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Ein völlig eigenständiger Abenteuer-Roman, inspiriert vom weltweit erfolgreichen Bestsellergame MINECRAFT. Merkwürdige Dinge geschehen an den Küsten der Oberwelt. Irgendjemand versucht scheinbar, die Ressourcen der Ozeane abzuschöpfen. Obendrein ist ein wertvolles Relikt aus dem neuen Oberweltmuseum von Beta City verschwunden. Doch wer steckt dahinter? Ist es ein stümperhafter Versuch der Kaiserlichen Griefer-Armee, Hauptmann Rob und seine Leute von der Hauptstadt wegzulocken, oder liegt die Wahrheit vielmehr irgendwo in der Tiefsee verborgen? Es ist an Rob und seinen tapferen Kameraden von Bataillon Null, dem Geheimnis auf den (Meeres-)Grund zu gehen.
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Seitenzahl: 264
Veröffentlichungsjahr: 2017
AUSSERDEM BEI PANINI ERHÄLTLICH
Spannende Abenteuer-Romane für MINECRAFTER
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Nähere Infos und weitere Bände unter
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– Verteidiger der Oberwelt –
Buch 4
Nancy Osa
Gestohlene Herzen …
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Englische Originalausgabe:
“Defenders of the Overworld 4: Deep Ocean Six” by Nancy Osa, published in the US by Sky Pony Press, New York, USA, 2016.
Copyright © 2017 by Hollan Publishing. All Rights Reserved. Minecraft is a registeded trademark of Notch Development AB. The Minecraft Game is copyright © Mojang AB.
Deutsche Ausgabe: Panini Verlags GmbH, Rotebühlstr. 87, 70178 Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.
Geschäftsführer: Hermann Paul
Head of Editorial: Jo Löffler
Marketing & Kooperationen: Holger Wiest (E-Mail: [email protected])
Übersetzung: Maxi Lange
Lektorat: Kerstin Fricke
Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart
Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln
YDMCJR004E
ISBN 978-3-7367-9995-0
Gedruckte Ausgabe:
ISBN 978-3-8332-3527-6
1. Auflage, September 2017
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Für Marc und die anderen Englischlehrer.… Ich entschuldige mich bei Sara und ihren Kollegen für den Witz mit dem Bibliothekar.
Kapitel 1
Während hinter ihnen die Sonne in einem gold-rosafarbenen Ozean versank, saßen der Quartiermeister und der Waffenmeister von Bataillon Null im Stallhof beisammen, um die Pläne für den Abend zu besprechen. Ihre vier Kavalleriekameraden arbeiteten in der Nähe. Der blasse, schmale Teenager blickte den tätowierten Söldner ernst an. „Wenn ich mich nicht irre – und ich irre mich bekanntlich nie –, ist das Lorensystem der Schlüssel zu unserem Erfolg.“ Jools fuhr sich durch den kurzen, gewellten braunen Haarschopf und wartete darauf, dass Turner seine Voraussicht lobte.
Der Sergeant bohrte eine Hand durch einen Riss in seinem T-Shirt und kratzte sich den gebräunten Bauch. „Tja, wird wohl so sein. Niemand ist perfekt.“
Jools verzog das Gesicht. Wenn seine Berechnungen stimmten, würde es dem Kavallerietrupp noch vor Einbruch der Nacht gelingen, zur selben Zeit einen Mob aus Silberfischchen zu vernichten, den Griefer zu besiegen, der ihn kontrollierte, und eine Bombe zu entschärfen, die das Leben von über einhundert ahnungslosen Stadtbewohnern bedrohte. Eine echte Glanzleistung. Der besonnene Quartiermeister erinnerte sich kaum an das letzte Mal, als einer seiner Pläne nicht aufgegangen war. Wenn er genauer darüber nachdachte, konnte er die Misserfolge an nur einer Hand abzählen.
„Unrecht zu haben ist nicht dasselbe, wie sich zu irren“, betonte Jools. „Lass mich nachdenken. Wann hatte ich in der Vergangenheit unrecht? Da war dieser eine Zwischenfall … als ich beschloss, mir Flügel aus Frischhaltefolie zu basteln. Das ging ordentlich in die Hose. Obwohl … wenn ich am Ball geblieben wäre, hätte ich womöglich den nächsten Durchbruch in der Luftfahrt errungen. Dann war da noch dieser verflixte Modell-Vulkan für das Wissenschaftsprojekt in der Schule, der einfach nicht ausbrechen wollte. Aber das lag nur daran, dass ich mich mit einer Ausbruchwahrscheinlichkeit von unter einhundert Prozent zufriedengegeben hatte. Ich war wohl der Einzige in meiner Klasse, der das Projekt realistisch angegangen ist.“ Er schob die Ärmel seiner Tweedjacke hoch und ließ seine Gedanken weiterschweifen. „Ah, richtig. Mein Plan, die Oberwelt zu umwandern, indem ich einfach immer geradeaus weitergehe, hatte einen entscheidenden Fehler. Aber den hätte ich kaum vorhersehen können, als ich damals das Spiel betrat – schließlich war ich ein Neuling.“
„Welchen denn? Dass die Oberwelt nicht rund ist?“
„Exakt. Außer diesen zu vernachlässigenden Dingen ist mir nie ein Fehler unterlaufen. Also sollte mein aktueller Plan auch fehlerfrei sein.“
„Fehlerfrei, hm?“ Turner warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Mag ja sein, aber wie sieht’s mit der Liebe aus? Kann mich nicht erinnern, dich jemals mit ’ner besonderen Person an deiner Seite gesehen zu haben. Nicht ein einziges Mal, solange ich dich kenn.“ Er pausierte kurz. „Pferde zählen nicht.“ Der muskelbepackte Söldner nahm selbstzufrieden lächelnd auf einem Erdblock Platz.
Autsch. Das tat weh. Jools hatte tatsächlich an seinen vierbeinigen Kumpel gedacht, aber nur, weil es mal wieder an der Zeit war, Becketts Hufe auszuschneiden. „Ich könnte immer noch deiner Herzensdame von deiner neuen Freundin berichten, vergiss das nicht“, stichelte Jools. Diese Drohung hatte er sich für genau so eine Situation aufgespart.
Doch Turner blieb unbeeindruckt. „Rose? Die ist Schnee von gestern, Quartiermeister. Die Frau kann mir den Buckel runterrutschen. War nie ’ne Freundin. Sundra braucht überhaupt nichts von ihr zu erfahren. Lass uns lieber über deine Eroberungen reden. Und damit mein ich keine Zombies und Skelette.“
Jools war es nicht gewöhnt, dass Turners Sticheleien ihm derart an die Nieren gingen. Ahnte er etwa, dass mich meine Klassenkameraden einst zum „Kandidat, der wahrscheinlich niemals heiraten wird“ gekürt haben? Ich mag ja ein Einzelgänger sein, aber in einer Welt, in der die Mädchen zufällig generiert werden, ist es eben nicht leicht, jemanden kennenzulernen. Ist ja nicht so, als könnte ich mich mal eben zum nächsten Rüstungsfärbe-Salon aufmachen – oder wo auch immer die weiblichen Wesen dieser Welt ihre Zeit verbrachten.
Trotzdem schien Turner keine Probleme zu haben, Bekanntschaften zu machen. Gekränkt lenkte Jools das Gespräch zurück in sichere Gewässer. „Meine wahren Eroberungen, wie du es auszudrücken beliebst, bestehen aus perfekten Strategien, an deren Ende immer irgendein Erfolg steht. Die aktuelle wird uns zum Beispiel den Weltfrieden bescheren. Was sagst du jetzt?“
Turner verdrehte die Augen. „Hör mal, Frieden wird überbewertet. Tief drinnen wissen wir doch beide, dass eine friedliche Oberwelt für Kerle wie uns deutlich weniger attraktiv ist. Wir verdienen unser Gold mit Konflikten und werden von denen bezahlt, die gerade die Oberhand haben.“
„Sicher, Konflikte bringen auch Vorteile“, stimmte Jools ihm zu. „Aber das heißt nicht, dass wir in einer gerechten Oberwelt kein ehrliches Auskommen fänden.“
„Ehrliches Auskommen? Das lockt mich nicht, Gefreiter.“
„Dann eben ein angemessenes. Ja, ja, ich weiß schon, angemessen reicht dir nicht aus. Aber warum bist du dem Bataillon dann überhaupt beigetreten?“ Herausfordernd starrte er den Sergeant aus hellbraunen Augen an.
„Aus demselben Grund wie du. Ein Mann muss dafür sorgen, dass der Dreck unter seinen Füßen bleibt.“
Jools war es nicht gewohnt, einer Meinung mit dem Waffenmeister zu sein. Aber Turner hatte recht. Sie beide waren Robs Bataillon Null beigetreten, als die Griefer-Allianz anfing, ihren Lebensstil zu bedrohen, der darin bestanden hatte, ihre Dienste demjenigen zu verkaufen, der am meisten zahlte. Seine Karriere als Freiberufler hatte Jools die größtmögliche persönliche Freiheit beschert. Er hatte viel Freizeit, fand immer Arbeit, wenn er sie brauchte, und musste nie klar Stellung beziehen. Die Kavallerie war nur eine vorübergehende Position mit dem Ziel, irgendwann in die Selbstständigkeit zurückzukehren.
Die guten alten Zeiten, dachte Jools. Damals, bevor sich die Griefer-Bosse eine Biomgrenze nach der anderen unter den Nagel rissen, um die Oberwelt zu kontrollieren, war Jools auf dem Rücken seines honigfarbenen Hengstes Beckett dorthin geritten, wo immer ihn sein Weg hinführte. Wenn ein Verbrechersyndikat eine Strategie brauchte, um finanzielle Mittel unauffällig aus Bauprojekten abzuzweigen, war Jools zur Stelle. Wollten Baumeister ihre Baustellen vor Dieben beschützen, bot er ebenfalls seine Dienste an. Der Ruf seiner Arbeitgeber kümmerte ihn wenig – Jools interessierte einzig und allein das Ausklügeln der perfekten Strategie, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Solange der junge Stratege sich aus den inneren Kreisen seiner Auftraggeber heraushielt, interessierten ihn gesetzliche oder moralische Konsequenzen nicht im Geringsten.
Doch als die Griefer begannen, verzauberte Monster als Grenzposten einzusetzen, um den Reiseverkehr einzuschränken, war es mit Jools’ Karriere vorbei gewesen. Seine Kavalleriekameraden Turner und Stormie, die ihre Edelsteine ebenfalls freischaffend verdient hatten, stießen auf dieselben Probleme. Und als sie sich schließlich alle zufällig über den Weg liefen, war es Jools nur logisch vorgekommen, sich mit Rob und den anderen zusammenzuschließen, um das natürliche Gleichgewicht freier Unternehmen unter dem Schutz einer gerechten Regierung wiederherzustellen. An diesem Ziel arbeiteten sie noch immer.
Jools’ alter Drang nach Unabhängigkeit war ihm irgendwann abhandengekommen, und er spürte, dass es Turner und Stormie genauso ging. Die einstigen Einzelgänger hatten gemeinsam mehrere Schlachten gegen die Kaiserliche Griefer-Armee bestritten und verspürten mittlerweile eine gewisse Loyalität zueinander und sogar zu den neu erblühenden Vereinigten Biomen der Oberwelt. Schließlich war die Alternative zum armseligen Sklavendasein, das ihnen allen in Griefer-Gefangenschaft blühte, eine Oberwelt, in der sie mit vereinten Kräften das Böse aufhalten konnten.
„Ich bevorzuge es in der Tat, mein eigenes Vermögen anzuhäufen, anstatt Dr. Dreck oder Lady Craven mehr Macht zu verschaffen … oder Termite“, gab Jools zu. „Um ein Auskommen zu finden, muss man zunächst einmal am Leben bleiben.“
„Oder wenigstens neben seiner Beute wiederbelebt werden“, schloss Turner.
Jools betrachtete ihn forschend. „Du hast also deinen Spawnpunkt geändert?“
Turner lehnte sich zurück. „Das hab ich nicht gesagt.“ Er trommelte mit den Fingern auf seinem Knie herum. „Vielleicht mach ich’s nach einem kleinen Haushüter-Auftrag, den ich noch vor mir hab. Und dann nehm ich mir ’ne Auszeit. Nachdem wir meinen Plan umgesetzt haben.“
„Deinen Plan?“ Jools zog die Augenbrauen hoch. „Die Grundidee mag von dir stammen, aber ich habe sie ausgefeilt. Obendrein bin ich für das Lorenprojekt verantwortlich, ohne das es überhaupt keinen Plan gäbe. Damit sind der Plan und die Strategie auf meinem Mist gewachsen.“
Turner grunzte und blickte nach oben. „’s wird dunkel. Wenn wir die Mobs nicht erledigen, wird’s egal sein, wer sich alles ausgedacht hat, Gefreiter.“ Er stand auf und klopfte sich den Staub von den Händen, wobei sich die eintätowierten Berge auf seinen Knöcheln bewegten. „Zeit für echte Heldentaten.“
Turner hatte ein Silberfischchen-Massaker vor sich, während Jools’ Rolle in der Vereitelung des Griefer-Plans eine andere war. Den Quartiermeister störte es nicht im Geringsten, dass er den Nahkampf mit den gefährlichen Insekten verpassen würde. Er bevorzugte seit jeher solche Schlachten, die er gewinnen konnte, ohne ein Schwert zu schwingen.
„Dann mal los, Sergeant“, sagte Jools in herablassendem Ton zu seinem Vorgesetzten und kam ebenfalls auf die Beine. „Ich kümmere mich indes darum, aus Beta eine zombiefreie Zone zu machen.“
Es sollte das letzte Mal sein, dass er Siege und Niederlagen in Schwarz und Weiß einstufte.
*
Jools beobachtete Turner, Hauptmann Rob und Späherin Frida, die sich in Richtung Beta aufmachten, um ihren Teil der Mission zu erfüllen. Dann öffnete der Quartiermeister das Gemeinschaftsinventar, um der Bataillonsartilleristin Stormie ein paar Einheiten Schwarzpulver und Pferdeflüsterin Kim einige Stapel Karotten zu überreichen.
„Ich wünschte, ich könnte bleiben, um deine Pferdeshow zu sehen, meine Liebe“, sagte er zu Kim, die ihre schönste rosafarbene Paraderüstung trug, um die Zuschauer gebührend zu beeindrucken. Die zierliche Person ritt das größte Pferd der Herde und war berühmt für ihre Kunststücke in der Arena. Die Zuschauer hatten eine große Show vor sich, und Kim sah in ihrer Rüstung umwerfend aus. Kohlrabenschwarze Augen, ergänzt durch glänzendes schwarzes Haar, das unter dem gefärbten Helm hervorlugte. Einzelner goldener Ohrring komplettierte das Bild.
Sie bedankte sich im Namen der Pferde bei Jools für die Karotten. „Kümmere dich darum, dass der Zombiezug geradewegs zurück in Lady Cravens Arme fährt“, forderte sie grimmig. „Wenn du das schaffst, stelle ich nur für dich eine eigene Show auf die Beine.“
Kim schien völlig furchtlos zu sein. Im Verhältnis zu ihrer zierlichen Statur besaß sie den größten Schneid von allen Wesen, die Jools kannte – vielleicht abgesehen von Grimley, dem bissigen Chihuahua seiner Tante. Unbewusst wechselte sein Blick zu Stormie, der berühmten Abenteurerin und Artillerie-Expertin des Bataillons. Ihre Haut hatte die Farbe aufziehender Gewitterwolken, und ihr lockiger schwarzer Pferdeschwanz, der auf ihrem bauchfreien dunklen Top ruhte, reichte ihr bis zum Hosenbund. Sie legte einen Teil des Schwarzpulvers zum Papier und den Feuerwerkssternen in ihrem Inventar, die sie für die Fertigung der Raketen brauchte. Gegen die Lautstärke von Stormies explosiven Gerätschaften hätte selbst Grimleys Gekläffe keine Chance.
„Meine Show kannst du von deiner Position auf dem Kontrollturm bestimmt sehen“, sagte sie zu Jools. „Schau einfach zum Himmel hinauf.“
Die Bataillonsmitglieder veranstalteten den ganzen Zirkus, um ihr wahres Vorhaben vor den Griefern zu verbergen, deren finstere Pläne Hauptmann Rob erst kürzlich in Erfahrung gebracht hatte. Die Bataillonsmitglieder hatten herausgefunden, dass verzauberte Mobs per Lore auf dem Weg zur neuen Hauptstadt der VBO waren, um jeden zu töten, den die Bombe nicht erwischte.
Bevor Jools Kim, Stormie, Turner und den anderen begegnet war, hätte er sich nie auf einen derartigen Konflikt eingelassen, doch inzwischen wusste er, dass sie sich sein Vertrauen verdient hatten. Es fühlte sich gut an, so fähige Krieger an seiner Seite zu wissen. Seit er sich der Kavallerie angeschlossen hatte, war er noch kein einziges Mal gestorben.
Jools sah auf die Uhr. „Also dann, Leute. In einer Stunde ist alles vorbei.“ Er berührte Stormies Arm und grinste. „Schieß für mich eine lilafarbene Rakete in den Himmel.“ Damit drehte er sich auf dem Absatz um und machte sich auf den Weg zum Bahnhof.
Das Gebäude war leer, als er dort eintraf. Dank der u-förmigen Strecke, die Jools’ Lorencrew südlich der Stadt verlegt hatte, blieben die Schienen, die durch den Rundbau verliefen, dieses Mal ungenutzt. Sobald die monsterbeladenen Lorenzüge die extremen Berge überquerten, um kurz darauf ins Tal zu rauschen, würden die neu verlegten Schienen sie geradewegs zurück zu ihrem Startpunkt befördern. Nimm das, Lady Craven, dachte Jools und hoffte, dass es tatsächlich die Griefer-Königin war, die hinter dem bösen Plan steckte. Der Quartiermeister hatte es genossen, während ihrer letzten Begegnung den Spielmodus der obersten Grieferin zu ändern. Vielleicht würde eine weitere vernichtende Niederlage sie endgültig zum AFK-Status verdammen.
Er nahm zwei Treppenstufen auf einmal, als er den Kontrollturm erklomm. Das Einzige, was es jetzt noch zu tun gab, war, Lady Cravens Lakai Termite gefangen zu nehmen, sobald er auftauchte, um die Monsterarmee zu empfangen. Jools stellte ihn sich als einen zweibeinigen Plagegeist vor: birnenförmiger Körper, dürre Beine, hervorstehende Augen und vielleicht sogar zwei Fühler am Kopf. „Ein richtig ekelhaftes Krabbelvieh eben“, meinte er laut.
Als Jools sich der Turmspitze näherte, von der aus er eine vorbereitete Erstickungsfalle aktivieren wollte, vernahm er hinter sich auf der Treppe ein Geräusch. „Steve?“, rief er. Hatte eines der Mitglieder der Lorencrew seine Pause unterbrochen, um ihm zu folgen?
Anstatt einer Antwort hörte er ein Klicken. Jools erstarrte. Seine Gedanken rasten.
Bewegungsunfähig durch Druckplatte. Schritte nähern sich. Kim: Betritt gerade die Arena. Stormie: Befindet sich auf der anderen Hügelseite. Turner, Rob, Frida: Außer Reichweite in den Höhlen nahe der Stadt.
Er blickte nach unten und blieb wie erstarrt stehen.
Gold … eine Wägeplatte. Aktivierte womöglich Waffen oder Sprengstoff. Vielleicht auch nicht. Schritte: Ganz nah!
Musik und Gelächter drang von unten an seine Ohren. Das Fest.
Keiner, der mich schreien hört. Alle sind ohnehin abgelenkt. Pferde, Rüstungen, Tränke – alles weit weg im Lager.
Übelkeit überkam ihn. „Auch der beste Plan …“, murmelte er.
„… kann nach hinten losgehen“, beendete eine ruhige Stimme hinter ihm den Satz.
Jools erschrak heftig, aber seine Füße blieben, wo sie waren.
„Tihihi …“
Das papierdünne Lachen schien sämtlichen Sauerstoff aus der winzigen Turmkammer zu verdrängen. Jools schnappte nach Luft. Die Härchen in seinem Nacken stellten sich auf.
„Du dachtest, du kannst mich reinlegen“, sagte die Person ruhig und mit vor Bosheit triefender Stimme. „Doch ich bin nicht gekommen, um hier mit dir auf den Nachtzug zu warten. Ich weiß längst, dass du die Strecke manipuliert hast.“
Termite! Jools brach kalter Schweiß aus. „Wieso sollte ich dich reinlegen wollen? Ich weiß doch nicht einmal, wer du bist.“
Er spürte etwas Hartes, Spitzes im Rücken.
„Lügner. Ihr alle kennt meinen Namen. Und ich kenne deinen, Julian der Dritte.“
Wieder zuckte er zusammen – so heftig, als hätte er eine stromführende Redstone-Leitung berührt. Woher weiß er, dass mein Großvater Julian hieß? Wenn es eines gab, was Jools fürchtete, dann war es, jemandem zu begegnen, der mehr Informationen hatte als er selbst. Vor allem, wenn dieser Jemand die Informationen eigentlich gar nicht haben konnte.
Er reagierte, wie er es immer tat, wenn er sich mit einer mentalen Herausforderung konfrontiert sah. Er bluffte.
„Meine Freunde sind dir längst auf den Fersen. Hast du Stormie und Turner mal gesehen? ‚Frau Zäh‘ und ‚Herr Zäher‘. Die machen Hackfleisch aus dir.“
„Euer Söldnerfreund hat schon jetzt keine Munition mehr“, stellte der Griefer-Boss ruhig fest. „Dasselbe gilt in Kürze für eure Artilleristin.“
Jools versuchte, seine aufsteigende Verzweiflung zu verbergen. „Und deine Armee bleibt dabei auf der Strecke. Dir ist doch klar, dass sie uns finden werden, oder? Aus diesem Turm führt nur ein Weg hinaus.“
„Für mich mag das zutreffen. Du solltest einen Schritt vorwärts machen und herausfinden, ob es für dich vielleicht noch eine andere Route gibt.“
Bombe!, war alles, was Jools’ Gehirn zustande brachte.
„Oder lass es bleiben. Offen gesagt hatte ich keine Lust, mich mit der Verkabelung herumzuschlagen. Die Platte aktiviert nichts. Ich wollte dich nur erschrecken.“
Ein Gegenbluff? Die Wahrheit? Oder eine dicke, stinkende Lüge? Jools wagte es immer noch nicht, sich zu bewegen. Aber inzwischen wurden seine Knie schwach, und er wusste, dass er nicht viel länger so stehen bleiben konnte.
Wieder spürte er den spitzen Gegenstand im Rücken, nur diesmal mit mehr Druck. Er schauderte.
„Es hat wohl funktioniert. Tihihi … Und jetzt dreh dich schön langsam um und komm mit mir die Treppe hinunter.“
Die unsichtbare Klinge schnitt Jools die Haut auf und seine Knie gaben nach. Er stolperte nach vorn und dann rückwärts. Als er sein Gleichgewicht wiedererlangt hatte, wirbelte er herum und erblickte eine dunkelhaarige Frau, die ein Goldschwert auf ihn richtete. Sie trug eine weiße Brille, die ihre finsteren Augen vergrößerte, und blickte ihn gelassen, beinahe heiter an. Doch da war noch etwas … eine unbändige Zufriedenheit. Als hätte sie soeben erfolgreich ein Geschäft ausgeraubt.
„Du bist Termite?“, platzte es aus Jools heraus. Sie würdigte ihn keiner Antwort und bohrte ihm stattdessen das Schwert in die Haut. Dann schritt sie langsam die Treppe hinunter. Termite ist eine Sie. Kein Er oder gar Es. Wie konnte ich nur so falsch liegen? Jools riss sich zusammen. „Dein Ruf eilt dir voraus“, sagte er bemüht lässig.
„Ach ja? Was hast du denn gehört?“
Jools dachte an die vielen Missetaten dieser Made … Diebstahl von Baumaterialien, Beschädigung von Eigentum und Bedrohung von Menschenleben. „Was ich gehört habe? Dass du zu den Insekten gehörst, die man lieber ausräuchern sollte.“ Einige Stufen vor Ende der Treppe hielt Jools plötzlich inne, duckte sich und ließ sich nach hinten fallen, um Termite ein Bein zu stellen.
Nichts geschah.
Er sah sich um, doch sie hatte ihn bereits mit einem mächtigen Satz übersprungen und blickte ihn von unten abwartend an, als er sich wieder umdrehte. Der unglaubliche Sprung versetzte seinen Verstand in eine Art Hyperantrieb. Selbst retten. Freunde retten. Muss zur Tür …
„Du solltest eines nicht vergessen, Herzchen“, keckerte Termite, während sie hinter Jools trat, um ihn unsanft aus dem Turm zu stoßen. „Es gibt da eine Person in der Oberwelt, die schon weiß, was du tun wirst, wenn du selbst es gerade erst ahnst. Bevor du also Anstalten machst, an diesem Seil dort zu ziehen, um die Sandfalle zu aktivieren, möchte ich dich fairerweise darauf hinweisen, wer diese Person ist: ich.“
Termites Schwertgriff traf hart auf Jools’ Schläfe und schickte ihn ins Land der Träume.
Kapitel 2
Einen Monat später
Jools holte die Schnur ein, nahm einen Knochen vom Haken und warf die Angel wieder aus.
„Ein Knochen. Wahrscheinlichkeit: zwölf Prozent. Als Nächstes fange ich … hmm.“ Er runzelte die Stirn. „Eine Wasserflasche.“
Sein Freund und Hauptmann Roberto wackelte mit den Zehen in den Wellen, die sanft ans Ufer schwappten. „Warum verzauberst du deine Angel nicht einfach, Quartiermeister?“
„Für die winzige Chance, einen Schatz zu erwischen?“ Jools schnaubte. „Meine Vorhersagen zu üben finde ich deutlich sinnvoller.“
Der Schwimmer tauchte ins Wasser und Jools zog die Leine wieder ein.
„Ha, eine Wasserflasche! Von denen kann ich nie genug haben.“ Er legte den Gegenstand beiseite und tippte eine Zahl in seinen Laptop, der aufgeklappt neben ihm stand. „Was hab ich dir gesagt? Wahrscheinlichkeit …“
„Jaja, ich weiß“, erwiderte Rob ungeduldig. „Du lagst hundertprozentig richtig. Hör mal, Jools, das hier soll eigentlich ein Urlaub sein. Kannst du dich nicht einfach entspannen und den Analytiker in dir ruhen lassen?“
Jools verengte die Augen zu Schlitzen und blickte den Hauptmann an. „Die Frage war rhetorisch, oder?“
„Nein. Das war ein Befehl.“ Rob kam auf die Beine. „Nach allem, was wir letzten Monat durchgemacht haben, ist ein wenig Entspannung eine …“
„Ich weiß schon“, unterbrach Jools ihn. „Eine obligatorische Bitte.“
Beide schnitten eine Grimasse. Rob hatte dem Bataillon vor nicht allzu langer Zeit ein anderes Ultimatum gestellt. Leider war die Sache nicht so gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte.
Ich mache ihm keinen Vorwurf. Jools wusste, dass der Ex-Cowboy, der plötzlich zum Bataillonshauptmann mutiert war, immer noch an den Fehlern in seinem persönlichen Code arbeitete. Er war völlig unbedarft und als Neuling in die Rolle des Anführers geraten. Anstatt sich davon abschrecken zu lassen, hatte Jools den neuen Hauptmann mit offenen Armen empfangen. Er hatte absolut kein Interesse an dieser Position, und die anderen Bataillonsmitglieder waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie die Einheit hätten zusammenhalten können. Und auch ihnen mache ich keinen Vorwurf. Das war es schließlich, worum es im Überlebensmodus ging.
Also befolgte Jools für gewöhnlich Robs Befehle. Weil es dem Wohl der Gruppe diente. Trotzdem konnte er sein Wesen nicht ändern. „Tut mir echt leid, Kumpel. Aber so angle ich nun mal.“ Er tippte noch etwas in seine digitale Tabelle und warf die Angel aus. „Als Nächstes fange ich einen Fisch.“
„Tolle Vorhersage“, spottete Rob und schnaubte.
„Eigentlich sind Fische mit sechzigprozentiger Wahrscheinlichkeit sogar ein recht gängiger Fang.“
„Weißt du, Quartiermeister, es gibt auch noch andere Dinge im Leben als Zahlen und Statistiken. Zum Beispiel Frauen. Wann war dein letztes Rendezvous?“
Ein Rendezvous? Na ja, ich habe einmal beinahe eine Tanzveranstaltung meiner Schule besucht … Außerdem waren Jaspreet und ich mal zusammen im Kino. Obwohl, da war Whit dabei … „Wann war denn dein letztes Rendezvous?“
Rob errötete. „Liebesbeziehungen zu Mitsoldaten und Dorfbewohnern sind laut Kavallerievorschrift nicht empfohlen.“ Er seufzte und zog sich die Cowboystiefel an. „Ich mach was zu essen“, erklärte er kurz angebunden. „Tu mir einen Gefallen und lass es dieses eine Mal gemütlich angehen. Geh wandern oder so was.“
„Ja, Hauptmann“, erwiderte Jools und fummelte an seinem Laptop herum. „Ich werd’s versuchen.“
Der Hauptmann nickte und schlenderte zum Lager.
Kurz darauf erzitterte der Schwimmer und Jools zog einen Fisch an Land. Gelangweilt von seinem Vorhersagespiel ließ er Angel und Computer jedoch bald zurück und begab sich auf einen Spaziergang um den See.
Das Gewässer lag in einem roten Tonbecken, das von hohen, spiralförmigen Felsformationen umgeben war. Die beiden Kameraden hatten ihr Hauptquartier in Beta City verlassen und waren zum alten Kavallerieversteck im Tafelbergbiom geritten. Die hiesige Landschaft war geprägt von einer Wüstenhochebene, aus der hier und dort stachelige Kakteen und Ringformationen aus hohen, spitzen Felsen hervorragten. Rob hatte vorgeschlagen, den Urlaub hier zu verbringen, wo Bataillon Null einen seiner ersten Siege gegen die Griefer-Armee errungen hatte. Er hoffte, dieser Ort würde es ihnen allen erleichtern, die empfindliche Niederlage gegen Termite zu verarbeiten, denn der Hauptmann und die Späherin Frida waren die Einzigen, die sie überlebt hatten.
Jools musste sich eingestehen, dass ihn die Landschaft nach dem Stress der Wiederbelebung tatsächlich beruhigte. Der tönerne Boden war wunderbar glatt, und nur ein paar vertrocknete Büsche und plätschernde Bächlein störten die Makellosigkeit. Treppenartige Felsformationen erhoben sich aus dem flachen Talboden und trafen auf enorme Sandsteinpfeiler, die über jeden Reisenden zu wachen schienen. Die silber- und orangefarbenen Felsen, grünen Kakteen und azurblauen Gewässer brachten Farbe in die idyllische Landschaft. Doch kaum hatte sich der Quartiermeister in der Pracht dieses Anblicks verloren, driftete sein Verstand bereits zurück zu seiner Arbeit. Plötzlich konnte er an nichts anderes denken als an die vielen unerledigten Aufgaben, die im Hauptquartier von Beta City auf ihn warteten.
„Zu sterben stand nicht auf meiner To-do-Liste“, murmelte er. Die Oberweltbiome mit Schienen zu verbinden hingegen hatte höchste Priorität.
Jools hatte seine Transitcrew, die sechs Donnerjungs, aus einer Lorengang rekrutiert, deren Hauptbeschäftigung vorher darin bestanden hatte, eine Stadt in der Eisebene zu drangsalieren. Nach kurzer Einarbeitung hatten sie Phase eins des Schienenprojekts beendet und standen nun vor Beginn von Phase zwei. Unter Jools’ Anleitung war es ihnen gelungen, Beta, Sunflower und Spike City – die ersten Siedlungen, die sich der neu gegründeten Biomallianz angeschlossen hatten – mittels einer Strecke, die in beide Richtungen befahrbar war, zu verbinden. Damit war das zentrale Oberweltbiom der extremen Berge, die Sonnenblumenebene in der Nordhälfte und die Eisebene im Süden etwas näher aneinandergerückt. Jools war unbändig stolz auf diese Meisterleistung. Trotzdem war das Reisen nach wie vor ausgesprochen unbequem. Darum wollte er sich in Phase zwei kümmern. Richtige Bahnhöfe, Fahrpläne und Waggons, die nach einigen Modifikationen kaum mehr als Loren zu erkennen sein würden, sollten das brandneue Schienennetz ergänzen und das Reisen so angenehm wie möglich machen.
„Schließlich sind wir alle zivilisierte Menschen“, konstatierte er laut. Er hatte sich mit Feuereifer auf das Projekt gestürzt und die Herausforderung angenommen, ehemalige Unruhestifter in wertvolle Mitglieder der Gesellschaft zu verwandeln, indem er sie als Transitpolizei ausbildete. Obwohl er es mit seinen sechs Schützlingen weit gebracht hatte, war ihm unbehaglich zumute, wenn er daran dachte, dass sie im Moment niemand beaufsichtigte. Hätte Rob ihn nicht praktisch zu diesem Campingausflug gezwungen, würde Jools seine Donnerjungs in diesem Moment mit Argusaugen beobachten.
Sein Magen knurrte. Ich hätte den rohen Fisch essen sollen, dachte er. Dann erinnerte er sich an das, was Rob gesagt hatte. Vielleicht briet der Hauptmann in diesem Moment schon ein paar Steaks über dem offenen Feuer. Jools machte kehrt, sammelte auf dem Rückweg Angel, Computer und seinen Fang ein und lief zurück zum Lager.
Als er noch etwa einhundert Blöcke entfernt war, hörte er Hufschlag und erblickte kurz darauf zwei Reiter, die geradewegs auf ihn zukamen. Er nahm ein Eisenschwert aus dem Inventar und brachte sich in Kampfposition. Zwei stämmige Pferde – ein kleineres schwarz-weiß geschecktes und ein großer dunkelbrauner Warmblüter – näherten sich geschwind.
„Jools!“, rief eine bekannte Stimme. Stormie ritt das kleinere Tier und Kim thronte auf dem galoppierenden Giganten. Die Frauen trugen Reitbekleidung – hohe Stiefel und eng anliegende Oberteile und Hosen. Stormies waren schwarz und Kims wie üblich rosafarben. Schlitternd brachten sie ihre Pferde zum Stehen. „Wo ist der Hauptmann?“, fragte Stormie.
„Wir haben Neuigkeiten!“, fügte Kim hinzu.
Jools’ Herz schlug schneller. „Den Mods sei Dank! Ich dachte schon, ich werde verrückt von dieser ganzen Idylle.“
Kim sprang von Nachtwinds Rücken und half Jools dabei, sich hinter dem Sattel zu platzieren. „Rob muss schnellstmöglich davon erfahren“, sagte sie, während sie wieder aufstieg und nach den Zügeln griff. „Wir mussten unseren Ausflug an den Strand abkürzen. An der östlichen Ozeanküste ist etwas völlig Verrücktes passiert.“
„Soll sich dort nicht Lady Craven aufhalten?“, fragte Jools, der durch den Galopp sanft auf und ab wippte.
„Könnte sein, dass sie uns wieder einmal Ärger macht“, bestätigte Stormie und gab ihrem Hengst Armor die Sporen.
„Ärger?“, hakte Jools nach. „Dieser Urlaub wird also doch noch interessant.“
*
Die drei Freunde fanden ihren Hauptmann am Lagerfeuer, wie üblich gekleidet in Lederbeinschutz, Jeans, Weste und Westernoberteil. Neben ihm stand ein leerer Teller. In einiger Entfernung hatte er Flaschen in einer Reihe aufgestellt, die er zu Übungszwecken mit Steinchen bewarf.
Ting! Ting! Tong … Klirr! Drei Steinchen hintereinander fanden ihr Ziel, das letzte war mit so viel Schwung geworfen worden, dass die Flasche zersprang.
„Netter Wurf“, stellte Jools anerkennend fest, als die Pferde unmittelbar neben dem Kommandanten zum Stehen kamen. Beckett und Robs schwarzer Hengst Saber, die beide an einem kurzen Zaun angebunden waren, begrüßten die Neuankömmlinge wiehernd.
Rob hielt vor seinem nächsten Wurf inne. „Unteroffizier! Artilleristin! Was macht ihr zwei denn hier?“
Stormie sprang behände aus Armors Sattel. „Wir müssen dich sprechen, Hauptmann.“
„Keine Lust mehr auf Strandurlaub?“, wollte Rob wissen.
Kim ließ zuerst Jools absteigen und glitt dann von Nachtwinds Rücken. „Wir haben eine seltsame Beobachtung gemacht, Hauptmann.“
Rob warf einen weiteren Stein und verfehlte sein Ziel prompt. „Hm. Klingt nicht nach Sonnenbrand.“ Er lächelte schief.
„Im Ernst, Hauptmann.“ Stormies dunkle Augen nahmen eine noch finsterere Färbung an. „Im Osten treiben möglicherweise Griefer ihr Unwesen.“
„Oh, endlich“, murmelte Jools erleichtert.
Rob sah deutlich weniger begeistert aus, aber wurde schlagartig ernst. „Bericht, Soldaten.“ Er ließ sie ihre Pferde anbinden und reichte allen einige der Steaks, die er zubereitet hatte.
Kauend berichteten Stormie und Kim Rob und Jools von ihrem Ausritt zum Strand, der am Ende eher verstörend als erfrischend gewesen war.
„Wir ritten nach Norden, in Richtung verschneiter Strand“, begann Stormie.
„Dort haben wir uns eine Schneeunterkunft gebaut und darin die Nacht verbracht“, ergänzte Kim. „Als wir am nächsten Tag erwachten, war der Strand … gewachsen.“
Rob neigte den Kopf zur Seite und blickte skeptisch zu Jools hinüber, der sich aufgeregt nach vorn gebeugt hatte.
„Die Sandblöcke ragten jedenfalls weiter in den Ozean hinein als in unserer Erinnerung“, bemerkte Stormie. „Ich dachte, ich bilde mir das nur ein oder dass ich in der Nacht zuvor zu viel Blumenwasser getrunken hatte. Aber in der darauffolgenden Nacht passierte dasselbe, und zwar in einem neuen Lager weiter nördlich.“
„Seid ihr sicher, dass ihr nicht einfach Ebbe und Flut beobachtet habt?“, erkundigte sich Rob.
„Ebbe und Flut? Diese Mod habe ich erst einmal gesehen“, meinte Jools. „Sie sorgt für Wellengang. War es das?“
Stormie warf Kim einen Blick zu, die jedoch nur mit den Schultern zuckte.
Jools blieb beharrlich. „Kommt schon, versucht, euch zu erinnern. Wellengang. Wogendes Wasser.“ Er machte ergänzende Handbewegungen. „War es vielleicht eine Tidenmod?“
Stormie schüttelte den Kopf. „Es war eher so, als hätte jemand Teile des Ozeans durch Sand ersetzt.“
Jools dachte nach. „Oder … jemand hat die Wasserblöcke einfach entfernt und dabei nur das freigelegt, was sich darunter verbarg.“
„Ihr sagt, das ist zweimal passiert?“, warf Rob ein.
Kim nickte. „Zweimal mit Sand. In der dritten Nacht war es Kies.“
Jools ließ den Rest seines Steaks fallen und sprang auf. „Ich sehe da ein Muster. Wir sollten das unbedingt weiterverfolgen!“
„Zuerst geben wir dem Richter und dem Colonel Bescheid“, beschwichtigte Rob ihn.
Jools verzog verärgert das Gesicht. „Sie sind nicht unsere Kindermädchen. Und wir haben Urlaub. Ich sage, wir brechen unser Lager ab und reiten sofort zur Küste.“
„Ohne konkrete Informationen, Rüstungen und Verstärkung?“ Rob starrte ihn streng an. „Das könnte eine große Sache sein. Wir brauchen das gesamte Bataillon.“
Jools warf die Arme in die Luft. „Na großartig. Uns fehlen eine Späherin und ein Waffenexperte“, rief er aufgebracht. Frida war im Urlaub und Turner war … wo immer Turner sich eben aufhielt.
Rob antwortete nicht sofort. Er und Jools hatten es bisher erfolgreich vermieden, über den verschollenen Sergeant zu sprechen. Nachdem die Bombe hochgegangen war, hatten sich Rob und Frida in Sicherheit gebracht und waren zu den Pferden und den Einwohnern von Beta geeilt. Jools, Stormie und Kim waren kurz darauf wiederbelebt worden, doch Turner war nicht aufgetaucht. Da dieses Verhalten nicht ungewöhnlich für ihn war, hatte sich niemand Sorgen gemacht. Zumindest anfangs.
Tage gingen ins Land. Die Siedler waren in die Stadt umgezogen und hatten eine Wache aus Freiwilligen auf die Beine gestellt, doch es kam kein Lebenszeichen von Turner. Sein Hengst Duff war noch in Beta bei seiner Herde. Schließlich befürchteten die Kavalleriekameraden das Schlimmste – dass entweder der Tod oder Turners notorische Unehrlichkeit sie auf ewig von ihrem Waffenmeister getrennt hatte.