Den Pferden zuhören - Tanja von Salzen-Märkert - E-Book

Den Pferden zuhören E-Book

Tanja von Salzen-Märkert

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Beschreibung

Tanja von Salzen-Märkert beschreibt den Weg zu Pferden, wie ihn jeder andere auch gehen könnte. Schritt für Schritt beantwortet sie unter an-derem die simple Frage: Warum sollte sich das Pferd eigentlich für mich interessieren? Antworten geben Themen wie diese: -Den Alltag hinter sich lassen -Mit dem Pferd ins Gespräch kommen -Harmonie als Resultat -Den Pferden zuhören -Die Zauberformel: Authentizität -Erste Schritte zur Tierkommunikation Das Buch zeigt in beeindruckender Weise den Weg zum besseren Pferde-verständnis, wie wir uns dem Pferd öffnen und echte Harmonie herstellen können. Der Leser wird belohnt, indem er die natürliche Balance mit sich und dem Pferd findet. Tanja von Salzen-Märkert betreibt die Pferdeschule Equus Caballus, in der sie Pferde und Menschen zum besseren Verständnis füreinander ausbildet.

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Seitenzahl: 234

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Den Pferdenzuhören

Der Weg zur Achtsamkeit

TANJA VON SALZEN-MÄRKERT

Den Pferdenzuhören

Der Weg zur Achtsamkeit

Haftungsausschluss

Autorin und Verlag weisen darauf hin, dass die in diesem Buch beschriebenen Trainingseinheiten keine Alternative zu professionellem Reitunterricht darstellen. Autorin und Verlag lehnen jegliche Schadenersatzforderungen ab, die auf Unfälle, Verletzungen oder sonstige Schäden gründen, die im Zusammenhang mit einem der in diesem Buch beschriebenen Trainingsvorschläge entstanden sind. Es wird für Ungenauigkeiten oder eventuelle Fehler keine Haftung übernommen.

Impressum

Copyright © 2015 by Crystal Verlag, Wentorf bei Hamburg

Gestaltung und Satz: Crystal Verlag, Wentorf bei Hamburg

Titelfoto: Slawik.com

Fotos im Innenteil: slawik.com: Seite 5, 6, 13,54, 81, 132, 156, 179.

Alle anderen Fotos von der Autorin.

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de aufrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

ISBN: 978-3-95847-007-1

eISBN: 978-3-95847-707-0

Inhalt

Vorwort

Miteinander SEIN

Den Alltag hinter sich lassen

Reflektiert und echt

Übung: Ins JETZT kommen

Dem Pferd begegnen

Dem Pferd zu Gast sein – Die Methode der passiven Beobachtung

Ein Teil der Herde werden – Die Methode der aktiven Beobachtung

Mit dem Pferd ins Gespräch kommen

Sich dem Pferd öffnen

Beeinflussende Faktoren

Das Pferd und seine Erlebnisse

Begegnung der Schatten

Seine Fühler ausstrecken

Die Klärungsphase

Aus dem Nebel treten – Achtungsspiele

Harmonie als Resultat

Mut zur Reibung

An Grenzen wachsen

Die Beziehungsphase

Mit den Augen eines Kindes

Bestimmtes Auftreten

Was heißt „Beziehung“?

Den Pferden zuhören

Von der Einzigartigkeit einer Beziehung

Sich aus der Begegnung lösen

Eine Verbindung mit der Natur eingehen

Energiephänomene – Kontakt mit Herz und Seele

Die Zauberformel: Authentizität

Die Kraft des reinen Herzens

Energie aus dem Herzzentrum

Verbindung mit der Intuition

Ethische Grundsätze – Qualität durch Ganzheitlichkeit

Anleitung zur mentalen Tierkommunikation

Das Beenden der mentalen Kommunikation

Gemeinsam schweigen

Wellenlängen und die Grenzen der Belastbarkeit

Veränderungen durch Tierkommunikation

Natürliche Balance – Mit sich und dem Pferd im Einklang sein

Mein Dank

Vorwort

Wie für viele, ging auch meine Reise in die Welt der Pferde früh los, und bis vor kurzer Zeit dachte ich auch immer, alles wäre ganz normal …

Ich hatte nach vielen schönen, aufregenden und vor allem aber wegweisenden Begegnungen mit Pferden eine kleine Pferdeschule eröffnet und gab Kurse für Mensch und Pferd, um sich gegenseitig besser kennenzulernen. Kurse, die die Natur des Pferdes betreffen. Mein Ziel war von Anfang an, einen Raum zu schaffen, in dem die meines Erachtens wirklich wichtigen Dinge zwischen Pferd und Mensch geschehen können. Damals nannte ich es Kommunikations- und Dominanztraining, bis ich erkannte, dass das Wort Dominanz von vielen Menschen mit einem Verhalten verbunden wird, das ich eher nicht am und schon gar nicht auf dem Pferd sehen möchte. Im Zuge dessen wurde mir klar, mit wie vielen Missverständnissen Pferde und auch Menschen zu tun haben, und habe begonnen, mich dem Licht im Dunkeln zu widmen.

In der Pferdewelt zu leben ist und war für mich seit jeher eine glückliche Fügung. Schicksalhaft kam ich bereits sehr früh in Kontakt mit sehr unterschiedlichen Pferden. Sie alle hatten bewegende Geschichten – sofern man einem Pferd denn eine Geschichte mit entsprechenden Gefühlen und Erinnerungen zugesteht … Für mich war das bereits als Kind keine Frage. Es war eher selbstverständlich. Natürlich hat auch ein Pferd eine Lebensgeschichte. Und selbstverständlich hat ein Pferd eine Gefühlswahrnehmung – sonst könnte eine soziale Ordnung wie die einer Herde gar nicht entstehen. Im alltäglichen Umgang war mir oft klar, was mit Pferden, die schon verschiedene Lebensstationen hinter sich hatten, los war. Je mehr Stationen ein Pferd im Leben schon hatte, je mehr Erlebnisse in der Menschenwelt es zu verbuchen hatte, desto entwurzelter und suchender nahm ich es wahr. Seine Haltung, sein Blick, seine Ausstrahlung – alles sprach Bände für mich. Ich berührte die Pferde und konnte oft in jeder Zelle meines Körpers spüren, was sich in ihrem Leben ereignet hatte, wo ihnen noch etwas in den Knochen steckte und was ihre Bedürfnisse und Sehnsüchte waren. Manchmal stiegen Bilder in mir hoch, oder starke Gefühle wurden geweckt. Und ohne ein Wort war mir klar, was zu tun war. So wurde ich bereits als junge Jugendliche zu scheinbar „schwierigen“ Pferden gerufen und um Vermittlung gebeten. Menschen nahmen mich beim Pferdekauf zum Erstkontakt mit, um mich einen Blick drauf- oder eher hineinwerfen zu lassen. Mir dämmerte erst sehr spät, dass ich da bis heute etwas tue, das irgendwie „anders“ zu sein scheint oder zumindest erst einmal ungewöhnlich anmutet.

Seit jeher beschäftigt mich dieses Anderssein und manchmal sträubt es sich ein wenig in mir: „Anders? Wieso anders? Was mache ich denn nur anders?“

Ich gehe zu den Pferden, nehme mich selbst zurück, bin offen, habe Zeit, schalte meine Gedanken aus, lass den Alltag hinter mir – und horche in die Begegnung hinein. Ich spüre in meinen Körper, achte auf das, was geschieht und was er mir wohl damit sagen will. Wenn ich mir ein wenig Zeit für die Wirkung lasse, tauchen plötzlich logische Antworten auf, ohne dass Fragen nötig gewesen wären. Bei dieser möglichst offenen Erfassung der Situation stimmen meine innere und äußere Haltung ganz automatisch überein … ich bin authentisch. Tanja. Ganz einfach. – Ist das anders?

Heute weiß ich: „Vielleicht ist das tatsächlich etwas anders“. Es hat eine Zeit gedauert, bis ich erkannte, was es genau ist: Es ist in unserer Welt schwierig geworden, offen zu sein. Nicht jeder von uns hat Zeit und noch weniger von uns schaffen es, die ewige Gedankenflut, die in Windeseile durch den Kopf rauscht, zu bremsen und für diesen Moment anzuhalten oder umzulenken. Wer kann denn einfach so abschalten und den Alltag hinter sich lassen? Und wer kann noch richtig hineinhorchen in eine Situation oder in ein Gegenüber, mit Muße und Geduld, unvoreingenommen und ohne Urteil? Wer traut sich, das für wahr zu nehmen, was die eigene Wahrnehmung vermittelt? Und wer traut sich auch noch, genau das in der Öffentlichkeit laut auszusprechen und sich der folgenden Kritik oder dem Spott eventueller Zweifler zu stellen? Wenn all das bedeutet, „anders“ zu sein, möchte ich Sie einladen, mich durch dieses Buch zu begleiten und mit mir gemeinsam Ihr Anderssein wiederzuentdecken, denn es führt direkt und unmittelbar zu Ihrem eigenen Kern und zu all Ihren Möglichkeiten.

Ich bin überzeugt, all die grundlegenden und angeborenen Fähigkeiten des Menschen, natürlich und ursprünglich zu sein, sind gar nicht so weit weg – vielleicht bei jedem etwas unterschiedlich weit entfernt. Viele Menschen, die mir in den letzten Jahren begegneten, konnten sich selbst eingestehen, dass sie sich genau danach sehnen, was bei dieser tiefgründigen Begegnung mit dem Pferd manchmal wie von selbst entsteht. Sie alle haben die Sehnsucht nach einer wahren Begegnung und nach einer inneren Ruhe. Sie sehnen sich nach dem Loslassen von allem, was sie beschäftigt und tagein, tagaus auf Trab hält. Nach einem leeren Kopf, der überhaupt erst ermöglicht, dass ein anderes Wesen wie ein Pferd Raum bekommt. Nach Zeit. Nach der geruhsamen Gelassenheit, alles so zu nehmen, wie es ist.

„Anders? Wieso anders? Was mache ich denn nur anders?“

Genau aus diesem Beweggrund spüren viele den Wunsch, mit Pferden zusammen zu sein und in diesen tiefen, liebevollen Kontakt einzutauchen, der das Herz so erwärmt und uns dieses tiefe verstandene und geborgene Gefühl verleiht.

Nach einem Dutzend Jahren des Pferde-Mensch-Coachings glaube ich verstanden zu haben, dass viele vielleicht nicht genügend Raum, Zeit und Gelegenheiten zum Üben gehabt haben. Oder sie wurden belächelt, verhöhnt oder bezweifelt und kamen so einst von diesem natürlichen Weg ab. Hier und da wurde sicher von außen beeinflusst, mehr Wert auf die Leistung des Verstandes gelegt, und die Pflege der Sinne und Feinsinne nahm nach und nach einen immer weniger bedeutsamen Stellenwert ein. Für Dinge, die man weder sehen noch anfassen kann, wird meist in den ersten Kinderjahren viel Zuspruch und Anerkennung gezollt, doch später bekommen viele Heranwachsende dafür immer weniger Bestätigung.

Vielleicht hat auch nie jemand Glaubwürdiges in ihrem Leben deutlich und offen erwähnt, wie wichtig und bereichernd es für Pferde sein könnte, dass wir unsere angeborenen Möglichkeiten in dieser Art und Weise nutzen – allen voran unsere Sinne und allen damit verbundenen Fähigkeiten. Und welch ein großer Schatz in der Fähigkeit schlummert, zum Teil auch das Kind zu bleiben, das wir einmal waren: offen, begeistert, unvoreingenommen und rein. Mit der Fähigkeit, an Wunder zu glauben. Der Natur in uns ganz nah.

Ich empfinde es als mein großes Glück, dass ich als Kind aus reiner Liebe damit anfing, mich auf diese intensive Weise den Tieren und der Natur zu widmen. Und ich bin auch sehr glücklich darüber, dass ich nie damit aufhören musste. Ich möchte jeden Leser ermuntern, sich daran zu erinnern, dass er von Anfang an einen natürlichen Zugang zur Welt, zur Natur und all ihren Lebewesen hat und ihn sich zurückerobern kann, falls dieser Zugang etwas in den Hintergrund geraten ist.

Mit diesem Buch möchte ich Sie Schritt für Schritt in meine Sicht der Dinge einweihen und Ihnen die Gelegenheit geben, wieder so schön „anders“ zu sein. So natürlich anders, dass es für unsere Pferde Sinn macht – denn nicht nur Sie, im Besonderen auch die Pferde sollen etwas davon haben, dass dieses Buch geschrieben wurde!

Ich möchte Sie an den Einsichten und Erfahrungen der vielen Jahre, die ich mich bereits intensiv in der Pferdewelt bewege, teilhaben lassen und Ihnen zum Verständnis hier und da eine kleine Geschichte erzählen. Ich nehme Sie nun mit auf die Reise in die Tiefe – dorthin, wo sich Lebewesen begegnen und alle die gleiche Gültigkeit haben: die Reise in die Herzen.

Miteinander SEIN

Um Pferden zu begegnen und ihnen zuzuhören, bedarf es einer kleinen Vorbereitung. Wie oft sind wir in unserem Kopf nicht frei und mit unseren Gedanken woanders? Oder gehen davon aus, dass wir nur zu unserem Pferd gehen müssen, und dann läuft schon alles. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Ja, tut es auch. Wenn Sie so zu Ihrem Pferd gehen, wie Sie es immer tun, werden Sie wahrscheinlich eine Erfahrung machen, wie Sie sie schon oft gemacht haben. Und daran gibt es nichts auszusetzen. Aber wenn wir unsere Pferde tiefer berühren möchten als nur an der Oberfläche, ist es ratsam, sich mit einigen grundsätzlichen Begebenheiten zu beschäftigen. Denn dann können wir mehr erreichen als die Oberfläche, die wir schon kennen und über die wir uns schon unsere Meinung gebildet haben.

Was bedeutet es nun, miteinander zusammen zu sein? Oder miteinander zu SEIN? Ist das ein Unterschied?

In der Theorie ist das recht einfach: Zwei Lebewesen treffen sich an einem Ort und begegnen sich. Dann sind sie schon mal zusammen. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass sie dann miteinander auch etwas zu tun haben. Das miteinander SEIN, das ich anstrebe, ist etwas mehr, als nur zur selben Zeit am selben Ort zu sein. Es ist etwas, das tiefer geht. Etwas Individuelles. Es geht darum, wer das Gegenüber ist und was es sich wünscht. Es geht um die Persönlichkeit – und nicht darum, was er oder sie tut. Es geht um das, was er oder sie IST. Das ist ein großer Unterschied, der sich vor allem in der inneren Welt zeigt. Von außen ist dieser Unterschied kaum zu sehen.

Doch wie geht das genau, dieses miteinander SEIN, wenn es dort mehr zu erfahren gäbe? Wenn das Pferd etwas zu sagen oder zu zeigen hätte? Wenn ich es erreichen könnte, dass das Pferd sich noch tiefer auf mich einlässt? Wenn aus unserer Begegnung tiefes Vertrauen entspränge? Verlässlichkeit. Freundschaft. Bindung.

Um dies wiederzuerlangen, müssen wir eine Basis schaffen. Eine Basis, auf der die Begegnung auf dieser tieferen Ebene überhaupt möglich wird: Wir müssen bei uns selbst anfangen. Es sollte uns gelingen, das Herz zu aktivieren und den Verstand zur Ruhe zu bewegen. Doch wie?

Allen voran geht der Wunsch und das wahre, liebevolle Interesse an unserem vierbeinigen Gegenüber. Manche Menschen sind sehr neugierig, wollen wissen, was denn haargenau im Leben des Pferdes bisher passiert ist, wollen das Pferd vielleicht kurzfristig ohne viel Arbeit und Mühe überreden, doch noch etwas mehr auf sie und ihre Menschenbedürfnisse einzugehen. Sie würden gern auf diesem Weg erreichen, dass die Pferde ihnen die Wünsche von den Lippen ablesen. Doch das ist nicht der Beweggrund, über den ich hier schreibe. Mit wahrem Interesse am Gegenüber ist gemeint, wie es dem Pferd wirklich geht. Heute. Ein echtes Interesse, das dem Herzen entspringt. Dabei ist es nicht mehr von Belang, wie es dem Pferd in der Vergangenheit ging – die ist vorbei. Und das Interesse gilt nicht der Zukunft – die ist noch nicht da. Heute heißt JETZT. In diesem Moment. Die Offenheit für diesen Moment des JETZT zu haben, ist für uns verstandesgeprägte Menschen eine große Aufgabe. Und vielleicht geraten einige bei der Anstrengung, ins JETZT zu kommen, mehr ins Schwitzen als bei einer Stunde Arbeit. Wer sich schon damit beschäftigt hat, weiß, dass es in allen Kulturen Methoden und Techniken gibt, wie man seinen Verstand beruhigt, seinen Körper in Einklang mit sich bringt und seinen Geist öffnet. Bei manchen Menschen gelingt es sehr schnell, andere wiederum müssen Stunde um Stunde üben. Haben Sie sich schon mal an die Pferdeweide gesetzt und beobachtet, wie lange Sie von Alltagsgedanken frei sein können?

Unser aller Alltag ist ein Konstrukt, mit dem wir mehr oder weniger gut organisiert sind. Mit all seinen Anforderungen und Reizen ist es oft sehr viel, was wir zu verarbeiten haben. Und auch mir in meiner Pferdeschule gelingt es nicht immer, den Kopf frei zu haben. Obwohl diese Arbeit das ist, was ich am meisten liebe und wonach ich mich immer gesehnt habe. Selbstverständlich gibt es auch im positivsten und selbst gewählten Alltag Dinge, die einfach getan werden wollen, und Anforderungen, die einen beschäftigen. Es muss nachbereitet werden, was gestern war, und für morgen habe ich allerhand vorzubereiten. Um dem Alltag nicht zu verfallen, habe ich mir einige Methoden angeeignet, um diesen Vorgang, im JETZT zu sein, zu üben – auch wenn es manchmal schwerfällt. Es ist wie eine tägliche Meditation, ein Klarwerden über das, was IST. Was wirklich ist – JETZT – nicht gestern – nicht morgen. Meine Einsicht in mein JETZT bedeutet, dass ich mir darüber klar werde, was in diesem Moment wirklich IST. Und das sind immer Erkenntnisse, die ich mit meinen Sinnen erfassen kann. Alles, was JETZT IST, kann ich riechen, schmecken, hören, sehen oder tasten. Alles, was mit den Sinnen erfasst werden kann, ist somit sinnvoll für mich. Mit Sinn gefüllt. Und wenn ich all meine Sinne zusammen wirken lasse, bekomme ich ein Bild von meiner Wirklichkeit. All das ist für mich wahr und real. Dann bin ich im JETZT angekommen.

Den Alltag hinter sich lassen

Stellen oder setzen Sie sich am besten vor der Begegnung mit Ihrem Pferd eine Weile an einen Ort, an dem Sie gut zu sich kommen können. Das kann drinnen oder draußen sein, noch zu Hause, auf der Arbeit oder schon beim Pferd. Machen Sie sich bewusst, was JETZT IST, und dadurch wissen Sie auch, was JETZT NICHT IST. Wenn Sie beginnen, auf diese Art und Weise Ihren Alltag abzuschütteln, nehmen Sie Ihre Gedankenfülle als Anregung und als Information über sich selbst mit. Dann wissen Sie schon mal, ob Sie heute innerlich eher ruhig oder eher aufgewühlt sind, ob Ihre eigene Konzentrationsspanne heute taugt, um mit Ihrem Pferd inhaltlich größere Themen anzusteuern, oder ob Sie klugerweise davon heute Abstand nehmen sollten, weil vielleicht SIE diejenige/derjenige sind, die/der sich nicht sammeln kann und vielleicht der Erholung bedarf. Sie wissen dann schon mal, was Sie selbst für Bedürfnisse haben, und haben den allerersten und wichtigsten Schritt schon hinter sich: Sie haben sich bemerkt und sich ernst genommen und Ihre Sinne können Sie nun nicht mehr so leicht trügen. Immer, wenn eine nicht zur Situation passende Emotion in Ihnen aufsteigt, wissen Sie von nun an: Das ist nur eine Erinnerung von gestern oder eine Sorge gegenüber morgen – und damit NICHT JETZT. Was haben Sie davon, dort tiefer einzusteigen? Nichts. Es bringt Sie nur aus dem JETZT. Es nimmt Ihnen die Offenheit für den Moment und nimmt Ihnen die Möglichkeit auf innere Freiheit, Erholung, Freude und Wunder. Wenn Sie dies verstanden haben, haben Sie die Basis hergestellt, um ungefärbt von Alltagsgeschichten Ihrem Pferd wahrhaftig begegnen und zuhören zu können.

Sich die Zeit und den Raum zu nehmen, im Hier und Jetzt anzukommen, schafft die Basis einer echten und freiwilligen Begegnung.

Dann bemerke ich manchmal, wie sich Gedanken in meinen Kopf hineinschummeln und Kreise ziehen. Schöne und auch nicht so schöne. Doch wenn ich versuche, meine Gedanken mit meinen Sinnen zu erfassen, dann scheitere ich, denn das sind ja eben nur Gedanken. Unsere Sinne können mit unseren Gedanken überhaupt nichts anfangen. Sie können sie nicht greifen und nicht begreifen. Ich vergleiche unsere Gedanken oft mit Seifenblasen, die ich als Kind zu fangen versuchte. Es ist schlichtweg unmöglich, und das Einzige, was bei dem Versuch immer größer wird, ist der Frust.

Bei meiner täglichen Übung versuche ich mich eine Weile an das zu halten, was wahrhaftig wahrnehmbar ist, und nutze meinen Körper dafür als Messinstrument. Das geht überall. Manchmal steigen Gedanken auf, die in meinem Körper einiges durcheinanderbringen. Dann wird mir plötzlich heiß oder kalt, ein Schauer läuft über den Rücken, irgendwo zwickt etwas oder Angst oder Wut steigen auf. Wenn Sie so etwas fühlen, können Sie sicher sein – Ihre Gedanken piesacken Sie gerade, um gesehen oder gehört zu werden. Aber mit JETZT und HIER hat das nichts zu tun! Die Gedanken, die Sie in eine Emotion lenken, sind nichts als alte Erinnerungen. Wirklich real ist nur, was Ihre Sinne berührt.

Reflektiert und echt

Ich möchte das entstandene Gefühl für die Situation nutzen, um auf einen Aspekt aufmerksam zu machen, der sich meines Erachtens gerade in der Reiterei oder im Zusammensein mit Pferden oft unbemerkt einschleicht. Wir Menschen bemerken es leider oft erst zu spät, wie wir auf unsere Pferde wirken. Bedauerlicherweise können wir das Pferd aufgrund seiner einfühlsamen, sensiblen und sehr feinsinnigen Art nicht nur positiv, sondern auch negativ mit unseren Stimmungen beeinflussen. Dies geschieht umso leichter, wenn uns das Pferd vertraut und es sich uns unvoreingenommen öffnet. Je mehr Vertrauen wir vonseiten unseres Pferdes entgegengebracht bekommen, umso größer ist daher unsere Verantwortung für die Gestaltung des Zusammenseins. Dabei geht es mehr um eine innere als um eine äußere Haltung.

Eine Unreflektiertheit des Menschen, der keine Vorbereitung für die Begegnung trifft und nicht im Hier und Jetzt ist, und damit über sich und seine Ausstrahlung unter Umständen bewusst gar nicht Bescheid weiß, ist für manches Pferd ein schwer lesbares und damit schwer einzuschätzendes Gegenüber. Sicher gelingt es vielen Menschen sehr gut, auf dem Weg von der Arbeit zum Stall abzuschalten, umzuschalten und sich auf ihr Pferd oder ihre Aufgaben im Stall zu freuen. Doch machen Sie sich bitte bewusst: Starke Gefühle, die nicht aus der unmittelbaren Situation entstehen, oder eine emotionale Überreaktion auf eine Situation Ihrerseits sind für Ihr Pferd nicht zuzuordnen. Es kann nicht erkennen, in welchem Kontext so manches, was Sie tun, steht. Es weiß nicht, was Sie noch vom Alltag mit sich herumtragen. Es kann nicht begreifen, aus welchem Anlass Sie vielleicht heute gehetzt, fahrig, unkonzentriert, gereizt, huschig, launisch, unfair, verunsichert oder gar zornig sind. Und vor allem versteht es auch nicht, dass es damit nichts zu tun hat. Mit seinen Sinnen kann es Sie riechen, hören, sehen, fühlen, eventuell sogar schmecken. Ihre Stimmung ist für Ihr Pferd real und liefert ihm ein konkretes Bild von Ihnen als sein momentanes Gegenüber. Heute. Jetzt. Wenn Sie noch den Alltag mit sich tragen, so gibt es für so manches Gefühl aus der Sicht des Pferdes keinen ersichtlichen Grund und somit tappt es im Dunkeln. Es sehnt sich fluchttierartig aus der Situation heraus und sucht einen Ausweg. Als Pferd hat es den Wunsch, sich wieder Sicherheit zu verschaffen. Bei emotionaler Überladung wirken Sie verunsichernd. Aus der Sicht des Pferdes sind Sie damit heute keine gute Partie und schon gar kein gutes Leittier, an das man sich halten sollte. Jedes Pferd hat den instinktiven Wunsch, frei und sicher zu sein. Auch frei von Werten, Beeinflussung, frei von Negativität. Freiheit bedeutet für das Pferd Harmonie und Gemeinschaft. Als Grundvoraussetzung dafür braucht es eine zuverlässige Familie. Gegenwärtig und erfassbar. Jetzt.

Unterschiedliche Pferde reagieren auf Stimmungen und Stimmungsschwankungen ihrer Persönlichkeit entsprechend sehr verschieden. Ursprungsinstinkt, Rang, Lebenserfahrung und Reife spielen dabei eine entscheidende Rolle. Wenn also Sie in einer Alltagsgeschichte feststecken, ziehen Sie Ihr Pferd unweigerlich mit hinein und forcieren eine für das Pferd natürliche Reaktion: Das Raubtier agiert – das Fluchttier reagiert. Bei positiven Gefühlen werden die Sinne des Pferdes in ihrer Grundschwingung angesprochen: Harmonie und Gemeinschaft. Diese Stimmungen und Gefühle stellen kein Problem dar und geben ein positives und vertrautes Grundgefühl einer Herde. Doch alle negativen Gefühle erfordern vom Fluchttier Pferd eine Reaktion. Schließlich erscheinen Sie plötzlich als nicht einschätzbares Gegenüber und landen damit unter Umständen in der Schublade „hungriges Raubtier“. Kein Wunder, dass das zu Missverständnissen führt. Ohne Vorbereitung und Reflexion, wie es uns selbst geht, erreichen wir allzu oft das Gegenteil von dem, wonach wir uns sehnen. Manche zerstören ihre Basis zum Pferd, für die sie sich wochenlang, manchmal jahrelang angestrengt haben, in nur einer einzigen raubtierischen Begegnung!

Ich selbst habe in meiner Laufbahn als Pferdefrau diese sehr menschliche Erfahrung mit verschiedenen Pferden machen müssen, weil ich noch zu der Zeit ihre Sensibilität und ihre Verbindung zu ihrem Ursprung, zu ihrer Natur unterschätzt habe, die Nähe zu ihrem Instinkt, der immer dann aufgerufen wird, wenn wir das Pferd verunsichern. Und ich hatte ihre Bedürftigkeit unterschätzt, einen tiefen inneren Frieden zu spüren, in dem sie sich sicher und geschützt fühlen. Und vor allem hatte ich in der Zeit geglaubt, die Früchte meiner Vertrauensarbeit wären mehr wert und stünden damit längst über den natürlichen Instinkten.

So habe ich Jahre damit verbracht, einem großen, starken, mächtig erscheinenden Quarter-Horse- Wallach das Vertrauen in mich anzubieten und hart mit ihm daran zu arbeiten. Heute weiß ich, was das für ein Paradoxon ist: Vertrauen und „harte Arbeit“! Trotz guter inhaltlicher Pferdearbeit bin ich, ohne es zu merken, immer mal wieder unreflektiert und durchzogen von Alltagsstimmungen auf seinem Paddock gewesen, manchmal nur, um Pferdeäpfel abzusammeln oder um eben kurz nach dem Rechten zu schauen. Durch seine größtenteils sehr negative Erfahrung mit Menschen, die ihn auf seinem Schicksalsweg überhaupt zu mir geführt hatten, war er so sehr sensibilisiert für Stimmungen, dass er nicht anders konnte: Er musste mich scannen, erkennen und ernst nehmen – und reagieren! Er musste sich an das halten, was er in mir sehen, hören, riechen und somit als Gesamtbild ahnen konnte. Seine für mich sichtbare Fassade war zwar ruhend, kräftig und stark, doch tief im Innern war er das verunsicherte Jungpferd, das furchtbare Angst vor impulsiven, ungerechten und unreflektierten Menschen hatte. Er war ein Pferd, dem viel Ungerechtigkeit und Leid zugefügt wurde, und er hatte nie verarbeitet, was geschehen ist. Gemäß seiner Vergangenheit hatte er sich angewöhnt, lieber immer auf der Hut zu sein, wenn ein Mensch in der Nähe ist. Gut getarnt. Er war ein Meister darin, denn äußerlich hätte man wetten können, dass er dort steht, in sich ruht und entspannt darauf wartet, angesprochen zu werden. Doch insgeheim hat er geradezu erwartet, dass etwas nicht ganz hundertprozentig stimmig ist. Aus seiner einstigen Not heraus war eine Furcht entstanden, die er zu tarnen versuchte und der er nichts entgegenzusetzen hatte. Und er hatte recht: Da war was! Er steckte in seiner Vergangenheit fest – und ich zu der Zeit in meiner. Er wartete darauf, dass etwas nicht stimmte, denn seine Sinne hatten es ihm längst verraten. Nur dass seine Geschichte mit mir nichts zu tun hatte – und meine nichts mit ihm. Doch zusammen am gleichen Ort, beide nicht vollständig bei sich im Hier und Jetzt, jeder in seiner unverarbeiteten Vergangenheit und deren Emotionen verwickelt, musste die Situation eines Tages eskalieren.

Heute danke ich „Don“ von Herzen für diese aufschlussreichen Erfahrungen und Unterweisungen. Er ist bis heute einer meiner größten Lehrer, wenn es darum geht, im Jetzt zu sein. Echt und ehrlich. So, wie ich heute immer gefestigter bin.

Seitdem bin ich immer bestrebt, in mir geklärt und für das Pferd eindeutig lesbar zu sein. Dadurch entsteht wahre Begegnung. Sein und Schein ist manchmal ein großer Unterschied! Ich habe verstanden, dass es keinen Sinn macht, meinem Pferd Theater vorzuspielen …

Übung: Ins JETZT kommen

Um bei sich anzukommen und somit sich und Ihrem Pferd eine gute Basis zu schenken, können Sie folgende Übungen machen:

•Sie können sich in den Stall, die Box oder an den Paddock oder die Weide setzen und bewusst Ihre Sinne wahrnehmen. Suchen Sie dazu einen Platz auf, an dem möglichst wenig Trubel ist, und machen Sie es sich gemütlich. Versuchen Sie, innerlich ruhig zu werden und sich in Ihrem Körper wohlzufühlen. Alles, was Sie riechen, schmecken, hören, sehen und tasten können, ist JETZT. Alles, was Ihre Gedanken Ihnen vorzugaukeln versuchen, ist NICHT JETZT. Lassen Sie Ihre Gedanken mit einem Lächeln ziehen. Wenn Sie Ihren Gedanken erlauben, kurz da zu sein, werden sie Sie loslassen – aber drängen Sie sie nicht, dann werden sie hartnäckig. Sie sind gut beraten, wenn Sie auf den Rhythmus Ihres Atems hören oder von oben nach unten mit den Gedanken durch Ihren Körper wandern und feststellen, was sich wo wie anfühlt – ohne Ihre Wahrnehmung zu werten. Wenn Sie sich an Ihr Gefühl halten und ihm nachspüren, versickern die Gedanken ohne große Anstrengung von selbst. Seien Sie dabei geduldig und nicht traurig, wenn es nicht gleich klappt. Es ist eine gute Übung, mehr Herz und Humor für sich selbst zu entwickeln.

•Versuchen Sie, Gedanken, die Ihnen hartnäckig und unablässig immer wieder erscheinen, etwas Gutes abzugewinnen, damit Sie mit der Situation Frieden schließen können und sie loslassen können. Wenn wir eine Sache zu Ende denken und „eine Moral von der Geschicht“ finden, lässt sie uns am ehesten in Ruhe. Zudem haben wir mit einem positiven Abschluss eine bessere Ausstrahlung. Es muss ja nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss sein.