Denken kann trösten - Eduard Zwierlein - E-Book

Denken kann trösten E-Book

Eduard Zwierlein

4,9

Beschreibung

Es gibt Zeiten, da sind wir ganz untröstlich. Trauer erfasst den ganzen Menschen und so wird auch sein Denken traurig. In der Weisheitsliteratur der Menschheit finden sich viele gute, wegweisende und heilende Gedanken für Trauernde wie auch für Menschen, die ihnen in der Trauer beistehen. Ist das Denken – in allem Schweigen und Hören, Sagen und Fragen – gutes Denken, so kann es Trauernden Trost und Lebenshilfe sein. Es kann helfen, einen Weg zu öffnen, der mehr zu sich selbst und wieder zu lebendigem Leben führt.

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Die Buchreihe Edition Leidfaden ist Teil des Programmschwerpunkts »Trauerbegleitung« bei Vandenhoeck & Ruprecht, in dessen Zentrum seit 2012 die Zeitschrift »Leidfaden – Fachmagazin für Krisen, Leid, Trauer« steht. Die Edition bietet Grundlagen zu wichtigen Einzelthemen und Fragestellungen im (semi-)professionellen Umgang mit Trauernden.

Eduard Zwierlein

Denken kann trösten

Trauer verständnisvoll begleiten

Vandenhoeck & Ruprecht

Mit 2 Abbildungen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-647-40235-2

eISBN 978-3-647-99652-3

Umschlagabbildung: kathrin_hb/photocase.com

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A.www.v-r.deAlle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Satz: SchwabScantechnik, GöttingenUmschlag: SchwabScantechnik, GöttingenDruck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen

Inhalt

Aus der Trauer einen Edelstein machen

Eine andere Sicht der Dinge

Das Wunder der Trauer

Eine andere Sicht

Trauer denken

Auf dem Weg – Gute Gedanken für Trauerbegleiter

Begegnung und Begleitung

Dasein in der Trostlosigkeit

Die Fragen selbst lieb haben

Auf dem Weg mit guten Fragen

Vom Dialog zum Trialog

Persönlichkeitsorientierte Kommunikation

Weisheitsimpulse – Gute Gedanken für Trauernde und ihre Begleiter

Der Tod ist das Nichtwissen

Die Wahrheit ist die Liebe

Der Sinn ist die Dankbarkeit

Die Aufgabe ist die Selbstwerdung

Anhang: Im Garten goldener Sätze spazieren gehen

Im Garten goldener Sätze des Denkens

Im Garten goldener Sätze des Todes

Im Garten goldener Sätze der Trauer

Im Garten goldener Sätze des Trostes

Im Garten goldener Sätze des Selbstwerdens

Im Garten goldener Sätze der Liebe

Im Garten goldener Sätze des Lebensglücks

Literatur

Aus der Trauer einen Edelstein machen1

Worauf, so könnten Sie sich fragen, ist dieses Buch, das Sie in Händen halten, eigentlich eine Antwort? »Denken kann trösten« und zu einer verständnisvollen Begleitung in der Trauer beitragen, so lautet die Behauptung. Aber wo liegt das Problem?

Offensichtlich in der Vermutung mancher, dass Denken keine besondere Kompetenz für den Trost der Trauernden hat. Ja, vielleicht sogar noch radikaler, dass Denken nicht nur unzuständig ist, sondern womöglich die Trauer sogar stört und behindert, weil es per se falschen Trost bietet, eben Denk-Trost.

Hinter dieser Vermutung steht wahrscheinlich der Gedanke, dass Trauer vor allem ein seelischer oder emotionaler Zustand ist, eine Frage des Fühlens, für welches das Denken als solches nicht passt. Aber stimmt dies denn?

Natürlich kann es Situationen der Trauer geben, in denen Denken vielleicht wenig bieten kann, wo es gleichsam »fehl am Platz« ist. Aber dann würde sich nur die Frage stellen, wann es sinnvollerweise zum Zuge kommen sollte. Natürlich gibt es auch falsches Denken, das seiner Aufgabe nicht gerecht wird. Aber dann würde sich nur die Aufgabe stellen, wie richtiges Denken wohl am ehesten aussehen könnte. Und natürlich gibt es Grenzen des Denkens, in der Trauer guten Trost und hilfreiche Begleitung zu schenken. Aber dies bedeutet nur, danach zu fragen, wo diese Grenzen verlaufen, sich ihrer bewusst zu sein und sie zu beherzigen, also ein grenzbewusstes Denken zu praktizieren.

Es geht folglich nicht um unzeitiges, falsches oder sich überschätzendes Denken. Die Frage wäre vielmehr: Welches Denken ist hilfreich für Trost in der Trauer? Welches Denken kann Trauernde verständnisvoll begleiten? Wann ist die rechte Zeit dieses Denkens? Und wie sieht der Trost dieses Denkens aus?

Wer vermutet, dass Denken für den Trost der Trauer ungeeignet ist, spürt sicher zu Recht die Gefahren, die im falschen, unzeitigen oder sich überschätzenden Denken liegen. Aber seine grundsätzliche Ablehnung, im Fall der Trauer verständnisvollen Trost zu ermöglichen, verdankt sich wohl eher einem hartnäckigen Vorurteil, also selbst einem falschen Denken über Denken, das dazu führt, dass dann, wie man so schön sagt, »das Kind mit dem Bade« ausgeschüttet wird.

Es wird hier nämlich zum einen übersehen, dass Trauer doch in der Regel den ganzen Menschen erfasst. Dies bedeutet, dass auch das Denken selbst, von der Trauer erfasst, traurig wird und trauert. Trauriges denken wird trauriges Denken. Vieles mag dann dem Denken indirekt helfen und seine eigene Heilung fördern. Direkt aber ist Denken in seiner Ansprache auf Denken angewiesen. Trauriges Denken braucht trostreiches Denken, Denken, das trauert, braucht Denken, das tröstet.

Zum anderen ist die Gegenüberstellung von Fühlen auf der einen und Denken auf der anderen Seite doch recht künstlich und weit entfernt von einem ganzheitlichen Menschenbild, das um die Wechselwirkungen dieser Grundkräfte weiß. So wie das Denken von der Trauer betroffen sein wird, trauert und sich traurig fühlt, so beeinflussen umgekehrt die Gedanken, die wir denken, auch die Trauer, die wir fühlen. So wie es im Grunde kein seelen- und fühlloses Denken im wirklichen Vollzug des Lebens gibt, so sollte es auch kein kopfloses Fühlen und entsprechend keine kopflose Trauer geben. Unser ganzes Leben ist ein dicht gewobenes Gewebe der Interaktionen aller Grundkräfte, die wir in uns spüren und unterscheiden.

Es soll also darum gehen, dass Denken trösten kann. George Steiner hat ein melancholisches Buch geschrieben mit dem Titel »Warum Denken traurig macht«. Er liest darin mit zehn (möglichen) Gründen dem unreifen und abgelenkten Denken unserer Zeit derart die Leviten, dass ihm Hören und Sehen vergeht, bis es sich endlich wieder auf das Wesentliche des Menschseins besinnt. Dafür soll sich das Denken in den Dienst einer Kultur der Freiheit stellen. Tut es dies nicht, hört es auf, wirkliches Denken zu sein. Das Denken, das der Freiheit dient, wehrt sich mit allen Kräften gegen fundamentalistische Positionen, die behaupten, Bescheid zu wissen über die großen oder letzten Fragen, wer der Mensch ist, ob der Tod endgültig ist oder ob Gott existiert oder nicht. Diese Fragen kann das Denken aber nicht definitiv lösen. Wir bleiben in Ungewissheit und Unsicherheit. Das Denken hilft uns nicht. Es ist vergeblich und führt zu nichts. Traurig.

Jedenfalls ist das ungesicherte Denken ein Schutz gegen das endgültige Bescheidwissen. Wir könnten daher gegen Steiner sagen: Es ist zum Glück so mit dem Denken. Denn nun beginnt das Abenteuer des Denkens ohne Ende, das Abenteuer der Freiheit, ein fortlaufendes Vertiefen in die großen Fragen, eine verantwortliche Suche nach Antworten, von denen man leben kann. Denken macht nicht traurig. Nichtdenken macht traurig. Denken kann trösten.

Alles hat seine Zeit. Auch das Denken für den Trost der Trauer. »Denken kann trösten« heißt nicht: jedes Denken – jederzeit. Vielmehr suchen wir nach dem guten Denken guter Gedanken, die zu ihrer rechten Zeit der Trauer Trost schenken und dem Trauernden Impulse und Inspirationen für neues Leben und eine sich neu öffnende Zukunft geben können. Es handelt sich bei dem guten Denken guter Gedanken natürlich nicht nur um die Seite des Begleiters, sondern auch um die des Trauernden selbst. Im Trauernden sind viele Weisheitsquellen und Heilungskräfte, Resilienz,2 die es zu wecken und zu begünstigen gilt. Die Übermacht des Todes ist da. Am Anfang ist alles verstörend. Wir sind wie aus der Welt geworfen. Dass aber die Trauer übermächtig sei, weil sie von der Übermacht des Todes erzählt und zeugt, ist nur ein Gedanke. Nicht nur im Menschen sind andere Kräfte, die überstehen helfen. Sie sind sogar in der Trauer selbst. Es ist möglich, aus der Trauer einen Edelstein, aus Kohlenstoff durch den ganzen Druck einen funkelnden Diamanten, aus Staub einen Stern zu machen.

 

  1   So der Clown Dimitri in seinem Beitrag »Aus der Trauer einen Edelstein machen« in Panian und Ibello (2013, S. 169–171).

  2   Vgl. für einen neuen Zugang im Verständnis der Trauer: G. A. Bonanno (2012).

Eine andere Sicht der Dinge

Das Wunder der Trauer

Es ist geradezu schockierend zu sehen, wie wissend und erwacht Trauernde sein können. Es ist unfassbar, was Trauernde alles sehen und wie sie sehend werden. Was sie alles wissen von der Größe der Liebe und der Tiefe des Schmerzes. Wie hellhörig und hellsichtig sie sind. Das ganze Sensorium ihrer Existenz, von den kleinsten Regungen des spürenden Leibes über das feingestimmte Fühlen bis hin zu den weit um sich greifenden Kräften des Geistes, ist in dieses Verstehen und Sehen und Wahrnehmen eingespannt. In all dem, was als Schmerz ins Chaos stürzt, sind sie doch, wie etwa Ertrinkende und Untergehende am meisten von Luft, Leben und Auf- und Untergang wissen, gleichsam wie besonders Eingeweihte, die an die tiefsten Wahrheiten des Lebens gerührt haben, weil sie von den Urkräften des Lebens selbst überwältigt wurden. Aus einem Ursprung heraus, der selbst unsichtbar bleibt, kehren sie verwandelt zurück. Es ist, als habe die Trauer einen Schleier von ihnen weggerissen. Vorher glichen sie Blinden, nun aber können sie sehen, als wären sie ein äußerst fein gestimmtes Gerät.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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