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Nach den wiederholten Angriffen von Dr. Dreck und Lady Craven hängt das Schicksal der vereinten Biome der Oberwelt am seidenen Faden. Rob, Frida und die anderen Mitglieder des zuletzt arg gebeutelten Bataillons Null, setzen alles daran, zu retten, was zu retten ist, doch der nächste Kampf last nicht lange auf sich warten ... ROMAN FÜR MINECRAFTER!
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Seitenzahl: 269
Veröffentlichungsjahr: 2017
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AUSSERDEMBEIPANINIERHÄLTLICH
Spannende Abenteuer-Romane für MINECRAFTER
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Sean Fay Wolfe: DIE ELEMENTIA CHRONIKEN
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ISBN 978-3-8332-3255-8
Sean Fay Wolfe: DIE ELEMENTIA CHRONIKEN Band 3: Ein Funke Hoffnung
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Nancy Osa: DIE SCHLACHT VON ZOMBIE-HILL
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Nancy Osa: DAS VERBANNTE BATAILLON
ISBN 978-3-8332-3247-3
Nancy Osa: SPAWN-PUNKT NULL
ISBN 978-3-8332-3433-0
Nähere Infos und weitere Bände unter
www.paninibooks.de
– Verteidiger der Oberwelt –
Buch 3
Nancy Osa
Bleibe deinen Wurzeln treu …
Sky Pony Press
New York
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Englische Originalausgabe:
“Defenders of the Overworld 3: Spawn Point Zero” by Nancy Osa, published in the US by Sky Pony Press, New York, USA, 2016.
Copyright © 2017 by Hollan Publishing. All Rights Reserved. Minecraft is a registeded trademark of Notch Development AB. The Minecraft Game is copyright © Mojang AB.
Deutsche Ausgabe: Panini Verlags GmbH, Rotebühlstr. 87, 70178 Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.
Geschäftsführer: Hermann Paul
Head of Editorial: Jo Löffler
Marketing & Kooperationen: Holger Wiest (E-Mail: [email protected])
Übersetzung: Maxi Lange
Lektorat: Kerstin Fricke
Produktion: Gunther Heeb, Sanja Ancic
Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart
Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln
YDMCJR003E
ISBN 978-3-8332-3486-6
Gedruckte Ausgabe: ISBN 978-3-8332-3433-0
1. Auflage, Mai 2017
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PaniniComicsDE
Für meine Freundin Lil
Spawnpunkt Null
Der Kavalleriekommandant blickte die Soldatin an seiner Seite an. Fridas schmutziges olivgrünes Gesicht zeigte sowohl sichtbare als auch unsichtbare Narben von dem Desaster, das sie gerade überstanden hatten. Sie war zäh, aber auch vielschichtig.
Tatsächlich war es der sechste Sinn der drahtigen Späherin und nicht etwa ihr Talent auf dem Schlachtfeld, der Roberto von Beginn an am meisten beeindruckt hatte. Erst kürzlich hatte er sich eingestehen müssen, dass sich sein anfänglicher Respekt für sie mittlerweile in Hochachtung gewandelt hatte. Sie waren Partner geworden – aber mehr zufällig. Wer hätte auch ahnen können, dass sie, zwei völlig unterschiedliche Wesen aus verschiedenen Welten, einmal das Schicksal der gesamten Oberwelt in ihren Händen halten würden? Was auch immer sie als Nächstes taten, würde entweder eine repräsentative Regierung und die damit verbundene Freiheit wiederauferstehen lassen oder aber finsteren Mächten die Zügel überlassen.
Würden sie sich alldem allein stellen müssen? Sie waren gezwungen gewesen, ihre vier Freunde zurückzulassen – vielleicht würden sie sie nie wiedersehen. Ein Spieler konnte nur eine begrenzte Schadensmenge aushalten, und irgendwann wurde eine Wiederbelebung unmöglich. Aber die Hoffnung auf eine neuerliche Wiedergeburt hatte die übrigen Mitglieder von Bataillon Null dazu bewegt, das ultimative Opfer zu bringen. Um die Union zu retten, hatten sie Rob und Frida ermutigt, loszulaufen und sich nicht umzusehen. Irgendjemand musste schließlich für Gerechtigkeit sorgen, und vielleicht … nur vielleicht … würden sie sich ja alle in der Basis wiedersehen.
Gemeinsam hatten es die sechs Kameraden geschafft, die Biomgrenzen zu verteidigen und eine neue Hauptstadt in den Bergen zu errichten. Für Rob war nun die Zeit gekommen, seine eigenen Grenzen zu finden. Es reichte nicht mehr aus, zu wissen, woher er kam und wohin er ging. Er musste sich entscheiden, ob er sein Dasein dieser Welt und diesen Leuten widmen oder doch einen Weg nach Hause suchen wollte.
Wieder sah er zu Frida hinüber. Er mochte sich gar nicht vorstellen, wie es wohl wäre, ohne sie zu sein. Der Drang, diese Welt zu verlassen, war inzwischen verblichen wie eine alte Jeans. Spielte es denn eine Rolle, wo sie sich befanden, solange sie nur bei ihm war? Wenn der Hauptmann eines aus den Ereignissen der letzten Tage und Wochen gelernt hatte, dann war es die Tatsache, dass in diesem Spiel die Zeit wichtiger war als der Raum. Und vielleicht hing ihrer aller Zukunft davon ab, ob es ihm gelingen würde, seine Vergangenheit ruhen zu lassen.
Kapitel 1
Roberto kritzelte eine Zeile, strich einige Worte sofort wieder durch und lehnte sich seufzend zurück. Diesen Text zu verfassen war schwieriger, als eine ganze Herde Kühe einzufangen, zusammenzutreiben und zu hüten. Eines allerdings, so war ihm aufgefallen, hatten beide Tätigkeiten gemeinsam: Man musste am Ball bleiben. Sinnloses Herumsitzen würde weder eine Viehherde zum Markt bringen noch die vor ihm liegende Anzeige gestalten.
„Und leider sitzt mir niemand mit der Peitsche im Nacken, damit ich das endlich zu Ende bringe“, murmelte der Ex-Cowboy zu sich selbst. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das vor ihm liegende Papier.
In diesem Moment krabbelte eine haarige schwarze Spinne in sein Blickfeld und huschte eilig auf ihn zu. Rob versuchte, sich weiter auf seine Aufgabe zu konzentrieren, und zog gedankenverloren sein Eisenschwert. Er richtete es so aus, dass der Achtbeiner geradewegs hineinrannte und sich selbst aufspießte. Instinktiv griff Rob nach dem fallen gelassenen Faden und dem Auge der Kreatur, bevor Letzteres davonrollen konnte. Immer diese Ablenkungen, dachte er und wickelte geistesabwesend ein Ende des Fadens um das erbeutete Spinnenauge und das andere um einen Finger. Dann ließ er das runde Gebilde wie ein Jo-Jo gegen seine Handfläche prallen.
Als er bemerkte, was er da eigentlich tat, warf er sein Spielzeug belustigt von sich. Denk nach!, befahl er sich.
Einige Minuten später hatte er endlich einen annehmbaren Entwurf fertiggestellt. Dort stand:
PIONIRE GESUCHT
Neue Haupstadt der Vereinigten Biome der Oberwelt im Bau sucht Spieler und Dorfbewohner, die umsiedeln möchten. Investizion nicht notwändig. Beta City bietet euch:
– junge Wirtschaft
– familienfreundliche Atmosfähre
– Schutz vor Mobs und Grifern
Angenommene Imigranten erhalten freie Unterkunft, einen Monatsvorrat Verpflegung sowie Arbeitsplätze. Schön gelegen in den extremen Bergen. Bewerbungen bitte ans Rahthaus von Beta City.
„Was hast du da, Hauptmann?“, fragte Stormie.
Sie hatte ihr TNT beiseitegelegt und trat neugierig zu Rob. Die durchtrainierte, dunkelhäutige junge Frau war in der Lage, eine starke Verteidigung zu errichten, konnte aber auch an der Front zupacken – und zwar mit und ohne ihr geliebtes TNT.
Rob runzelte die Stirn und versuchte, sie nicht anzustarren. Stormie trug ihr übliches Outfit – ein schwarzes bauchfreies Top und Shorts –, aber ein Kommandant durfte sich nicht von solcherlei Dingen ablenken lassen. Er musste Neutralität wahren, besonders wenn es um seine Soldaten ging. „Das ist eine Anzeige, in der ich unsere neue Stadt anpreise, Gefreite. Aber ich glaube, meine Rechtschreibung lässt etwas zu wünschen übrig …“
Sie nahm ihm das Papier ab und las stumm. „Nur ein paar Fehler, Hauptmann. Klingt jedenfalls gut. Wenn ich nicht schon hier wäre, würde ich mich sofort bewerben.“ Ihr fröhliches Lächeln wirkte ansteckend auf Rob.
„Danke!“ Er betrachtete das Lager, das gerade vom Bataillon errichtet wurde, und die große Baustelle zwischen den Hügeln. Ihre Behausungen wirkten vor der Szenerie des in der Ferne in den Himmel ragenden Gebirgskamms beinahe winzig.
„Denk nur an all die Möglichkeiten“, sagte Stormie zum Hauptmann. „Momentan ist unsere Stadt die perfekte Wahl.“
Rob hätte ihren Enthusiasmus nur zu gern geteilt. Aber niemand konnte ahnen, was für Leute sich auf Robs Anzeige melden würden. Verstohlen seufzend fuhr er sich mit einer sonnengebräunten Hand durch das schwarze Haar. „Eine Stadt ist immer nur so gut wie die Leute, die darin leben.“
„Oder wie die Leute, die sie gründen“, insistierte Stormie.
Wenn das wahr ist, dachte Rob ironisch, sollten wir Beta lieber noch einen frischen Anstrich verpassen.
Der Hauptmann konnte nicht anders – er machte sich Sorgen um die Motivation seiner Mannschaft … und seine eigene. Die Kavallerie hatte Monate damit zugebracht, gemeinsam Griefer und feindliche Mobs zu bekämpfen, bevor diese Stadt überhaupt Gestalt angenommen hatte. Und nun, da die Gefahr vorerst gebannt war, brannten die sechs Spieler darauf, zu ihren ursprünglichen Lebensgewohnheiten zurückzukehren: Stormie würde wieder durch die Weltgeschichte reisen, Frida würde in ihren Dschungel zurückgehen, Turner würde sein Söldnerdasein wieder aufnehmen, Jools würde kluge Strategien ausklügeln und verkaufen, und Kim sehnte sich bestimmt danach, ihre Pferde und den Hof auf der Sonnenblumenebene wiederzusehen. Und Rob? Sein Herz hing nicht an dieser generierten Welt, sondern an der endlosen Weite des Landes, aus dem er stammte: einem friedlichen Gebiet wie aus einem Western, das er unbedingt wiederfinden wollte. Er war nach einem Kurzurlaub gerade auf dem Weg dorthin zurück gewesen, als er sich plötzlich in dieser völlig fremden Welt wiedergefunden hatte. Da sich sein Spawnpunkt in einem Flugzeug befand, das gerade über dem Ozean unterwegs gewesen war, schien ihm eine Rückkehr nach Hause mehr als schwierig zu sein.
Rob trug wie immer Cowboyhose, Lederweste und Stiefel. Das Tal, in dem er sich aufhielt, stand in voller Blüte, und die Energie und Vitalität, die diese Blumen ausstrahlten, kamen ihm wie ein gutes Omen für die neue Stadt vor. „Es geht also los“, sagte er. „Bald öffnet die Stadt ganz offiziell ihre Tore.“ Sein aufsteigender Stolz ob ihrer aller Leistung vermischte sich mit Panik. Dieser Schritt bedeutete für die Oberwelt entweder Erlösung oder Verdammnis – und zu diesem Zeitpunkt konnte noch keiner ahnen, was genau sie ins Rollen gebracht hatten.
„Es ist eine schöne neue Welt, Hauptmann“, meinte Stormie und betrachtete die Landschaft.
Zu ihren Füßen breitete sich eine üppige, von Blumen bedeckte Talwiese aus, die hier und dort von blau schimmerndem Wasser durchzogen war, das seinen Ursprung im angrenzenden Gebirge hatte. Die extremen Berge, deren Gipfel bis in die Wolken ragten, bildeten einen natürlichen Schutzschild, der die Hemisphären dieser Welt abgrenzte und Rob und seine Leute nahezu von der Außenwelt abschnitt. Von hier unten sahen die komplexen Felsformationen aus wie eine Galerie aus Klippen, Schluchten, Höhlen und überstehenden Felsen. Von dort oben hingegen hatte man ungehinderte Sicht über alle Biome, die sich in jede Richtung bis zum Horizont erstreckten.
Nun wurde das wunderschöne Tal zu einem Ort umfunktioniert, der hier perfekt hinpasste: die erste Hauptstadt der Oberwelt seit der Zerstörung von Alpha City im lange zurückliegenden Krieg. Jahrelang hatte die alte Regierung mal von einem und dann wieder von einem anderen Biom aus agiert. Aber es gab Dutzende Biome, und irgendwann hatten finstere Mächte begonnen, das Chaos auszunutzen, um die Macht an sich zu reißen und den Bewohnern ihr Land zu stehlen. Doch dann war Bataillon Null angeprescht gekommen und hatte sie aufgehalten.
Nun, da die Grieferallianz unter Kontrolle war, gab es mehr und mehr Gründe, die für einen zentralen Machtsitz sprachen. Rob und seine Kavallerie gehörten zu einer Handvoll Zuversichtlicher, die sich Gedanken über diese neue Idee gemacht hatten. Nachdem alle Bedenken und Streitigkeiten beigelegt waren, hatten sie sich letztendlich geeinigt, dass sie es tatsächlich wagen wollten.
*
EINIGE MONATE ZUVOR
„Nur Schweinezombies würden freiwillig an so einen Ort ziehen!“, murrte Turner. Obwohl der sonnengebräunte, mit Tattoos übersäte Söldner der Waffenmeister des Bataillons war, missfiel ihm die Aussicht auf allzu viel Ordnung und Regeln. „Also, wenn ihr mich fragt“, sagte er, „’ne Stadt voller Gesetzesmänner und Gesetzemacher ist kaum besser als der Nether.“
„Im Nether herrscht das reinste Chaos, falls du dich erinnerst“, erwiderte Jools und trommelte mit seinen blassen, schlanken Fingern auf die Platte des langen Tischs, um den sich das gesamte Bataillon und seine Ratgeber versammelt hatten. Dank Jools’ früherer Beschäftigung als Truppenberater war er meist als Erster dazu in der Lage, eine Situation zu überblicken. Als Kavallerie-Quartiermeister führte er penibel Buch über all ihre Vorräte und galt unter seinen Kameraden als die Stimme der Vernunft. Also hörten die anderen aufmerksam zu, als er fortfuhr: „Was wir brauchen, ist der goldene Mittelweg.“
„Klar, dass so etwas von dir kommt“, schnaubte Frida, die Späherin des Trupps. „Nur weil du dich nicht gern für eine Seite entscheidest, heißt das nicht, dass auch jeder Einwohner der Oberwelt deine goldene Mitte bevorzugt.“
Jools schob die Ärmel seiner Tweedjacke hoch und lehnte sich über den Tisch. „Du würdest am liebsten wie immer einen Alleingang starten, richtig? Ich bin überrascht, dass du überhaupt für eine Hauptstadt stimmst. Wenn ich mich nicht irre, bist du doch die Abtrünnige, die von einer langen Linie aus Einzelkämpfern abstammt.“
Fridas olivgrüne Haut nahm eine etwas dunklere Färbung an. „Das musst gerade du sagen! Wie lange hast du denn gebraucht, ehe du endlich ein Schwert in die Hand genommen und gemeinsam mit uns gekämpft hast?“ Die Überlebenskünstlerin war tatsächlich zur Einzelkämpferin erzogen worden, hatte sich aber dennoch ganz und gar der Sache des Bataillons verschrieben – und dafür hatte es deutlich weniger Überzeugungsarbeit bedurft als bei Jools.
Fridas Freundinnen Stormie und Kim starrten den Quartiermeister an, als wollten sie ihn herausfordern, seinem verbalen Angriff auf Frida noch etwas hinzuzufügen.
Hauptmann Rob hob eine Hand. „Leute, lasst uns nicht streiten. Das hier ist eine Gruppendiskussion und keine Reality-Show. Richter? Colonel? Wo waren wir stehen geblieben?“
Die Hauptmitglieder von Bataillon Null, Rob, Turner, Jools, Frida und Kim, hatten sich im Konferenzraum mit ihren Beratern Richter Tome und Colonel M getroffen, um gemeinsam eine Strategie für die Errichtung einer neuen Oberwelt-Hauptstadt zu entwickeln. Zuallererst wollten sie ausarbeiten, ob ihr Vorhaben überhaupt machbar war. Erst wenn jeder Zweifel ausgeräumt wäre, würden sie diese neue Mission in Angriff nehmen.
Colonel M räusperte sich. Er hatte den Faden verloren und hätte wohl mit den Schultern gezuckt, wenn er welche besessen hätte. Doch nach der entscheidenden Schlacht des Ersten Krieges war nur der Kopf des alten Veteranen wiederbelebt worden, der seitdem jedoch um das Zwanzigfache vergrößert war. Das silbergraue Haar stand ihm in wilden Büscheln vom Schädel ab.
Der bebrillte Richter Tome blätterte durch den Stapel Papiere, die vor ihm lagen, und suchte nach der Tagesordnung. Obwohl er die Würde seines ehemaligen Postens offiziell aufgegeben hatte, besaß der Richter nach wie vor eine beeindruckende Präsenz, der das kurz geschnittene graue Haar und die fein säuberlich manikürten Fingernägel nur zuträglich waren. Er richtete seine schwarze Robe und fand schließlich die gesuchte Seite.
„Hier ist es. Mal sehen. Wir haben Punkt 1a abgehakt: den Standort. Dasselbe gilt für 1b, Gemeinschaftsgebäude und Unterbringung, und 1c, Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser. Weiter geht es mit Punkt 1d: Transport und Verteidigungsmaßnahmen.“
Rob richtete sich erfreut auf. Pferde und berittene Soldaten – damit kannte er sich aus.
Richter Tome fuhr fort: „Ich glaube, der Quartiermeister hatte darum gebeten, zuerst das Wort ergreifen zu dürfen.“
Sofort war Jools von den Schwächen und Fehlern seiner Kameraden abgelenkt und schaltete in den Organisationsmodus um. Geschwind öffnete der blasse Teenager eine Datei auf dem Laptop, der vor ihm auf dem Tisch stand. „Auf euren Bildschirmen seht ihr ein Diagramm des Schienennetzes, das in unserem angestrebten Gebiet bereits existiert. Zusätzlich habe ich ein Konzept für dessen Erweiterung entworfen.“
Die Versammelten starrten auf ihre Bildschirme. Auf der Karte mit den verlassenen Schienen erkannte Rob die Route, die vom Grieferbündnis des Syndikats genutzt worden war, um Beute und Truppen quer durch die Biome von A nach B zu transportieren. Es waren ihre rücksichtslosen Dorfbelagerungen gewesen, die Rob und die anderen letztlich dazu veranlasst hatten, sich zusammenzuschließen und dem Spuk ein Ende zu bereiten.
Jools nutzte seinen Cursor als Zeigestock. „Es gibt bereits eine Strecke zwischen Sunflower und Spike City, die an dieser Stelle durch die extremen Berge führt. Mit etwas Wartungsarbeit, ein paar Neben- sowie Abstellgleisen und Haltestellen – hier, hier und hier – haben wir in kurzer Zeit einen funktionierenden Ring, der sich sowohl für den Transport von Passagieren als auch Ressourcen eignen sollte. Ich schlage vor, dass wir parallel dazu eine identische Strecke verlegen, damit der Schienenverkehr gleichzeitig in beide Richtungen laufen kann.“
Colonel M nickte wohlwollend, hatte jedoch auch Bedenken. „Damit hätten wir eine effiziente Versorgungsroute“, erkannte er in seinem volltönenden Bariton. „Aber die Strecke stellt auch ein attraktives Ziel für Griefer dar.“
Jools hob einen Finger. „Das habe ich bedacht, Colonel. Wir stellen einfach eine Transportpolizei ein. Die kümmert sich um die Sicherung des Schienennetzes und arbeitet mit den Bau- und Wartungstrupps zusammen. Das schafft Arbeitsplätze“, fügte er noch hinzu und wies damit auf den Hauptgesichtspunkt hin, der die Leute in die neue Stadt locken sollte.
Artilleristin Stormie erhob sich. „Ich unterstütze den Antrag des Colonels. Es wäre ein wahrer Luxus, die entferntesten Biome irgendwann einmal per Lore bereisen zu können.“ Die berühmte Abenteurerin behauptete, bereits alle Territorien der gesamten Oberwelt gesehen zu haben.
Rob runzelte die Stirn. „Gib mir eine Kostenanalyse, Quartiermeister!“
Jools überwachte die gemeinschaftlichen Lagerbestände, die immer noch zu einem Großteil mit der Beute bestückt waren, die vorher Bluedog gehört hatte – einem skrupellosen Geldverleiher, mit dem sie vor wenigen Wochen noch Geschäfte gemacht hatten. Sein Vermögen und Fridas beachtliche Schätze aus dem Dschungeltempel sollten die Konstruktion der neuen Hauptstadt vorantreiben. Jools lenkte die Aufmerksamkeit der Versammelten auf die Berechnungen, die er für sein Schienenprojekt angestellt hatte. Alles befand sich im angemessenen Rahmen.
„Ein öffentliches Verkehrssystem wird natürlich zunächst Kosten verursachen, aber auf lange Sicht sparen wir damit Geld“, versicherte er seinen Kameraden.
Der Vorschlag wurde angenommen. Im nächsten Schritt widmeten sie sich dem Thema Abwehr und der Frage, wo sie ihr Basislager und die Ställe für ihre Pferde errichten wollten. Unteroffizier Kim, die für die Tiere zuständig war, schlug ein grünes Tal am Fuß der Berge vor, das nur wenige Laufminuten vom zukünftigen Stadttor entfernt war. Rob respektierte Kims Meinung und verließ sich darauf, dass sie die Bataillonspferde trainierte, versorgte und mit allem ausstattete, was nötig war – schließlich boten sie dem Bataillon den entscheidenden Vorteil im Kampf.
„Früher oder später brauchen wir zusätzliche Pferde“, meinte er. „Die eintreffenden Arbeiter und Reisenden werden Sattel- und Packtiere benötigen, um schnell an Orte zu gelangen, die nicht ans Schienennetz angeschlossen sind.“
„Es besteht immer Bedarf an ausgeruhten Pferden“, fügte die kleine Kim mit der rosafarbenen Haut hinzu. Sie rückte ihre ebenfalls rosafarbene Lederkappe auf dem pechschwarzen Haar zurecht, wobei ihr einzelner Goldohrring ins Schwanken geriet und glitzernd das Fackellicht reflektierte. „Unsere Pferde haben einiges durchmachen müssen“, sagte sie, „und bisher hatten wir Glück. Aber es ist an der Zeit, mein Gestüt auf der Sonnenblumenebene wieder aufzubauen. Ich würde gern einen Verwalter einstellen, der sich um meinen Hof kümmert und uns bei Bedarf mit neuen Tieren versorgt.“
„Guter Plan, o Pferdeflüsterin“, entgegnete Frida und nickte der Pferdeexpertin ermutigend zu.
„Ich bin dafür“, bestätigte auch Jools. Das bedächtige Gemüt seines honigfarbenen Hengstes eignete sich kaum für wilde Gefechtssituationen. Ihm kam ein zusätzliches Reittier gerade recht. „Versteht mich nicht falsch, ich liebe meinen Beckett, aber ab und zu wäre mir ein Rennpferd schon lieber.“
Im weiteren Gespräch ging es um Eisengolems, Waffen und die Befehlskette – alles Dinge, die über Erfolg und Misserfolg ihrer neuen Stadtidee entscheiden konnten. Colonel M bot an, zwei der Eisengolems zu spenden, die er kürzlich zur Bewachung seiner Netherfestung erschaffen hatte. Sergeant Turner, der Waffenexperte des Bataillons, zählte in einer endlos langen Liste die Klingen und anderen Waffen auf, die im Gemeinschaftslager auf ihren Einsatz warteten. Sein Vorschlag, das Waffenlager des Bataillons in sein Inventar zu verlegen – zur sicheren Verwahrung, wie er beteuerte –, wurde einstimmig abgelehnt.
„Verwahrung vielleicht“, murmelte Jools.
Stormie nickte: „Aber ‚sicher‘ eher nicht.“
Turner hatte bereits einmal zu oft Schindluder mit dem Eigentum des Bataillons getrieben. Rob ließ ihm den Rang als Waffenmeister eigentlich nur, weil Turner einfach alles über Waffenwartung und Waffenbau wusste.
Der Hauptmann blickte aus dem Fenster des Konferenzraums in ihrer momentanen Unterkunft. Die Schatten wurden länger, was bedeutete, dass sein Bataillon mit dieser Debatte schon Stunden verbracht hatte. Er stand auf und befestigte eine Fackel an der Wand. „Nächstes Thema, Richter?“
Der Jurist las aus der Tagesordnung vor: „Abschnitt 2. Auf welche Hindernisse könnten wir treffen, und wie können wir sie umgehen?“
Sofort redeten alle durcheinander.
„Blutgierige Zombies!“
„Griefer werden unsere Baumaterialien plündern.“
„Plündern? Wohl eher alles in die Luft jagen.“
„Es könnte Lawinen geben …“
„… eine Silberfischchenplage …“
„… Überschwemmungen!“
Der Richter klopfte mit dem stumpfen Ende einer Holzaxt auf den Tisch. „Einer nach dem anderen, Leute. Schön einer nach dem anderen!“
Colonel M fügte hinzu: „Diese Angelegenheit könnte über Erfolg oder Misserfolg des Projekts entscheiden. Wir sollten systematisch prüfen, was alles schiefgehen könnte, damit wir am Ende nicht überrascht werden.“
Richter Tome nickte. „Wie wir Lateiner sagen: Estote parati. Seid bereit, Freunde. Sowohl für Erfolge als auch Misserfolge.“
Rob merkte sich diese Herangehensweise für die Zukunft. Schließlich war der Richter ein meisterhafter Analyst, wenn es um dieses Spiel ging. Der Colonel wusste, wie man Spielern eine Richtung vorgab. Vor einiger Zeit hatte er dem Hauptmann gar anvertraut, dass er sehr viel mehr von Menschen als von irgendwelchen klugen Strategien verstand. Aber Rob vermutete, dass die beiden Elemente ohnehin miteinander verbunden waren. Der alte Kriegsveteran hatte Rob gezeigt, dass ihm die sorgfältige Vorbereitung seiner Truppe deren Respekt einbringen würde, und das war im Eifer des Gefechts wichtiger als alle Waffen dieser Welt.
Es wurde dunkel. Kurz darauf drangen Monstergeräusche von draußen herein. Die Kameraden setzten ihr Brainstorming fort, bis sie jedes kleinste Problem erörtert hatten, das ihnen bei ihrem Vorhaben in die Quere kommen konnte: Spieler, Monster, Griefer und nicht zuletzt Mutter Natur. Sie waren gerade dabei, sinnvolle Abwehr- und Präventionsmaßnahmen zu entwickeln, als sie plötzlich ein Stöhnen vernahmen.
„Ööööhh … Ooohhh!“
Glasscheiben zerschellten, und schon reckte sich ein faulig-grüner Arm in die Unterkunft. Turner, Frida und Kim stürzten sich alle gleichzeitig auf das Monster und stolperten in ihrer Hast beinahe übereinander. Ihre Schwerter schepperten laut, als sie die Kreatur um ihren Arm erleichterten, der aber sogleich durch drei weitere verrottende Extremitäten ersetzt wurde. Diesmal wechselten sich die drei Schwertkämpfer ab und erledigten auch diese Monster. Der aufsteigende süßliche Verwesungsgestank war so intensiv, dass Rob würgen musste.
Ohne seinen rechten Arm gelang es einem der Zombies, sich durch den einzelnen Block zu zwängen. Turner stellte sich dem neuen Ziel entgegen und hackte auf dessen Beine ein. „Was, du willst einen Freiflug?“, grollte er und schlug so fest zu, dass das Monster quer durch den Raum flog und auf dem Tisch landete. Turners Kameraden zogen sich zurück, um dem Sergeant das Feld zu überlassen. „Tja, da hab ich genau das richtige Ziel für dich im Auge … Viel Spaß in der Hölle“, rief er, schnitt dem Zombie den Kopf ab und trat den leblosen Torso wie beiläufig vom Tisch. Dann steckte er sein Schwert weg und klopfte sich die Hände ab. Als wären sie gar nicht unterbrochen worden, holte er einen Zahnstocher hinter einem Ohr hervor und fuhrwerkte sich damit zwischen den Beißern herum.
„Ich habe De Vries schon hundertmal gesagt: Keine Fenster!“, nörgelte Frida, während sie einen Erdblock aus dem Boden löste und damit das einstige Fenster verstopfte.
Kim nahm ihre Kappe ab und sammelte darin das verrottete Fleisch, das der Zombie hinterlassen hatte.
„Was hattest du gerade sagen wollen, Stormie?“, fragte Frida und setzte sich wieder an den Tisch, als wäre nichts geschehen.
Die Angesprochene zupfte sich ein paar Glassplitter aus dem langen Pferdeschwanz. „Ich schätze, wir sollten mit allen Bedrohungen durch andere Menschen und feindliche Mobs klarkommen. Lawinen sind zwar möglich, aber sehr unwahrscheinlich. Das Wetter wird uns in der Höhe, auf der wir bauen wollen, keine Probleme bereiten.“
„Damit bliebe als letztes mögliches Problem noch die Planungsphase“, schloss Richter Tome.
„Das sehe ich anders!“, rief Jools beleidigt. „Ich bin jederzeit bereit, sämtliche Baupläne, notwendigen Termine und eine funktionierende Versorgung zu organisieren. Wenn ich damit fertig bin, wird unser gesamter Konstruktionsplan narrensicher sein.“
„Falls wir so dumm sind und das alles wirklich durchziehen“, sagte Turner, lehnte sich zurück und verschränkte die Finger hinter dem Kopf.
„Was uns geradewegs zum letzten Punkt führt.“ Der Richter zeigte auf die vor ihm liegende Agenda, und sein goldener VBO-Ring blitzte auf. „Abschnitt 3. Wir sind uns einig, dass unser Konzept sinnvoll ist und hypothetisch funktionieren kann. Jetzt müssen wir abstimmen, ob wir es nun auch in die Tat umsetzen wollen. Es geht um ein abschließendes Ja oder Nein.“
Rob schluckte schwer. Er glaubte schon, dass die beteiligten Parteien in der Lage wären, eine neue Hauptstadt aufzubauen und zu verwalten. Aber würden sie sich dieser Aufgabe auch ganz und gar verschreiben? Der Hauptmann von Bataillon Null vertraute auf die individuellen Stärken seiner Truppe. Aber er wusste auch, diese freiheitsliebenden Geister zu einer Einheit zu machen, würde ungefähr so werden, wie einem Maultier einen Zahn zu ziehen: schwierig, schmerzhaft und manchmal blutig.
„Ich fasse zusammen“, donnerte Colonel Ms erhabener Bariton durch den Raum. „Ein Ja bedeutet, dass ihr euch für eine Stärkung dessen aussprecht, was von den Vereinigten Biomen der Oberwelt übrig ist. Die Errichtung einer Hauptstadt wird dafür sorgen, dass wir nur einen einzigen Punkt verteidigen müssten, anstatt uns um mehrere Biomgrenzen gleichzeitig zu kümmern. Eine örtliche Polizei und ein stehendes Heer werden das Bataillon bei der Verteidigung unterstützen. Außerdem liefert ein zentraler Regierungssitz den Dörfern einen konkreten Ort, mit dem sie sich verbünden können.“
Sein Gesichtsausdruck wurde ernst. „Ein Nein wäre gleichbedeutend mit der Auflösung dieses Komitees. Damit läge die Verteidigung der Oberwelt wieder einzig und allein bei euch sechs.“
Rob erhob sich und glättete seine Kleidung. „Ich will nichts beschönigen, Leute, diese Aufgabe ist enorm. Aber wenn uns die Wiedervereinigung der Oberwelt wirklich gelingt, können wir früher oder später zu unserem alten Leben zurückkehren. Lassen wir es aber zu, dass sich viele einzelne Fraktionen bilden, die diese Welt immer weiter aufspalten, wird dies das Leben aller erschweren.“ Er hoffte, seine kleine Rede würde seinen Kavalleriekameraden bei der Entscheidung helfen, denn sie alle hatten gute Gründe, sowohl für als auch gegen dieses Projekt zu stimmen.
Richter Tome hob seine Brille an und massierte sich kurz den Nasenrücken. „Wenn ich noch etwas hinzufügen darf … Ein Ja würde eine demokratische VBO-Regierung wiederauferstehen lassen. Ein Nein könnte diese Idee ein für alle Mal zerstören.“ Er hielt inne. „Wer stimmt mit Ja …?“
Rob setzte sich wieder auf seinen Platz, hob die Hand und hielt gespannt die Luft an. Er wusste nur zu gut, dass Kim und Stormie ihre alten Tätigkeiten wieder aufnehmen wollten. Jools und Turner winkte deutlich mehr Geld, wenn sie sich der KGA verpflichteten. Und was Frida betraf … Sie hatte sich selbst kurz nach ihrem ersten Zusammentreffen als einsame Wölfin bezeichnet. Der Dschungel würde sie erneut verschlucken und sicher nie wieder loslassen.
Zuerst schoss Kims Hand in die Höhe. Dann hoben auch Stormie und Jools einen Zeigefinger.
Rob blickte zu Frida hinüber. Sie stieß Turner an und hob ebenfalls eine Hand.
Richter Tome zögerte und setzte dann an: „Wer stimmt mit …?“
„Warte noch!“ Turner beugte sich vor und sah Rob in die Augen. „Wir werden monatlich bezahlt?“
Rob fand seine Stimme wieder. „Ja, ja!“
Turner hob zwei Finger. „Dann bin ich dabei.“
Der Colonel und der Richter hatten bereits vorab erklärt, dass sie mit jedweder Entscheidung des Bataillons einverstanden seien, also war es beschlossene Sache.
Rob schoss von seinem Platz hoch, reckte eine Hand in die Höhe und schrie begeistert: „Yeah!“
„Dann mal los, Bataillon Null!“, rief Kim und boxte in die Luft.
„Nichts geht über eine einstimmige Entscheidung für den Weltfrieden“, murmelte Stormie. „Nimm das, Lady Craven!“ Die Artilleristin hatte kürzlich einen großen Erfolg im Kampf gegen die globale Bedrohung der Grieferallianz erzielt – und damit gegen die Zauberin, die diese kommandierte.
Rob seufzte und war erleichtert darüber, dass die Wahl so ausgegangen war, wie er es sich erhofft hatte. „Es wird sehr viel leichter, Lady Craven und ihre Armee von einer Festung aus zu bekämpfen, anstatt ihnen ständig hinterherzujagen und sie immer da abzufangen, wo sie gerade angreifen.“
„Falls sie es überhaupt schafft, aus dem Kreativmodus zu entkommen“, fügte Frida hinzu. Sie war diejenige gewesen, die Lady Cravens Spielmodus geändert hatte, als die Horden der Grieferkönigin gerade dabei gewesen waren, die Dorfbewohner in der südlichen Hemisphäre der Oberwelt zu versklaven.
Jools verschränkte die Arme. „Wenn sie nicht kommt, wird ein anderer schleimiger Zeitgenosse ihren Platz einnehmen.“
„Ich mag dein Vertrauen in die menschliche Natur“, sagte Rob trocken.
Turner grunzte. „Manche Spieler wollen immer mehr als das, was sie haben, aber nicht dafür arbeiten.“
Frida grinste ihren alten Freund an. „Ganz im Gegensatz zu dir, nicht wahr, Klops?“
Turner warf ihr einen finsteren Blick zu. „Ich muss schließlich auch sehen, wo ich bleibe.“
Richter Tome klopfte wieder mit seiner Holzaxt auf den Tisch. „Das ist nicht der richtige Ort, um Sergeant Turners Moral zu diskutieren. Alea iacta est. Die Würfel sind gefallen.“ Wieder ließ er die Axt auf die Tischkante niederfahren. „Die Versammlung ist geschlossen.“
Rob stand auf und streckte sich. In ihm machten sich sowohl Zufriedenheit als auch Unbehagen breit. Die schwierigste Debatte war überwunden. Nun galt es, anzupacken, eine Stadt aus dem Boden zu stampfen und Einwohner und Verbündete anzuwerben. Außerdem mussten die Spieler lange genug am Leben bleiben, um eine rechtmäßige Regierung einzusetzen, und dabei gleichzeitig Zombies, Skelette, Creeper und all die anderen Monster davon abzuhalten, sich in ihr schönes Projekt einzumischen. Diese Aufgabe hatte Rob übernommen, denn die Abwehr der Stadt während der ersten Konstruktionsphase würde ihm und seinem Bataillon zufallen. Das war kein großes Problem, schließlich bestand diese Truppe aus kampferprobten Recken. Die viel dringlichere Frage war, wie lange er tatsächlich auf ihre Dienste zählen konnte.
Außerdem war da noch eine weitere ziemlich heikle Sache, um die Rob seine Kameraden bitten wollte. Der Hauptmann hatte es bisher vor sich hergeschoben, davon zu sprechen, da er nicht wusste, wie er es formulieren sollte. Wenn er Turner und Frida mit seinem Anliegen vor den Kopf stieß, könnten sie unberechenbar reagieren – und die anderen vielleicht stur.
Rob musste den richtigen Moment abwarten.
*
Kurz darauf war der erste Spatenstich gemacht worden, und das Bauen hatte begonnen. Die Kavallerie kümmerte sich um die Errichtung eines Lagers und Übungsplatzes, während sie gleichzeitig Arbeiter und Beute bewachte und feindliche Mobs erledigte. Doch je mehr Tage verstrichen, desto mehr sorgte Rob sich um das Engagement seiner Truppe. Ja, sie hatten sich einverstanden erklärt, ihre persönlichen Pläne und Ziele zum Wohle der Oberwelt vorerst auf Eis zu legen. Aber für wie lange noch?
Sobald die ersten Leute einzogen, würde die Stadt zum Hauptziel ihrer Feinde werden. Rob würde jedem einzelnen Mitglied seines Bataillons uneingeschränkte Loyalität abverlangen. Aber würde er sie auch bekommen? Während Rob Stormie bei der Korrektur seiner Anzeige zusah, grübelte er wieder einmal darüber nach, wie er seine Leute darauf ansprechen sollte. Möglicherweise hatte er einen Weg gefunden, sich ihrer Loyalität zu versichern … aber gefallen würde es ihnen vermutlich nicht.
Die Situation erinnerte ihn an seine erste Nacht in dieser Oberwelt, nachdem er aus einem Flugzeug ins Meer gestürzt war. Nach einer beachtlichen Schwimmleistung hatte er fast nichts besessen: keine Nahrung, keine Waffen – nur die Kleidung, die er am Leib trug. Auch sein Cowboyhut war ihm in den Wellen abhandengekommen. Als Rob endlich am Strand angespült worden war, hatte er nichts als eine Säule aus Sand, auf der er Schutz suchte – und nicht den leisesten Schimmer, ob seine provisorische Konstruktion halten oder sich in Millionen kleine Körnchen auflösen würde.
Kapitel 2
Je näher der Tag rückte, an dem in Beta City neue Einwohner einziehen sollten, desto mehr Bedenken kamen Hauptmann Rob hinsichtlich der Fähigkeit seines Bataillons, die Stadt zu sichern. Er hatte die Truppe zum täglichen Training antreten lassen und sie beinahe pausenlos um sich gehabt, aber da sein „Moment“ bisher nicht gekommen war, hatte er sie noch nicht um diesen einen wichtigen Gefallen gebeten.
„Jetzt reicht es! Heute werde ich es tun“, sagte er zu sich selbst. Nach den verheerenden Ereignissen, die schließlich zu der Schlacht am Zombiegipfel geführt hatten, war ihm klar geworden, dass Taten – so unerprobt sie auch sein mochten – letztlich die Vorsicht übertrumpfen mussten. Dennoch würde eine gute Vorbereitung dafür sorgen, dass er und seine Truppe am Leben blieben – das hatte ihm Richter Tome beigebracht.
Rob durchquerte das Talgehege, aus dem nach und nach ein richtiger Stall entstand. Die Pferde waren in guter Form und blitzschnell – außer Beckett, dessen Talente … anderswo lagen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würden sich Griefer und Unruhestifter genauso wie Wölfe und Creeper zuerst auf die Tiere stürzen, um dem Bataillon zu schaden.
Eine permanente Unterkunft mit Scheune musste noch errichtet werden, also wurden die Pferde draußen gut bewacht. Nicht weit vom gemeinschaftlichen Schlafhaus entfernt lag eine weite, von Fackeln erleuchtete Koppel, die sie eingeebnet hatten. Das Nahen des Hauptmanns wurde mit einem tiefen Wiehern seines Schlachtrosses Saber und einem quiekenden Iahen der gesprächigen Maultierdame Marilyn quittiert, die für gewöhnlich von Richter Tome geritten wurde. Sie unterstrich ihre Begrüßung, indem sie den Schweif hob und dreimal hintereinander laut furzte. Rob salutierte lächelnd.