseins. Er beleuchtet bisher kaum bekannte energetische Zusammenhänge des Sterbevorgangs und der postmortalen Zustände. Außerdem erläutert Sadhguru auch die praktischen Aspekte rund um das Sterben, wie zum Beispiel welche Vorbereitungen wir für den eigenen Tod treffen, wie wir einem Sterbenden am besten beistehen und wie wir seine Reise weiter begleiten können. Ein augenöffnendes und hilfreiches Weisheitsbuch von einem der großen Meister unserer Zeit!

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Seitenzahl: 664

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Sadhguru

Death

Die Weisheit eines Yogi über die Kunst von Leben und Sterben

Aus dem amerikanischen Englisch von Horst Kappen

Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.

Über dieses Buch

»Das Buch vom Leben und vom Sterben« aus der Perspektive des Yoga

Der Tod wird in der westlichen Welt meistens als Feind angesehen und so weit wie möglich verdrängt. Wie aber, wenn er ein wesentlicher Aspekt unseres Lebens wäre, ein Tor zu einer viel tieferen Bewusstseinsebene? Der indische Yoga-Meister Sadhguru lässt uns einen sowohl aufregenden wie tröstlichen Blick »hinter die Kulissen« werfen. Dabei erklärt er vor allem die spirituellen Aspekte des Todes, über die selten gesprochen wird. Außerdem erläutert er ganz praktisch, welche Vorbereitungen wir auf unseren Tod und den Weg danach am besten treffen können. Sein spirituelles Wissen um die geheimen Vorgänge rund um den Tod legt eine völlig veränderte Sicht auf das älteste aller Mysterien nahe.

Was ist der Tod, wie bereite ich mich vor und was kommt danach?

Was wäre, wenn der Tod nicht die Katastrophe ist, für die er gehalten wird, sondern ein wesentlicher Aspekt des Lebens und voll von spirituellen Möglichkeiten der Transzendenz? Nach Yoga-Meister Sadhguru ist unsere Angst vor dem Tod in Wirklichkeit eine Angst vor Verlust. Er zeigt uns, wie wir diese Angst überwinden können, sodass sie nicht länger unser Verhalten bestimmt. Im Bewusstsein der Sterblichkeit zu leben, erlaubt uns, das Leben tiefer zu erfahren. Die Auseinandersetzung mit dem Tod wird jeden einzelnen Moment so schön wie möglich zu gestalten.

Sadhguru schöpft aus der Weisheit seiner eigenen transformativen Reise und liefert eine völlig neue und notwendige Perspektive auf das letzte Mysterium. Nach ihm ist der Tod nicht das Ende, sondern Teil unserer Existenz und eine Fortsetzung der Kontinuität unseres Bewusstseins. Er beleuchtet bisher kaum bekannte energetische Zusammenhänge des Sterbevorgangs und der postmortalen Zustände. Außerdem erläutert Sadhguru auch die praktischen Aspekte rund um das Sterben, wie zum Beispiel welche Vorbereitungen wir für den eigenen Tod treffen, wie wir einem Sterbenden am besten beistehen und wie wir seine Reise weiter begleiten können.

Ein augenöffnendes und hilfreiches Weisheitsbuch von einem der großen Meister unserer Zeit!

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de

Inhaltsübersicht

Vorwort: Der Schatten des Todes

TEIL I

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

TEIL II

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

TEIL III

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

Glossar

Über den Autor

Vorwort: Der Schatten des Todes

Wir alle wollen gut leben und, wenn es so weit ist, auch gut sterben. Das ist der Kern der meisten menschlichen Bestrebungen. Ein großer, wenn nicht der größte Teil davon zielt darauf ab, gut zu leben, und das Ergebnis spiegelt dies wider. In Bezug auf ein gutes Leben haben die Menschen viel erreicht. Wir haben es geschafft, mehr Komfort und Bequemlichkeit zu erlangen als jede Generation zuvor. Aber wenn es darum geht, gut zu sterben, kann man nicht sagen, dass wir in irgendeiner Weise besser sterben würden als unsere Vorfahren. Es gibt viele Faktoren, die erklären, warum es den Menschen gelungen ist, besser zu leben, nicht aber, besser zu sterben – der wichtigste von ihnen ist der unterschiedliche Umgang mit Leben und Tod in unserer Gesellschaft.

Auf der ganzen Welt wird das Leben überwiegend als Glücksfall betrachtet, den es zu besingen und zu feiern gilt, während der Tod als ein Scheitern angesehen wird, das es zu umgehen oder zu beklagen gilt. Seltsamerweise ist es in der künstlichen Gegenüberstellung von Leben und Tod das Wort »Leben«, das im Englischen aus vier Buchstaben besteht – nicht »Tod«. Im Englischen sind viele Schimpfwörter vier Buchstaben lang, doch ausgerechnet der Tod bekommt in unserer Welt den schlechten Ruf: Schon die bloße Erwähnung des Wortes »Tod« kann ein Gespräch am Esstisch zum Verstummen bringen. Kindern bringt man bei, das Wort zu Hause nicht auszusprechen, damit der Gott des Todes sich nicht eingeladen fühlt und der Familie einen Besuch abstattet. Die Erwachsenen hingegen sind ständig bemüht, übertrieben beschönigende Umschreibungen zu erfinden, um der Härte des Ereignisses die Spitze zu nehmen.

Es heißt, dass die Menschen nicht viel über den Tod wissen, weil sie eigentlich auch nicht viel über das Leben wissen. Der Tod ist eine kurze Episode am Ende eines langen Lebens. Aber selbst wenn sie ein ganzes Leben hinter sich haben, sind die Menschen ratlos, wenn es um die grundlegenden Fragen des Lebens geht, zum Beispiel, woher wir kommen und wohin wir gehen. Die Verwirrung in Bezug auf den Tod ist also verständlich. Allerdings muss man zugeben, dass sich die Menschheit in letzter Zeit weit von der simplen Vorstellung entfernt hat, dass »das Leben ein Geschenk Gottes und der Tod sein Zorn« ist.

Traditionell waren es ausschließlich die Religionen, auf die sich die Menschen verließen, um dieses Geheimnis zu lüften. Die Zuständigkeit für Angelegenheiten, die mit Tod und Sterben zu tun haben, lag zumeist in den Händen von Schamanen und Priestern verschiedenster Art. Erst in den letzten paar Hundert Jahren, als eine Reihe medizinischer Entdeckungen weltweit erheblichen Einfluss auf die Gesundheit und Lebenserwartung hatte, begannen die Menschen, sich auch in Fragen von Tod und Sterben an die moderne Wissenschaft zu wenden. Der Erfolg der modernen Wissenschaft in Bezug auf Tod und Sterben lässt sich an der enormen Verbesserung von nur zwei der wichtigsten globalen Gesundheitsparameter ablesen: der Lebenserwartung und der Säuglingssterblichkeit. Es gibt keinen besseren Beweis für den Erfolg der modernen Medizin als die weiter anwachsende Weltbevölkerung von nun mehr als acht Milliarden Menschen auf unserem Planeten. Mit dieser Entwicklung hat die moderne Medizin eindeutig alles andere als letzte Instanz in Sachen Leben und Tod verdrängt.

Die moderne Wissenschaft, die sich durch Objektivität und Universalität auszeichnet, hat es den Menschen ermöglicht, den Tod auf eine Art und Weise zu betrachten, wie es früher nicht möglich war. Die beispiellose Erfolgsgeschichte, auf die die moderne Wissenschaft zurückblicken kann, ist jedoch nicht frei von blinden Flecken, Gefahren und Kollateralschäden. Eine der wichtigsten Folgen des Umgangs, den die moderne Wissenschaft mit dem Tod gefunden hat, ist die »Medizinisierung« des Todes. Vor allem in den höher entwickelten Ländern wird der Tod nicht mehr als natürliches Phänomen betrachtet, sondern als medizinisches Problem, wobei selbst ganz normale Lebensereignisse und -umstände als Risiken und Krankheitsfaktoren behandelt werden. Unverhältnismäßige und oft aggressive medizinische Maßnahmen, noch kurz vor Eintritt des Todes, sind zur Regel geworden.

Überhaupt haben sich die Menschen im Grunde noch nie mit ihrer Sterblichkeit abfinden können. Der Erfolg der Medizin hat dem uralten Streben nach Unsterblichkeit also lediglich neuen Auftrieb gegeben. Auf der Welle der modernen Wissenschaft reitend, haben die Menschen nun begonnen, darüber zu spekulieren, ob das ewige Leben nicht eigentlich die Regel und der Tod die Ausnahme sei. Das hat die Menschen weiterhin ermutigt, sich zu fragen, ob der Tod nicht nur eine weitere Krankheit sei, die es zu besiegen gilt – etwas, das unseren Meisterdetektiven in weißen Kitteln sicherlich noch zu unseren Lebzeiten gelingen werde. Unsere wachsende Fähigkeit, in elementare Lebensvorgänge einzugreifen, hat zweifellos unsere Tendenz verstärkt, es zu übertreiben.

Einer der Gründe, warum das Vorgehen der Wissenschaft an die Parabel von den sechs blinden Männern erinnert, die einen Elefanten untersuchen, ist ihr eingeschränkter Blick auf das Leben: Ihre Beschreibung ist in Teilen richtig, verkennt aber das Ganze. Der Tod kann – ebenso wie das Leben – unter drei Aspekten betrachtet werden. Es gibt den biologischen, den psychologischen und den metaphysischen Aspekt, auf denen gemeinsam der biologische und der psychologische Aspekt jeweils beruhen. In jüngster Zeit hat sich unser Wissen über die Biologie des Todes stark erweitert. Wir wissen heute viel besser, wo aus biologischer Sicht das Leben endet und der Tod beginnt. Auch innerhalb der Psychologie wurden große Fortschritte erzielt. Was macht einen Menschen aus? Sind es die Gene oder Umwelteinflüsse? Welche Rolle spielt jeder der beiden Faktoren? Auch diese Aspekte verstehen wir jetzt viel besser. Aber auf die tieferen Fragen nach dem Warum und dem Wie des Todes oder des Lebens stehen die Antworten noch immer weitgehend aus.

Leider ist der Einblick, den die heutige Wissenschaft in das Wesen des Seins hat, auf den Ausschnitt zwischen dem Punkt beschränkt, an dem das körperliche Dasein beginnt, und dem Punkt, an dem es endet. Die Wissenschaft lässt nicht einmal die Möglichkeit zu, dass etwas dem Leben vorausgehen oder dem Tod folgen könnte. Die Hypothese, dass das Leben nur ein zufälliges Ereignis in diesem riesigen Universum unendlich vieler Abwandlungen und Kombinationen von Faktoren ist, weist zahlreiche Lücken auf. Die einfache Tatsache, dass eine unbekannte Kraft die biologische Funktion plötzlich für eine gewisse Zeit ein- und dann ebenso plötzlich wieder ausschaltet, verlangt selbst nach den Maßstäben der Wissenschaft nach einer eingehenderen Untersuchung. Während die Wissenschaft dort endet, wo auch der Körper endet, sind die Religionen der Welt voll von Spekulationen darüber, was danach passiert, und so bleiben wir irgendwo im Niemandsland dazwischen hängen. In solchen Zeiten ist die Präsenz eines Yogis oder eines Mystikers wie Sadhguru, der sich in erster Linie auf seine innere Erfahrung stützt, anstatt auf Traditionen, Schriften oder akademisches Wissen, von unschätzbarem Wert.

Sadhguru ist ein moderner Mystiker und Yogi, der mit seinen einzigartigen Einsichten in das Leben und den Mitteln zur Transformation unserer selbst das Leben von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt berührt und verändert hat. Eines Nachmittags, vor fast vier Jahrzehnten, hatte Sadhguru, damals ein »ausgesprochen großspuriger junger Mann«, eine tiefe spirituelle Erfahrung, die sein Weltbild und sein Leben völlig veränderte. »Plötzlich war das, was ich mein ganzes Leben lang für mich selbst gehalten hatte, überall um mich herum – mein Inneres war zum Außen geworden. Ich wusste nicht mehr, was ich war und was nicht.« Das Erlebnis versetzte ihn zudem in einen Zustand tiefer Ekstase. Im Laufe der folgenden Monate festigte sich diese Erfahrung und wurde zu einer lebendigen Realität. Diese spirituelle Erkenntnis brachte außerdem eine Flut von Erinnerungen an seine vergangenen Leben mit sich sowie ein tiefes Verständnis für den Prozess von Leben und Tod. Es war diese Erfahrung, die Sadhguru den Plan fassen ließ, die ganze Welt zu lehren, so freudvoll und ekstatisch zu leben wie er selbst.

Im Laufe der letzten vier Jahrzehnte hat sich daraus eine weltweite Bewegung zur Selbsttransformation entwickelt. Rückblickend ist jedoch unklar, ab wann Sadhguru, der schon seit Langem als eine der führenden Autoritäten für ein freudvolles Leben galt, auch als Autorität für den Tod angesehen wurde. War es, als er anfing, ganz konkret über seine vergangenen Leben zu sprechen? Oder war es vor 25 Jahren, als er zum ersten Mal das Ziel seines jetzigen Lebens benannte – den Dhyanalinga zu konsekrieren, der Traum vieler verwirklichter Yogis, den umzusetzen ihm sein Guru vor drei Leben anvertraut hatte? Oder war es, als mehrere Menschen aus seinem Umkreis sich spontan an ihre Verbindung mit ihm in ihren vergangenen Leben erinnern konnten? Es ist nicht ganz klar, wann genau es war, aber schon bald begannen die Menschen, sich auch in Fragen von Tod und Sterben an Sadhguru zu wenden.

Allerdings war Sadhguru nicht immer der mitteilsamste Mensch, wenn es um den Tod ging. Man könnte sogar meinen, dass er das Thema vermied. Zu viele Menschen, die dachten, sie könnten mit einer einzigen arglosen Frage – »Was passiert nach dem Tod, Sadhguru?« – die tiefsten Geheimnisse des Lebens ergründen, wurden enttäuscht. Zu ihrem Leidwesen erhielten sie meist spöttische Antworten wie: »Manche Dinge lernt man nur durch Erfahrung!« Anderen, die von ihm wissen wollten, wie man mit den Toten kommuniziert, wurde die Antwort zuteil, sie sollten sich zuallererst um die Kommunikation mit den Lebenden kümmern. Menschen, die nach der Existenz von Seelen fragten, wurde gesagt, sie hätten zwei davon – je eine unter jedem Fuß1. Doch all seine Lehren und Vorgehensweisen waren nicht ohne einen Hauch von Tod oder auch mehr als einen Hauch.

Sadhguru ist vermutlich der einzige Mensch auf Erden, der auf einem Retreat als Erstes am Morgen in einem Saal voller Menschen in aller Seelenruhe über den Tod spricht. Gefolgt von einer geführten Meditation, um sie den Tod aus erster Hand erfahren zu lassen. Er ist wahrscheinlich der Einzige, der den »Weg des mühelosen Lebens« lehrt, indem er die Menschen in eine todesähnliche Meditationserfahrung initiiert, die zweimal am Tag praktiziert wird. Und er ist derjenige mit dem ehrgeizigen Ziel, allen Menschen auf der Welt beizubringen, wie man ein freudvolles Leben führt, der sich aber in Anbetracht seines Misserfolgs damit begnügt, ihnen Mittel und Wege aufzuzeigen, um wenigstens friedlich zu sterben. Er ist auch derjenige, der den Menschen versichert: »Wenn du von mir initiiert wurdest oder den Fehler gemacht hast, auch nur einen Moment lang voll und ganz vor mir zu sitzen, gibt es für dich keine Wiedergeburt.« Und damit nicht genug.

Als wir einmal Filmaufnahmen mit Sadhguru für eine DVD machten, fragte ihn jemand: »Warum wird in den meisten östlichen Traditionen dem Moment des Todes ein so hohes Maß an Heiligkeit zugesprochen? Warum hat er dort einen quasi spirituellen Status?« Indem er von seinem üblichen Konzept der Abschreckung abwich, erklärte Sadhguru, dass in dem Fall, dass der Augenblick des Todes richtig gehandhabt werde – wenn es eine gute Vorbereitung, eine gute Begleitung und vielleicht auch ein wenig Hilfestellung von außen gebe –, in spiritueller Hinsicht im Tod sogar das geschehen könne, was im Leben wahrscheinlich nicht geschehen sei. Das war eine Offenbarung für mich. Noch nie hatte ich gehört, dass jemand vom Tod als einer spirituellen Chance sprach.

Daraufhin entspann sich eine Diskussion, aber da sie den vorgegebenen Rahmen des Videos sprengte, ließ sich Sadhguru nicht weiter darauf ein. Ich war wirklich fasziniert. Hatte Sadhguru gerade gesagt, dass sich in diesem so sehr gefürchteten und verabscheuten Aspekt des Lebens – dem Tod – eine große spirituelle Möglichkeit verbirgt? Erwartet uns im Augenblick des Todes eine großartige Mitfahrgelegenheit, die wir uns entgehen lassen? Und wenn ja, warum hatten wir nicht schon früher davon gehört? Warum wurde nicht mehr darüber gesprochen? Warum machten wir die Menschen nicht darauf aufmerksam? Konnte Sadhguru die nötige Anleitung für die Vorbereitung geben, konnte er die nötige »Hilfestellung« leisten? Natürlich konnte er das. Aber würde er es auch tun? Würde er sich dazu überreden lassen, in seiner Auseinandersetzung mit der Welt eine weitere Front zu eröffnen? Gewiss war Sadhguru dazu bereit, aber die Aufgabe, daraus ein Buch zusammenzustellen, war nicht so einfach, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich war davon ausgegangen, dass es ein Leichtes sein würde, denn wenn man etwas wusste, dann konnte es doch wohl nicht so schwer sein, es in Worte zu fassen? Das erwies sich allerdings als etwas naiv von mir, denn Erklärungen können nur vom Bekannten ausgehen, um zum Unbekannten zu gelangen, und in diesem Fall erwies sich die Kluft, die es zu überbrücken galt, als ziemlich gewaltig.

Das grandiose Phänomen des Lebens lässt sich nicht auf die Zeitspanne zwischen Geburt und Tod eingrenzen, wie es die moderne Wissenschaft sieht. Es reicht bis zum Anbeginn der Schöpfung zurück und erstreckt sich bis in die unabsehbare Ferne ihrer künftigen Entwicklung. Daher ist jede Vorstellung vom Tod, die diese Tatsache nicht berücksichtigt, zwangsläufig unvollständig und fehlerhaft. Im ersten Teil des Buches, Leben und Tod in einem Atemzug, beschreibt Sadhguru den grundlegenden Mechanismus von Leben und Tod anhand verschiedener Erklärungsansätze. Er erläutert das yogische Verständnis davon und vereinfacht seine Darstellung anhand des wohlbekannten Bildes von der Seifenblase. Indem er den Diskurs über die üblichen Grenzen hinausführt, zeichnet Sadhguru die Ursprünge des Lebens von den Anfängen der Schöpfung bis zum Kreislauf von Geburt und Tod nach, den wir alle durchlaufen. Zudem spricht er über die verschiedenen Arten des Todes und darüber, welche Wahlmöglichkeiten wir im Tod haben. Mit der Darstellung der höchsten Form des Todes, der Auflösung des Selbst, die das Ziel aller spirituell Suchenden ist, schließt er den ersten Teil ab.

Neben der Erklärung der grundlegenden Mechanismen von Geburt und Tod besteht eines der Ziele des Buches darin, uns dabei zu helfen, einen »guten« Tod zu finden. Im zweiten Teil des Buches, Die Würde des Todes, erklärt Sadhguru, was ein »guter« Tod ist und welche Vorbereitungen wir dafür treffen können. Wenn ein Mensch im Sterben liegt, befindet er sich in einer Situation äußerster Verletzlichkeit, in der er nicht in der Lage ist, sich selbst zu helfen. Sadhguru zeigt auf, welche Unterstützung wir in dieser Situation bieten können und welche Bedeutung das für einen sterbenden Menschen haben kann. Er spricht darüber, wie sich die Reise, auf die sich ein Mensch nach seinem Tod begibt, durch einige einfache Maßnahmen erleichtern lässt. Darüber hinaus gibt er wertvolle Einblicke in den Trauerprozess und Hinweise, wie wir in sinnvoller Weise mit der Trauer umgehen können.

Das Leben nach dem Tod ist nicht unbedingt ein Teil des Sterbevorgangs, sondern ein Nebenprodukt davon. Im dritten Teil des Buches, Leben nach dem Tod, gibt Sadhguru uns Einblicke in diesen oft missverstandenen und verunglimpften Aspekt des Lebens. Hier spricht Sadhguru über Geister und Gespenster, über ihre Herkunft und ihr Dasein, darüber, was sie uns anhaben können und was nicht und wie wir uns vor ihnen schützen können. Er spricht zudem über den Prozess der Reinkarnation, was dabei von einer Geburt zur nächsten weitergegeben wird und was verloren geht. Dabei geht er auch der Frage nach, ob unsere früheren Leben überhaupt eine Bedeutung für unser jetziges Leben besitzen. In diesem Zusammenhang spricht Sadhguru über seine eigenen vergangenen Leben und beantwortet auch die Frage, die ihm häufig gestellt wird: Wird er wiederkommen?

Weder erhebt dieses Buch den Anspruch, umfassend darzustellen, was wir über Tod und Sterben wissen können, noch ist es die Summe all dessen, was Sadhguru zu diesem Thema zu sagen hat. Aber wir hoffen, dass es einen wirksamen Beitrag dazu leisten wird, die Vielzahl an falschen Vorstellungen, die in der Welt über den Tod kursieren, zu zerstreuen. Der bedeutendste Aspekt des Buches ist jedoch, wie die von Sadhguru angebotenen Werkzeuge – und seine Präsenz in unserer Mitte – uns dabei helfen können, unseren eigenen Tod würdevoller und spirituell bedeutsamer zu gestalten. Es ist zu hoffen, dass die Leser*innen angesichts der lebhaften Debatte über Tod und Sterben, die in seinem Gefolge zu erwarten ist, diesen Hauptzweck des Buches nicht aus den Augen verlieren.

 

Swami Nisarga

TEIL I

Leben und Tod in einem Atemzug

Der Tod

Leben und Tod leben zugleich in mir

Niemals stellte ich eines über das andere

Aus der Ferne weise ich das Leben

In der Nähe nur den Tod

Im Tod des Begrenzten

Wird das Todlose sein

Wie den Narren erzählen

Von meinem makellosen Bösen

1

Was ist der Tod?

Der Tod ist die grundlegendste aller Fragen. Dennoch können die Menschen sie ignorieren, ihr aus dem Weg gehen und einfach in ihrer Unwissenheit weiterleben, einzig deshalb, weil im Namen der Religion alle möglichen idiotischen Geschichten in die Welt gesetzt wurden.

Der Tod: Die grundlegendste Frage

Weißt du, dass du eines Tages sterben wirst? Oh gut, du seist mit einem langen Leben gesegnet, aber dennoch wirst du eines Tages sterben. Bei anderen Dingen in deinem Leben können wir uns nicht sicher sein. Wir wissen nicht, ob du heiraten wirst oder nicht, ob du einen Job bekommst oder nicht, ob du erfolgreich sein wirst oder nicht, aber diese eine Sache in deinem Leben ist garantiert: Du steuerst geradewegs auf dein Grab zu! Eine der größten menschlichen Dummheiten ist es, sich auf den Tod in der dritten Person zu beziehen, als handele es sich um ein abstraktes Ereignis, das anderen Menschen widerfährt und nicht uns. Wusstest du, dass etwa 160000 Menschen auf der Welt, die gestern noch am Leben waren, heute nicht mehr da sind? In jeder Sekunde sterben zwei Menschen auf der Welt. Und eines Tages wird es auch dich und mich treffen. Um das zu wissen, bedarf es keiner enormen Forschungsanstrengung, Intelligenz oder Bildung. Dieses Wissen ist jedem Menschen in die Wiege gelegt. Trotzdem glauben wir, dass wir ein unbegrenztes Leben haben. Am besten kommt diese Situation im Hindu-Epos Mahabharata zum Ausdruck.

Die fünf Pandava-Fürsten, die Hauptfiguren der Geschichte, haben sich im Wald verirrt. Ausgehungert und durstig durchstreifen sie die nahe gelegenen Hügel auf der Suche nach Wasser und Nahrung. Als sie einen See entdecken und daraus trinken wollen, werden sie von einem Yaksha (einem himmlischen Wesen) in Gestalt eines weißen Kranichs aufgehalten, der darauf besteht, dass sie zuerst seine Fragen beantworten. Da sie sich nicht von einem einfachen Vogel aufhalten lassen wollen, versucht einer nach dem anderen aus dem See zu trinken und fällt daraufhin tot um. Nur Yudhishthira, der Älteste von ihnen, bleibt übrig.

Der stets bescheidene und rechtschaffene Yudhishthira übergeht seinen Durst und unterhält sich mit dem Yaksha, der ihn mit einer ganzen Flut von Fragen über das Leben überhäuft. Eine dieser Fragen lautet: »Was ist das größte Wunder des Lebens?« Ohne zu zögern, antwortet ihm Yudhishthira mit den berühmten Worten: »Hunderte und Tausende von Lebewesen ereilt in jedem Augenblick der Tod, und dennoch hält sich der törichte Mensch für unsterblich und bereitet sich nicht auf den Tod vor. Das ist das größte Wunder des Lebens.« Der Yaksha ist mit dieser Antwort zufrieden, erlaubt ihm, aus dem See zu trinken, und erweckt auch seine toten Brüder wieder zum Leben. Das geschah vor 5000 Jahren, aber was den Tod betrifft, hat sich die menschliche Psyche seither nur sehr wenig verändert.

Beim Tod handelt es sich um eine sehr elementare Angelegenheit. Tatsächlich ist uns der Tod näher, als wir in den Statistiken darüber lesen. In jedem Augenblick findet der Tod in uns auf der Ebene der Organe und Zellen statt. So kann dein Arzt oder deine Ärztin mit einem Blick in dein Inneres feststellen, wie alt du bist. Tatsächlich hat der Tod in uns schon begonnen, bevor wir geboren wurden. Nur solange du unwissend und ahnungslos bist, scheint es dir so, als würde der Tod irgendwann später zu dir kommen. Mit mehr Bewusstheit wirst du erkennen, dass sowohl das Leben als auch der Tod in jedem Moment stattfinden. Wenn du ein bisschen bewusster atmest, wirst du feststellen, dass jede Einatmung ein Stück Leben ist und jede Ausatmung ein Stück Tod. Das Erste, was ein Kind bei seiner Geburt tut, ist einzuatmen, seine Lungen mit Luft zu füllen. Und das Letzte, was du in deinem Leben tun wirst, ist auszuatmen. Und wenn du jetzt ausatmest, ohne danach wieder einzuatmen, wirst du tot sein. Wenn dir das nicht klar ist, atme einfach mal aus, halte dir die Nase zu und atme danach nicht wieder ein. Innerhalb weniger Augenblicke wird jede Zelle in deinem Körper anfangen, nach Leben zu schreien. Leben und Tod ereignen sich die ganze Zeit. Sie bestehen zusammen, untrennbar, in ein und demselben Atemzug. Diese Beziehung geht sogar noch über den Atem hinaus. Der Atem ist nur ein Nebenakteur; der eigentliche Vorgang liegt in der Lebensenergie, dem Prana, der über die körperliche Existenz bestimmt. Wer den Prana beherrscht, kann für längere Zeit ohne den Atem existieren. Der Atem macht sich etwas unmittelbarer geltend, aber er gehört zur gleichen Kategorie wie Nahrung und Wasser.

Der Tod ist ein so grundlegendes Prinzip, weil nur eine Kleinigkeit passieren muss, damit du schon morgen früh weg sein kannst. Was heißt morgen früh – eine Kleinigkeit, und du kannst im nächsten Augenblick weg sein. Wärest du wie irgendein anderes Geschöpf, dann wärest du vielleicht nicht in der Lage, über all das nachzudenken, aber da du nun einmal mit menschlicher Intelligenz ausgestattet bist: Wie kannst du da einen so wichtigen Aspekt deines Lebens einfach ignorieren? Wie kannst du diesen Aspekt ausblenden und so weiterleben, als würdest du für immer hier sein? Wie kommt es, dass die Menschen nach Millionen von Jahren des Lebens auf der Erde immer noch nicht die geringste Ahnung vom Tod haben? Nun, sie wissen auch nichts über das Leben. Du weißt alles über die äußeren Dinge des Lebens, aber was weißt du über das Leben selbst?

Im Grunde genommen rührt diese Situation daher, dass du den Überblick darüber verloren hast, wer du in diesem Universum bist. Wenn dieses Sonnensystem, in dem wir uns befinden, morgen früh verdampft, wird es niemand in diesem Kosmos auch nur bemerken. Es ist so unbedeutend, nur ein kleiner Fleck. In diesem Fleck von Sonnensystem ist der Planet Erde ein Minifleck. Auf diesem Minifleck ist die Stadt, in der du lebst, ein Super-Minifleck. Und darin bist du eine große Nummer. Das ist ein ernstes Problem. Wenn du völlig den Maßstab dafür verloren hast, wer du bist, wie willst du dann noch etwas vom Wesen des Lebens oder des Todes begreifen?

Ein Grund dafür, dass die Menschen den Tod ignorieren und in ihrer Unwissenheit weiterleben können, ist einfach, dass die Gesellschaft und die Religionen der Welt alle möglichen idiotischen Geschichten über Leben und Tod verbreitet haben. Für alles haben sie alberne, kindische Erklärungen erfunden. »Wie bist du auf die Welt gekommen?« »Der Storch hat dich gebracht.« »Wohin gehst du, wenn du stirbst?« »In den Himmel.« Diese Art von Erklärung mag einfach sein, ist aber absurd. Zumindest hätten sie ein besseres Transportmittel als einen Storch nehmen können. Störche begeben sich nur zu einer bestimmten Jahreszeit auf Wanderschaft, also müssten ja sämtliche Kinder zu dieser Jahreszeit geboren worden sein. Und wenn sich die Menschen so sicher sind, dass sie nach ihrem Tod in den Himmel kommen, dann frage ich sie: »Warum zögert ihr dann eure Abreise hinaus? Warum macht ihr euch nicht gleich auf den Weg?« All diese albernen Geschichten haben die grundlegende menschliche Neugier in Bezug auf Leben und Tod erstickt. Sonst hätte die pure Neugier – wenn nicht der Schmerz und das Leiden des Lebens – viele Menschen längst dazu getrieben, Antworten auf diese grundlegende Frage zu suchen.

Sterblichkeit

Die Menschen meinen immer, sie würden spirituell, wenn sie sich Gott in Erinnerung rufen. Ganz und gar nicht. Wenn du ständig an Gott denkst oder glaubst, wirst du deine Arbeit nicht richtig machen, aber du meinst, gute Ergebnisse zu erzielen. Du lernst nicht für deine Prüfung und glaubst dennoch, wegen deiner Gebete Klassenbeste*r zu werden. Menschen, die so leben, gehen auf dreistere Weise als andere durchs Leben, weil sie ja nun den Beistand Gottes haben. Schon immer haben Menschen, die meinten, dass Gott mit ihnen sei, die grausamsten Dinge auf diesem Planeten getan. »Gott ist mit mir« gibt dir ein ganz neues Selbstbewusstsein, das sehr gefährlich ist. Wenn du so über Gott denkst, wirst du nicht spirituell – vielmehr könntest du sehr dreist und dumm werden.

 

Was einmal geschah …

In einem Viertel der Stadt lebten einmal zwei Jungen – zwei sehr energiegeladene Brüder. Wenn Jungen zu viel Energie haben, sorgen sie normalerweise ständig für Ärger. So war es auch bei diesen beiden. Ihre Eltern schämten sich ihretwegen sehr, weil die ganze Nachbarschaft über ihre beiden Jungen sprach. Da sie nicht wussten, was sie sonst tun sollten, beschlossen sie, sie zum Gemeindepfarrer zu bringen, damit er sie zur Ordnung ruft. Da es nicht möglich war, mit den beiden Halbstarken auf einmal fertigzuwerden, entschieden die Eltern, sie getrennt zum Pfarrer zu bringen, und zwar den Jüngeren zuerst. Sie ließen ihn im Büro des Pfarrers Platz nehmen und gingen hinaus. Der Pfarrer kam in seinem langen Gewand herein und ging mit ernster Miene ein paar Mal im Raum auf und ab. Der Junge saß da, während seine Augäpfel Pingpong spielten.

Während er so auf und ab schritt, überlegte sich der Pfarrer eine Strategie. Er dachte: »Wenn ich den Jungen daran erinnere, dass Gott in ihm ist, wird der ganze Unfug von selbst aufhören.« Also hielt er auf dramatische Weise mitten in seiner Prozession inne und fragte den Jungen mit dröhnender Stimme: »Wo ist Gott?« Der Junge schaute verdutzt drein. Er fing an, sich umzuschauen, weil er dachte, dass Gott irgendwo im Büro des Pfarrers sein müsste. Der Pfarrer sah, dass der Junge offenbar nicht ganz verstand. Da er dachte, er sollte ihm einen kleinen Hinweis geben, dass Gott in ihm ist, lehnte er sich vor ihm auf den Tisch und rief, auf den Jungen zeigend, erneut aus: »Wo ist Gott?« Der Junge schaute nun noch verdutzter drein und warf einen Blick unter den Tisch. Der Pfarrer sah, dass der Junge noch immer nicht verstand. Also ging er um den Tisch herum, trat dicht an den Jungen heran, klopfte ihm auf die Brust und rief erneut: »Wo ist Gott?« Dabei sprang der Junge auf und stürmte aus dem Zimmer. Er rannte zu seinem älteren Bruder und sagte: »Wir sind in großen Schwierigkeiten.« Der ältere Bruder fragte: »Warum? Was ist passiert?« Worauf der jüngere antwortete: »Sie haben ihren Gott verloren und denken, wir waren es.«

 

Wenn du Gedanken an Gott hegst, glaubst du, in deinem Leben idiotische Dinge tun zu können, und mit einem Gebet würde alles wieder in Ordnung gebracht. So wirst du nicht spirituell. Spirituell wirst du erst, wenn dir bewusst wird, dass auch du sterben wirst. Erst wenn diese Bewusstheit deiner Sterblichkeit in dich eindringt, wirst du dich nach innen wenden. In dem Moment, in dem du dich mit der Sterblichkeit dessen, was du bist, auseinandersetzt, wirst du auch wissen wollen, was die Quelle dieses Lebens ist. Du wirst die Sehnsucht entwickeln, herauszufinden, was es mit alldem auf sich hat und was jenseits davon liegt. Das wird zu einem natürlichen Streben. Das ist der spirituelle Prozess.

Niemand würde sich ohne das Wissen um die eigene Sterblichkeit auf die spirituelle Suche begeben. Wenn du jung bist, denkst du, dass du unsterblich bist. Langsam, wenn du älter wirst, erinnert dich zumindest dein Körper eindeutig daran, dass du sterblich bist. Und wenn du mit dem eigenen Tod oder dem Tod eines geliebten Menschen konfrontiert bist, wirst du dich sicher fragen, wozu das alles gut sein soll. Wenn du dir der Endlichkeit deines Lebens bewusst bist, wo bleibt dann die Zeit, dich über jemanden zu ärgern, mit jemandem zu streiten oder dich mit Dummheiten im Leben aufzuhalten? Sobald du dich mit dem Tod abfindest und dir bewusst bist, dass du sterben wirst, wirst du jeden Moment deines Lebens so schön wie möglich gestalten wollen. Diejenigen, die sich der sterblichen und zerbrechlichen Natur des Daseins ständig bewusst sind, wollen keinen einzigen Augenblick verpassen; sie werden von Natur aus achtsam sein. Sie nehmen nichts als selbstverständlich hin; sie werden sehr zielgerichtet leben. Nur Menschen, die glauben, dass sie unsterblich sind, können kämpfen und bis zum Tod kämpfen.

Die Hindu-Zivilisation, die älteste Zivilisation des Planeten, hat schon immer ein tiefes Bewusstsein für unsere sterbliche Natur gepflegt. In der Tradition der Hindus gelten Einäscherungsstätten als sehr heilig. Wenn jemand stirbt, auch wenn es jemand ist, den du nicht kennst, berührt dich das irgendwo. In jeder echten spirituellen Praxis ist immer etwas vom Geruch des Todes spürbar. Wenn du tief genug in sie eindringst, wird sie dich daran erinnern, dass du sterblich bist. Welches Sadhana2 wir auch immer gelehrt haben, ob Shoonya,Shakti Chalana oder Shambhavi Mahamudra – und erst recht Samyama3 –, es hat im Grunde genommen einen Hauch von Tod an sich. Fehlt der Hauch des Todes, gibt es keine Spiritualität; es ist bloßes Entertainment. Wenn dir jemand eine oberflächliche Lala-Praxis beibringt, fühlst du dich vielleicht gut, aber mehr hat es damit nicht auf sich.

Traditionell begann jeder Yogi seine spirituelle Suche auf dem Feuerbestattungsplatz. Tatsächlich haben viele Meister dies als spirituellen Prozess für sich genutzt. Gautama, der Buddha, machte es seinen Mönchen zur Pflicht. Bevor er irgendjemanden, der zu ihm kam, initiierte, forderte er ihn auf, drei Monate lang auf dem geschäftigsten Verbrennungsplatz zu sitzen und nur den brennenden Leichnamen zuzusehen. Wenn du zum Manikarnika Ghat4 in Varanasi gehst, wirst du dort selbst heute noch ständig mindestens ein halbes Dutzend Leichen brennen sehen. Und damit wird auf ganz normale Art und Weise umgegangen, ganz beiläufig. Heutzutage haben sie nicht mehr genug Zeit, um die Leichen vollständig zu verbrennen, denn noch bevor eine von ihnen vollständig eingeäschert ist, trifft schon die nächste ein. Also werfen sie die halb verbrannte Leiche in den Fluss. Und es ist wirklich sehr gut für dich, zu sehen, dass die Menschen auch dich eines Tages so behandeln werden.

Als ich jung war, hatte ich von alldem keine Ahnung. Aber im Alter von acht bis siebzehn Jahren verbrachte ich sehr viel Zeit auf dem Einäscherungsgelände. Das hat mich einfach fasziniert. Alle erzählten von so vielen unheimlichen Dingen, die dort passieren; ich hatte Geschichten gehört, dass Geister kopfüber an Bäumen hängen. Ich wollte diese Dinge mit eigenen Augen sehen. So verbrachte ich viele Tage und Nächte auf dem Verbrennungsplatz. Es gab einen ganz in der Nähe unseres Hauses und einen weiteren in den Ausläufern der Chamundi Hills. Bei den Chamundi Hills war immer sehr viel los. Jedes Mal, wenn man dorthin kam, brannten dort mindestens vier oder fünf Leichen. Immer wenn ich auf eine Wandertour ging, verbrachte ich die Nächte dort, weil es auf den Hügeln kalt war, aber hier brannte die ganze Zeit ein Feuer. Also saß ich am Feuer und schaute einfach zu, wie es vor sich hin brannte.

Um den Scheiterhaufen herum spielte sich immer eine Menge Drama ab. Wenn Menschen mit einer Leiche zum Scheiterhaufen kamen, weinten sie alle, als hätten sie alles im Leben verloren. Dann legten sie Feuer an die Leiche. Sie blieben dort für eine halbe oder Dreiviertelstunde, und dann gingen sie wieder. Das Feuer brannte noch immer, aber sie gingen. Wahrscheinlich hatten sie noch anderes zu tun, aber ich saß da und schaute zu. Wer genau dabei zusieht, wie eine Leiche auf einem Scheiterhaufen verbrennt, weiß, dass es der schmale Hals ist, der als Erstes brennt. Wenn das passiert, rollt der halb verbrannte Kopf irgendwann wie ein Fußball vom Scheiterhaufen, es sei denn, sie haben eine große Menge an Feuerholz sorgfältig aufgeschichtet. Es sieht ein bisschen unheimlich aus – ein Kopf, der vom Scheiterhaufen rollt! Wahrscheinlich, weil Brennholz teuer ist oder weil es den meisten Menschen an der nötigen Erfahrung fehlt, einen Scheiterhaufen solide zu errichten, kam das häufig vor. Es passierte nach dreieinhalb bis vier Stunden Brenndauer. Zu diesem Zeitpunkt waren keine Angehörigen mehr anwesend, also war ich derjenige, der den Kopf aufhob und ihn zurück auf den Scheiterhaufen legte.

Ich verbrachte viele Tage und Nächte auf dem Verbrennungsplatz, saß einfach nur da, schaute dem Feuer zu und half den Leichen, vollständig zu verbrennen. Das hat eine ganz andere Art von Prozess in mir ausgelöst. Ich weiß, dass du das lieber vermeiden würdest, aber es ist gut, sich hinzusetzen und zuzusehen, wie die Leichen fortwährend verbrennen. Wenn du in deinem gemütlichen Zuhause sitzt, verfällst du leicht in den Glauben, unsterblich zu sein. Aber wenn ein Körper vor deinen Augen verbrennt, ist es nicht schwer zu erkennen, dass das morgen du sein könntest. Vielleicht würdest du mental und emotional auf andere Weise reagieren, aber das Wichtigste ist, dass dein Körper das Leben auf seine eigene Weise wahrnimmt. Für ihn hat der Anblick eines brennenden Körpers etwas zutiefst Beunruhigendes. Er weckt eine andere Art von Bewusstheit und Wahrnehmung in dir. Vieles von dem, was du bisher über dich selbst gedacht hast, wird auf dem Einäscherungsplatz mit verbrannt, wenn du dort sitzt und beobachtest, was passiert.

Wenn du den Körpern dabei zusiehst, wie sie brennen, solltest du nicht darüber nachdenken. Schau einfach hin; schau hin und schau hin und schau hin. Nach einiger Zeit wirst du sehen, dass es einfach du selbst bist. Es ist nichts anderes. Es ist dein eigener Körper. Sobald du deinen Körper an der Stelle dieses anderen Körpers sehen kannst, während du immer noch dort sitzt, kommt es zu einer tiefen Akzeptanz des Todes. Das ist kein psychologischer Vorgang. Wenn dein Körper die Vergänglichkeit seiner Existenz wahrnimmt, stellen sich eine tiefe Erleichterung und Akzeptanz ein. Sobald du den Tod zutiefst akzeptierst, wird dir das Leben in einem ungeheuren Ausmaß widerfahren. Nur weil du versucht hast, den Tod fernzuhalten, ist das Leben ebenfalls von dir ferngeblieben. Das ist der Grund, warum fast jeder Yogi irgendwann in seinem Leben viel Zeit auf dem Einäscherungsplatz zugebracht hat.

Den Tod erkunden

Als ich noch zur Schule ging, kam es einmal zu einem Vorfall, durch den der Tod für mich eine große Faszination gewann. Damals war ich dreizehn Jahre alt. Ich war ein ziemlich eigenartiges Kind, aber normalerweise traute sich in der Schule niemand, mich zu ärgern, weil ich dann auf jeden losging. Aber es gab ein Mädchen namens Sucharita, das ein bisschen verrückt war und mich aus irgendeinem Grund immer wieder aufzog: »Jaggi5 der Große! Jaggi der Große!« Mir ging das auf die Nerven, aber ich sah darüber hinweg. Eines Tages kam sie nach den Ferien nicht mehr in die Schule zurück. Wenn während der Anwesenheitskontrolle ihr Name aufgerufen wurde, äffte einer von uns Jungen zum Spaß eine weibliche Stimme nach und antwortete so auf den Klassenappell. Das ging ein paar Tage lang so. Dann sagte uns der Bruder des Mädchens, der zwei Jahre jünger war als wir und auf dieselbe Schule ging, dass seine Schwester in den Ferien an einer Lungenentzündung gestorben war. Das hat mich wirklich schockiert. Nicht, weil jemand gestorben war, sondern weil ein Mensch, der eben noch mitten unter uns geweilt hatte, plötzlich einfach so verschwunden war.

Das übte eine enorme Faszination auf mich aus. Dieses Mädchen war in meinem Alter gewesen, hatte in der Klasse eine sehr aktive Rolle gespielt und war dann auf einmal nicht mehr da. Es hieß, sie sei tot, aber ich wollte wissen, wohin sie gegangen sein könnte. Bis dahin hatte ich immer gedacht, dass nur alte Menschen sterben. Aber dieses Mädchen war so alt wie ich gewesen und hatte mir den Tod damit unheimlich nahe gebracht. Jetzt war es nicht mehr eine Frage aus Neugierde, sondern sie war sehr existenziell. Ich wollte wissen, wo zum Teufel die Menschen hingehen, wenn sie sterben, und was nach dem Tod passiert. Auch vor diesem Ereignis hatte ich diese Fragen schon vielen Menschen gestellt. Ich hatte auch viel Zeit auf den Feuerbestattungsplätzen in der Stadt zugebracht, aber ich wusste noch immer nicht, was nach dem Tod geschieht. Also gedachte ich, mich selbst auf eine Reise in den Tod zu begeben, um zu sehen, was passiert.

Da mein Vater Arzt war, hatte er einen Medizinschrank zu Hause, und ich wusste, dass sich darin viele Medikamente befanden. Darunter fand ich auch eine Flasche Phenobarbital. Dabei handelt es sich um eine Form von Barbiturat, also um ein Schlafmittel. Die Flasche sollte eigentlich 100 Tabletten enthalten, aber als ich sie herausnahm und nachzählte, waren es nur noch 98. Jemand hatte sie also geöffnet und 2 entnommen. Ich dachte, dass 98 Tabletten eine ausreichend starke Dosis sein müssten, um den Tod herbeizuführen. Als Nächstes durchsuchte ich meinen Schrank. Ich hatte etwas Geld und viele persönliche Gegenstände wie Murmeln, Katapulte und ein paar ausgestopfte Vögel, die für einen Jungen einen großen Wert darstellen. Ich beschloss, alles zu verschenken, da ich ja sowieso sterben würde. Einiges davon gab ich meinem Bruder, den Rest verteilte ich unter meinen besten Freunden. Ich sagte ihnen, dass ich fortgehen würde. Alle hielten es für einen Riesenwitz. Eines Tages beschloss ich, es in derselben Nacht zu tun. An diesem Tag aß ich nicht zu Abend, denn ich wusste, dass diese Dinge möglicherweise nicht gut wirken, wenn man etwas im Magen hat. Meinen Eltern sagte ich, ich hätte keinen Hunger, und ging mit den Tabletten auf die Terrasse. Ich schluckte alle 98 Tabletten und ging dann einfach schlafen, in der Hoffnung, bald zu erfahren, wo all die toten Menschen hingehen.

Am nächsten Morgen taten sie alles, um mich zu wecken, aber ich wachte nicht auf. Es war meist ein bisschen schwierig, mich morgens wach zu bekommen, aber dieses Mal wachte ich überhaupt nicht auf. Dann sah mein Vater, dass ich ganz schlaff war. Alle bekamen einen Riesenschrecken, und sie brachten mich sofort ins Krankenhaus. Dort pumpten sie mir den Magen aus, gaben mir Sauerstoff und so weiter, aber ich wachte noch immer nicht auf. Drei Tage lang war ich leblos und lag in einem tiefen Schlaf. Am dritten Tag kam ich dann allmählich wieder zu mir. Langsam öffnete ich in meinem Krankenbett die Augen. Das Erste, was ich sah, waren die Balken an der Decke über meinem Bett. Sofort wusste ich, wo ich war. Ich hatte diese Deckenbalken schon oft gesehen, wenn ich meinen Vater im Eisenbahnkrankenhaus besuchte, wo er arbeitete. Da lag ich nun in einem Bett in seinem Krankenhaus und hatte alle möglichen Schläuche in mir stecken. Es war sehr frustrierend, denn ich hatte all das auf mich genommen, um zu sehen, wo man nach dem Tod hingeht, und alles, was ich zu Gesicht bekam, waren die verdammten Deckenbalken im Eisenbahnkrankenhaus!

So weit also mein verzweifelter Versuch herauszufinden, was nach dem Tod passiert, durch den ich rein gar nichts in Erfahrung gebracht hatte. Der einzige Trost bestand darin, dass ich nun wusste, dass dies nicht der richtige Weg war, um es zu erfahren.

Später gelang es mir, meine Freunde zu überreden, mir das meiste von dem, was ich an sie verteilt hatte, zurückzugeben, und das Leben ging weiter! Viele Jahre später, als junger Mann, der sein Leben nach Kräften genoss, machte ich dann unerwartet eine tiefgreifende Erfahrung, die meine Auffassung von Leben und Tod grundlegend veränderte.

An einem warmen Septembernachmittag saß ich allein auf einem Felsen in den Chamundi Hills. Ich hatte meine Augen offen – nicht einmal geschlossen –, als etwas mit mir vor sich ging. Plötzlich war das, was ich mein Leben lang für mich selbst gehalten hatte, überall um mich herum – mein Inneres war zum Außen geworden. Ich wusste nicht mehr, was ich war und was nicht. Die Luft, die ich atmete, der Felsen, auf dem ich saß, die gesamte Umgebung – alles war zu mir geworden. Es war verrückt, denn was da mit mir geschah, war einfach unbeschreiblich. Was ich war, hatte so gigantische Ausmaße angenommen, dass es überall war. Ich dachte, es hätte nur ein paar Minuten angedauert, aber als meine normale Sinneswahrnehmung zurückkehrte, war die Sonne schon untergegangen und es war dunkel. Meine Augen waren geöffnet. Ich war bei vollem Bewusstsein, aber was ich bis zu diesem Augenblick für mich gehalten hatte, war verschwunden. Seit meinem neunten Lebensjahr hatte ich keine einzige Träne mehr vergossen. Aber nun, als ich dort saß, liefen mir die Tränen, sodass mein Hemd nass davon war. Ich hatte mich schon immer ausgeglichen und glücklich gefühlt – das war nie ein Problem für mich gewesen. Aber hier war ich nun, durchtränkt von einer völlig neuen Art von Glückseligkeit. Es war ungefähr halb acht Uhr abends. Etwa viereinhalb Stunden waren auf diese Weise vergangen.

Auch nach meiner Rückkehr nach Hause wiederholte sich diese Art von Erfahrung. Und sie trat immer häufiger auf. Eine Zeit lang war es eine Art Krieg zwischen einer phänomenalen Erfahrung mit einer Flut von Erinnerungen und meinem »überaus brillanten« Verstand. Mein Verstand sträubte sich. Er wollte nicht nachgeben, dabei konnte mein Kopf mir lediglich sagen, dass ich dabei war, mein inneres Gleichgewicht zu verlieren. Aber die Erfahrung war so herrlich, dass ich sie andererseits nicht verlieren wollte. Es war absolut fantastisch, aber gleichzeitig dachte ich irgendwo auch, dass es eine Art Verrücktheit sein könnte, denn es war zu schön, um wahr zu sein.

Die Frage nach dem Tod kam gar nicht erst auf, weil sich das Leben in einer solchen Fülle ereignete. Aber diese Erfahrung ließ mich erkennen, dass Menschen nicht sterben. Sie mögen aus deiner Wahrnehmung verschwinden, aber sie sterben nicht. Sie leben weiter. Ich wurde von Erinnerungen aus vielen Leben überflutet, und von Erfahrungen, durch die mir klar wurde, dass es in den vergangenen paar Lebenszeiten für mich um dieselbe Arbeit ging, an demselben Ort und bis zu einem gewissen Grad auch mit denselben Menschen! Dieses Verständnis vom Leben (und vom Tod) hat mein Leben seither geprägt. In gewisser Weise ist der Tod eine Fiktion, die von unwissenden Menschen in die Welt gesetzt wurde. Der Tod ist die Schöpfung der Unbewussten, denn mit dem entsprechenden Bewusstsein gibt es nur Leben – Leben und Leben allein, das sich von einer Dimension der Existenz in eine andere bewegt.

Ist der Tod ein Unglück?

Die Menschen denken, dass der Tod eine Tragödie sei. Das ist er nicht. Wenn Menschen ihr ganzes Leben zubringen, ohne je das Leben zu erfahren, dann ist das eine Tragödie. Wenn du stirbst, ist das wirklich keine Tragödie. Das ist das Ende aller Probleme, die du im Leben hast. Aber wenn du am Leben bist und das Leben nicht in seiner Gesamtheit erfährst, ist das eine echte Tragödie. Sehr schön kommt das in einem Sanskrit-Vers zum Ausdruck, der lautet: Jananam Sukhadam Maranam Karunam.Jananam bedeutet Geburt oder Leben, und Sukhadam besagt, dass das Leben ein Vergnügen oder eine Freude ist. Das ist wirklich so. Wenn du lernst, mit deinem Körper und deinem Verstand richtig umzugehen, wird das, was du im Leben erfährst, ein Vergnügen oder eine Freude sein. Aber Maranam, also der Tod, ist Karunam, das heißt Barmherzigkeit. Der Tod ist barmherzig, weil er dich erlöst.

Die Menschen haben eine verzerrte Vorstellung vom Leben. Sie wollen nicht sterben. Sie begreifen nicht, dass es das Schrecklichste wäre, wenn sie dazu verdammt wären, unsterblich zu sein, oder wenn man ihnen den Tod wegnähme. So schön dein Leben auch sein mag, wenn der Tod zum richtigen Zeitpunkt zu dir kommt, hast du großes Glück. Wenn er zu spät kommt, wenn sich das Leben über einen bestimmten Punkt hinaus ausdehnt, dann ist das die schlimmste Art von Leid. Vielmehr würdest du feststellen, dass es eine große Erleichterung ist, wenn der Tod kommt. Das Leben braucht ein gewisses Maß an Spannung, um weiterzugehen, aber im Tod setzt Entspannung ein. Tatsächlich ist der Tod die höchste Form von Entspannung. Wenn du aber schon zu Lebzeiten die Entspannung des Todes kennst, dann wird das Leben zu einem absolut mühelosen Prozess.

Betrachtet man das Geschehen von Leben und Tod auf der Ebene unmittelbarer Erfahrung, so ist deine Einatmung das Leben und deine Ausatmung der Tod. Du kannst damit sogar ein wenig experimentieren: Atme tief ein und schau, wie es deinem Körper und deinem Verstand dabei geht. Nun atme tief aus und schau, wie es deinem Körper und deinem Verstand damit ergeht. Was empfindest du als entspannender? Tatsächlich hat der Körper den natürlichen Drang auszuatmen, sobald sich in dir Spannung aufbaut. Das ist es, was man einen Seufzer nennt. Er entspannt dich ein wenig. Das Leben benötigt eine gewisse Spannung, andernfalls kannst du es nicht aufrechterhalten. Der Tod ist die totale Entspannung. So wäre das natürliche Verständnis vom Tod, hätte dein Verstand ihn nicht als ein Übel verteufelt.

Hätte dich deine Tradition und Kultur nicht gelehrt, dass der Tod ein Übel oder ein Unglück ist, das es zu vermeiden gilt, glaub mir, dann würdest du ganz anders atmen. Wenn du die Menschen um dich herum beobachtest, wirst du sehen, dass jetzt bei nahezu 99 Prozent der Menschen die Ausatmung niemals vollständig ist. Da ihr Verstand den Tod ablehnt, ist ihre Ausatmung nicht vollständig. Sie atmen ein, aber die Ausatmung ist unvollständig. Das ist einer der Gründe dafür, dass sich im Laufe der Zeit so viel Spannung in deinem System aufbaut, dass irgendwann ein Kipppunkt erreicht ist – sowohl mental als auch physisch.

Das größte Dilemma des menschlichen Verstandes besteht darin, dass er gegen den Tod ist. Im selben Moment, in dem du den Tod ablehnst, lehnst du auch das Leben ab. Du denkst, dass das Leben richtig und der Tod falsch ist. So ist es aber nicht. Das Leben ist nur, was es ist, weil es den Tod gibt. Ein Fluss fließt immer zwischen zwei Ufern. Aber du stehst am rechten Ufer und sagst: »Ich mag das linke Ufer nicht, es soll verschwinden.« Aber wenn das linke Ufer verschwindet, wird auch das rechte Ufer verschwinden, ebenso wie der ganze Fluss. Soll das rechte Ufer da sein, muss auch das linke Ufer da sein. Kann es Licht ohne Dunkelheit geben? Wer den Tod nicht annimmt, wird vom Leben nichts wissen. Wenn du dasitzt und sagst: »Ich will nicht sterben, ich will nicht sterben, ich will nicht sterben«, dann wird nur das eine passieren, dass du auch nicht lebst. Du wirst ohnehin sterben, aber wenn du den Tod ablehnst, wirst du bis dahin auch nicht gut gelebt haben. Wenn du Angst vor dem Tod hast, dann wirst du nur das Leben vermeiden; den Tod kannst du nicht vermeiden.

Selbst heute noch wird der Tod in einigen Kulturen als etwas angesehen, das es zu feiern und nicht zu betrauern gilt. Schließlich wurdest du von irgendwoher auf diesen Planeten in diesen atmosphärischen Raum entlassen. Wie groß der Raum, den du ausfüllst, aber auch sein mag, er ist immer noch ein kleines Gefängnis. Aber der Tod ist eine endlose Möglichkeit. Daher gibt es bei ihm viel mehr Grund zur Freude, viel mehr Grund zur Begeisterung als bei einer Geburt. Wer sich dieser Möglichkeit bewusst ist, für den gibt es so etwas wie Leben und Tod nicht. Leben ist Tod und Tod ist Leben; zwischen beiden besteht kein Unterschied.

In Wirklichkeit ist der Tod das Leben in intensivierter Form. Menschen, die in ihrem Leben Momente großer Gefahr erlebt haben, wissen das sehr wohl.

 

Was einmal geschah …

Zwei alte Männer trafen sich in einer winzigen Kleinstadt in Indiana, USA, in der ortsansässigen Bar. Beide saßen mürrisch an verschiedenen Tischen und tranken. Dann sah der eine zum anderen hinüber und entdeckte an dessen Schläfe ein Muttermal. Also ging er auf ihn zu und sagte: »Hey, bist du das, Joshua?«

»Ja, das bin ich, wer bist du?«

»Erkennst du mich denn nicht? Ich bin Mark. Wir waren zusammen im Krieg.«

Der andere sagte: »Oh, mein Gott!«, und plötzlich strahlten beide. Sie waren zusammen im Zweiten Weltkrieg gewesen, und seither waren fünfzig Jahre vergangen.

Also setzten sie sich zusammen an einen Tisch und begannen zu trinken, zu reden und zu essen. Sie hatten gemeinsam etwa vierzig Minuten Gefecht in den heimtückischen europäischen Schützengräben erlebt. Vierzig Minuten Dauerbeschuss. Und nachdem sie sich über diese vierzig Minuten mehr als zwei Stunden lebhaft ausgetauscht hatten, fragte der eine den anderen: »Und was hast du seither gemacht?« Der andere antwortete: »Ach, ich war nur Verkäufer.« Vierzig Minuten Krieg, über die sie sich zwei Stunden lang angeregt unterhielten, während die anschließenden fünfzig Jahre des Lebens in den Worten »Ich war nur Verkäufer« zusammengefasst wurden! So ist das nun mal.

 

Augenblicke der Gefahr sind Momente, in denen du das Leben und den Tod zur gleichen Zeit erlebst. Es sind die Momente, in denen du erkennst, dass Leben und Tod gleichzeitig da sind. Sie sind nicht zwei getrennte Dinge. Sie sind eins im anderen. Das ganze Leben ist so verpackt. Schöpfung und Schöpfer, Leben und Tod – sie sind alle ineinander verpackt. Es erfordert Aufmerksamkeit – viel Aufmerksamkeit –, um das zu erkennen. Ansonsten lebt man nur an der Oberfläche, halb lebendig. Wenn du Leben und Tod nicht zur gleichen Zeit kennst, wirst du nur eine Hälfte des Lebens kennen. Halb lebendig zu sein ist immer eine Qual.

Wenn du ein erfülltes Leben führen willst, solltest du dir deine sterbliche Natur jeden Tag vor Augen halten und nicht erst dann, wenn du ein gewisses Alter erreicht hast. Jeden Tag deines Lebens musst du dir bewusst sein, dass du sterblich bist. Es ist nicht so, dass ich heute sterben möchte, aber wenn es so kommt, ist das für mich in Ordnung. Ich tue alles, um mich zu bewahren, um gut mit mir selbst umzugehen und für mich zu sorgen, aber wenn ich heute sterben muss, ist das für mich in Ordnung. Nur so kann ich in die Welt hinausgehen und leben. Andernfalls kann ich nicht leben.

Hör auf, den Tod einzuladen

Wenn dem Tod auszuweichen bedeutet, dem Leben auszuweichen, dann bedeutet, dem Leben auszuweichen, den Tod einzuladen. Wenn ihr Leben unerfreulich oder beschwerlich wird, dann beginnen die meisten Menschen – ob bewusst oder unbewusst –, dem Leben auszuweichen. Sobald du anfängst, dem Leben auszuweichen, lädst du unweigerlich den Tod ein. In der Welt gibt es keine bessere Methode, den Tod einzuladen, als dem Leben auszuweichen. Entweder du tust es bewusst oder unbewusst. Einer der Hauptgründe für die vielfältigen, komplexen Krankheiten, die du heutzutage auf diesem Planeten auftreten siehst, liegt darin, dass die Menschen versuchen, dem Leben auszuweichen, und damit den Tod einladen. Der Körper verhält sich dabei nur kooperativ. Der Körper kommt deinem Verlangen, den Tod einzuladen, lediglich entgegen. Bitte darum, und es wird geschehen!

Die Menschen versuchen, das Leben zu meiden, weil sie denken, dass es unsicher ist. Du solltest wissen, dass der einzige sichere Ort auf diesem Planeten dein Grab ist. Dort passiert dir nichts. Im Leben selbst gibt es keine Sicherheit. Wie schon gesagt, du könntest morgen früh bereits tot sein, egal, wie viel Sicherheit du dir schaffst. Ich wünsche dir das nicht, aber wie gesund du auch bist, wie gut es dir gerade geht, morgen kannst du schon tot sein. Das ist eine reale Möglichkeit. So etwas wie Sicherheit gibt es in diesem Leben also nicht. Im selben Moment, in dem du anfängst, nach Sicherheit zu suchen, orientierst du dich automatisch auf den Tod hin. Unbewusst wirst du den Tod suchen.

In Indien ist es Tradition, keine Gelegenheit zu versäumen, den Segen eines Weisen oder Heiligen zu empfangen, wann immer man einem begegnet. Wie oft kommen Menschen zu mir und sagen: »Sadhguru, bitte segne mich, damit mir nichts geschieht.« Was für eine Art von Segen soll das sein? Mein Segen ist: Möge alles mit dir geschehen. Lass dir alles, was Leben ist, widerfahren. Bist du hierhergekommen, um das Leben zu meiden oder um das Leben zu erfahren? Wenn du dem Leben aus dem Weg gehen willst, kann ich dir viel einfachere Methoden als Inner Engineering6 nennen. Willst du dem Leben aus dem Weg gehen, brauchst du nur ein Stück Seil, um dich an der Decke aufzuhängen. Und es ist auch nicht teuer! Ich spreche hier von Effizienz; der Versuch, das Leben zu vermeiden, während du am Leben bist, nimmt sich da sehr ungünstig aus. Unser Lebendigsein ist ein sehr kurzes Geschehen, aber wir werden für eine sehr lange Zeit tot sein. Sich das Leben zu nehmen sollte also keine Option sein. Das passiert, wenn man das psychologische Drama mit der Ebene des existenziellen Lebens verwechselt.

In dem Moment, in dem du an Sicherheit denkst, hilfst du dem Tod. Du sollst wissen: Der Tod braucht deine Hilfe nicht. Der Tod ist super-effizient. Das Leben hingegen braucht deine Hilfe. Wenn du achtgibst, wirst du sehen: Was und wie viel du auch immer in Bezug auf das Leben tust, es gibt immer noch mehr, was du tun kannst. Das Leben braucht deine ganze Aufmerksamkeit und all deine Anstrengungen. Der Tod braucht deine Unterstützung nicht. Er wird ohnehin eintreten und zwar mit absoluter Effizienz. Hier gibt es kein Misslingen, denn alles wird vergehen.

Die Menschen halten nichts davon, wenn ihnen etwas Neues passiert, aber sie wollen ein aufregendes Leben. Wie soll das gehen? Damit schaffst du dir selbst eine Situation, in der du nicht gewinnen kannst. Was kann dir im schlimmsten Fall passieren? Höchstens, dass du stirbst. Mehr kann dir nicht passieren. Und was auch immer in deinem Leben geschieht, du hast ja zuvor nichts in es investiert. Du bist mit leeren Händen hierhergekommen. Du kannst in diesem Leben nicht verlieren. Sieh doch, wie wunderbar das ist! Was auch immer passiert, du befindest dich immer noch auf der Plusseite, also worüber beschwerst du dich?

Es geschah vor etwa zehn Jahren. Damals ging es an der Börse in Indien bergab. Einige Leute aus Mumbai brachten einen Mann zu mir. Anscheinend war er zuvor etwa 300 Millionen Dollar schwer. Dann brachen seine Aktien an der Börse ein. Nach etwa acht Monaten hatte er nur noch etwa 30 Millionen Dollar. Jetzt war der Mann gebrochen, deprimiert und wollte Selbstmord begehen. Er war in schlechter Verfassung, also wollten sie, dass ich ihm helfe. Ich fand das amüsant, denn für viele Menschen in Indien sind dreißig Millionen Dollar mehr als der Himmel. Wenn du sie vor die Wahl zwischen dem Himmel und dreißig Millionen Dollar stellst, werden sie sich für das Geld entscheiden. Aber dieser Mann war deprimiert und wollte Selbstmord begehen, weil er nur dreißig Millionen Dollar besaß! In der Geschichte geht es aber nicht nur um diesen Mann, auch mit dir selbst machst du das die ganze Zeit!

Lass zu, dass dir neue Dinge widerfahren. Wenn du in dir diese Art von »Nichts darf mir passieren«-Situation schaffst, wirst du stagnieren. Stagnation ist der Tod. Wenn das Leben nicht weitergeht, wenn keine neuen Möglichkeiten in dir aufkommen, dann führst du ein totes Leben. Das ist der Grund dafür, dass du auf der Straße so viele lange Gesichter siehst, selbst wenn im Leben dieser Leute nichts schiefgelaufen ist. Mit den meisten von ihnen hat es das Leben weit besser gemeint, als sie es sich je hätten erträumen können. Materiell gesehen leben wir alle viel besser, als unsere Eltern und Großeltern es getan haben. Trotzdem gibt es diese langen Gesichter auf der Straße. Aber nicht deshalb, weil etwas schiefgelaufen ist, sondern aufgrund von Stillstand. In der Stagnation kann man nicht leben, denn das ist so, als würde man ein totes Leben führen.

Wenn du lebendig bist, ist das wunderbar. Wenn du tot bist, kümmert uns das wenig. Es gibt zu viele tote Menschen auf der Welt, weshalb auch so viel Elend auf diesem Planeten herrscht. Irgendwann waren sie alle einmal quicklebendig; jetzt stehen sie langsam schon mit einem Bein im Grab. Ja, mit der Zeit wird sich der physische Körper erschöpfen. Wenn du also lediglich psychologische und physiologische Prozesse erfährst, ist es nur natürlich, dass du dich im Laufe der Zeit erschöpfst. Aber so, wie du deinen Körper und deinen Verstand trainieren kannst und dadurch einen klaren Unterschied in ihrer Funktionsweise wahrnimmst, kannst du auch deine Energien trainieren – dieses Trainieren deiner Lebensenergie nennen wir im Yoga Kriya. Wenn du diese fundamentale Lebensenergie erfährst und die richtigen Dinge in Bezug auf den Lebensprozess tust, dann wird die Frage der Erschöpfung mit zunehmendem Alter nur deinen Körper und deinen Verstand betreffen. Auf der Ebene des Lebens wirst du dagegen eine große Steigerung erfahren.

Es ist also nur das Leben, dem man ständig auf die Sprünge helfen muss. Es ist nicht nötig, den Tod einzuladen oder einzuüben, denn der Tod kommt auch ohne deine Unterstützung aus.

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Der Prozess des Sterbens

Was du jetzt als Leben bezeichnest, ist wie eine aufgepustete Seifenblase. Der gesamte yogische oder spirituelle Prozess besteht darin, diese Seifenblase möglichst dünnwandig zu machen, damit eines Tages, wenn sie platzt, absolut nichts davon übrig bleibt und sie mit Leichtigkeit aus der Unfreiheit der Existenz in die Freiheit der Nichtexistenz, das Nirvana, übergeht.

Die karmische Software

Wenn du verstehen willst, wie Leben und Tod grundsätzlich funktionieren, musst du verstehen, wie die Schöpfung funktioniert und welche Rolle die verschiedenen Formen von Gedächtnis darin jeweils spielen. Wenn ich von Gedächtnis spreche, geht es dabei nicht nur um das, woran du dich bewusst erinnerst. Erinnerung mit ihren vielen Schichten reicht sehr viel tiefer. Nach dem yogischen System ist das Gedächtnis im Grunde genommen eine Ansammlung von Eindrücken. Außerdem gibt es in der Schöpfung grundsätzlich acht Formen von Erinnerung. Die grundlegendste dieser Formen von Erinnerung ist die Elementare Erinnerung. Nach dem yogischen System besteht der erste Schritt vom Nicht-Manifesten zum Manifesten in der Bildung von Pancha Bhutas oder der fünf Elemente. Diese Elemente sind: Prithivi (Erde), Jala (Wasser), Agni (Feuer), Vayu (Luft) und Akasha (Äther). Diese Bezeichnungen stehen für bestimmte Qualitäten und nicht für die Substanz selbst. Diese Elemente haben verschiedene Eigenschaften, manifestieren sich in allen Aspekten der Schöpfung und sind die eigentliche Basis der gesamten Schöpfung.

Die Elementare Erinnerung ist diejenige, welche darüber bestimmt, wie diese fünf Elemente miteinander interagieren und sich im Leben auswirken. Die nächste Ebene der Schöpfung ist die materielle Substanz, aus der das Universum besteht. Die Regeln, nach denen sie funktioniert, sind in dem enthalten, was man als die Atomare Erinnerung bezeichnen kann. Heute lernt jedes Kind in der Schule die Grundlagen der Atomtheorie. Das Wort »Atom« kommt von dem griechischen Wort átomos, was unteilbar bedeutet. Als die moderne Wissenschaft das Atom entdeckte, glaubte man, dass Atome unteilbar und die grundlegendsten Bausteine des Universums seien. Heute wissen wir natürlich, dass dem nicht so ist. Mittlerweile wurden mehr als zwei Dutzend subatomare Teilchen entdeckt, und es könnten noch mehr werden. Die Atomare Erinnerung bezieht sich darauf, wie subatomare Teilchen, Atome und Moleküle verschiedener physikalischer Substanzen aufgebaut sind und wie sie sich verhalten. Die Elementare und die Atomare Erinnerung bilden zusammen das, was man als Unbelebtes Gedächtnis