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Bei Wind und Wetter ist Johannes Berger im Auftrag der Energieunternehmen unterwegs, um Stromzähler abzulesen. Eines Tages wird er unfreiwillig Zeuge eines Gespräches. Der Inhalt dieser Unterhaltung versetzt ihn in Angst und Schrecken, da er Zusammenhänge zu Verbrechen aufdeckt, die nicht einmal das LKA bislang vermutet hat. Fortan ist sein Leben in Gefahr, eine Hetzjagd auf Johannes beginnt. Unerwartete Hilfe bekommt er von einer jungen Frau, die sich seit Jahren heimlich in Johannes verliebt hat. Freuen Sie sich auf einen spannenden Fall, auf ein großartiges Verwirrspiel, auf komplizierte Verwicklungen und Verstrickungen und auf viel Humor, denn Johannes hat ja noch seine Verwandtschaft!
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Seitenzahl: 362
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Warte nicht auf das
große Wunder,
sonst verpasst Du
die vielen kleinen.
(Weisheiten)
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Epilog
Nichts war mehr übrig geblieben von dem einstigen Glanz- und Glamourleben. Rein gar nichts.
Nach dem Tod seiner Frau ist der einst so erfolgreiche Bankier nach Frankfurt gezogen, jetzt lebte er in einer – wenn auch großzügigen – Dreizimmerwohnung, einsam und zurückgezogen.
Er trauerte eher seinem Luxusleben nach als dem Leben seiner Ehefrau. Das hatten sie ihm oft vorgeworfen! Er trauere zu wenig um seine Gattin.
Vor der Entführung und Ermordung seiner Ehefrau hatte sich diese mit Scheidungsgedanken getragen. Sie hatte es satt, den Größenwahn und das ewige Fremdgehen des Bankiers wollte sie nicht länger in Kauf nehmen.
Eine Scheidung wäre ein herber, finanzieller Rückschlag für ihn gewesen. Seine Geliebte war kostspielig, seine Autos, seine Reisen und seine Kleidung auch.
Bei einer Scheidung wäre er leer ausgegangen. Mehr als einmal hatte er die Gütertrennungsvereinbarung verflucht.
Seine Frau besaß ein beträchtliches Vermögen, hatte es von ihrem Vater geerbt, sowohl die Villa in Filderstadt als auch drei Mietshäuser gehörten zu dem Erbe.
Mehrfach schon hatte sie ihm gedroht, das Testament und die Lebensversicherung zu ändern und ihrem Bruder alles zu vermachen.
Um flüssig zu bleiben, hatte er sich bei seiner Bank die eine oder andere Unregelmäßigkeit erlaubt.
Da kamen die Entführung und Ermordung seiner Gattin gerade recht.
Der Bankier hoffte auf das Erbe. Er hatte mit der Straftat nicht das Geringste zu tun, allerdings hing dieser Verdacht an ihm wie ein übler Geruch, der sich einfach nicht wegwaschen ließ.
Das Lösegeld wurde aus ihrem Vermögen bezahlt, aufgetaucht ist es jedoch nie mehr.
Mit dem Lösegeld verschwanden auch seine Geliebte und seine sogenannten guten Freunde. Zu viel Schmutzwäsche wurde gewaschen, niemand wollte sich die Finger verbrennen.
Und dann hatte zu allem Überfluss in der Tat seine Gattin das Testament und die Berechtigung in der Lebensversicherung kurz vor ihrem Tod geändert.
***
Kurz vor Weihnachten wurde in der Essener Innenstadt am helllichten Tag ein Juweliergeschäft ausgeraubt. Die Täter entkamen mit einer unbezifferten, aber recht üppigen Beute. Bislang fehlt von den Tätern jede Spur. Die Beute ist bis zum heutigen Tag nicht mehr aufgetaucht.
Zeugen waren sich ganz sicher, es war ganz bestimmt eine Frau unter den drei Gangstern.
***
In der Nacht zum Rosenmontag wurden in Köln drei Fahrzeuge der Luxusklasse gestohlen. Wie es den Dieben gelungen war, die elektronischen Wegfahrsperren zu überwinden, konnte nicht geklärt werden.
Die Kriminalpolizei vermutete ein organisiertes Verbrechen einer osteuropäischen kriminellen Vereinigung.
***
Der Leichnam der jungen Frau wurde in ihrer Wohnung entdeckt.
Gefesselt und geknebelt lag sie in ihrem Blut auf dem Küchenfußboden. Ihr Mörder hatte das ganze Magazin ihrer eigenen Dienstpistole auf sie abgefeuert.
Nachdem sie nicht zum Dienst erschienen war und auch den ganzen Tag nicht an ihr Handy ging, entschlossen sich ihre Kollegen, zu der Wohnung zu fahren.
Da das Fahrzeug der jungen Polizistin vor der Garageneinfahrt stand, auf Klingeln jedoch niemand öffnete, wurde die Wohnungstür kurzerhand aufgebrochen.
Die gesicherten Spuren am Tatort bestätigten lediglich, dass es sich vermutlich um einen Einzeltäter gehandelt habe, den die junge Frau freiwillig in die Wohnung gelassen haben müsse.
So wurde das gesamte private Umfeld abgegrast, alle sechshundertfünfundvierzig Facebook-Freunde und weitere Bekannte genauer unter die Lupe genommen.
Die Polizei ging nach wie vor von einer Beziehungstat aus, auch wenn der Täter einen müden Versuch gemacht hatte, den Tatort zu verwüsten und es wie einen Einbruch aussehen zu lassen. Jemand hatte ein Problem mit ihr. Dieser Jemand wollte ihren Tod, um jeden Preis!
Es konnte beim besten Willen nicht festgestellt werden, ob etwas fehlte. Ihre Dienstwaffe war nicht gestohlen worden, sondern lag neben der Leiche.
Da die Polizistin ein ausgiebiges Privatleben führte und sich auch bei der Partnerwahl nicht als sehr bodenständig erwies, verliefen alle Spuren bislang im Sand.
***
Die Hamburger Polizei meldete eine Einbruchserie in den Villenvierteln von Blankenese. Sie bat die Anwohner um erhöhte Aufmerksamkeit.
Danach begann ein Run auf alle möglichen Sicherheitssysteme.
In der Tat waren beträchtliche Summen aus den Häusern verschwunden. Wie viel genau, wollte oder konnte niemand sagen.
***
In Berlin wurde nun schon der zweite Geldtransport innerhalb von drei Wochen überfallen.
Drei maskierte Männer lauerten dem Transporter auf, nachdem er vollbeladen seinen Weg von der Bankfiliale durch die Innenstadt fortsetzte.
Der Fahrer erkannte die Gefahr rechtzeitig und gab Gas, ohne Rücksicht darauf, ob Passanten oder andere Fahrzeuge im Weg standen.
Damit verhinderte er zumindest den Raub. Ernsthaft verletzt wurde niemand.
***
Carola Kortmann schloss nach einem wieder einmal zu langen Arbeitstag die Haustür auf. Sie war müde und ausgelaugt. Trotzdem bemerkte sie instinktiv sofort eine Veränderung, etwas war anders als sonst!
Eigentlich passierte in Carolas Leben nichts Aufregendes.
Alles verlief tagein, tagaus immer in einem wiederkehrenden, langweilig eingespielten Rhythmus.
An der Pinnwand im Hausflur neben der Haustür hing die Karte, auf die sie schon so sehnsüchtig gewartet hatte. Das scheinbar einzig Bunte in ihrem Leben.
Sie nahm die Karte von der Pinnwand und begann sie eindringlich zu studieren.
„Ich habe Sie heute, am 02. März um 10.30 Uhr, nicht angetroffen.
Im Auftrag der Energiewerke Württemberg und Baden soll turnusmäßig Ihr Energiezähler abgelesen werden.
Ich werde am Montag, den 07. März 2016 in der Zeit von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr nochmals bei Ihnen vorbeischauen.
Sollte Ihnen die Wahrnehmung dieses Termins nicht möglich sein, rufen Sie mich bitte unter folgender Telefonnummer an: 0142/1788991.
Ihr Ableser: Berger“
Carola wohnte seit zehn Jahren im Dachgeschoß dieses alten, aber renovierten Gebäudes mit der schneeweißen Fassade und den hellbraun gestrichenen Fensterläden, auf immerhin fünfundsiebzig Quadratmetern. Die Wohnung hatte eine hübsche Dachterrasse, die ihr aber mehr schlecht als recht einen Blick über die Dächer des Bad Cannstatter Stadtrandes bot.
Sie saß gerne auf dieser windgeschützten Terrasse, las dann dort ein Buch und trank Kaffee dazu. Selbst jetzt, um diese Jahreszeit, konnte Carola bereits die ersten Sonnenstrahlen im Schutze des Daches genießen.
Ursprünglich wohnten vier Parteien in dem Haus.
Eine der Wohnungen stand allerdings schon längere Zeit leer, ab und zu waren dort Studenten untergebracht. Sie kamen und gingen, ohne dass Carola sie großartig bemerkte. Hin und wieder begegnete sie einem der Studenten im Hausflur, stets wurde sie dann freundlich gegrüßt.
Im Erdgeschoß hatte bis vor einigen Wochen noch die nette alte Dame gewohnt, die aber jetzt von ihrem Sohn gegen ihren Willen in ein Altersheim verfrachtet wurde.
Die Wohnung war noch immer möbliert und Carola vermutete, nein befürchtete, demnächst würde sicherlich dort dieser unsympathische Sohn der alten Dame mit seiner noch unsympathischeren Lebensgefährtin einziehen.
Im ersten Stock lebte die alleinstehende, und in Carolas Augen sehr zwielichtige, Frau Stadler. Immer betrunken, immer laut.
Den ganzen Tag saß die Stadler vor der Fernsehkiste und zog sich eine um die andere Soap rein. Kaffeebecher, Schnapsgläser, Chips und überquellende Aschenbecher standen immer auf dem Tisch vor ihr.
Frau Stadler wirkte immer ungepflegt. Carola vernahm doch des Öfteren unangenehme Gerüche im Hausflur, die unaufhaltsam aus der Stadler`schen Wohnung strömten und sich im gesamten Haus verteilten.
Mehr als einmal hatte sie ihren Vermieter darauf angesprochen, der allerdings immer nur mit den Schultern zuckte. Für ihn war nur eines wichtig: Hauptsache die Miete wird bezahlt.
„Der muss ja nicht hier wohnen, er hat eine Villa für sich allein am anderen Ende der Stadt“, ärgerte sich Carola dann.
Die Karte!
Carola war enttäuscht, als Adressat war nicht ausdrücklich ihr Name angegeben, sondern es wurden nur allgemein die Hausbewohner der Goethestraße achtundsiebzig angesprochen.
Wieso aber war die Karte an der Pinnwand? Wieso nicht im Briefkasten?
Wenn der Ableser die Karte in den Hausflur hängen konnte, musste ihm zweifelsfrei jemand geöffnet haben.
Die Stadler vielleicht? Nein. Unmöglich! Carola erschauderte bei dem Gedanken und schob ihn sofort weit weg von sich.
Wie also kam jetzt die Karte in den Hausflur? Sie überlegte nochmals.
Wenn der Ableser dort die Karte hinterlassen konnte, hätte er doch auch dann ohne Probleme die Kellerstufen herunterlaufen können, wäre am Stromkasten vorbeigekommen und hätte auch den unverschlossenen Gaszähler ablesen können! Die Karte wäre also völlig überflüssig gewesen.
Es sei denn – Carolas Herz begann zu klopfen – er hatte auf sie gewartet. Wollte er mit ihr zusammen die Zähler ablesen?
Da die Haustür immer verschlossen war, musste ihm also jemand geöffnet haben, und da sie, Carola, nicht anwesend war, pinnte er die Karte an die Wand und ging unverrichteter Dinge wieder. Dies musste die einzig logische Erklärung sein!
Seit drei Jahren kam Herr Berger. Immer Anfang März, dann noch einmal kurz vor Weihnachten, um den Wasserzähler abzulesen. Seit drei Jahren, immer pünktlich, immer freundlich, leider auch immer in Eile.
Beim letzten Mal hatte sie ihn gebeten, sich doch vorher anzumelden.
Er hatte gesagt, er könne es nicht versprechen, aber er würde schauen, was er tun könne.
Sie war fest davon überzeugt, dass er ihr die Karte hinterlassen hatte, weil er sich an diese Vereinbarung erinnerte.
Ihr zuliebe!
Bei jedem Besuch hatte sie ihm einen Kaffee angeboten, jedes Mal hatte er abgelehnt. Sie würde ihn auch dieses Mal zum Kaffee bitten.
Seit drei Jahren begleitete sie Herrn Berger zu den Zählern in den Keller, dafür sorgte sie höchstpersönlich. Dieses war ihre Aufgabe und sie ließ sich das nicht von Frau Stadler wegnehmen.
Ob die Karte doch in Frau Stadlers Briefkasten war? Hatte etwa sie die Karte dann an die Pinnwand gehängt?
Carola konnte sich das nun gar nicht vorstellen, denn sicher war auch Frau Stadler ganz bestimmt darauf aus, Herrn Berger zum Kaffee einzuladen. Nein, Frau Stadler hätte die Karte verschwinden lassen.
Und Herr Berger hätte die Karte selbstverständlich in Carolas Briefkasten geworfen, dessen war sie sich absolut sicher.
Ein eifersüchtiges Unbehagen blieb.
07.03., ein Montag. Ungünstig! Carola hatte sich bereits seit Wochen auf den Besuch von Herrn Berger vorbereitet. Für sie stand es außer Frage, er würde sich an sein Versprechen erinnern und sich rechtzeitig bei ihr anmelden.
Und so hatte Carola geplant, an dem Tag, an dem der Ableser kommen würde, Urlaub zu nehmen und zum Friseur zu gehen. Nur hatte ihr Friseur montags geschlossen. Zu dumm!
Ihr würde nichts anderes übrigbleiben, als zu einem dieser Discount-Haarschneider zu gehen, die sich überall in den Kaufhäusern niederließen. Auch das noch!
An diesem Montag würde sich Carola extra Urlaub nehmen.
Ihren staunenden Kolleginnen würde sie voller Stolz erklären, sie habe einen unaufschiebbaren Termin. Jawohl!
Jetzt hatte auch sie einen wichtigen Termin und nicht immer nur die Hexe aus der Buchhaltung mit ihren langen blonden Haaren, ihren langen schwarzgetünchten Wimpern und den viel zu kurzen Röcken.
Andauernd hatten ihre Kolleginnen unabwendbare Termine, wenn es darum ging, Überstunden zu machen. Alles blieb dann an ihr hängen.
„Ach Carola, sei doch so gut… Du bist doch alleinstehend… Du hast doch keine Verpflichtungen…“
Oh doch, sie hatte sehr wohl Verpflichtungen, zwei Mal im Jahr! Im März und im Dezember.
Langsam und innerlich aufgewühlt ging sie die Stufen zu ihrer Wohnung hinauf, die Karte noch immer in der Hand haltend. Aus der Stadler`schen Wohnung stank es wieder bestialisch, heute aber ignorierte sie es.
Sie musste sich vorbereiten, alles musste blitzsauber sein bis Montag, wenn Herr Berger käme und vielleicht doch einen Kaffee mit ihr trinken würde.
Punkt sechs Uhr jeden Morgen klingelte der Wecker. Nur ein einziges Mal. Das reichte, und Johannes Berger war hellwach. Jeden Morgen, sechs Mal pro Woche das gleiche Ritual, ohne Ausnahme.
Johannes stand auf, ging ins Bad, kleidete sich an und ging in die Küche. Seine Mutter hatte, wie jeden Morgen, alles für ihn vorbereitet.
Er brauchte nur noch auf den Knopf der Kaffeemaschine zu drücken, dann begann das schwarze Gold zu laufen.
Neben der bereitgestellten Kaffeetasse auf dem Küchentisch lag schon ein geschmiertes Butterbrot, säuberlich abgedeckt mit Frischhaltefolie auf einem Teller. Immer das gleiche Geschirr. Er hatte noch nie ein anderes Geschirr bei seiner Mutter gesehen, es sei denn bei großen Festlichkeiten. Dann deckte sie Rosenthal ein.
Auch seine Thermoskanne für den übrigen Kaffee und eine Butterbrotdose und ein Apfel lagen jeden Morgen am gleichen Platz. Seit drei Jahren, immer alles akkurat an derselben Stelle.
Fein säuberlich gefaltet lag die Tageszeitung neben seinem Frühstück, wie jeden Morgen, sechs Tage in der Woche.
Seit drei Jahren trug er graue Hosen und einen blauen Blouson mit dem Aufdruck und dem Logo des Energiewerks Württemberg und Baden. Er hatte eine für den Winter und eine etwas leichtere Jacke für die wärmeren Monate.
Wie jeden Morgen standen seine von seiner Mutter blitzblank geputzten schwarzen Schuhe unter dem Garderobenschrank.
Seine Kaffeetasse und den leeren Teller würde er stehen lassen. Mutter würde das Geschirr abräumen und abspülen. Morgen früh würde es dann wieder an seinem Platz stehen, so wie immer.
Seit dem Krebstod seines Vaters vor neun Jahren, hatte sich seine Mutter auf ihn fixiert, klammerte sich an ihn und behandelte ihn wie ein kleines Kind.
Anfänglich hatte ihn das furchtbar gestört, aber mittlerweile hatte er es akzeptiert, dass sie augenscheinlich alle Entscheidungen für ihn traf.
Er arrangierte sich mit seiner ruhigen und bescheidenen Art, er würde niemals seiner Mutter widersprechen.
Jeder Versuch, sich dagegen zur Wehr zu setzen, hatte sich in der Vergangenheit als hoffnungslos erwiesen. Schließlich hatte er eingesehen, ihr zuzustimmen war der weitaus entspanntere Weg, denn sie wollte sicher nur das Beste für ihn. Er fand seinen Frieden damit und immer einen Weg, doch das zu tun, was er wollte.
Vor über drei Jahren noch war er als freier Handelsvertreter in allen Gartenmärkten Baden-Württembergs und Bayerns unterwegs.
Jahrelang war er sehr erfolgreich und hatte gutes Geld verdient. Mit zunehmendem Alter jedoch wurden die Umsätze weniger, und so wurde er eines Tages Knall auf Fall von einem jüngeren Kollegen abgelöst.
Nicht einmal eine Anerkennung für immerhin fünfundzwanzig Dienstjahre hatte er bekommen. Nur ein kurzes Schreiben der Firma, eher formell, worin man ihn um Verständnis für die Unausweichlichkeit dieser Entscheidung bat, ihm alles Gute wünschte und bestätigte, dass das letzte ihm zustehende Geld angewiesen sei. Das war`s!
Damals hatte die Firma ihm eine bescheidene Abfindung bezahlt, dieses Geld lag noch unangetastet auf seinem Sparbuch.
Mit fünfundvierzig Jahren stand er nun mit beiden Beinen in der Arbeitslosigkeit. Mutter hatte es als Schande empfunden und wie er, die Welt nicht mehr verstanden.
Wochenlang hatte er alle Stellenanzeigen sorgfältig studiert und zahlreiche Bewerbungen verschickt. Überall kamen – wenn überhaupt – nur Absagen. Zu dieser Zeit war er sehr deprimiert und fühlte sich überflüssig, nutzlos und abserviert.
Eines Tages fand er im Gemeindeblatt die Anzeige einer Dienstleistungsfirma aus Rheinland-Pfalz, die zwischen Stuttgart und dem Bodensee Mitarbeiter suchte, um für die verschiedensten Energieunternehmen deren Energiezähler abzulesen.
Zunächst war Johannes sehr misstrauisch. Eine Pfälzer Firma sucht im Ländle nach Personal?
Zudem war ausschließlich eine Online-Bewerbung erwünscht. Johannes hatte zwar einen Computer, aber die Handhabung mit dem Ding war ihm stets zuwider und so beschränkte er sich auf das Nötigste.
Überall hielt das Internet Einzug, jede Firma arbeitete plötzlich damit.
Mit einem Mal ging ohne Computer nichts mehr. Vielleicht war seine Schwerfälligkeit in diesen Dingen auch ein Grund, weshalb ihm die Handelsvertretung genommen wurde.
Für die jungen Leute jedoch gehörte dieses Individuum offensichtlich zum Lebensstil.
Damals hatte er sich in das Bewerberportal eingelinkt, kam aber beim besten Willen damit nicht zurecht. Er schickte deshalb eine schriftliche Bewerbung an die Dienstleistungsfirma.
Zu seiner großen Überraschung wurde er ein paar Tage später angerufen. Die nette Dame am anderen Ende der Leitung war ihm via Telefon behilflich, die geforderte Onlinebewerbung abzusenden.
Johannes wartete auf eine Antwort, seine Mutter jedoch wurde ungeduldig und drängte Johannes, endlich zum Arbeitsamt zu gehen. Dort warte man bestimmt auf ihn, und mit Sicherheit würde er dort sofort ein neues Arbeitsangebot bekommen.
Natürlich ging Johannes zur Agentur für Arbeit, aber statt mit einer neuen Arbeitsstelle, kam er mit einer Vielzahl von Fragebögen, Anträgen und Merkblättern nach Hause.
Der Papierkrieg erschreckte ihn und war für Johannes unüberwindbar.
Irgendwann kamen dann endlich der ersehnte Brief und eine Einladung zu einer „Bewerberveranstaltung“ in einem regionalen Hotel.
Die Skepsis wuchs. Sowohl Johannes als auch seine Mutter befürchteten, einer Verkaufsveranstaltung auf den Leim gegangen zu sein.
Johannes überlegte tagelang, ob er sich zu dieser Veranstaltung anmelden sollte oder nicht.
Mutter war dagegen, aber Johannes wollte nichts unversucht lassen.
Er durfte und wollte nicht dem Staat zur Last fallen. Unmöglich!
Nicht er, der sein Leben lang gearbeitet hatte!
Niemand seiner Vorfahren oder Verwandten waren je ohne Arbeit gewesen.
Dieses Schwert hing über Johannes und trieb ihn an.
„Kauf bloß nichts!“, wetterte die besorgte Mutter ihm hinterher, als er an dem besagten Tag aufbrach und sein Schicksal damit besiegelte.
Anfang März erhitzten zwar die ersten Sonnenstrahlen die Erde, aber früh morgens um halb acht Uhr war es noch recht frisch. Wenigstens ging es der wärmeren Jahreszeit entgegen. Johannes hasste es, morgens bei Dunkelheit aus dem Haus zu gehen und zurückzukehren, wenn es bereits wieder dunkel war. Die Dunkelheit machte es ihm schwerer, Hausnummern in den spärlich beleuchteten Straßen zu finden. Auch die Kunden verhielten sich eher skeptisch, einige ließen ihn dann erst gar nicht mehr ins Haus. Zudem stieg die Gefahr, bei Nacht Stufen zu übersehen und zu stürzen.
Johannes setzte sich in sein Auto und fuhr in Richtung des Industriegebiets Sindelfingen. Heute würde er sich das Gewerbegebiet vornehmen. Zwar ging die Ablesung in einem Gewerbegebiet langsamer als im Wohnhausbereich voran, dafür aber war immer jemand anzutreffen.
Er fand es interessant, anderen Menschen bei der Arbeit zusehen zu dürfen.
Gestern hatte er seine „Dichter-und-Denker-Straßen“, so wie er es nannte, in Bad Cannstatt abgelaufen.
Wenigstens hatte er gleich einen Parkplatz bekommen. Mozart- und Schillerstraße hatte er problemlos abschließen können, aber auf der Haydnallee und in der Goethestraße war fast niemand zu Hause, so dass er viele Terminkarten in den Briefkästen hinterlassen hatte.
In zwei Haushalten wurde ihm die Tür vor der Nase zugeknallt und er wurde beschimpft, manche Menschen waren halt so. Daran hatte er sich inzwischen gewöhnt. Solche Kunden gab es eben auch, selten zwar, aber auch ein Kunde hatte einmal einen schlechten Tag. Diese Ableseaufträge gab er mit „Zutritt verweigert“ zurück.
Schon lange nahm er Kundenreaktionen nicht mehr persönlich. Als er das erste Mal vor drei Jahren in die für ihn bis dahin ungewöhnliche und unerfreuliche Situation geriet, war er zu Tode erschrocken. Damals zitterte er am ganzen Körper und war an diesem Tage nicht mehr in der Lage, weiterzuarbeiten. Zu sehr hatte er sich da hineingesteigert.
Außer sich vor Empörung rief er damals Frau Waible, seine für ihn zuständige Projektleiterin an, die ihm jedoch wieder Mut machte und ihn beruhigen konnte. So gewöhnte er sich mit der Zeit an die eine oder andere negative Erfahrung.
Mittlerweile kannte er „seine“ Kunden, mittlerweile kannten sie ihn. Die meisten waren überaus nett.
Mehrmals täglich bekam er Angebote für einen Kaffee, ein Glas Wasser, ein Stückchen Kuchen oder auch sogar für einen Schnaps. Immer lehnte er ab. Er wollte diesen Leuten keinen Umstand machen, obwohl er ab und an gerne einmal die Einladung angenommen hätte.
An manchen Tagen oder zur Weihnachtszeit erhielt er hier und da ein kleines Trinkgeld oder eine Süßigkeit. Er freute sich über jede Aufmerksamkeit und über jedes Trinkgeld von ganzem Herzen. Jede Anerkennung war Balsam für seine Seele. Es tat ihm gut, auf freundliche Menschen zu treffen, die ihn und seine Arbeit achteten.
Bestimmt würde auch Frau Kortmann ihn wieder zu einem Kaffee einladen. Anders als bei anderen Kunden war ihm bei Frau Kortmann eine Ablehnung jedes Mal höchst peinlich, irgendwie hatte er aus unerfindlichen Gründen Angst vor einer Unterhaltung mit ihr.
In ihrer Nähe verspürte er ein unerklärliches Unbehagen, das er nicht zu deuten vermochte.
Gestern war er extra am Vormittag zur Goethestraße gefahren in der Hoffnung, dass Frau Kortmann nicht zu Hause wäre und ihm ein anderer Hausbewohner die Tür öffnete. Dummerweise ging das schief.
Frau Kortmann hatte ihn im letzten Jahr gebeten sich anzumelden, das wusste er sehr wohl noch, hoffte aber, diesen festen Termin umgehen zu können.
Als er auf die Hausnummer achtundsiebzig zusteuerte, kam gerade der Sohn dieser betagten Dame aus dem Erdgeschoß aus dem Haus und zog die Haustür zu. Er war nicht dazu zu bewegen, diese wieder zu öffnen, sondern ballerte ihn an, er solle nicht unangekündigt aufkreuzen.
„Melden Sie sich das nächste Mal gefälligst vorher an. Ich habe jetzt keine Zeit dafür“, blaffte er.
Johannes blieb nichts anderes übrig, füllte eine Terminkarte aus und drückte sie ihm in die Hand.
„So ein Blödsinn“, dachte Johannes, „in der Zeit hätte er mir aufschließen können. Ich brauche doch niemanden, der mich in den Keller begleitet.“
Als Johannes dann im Haus Nummer achtzig verschwand, sah er noch aus den Augenwinkeln, wie dieser Mann wieder ins Haus zurückging, dann sofort wieder heraushetzte und einige Sekunden später in sein Auto sprang und davonbrauste.
Carola hatte sich einen Kakao gekocht und knabberte lustlos an ihrem Käsebrot.
In ihrem Kopf schwirrte nur noch ein Gedanke: Der Ableser kommt.
Mein Ableser kommt… Sie war völlig von diesen Gedanken eingenommen.
Auf die Quizsendung im Fernsehen konnte sie sich nicht konzentrieren. Sie drehte den Ton ab. Jetzt es in ihrer Wohnung mucksmäuschenstill. Nur die Küchenuhr tickte in einem gleichmäßig monotonen Klang.
Die Terminkarte lag vor ihr, als sei dies ein Liebesbrief. Und genauso intensiv beschäftigte sie sich damit.
Sie starrte die Karte an und drehte sie um, um sie dann im nächsten Moment wieder anzustarren.
Dann plötzlich hielt sie inne und überlegte. Langsam erweckten sich ihre Sinne wieder zum Leben.
„Ich habe seine Telefonnummer“, freute sie sich. Im gleichen Moment aber überrollte sie die Ernüchterung.
„Aber was nützt mir das?“
Warum sollte sie ihn anrufen? Um zu sagen, dass sie am Montag zu Hause sei und ihn hereinlassen würde?
Womöglich würde er sie bei der Gelegenheit, wenn sie schon am Telefon sei, dann bitten, selbst in den Keller zu gehen und die Zähler abzulesen.
Das wäre durchaus ein mögliches Szenario und der absolut ungünstigste Fall. Wenn dies eintreten würde, müsste sie wieder bis zum Dezember warten, bis sie ihren Kolleginnen in der Firma mitteilen könnte, sie habe einen wichtigen Termin.
Womöglich würde Herr Berger dann ihre Telefonnummer notieren und künftig gar nicht mehr selbst vorbeikommen. Schlimmstenfalls würde er sie darüber hinaus im Dezember bitten, die Wasseruhr abzulesen und ihm den Zählersand per Telefon durchzugeben.
So kam sie nicht weiter! Sie war jedoch fest entschlossen, auch in diesem März mit Herrn Berger zusammen in den Keller zu gehen!
Carola zählte nicht gerade zu der attraktiven Frauenwelt. Sie war nur ein Meter fünfundsechzig groß, trug eine sehr starke Hornbrille und hatte auch nicht gerade eine Top-Model-Figur.
Dennoch hatte Carola eine ansprechende Ausstrahlung und war eine sehr gepflegte Erscheinung, die es verstand, mit modischen Accessoires die Defizite der Natur auszugleichen.
Ihre halblangen dunklen Haare umrahmten ein rundliches, aber freundliches Gesicht. Einen festen Lebenspartner hatte sie nie finden können. Mit nahezu einundvierzig Jahren begann so etwas wie eine Panik in ihr hochzukommen.
Sie sehnte sich nach Geselligkeit und Unterhaltung, allerdings hatte sie nur Bekannte, keine Freunde.
Sie wurde nie eingeladen und niemand kam zu ihr zu Besuch. Nur der Ableser, zwei Mal im Jahr.
Bei den ersten drei Firmen im Industriegebiet Sindelfingen hatte Johannes schon erfolgreich seine Strom- und Gaszähler abgelesen.
In der vierten Firma wollte so recht niemand wissen, wo die abzulesenden Stromzähler verbaut seien.
Er solle wiederkommen, wenn der Chef da sei. Wann der Boss aber tatsächlich käme, stehe in den Sternen.
Aus seiner nunmehr doch dreijährigen Erfahrung wusste Johannes nur zu gut, darauf konnte er sich auf gar keinen Fall einlassen. Fest entschlossen steuerte er in das Sekretariat.
Zunächst wollten auch dort die Damen sich seiner Sache nicht so gerne annehmen, aber seine Hartnäckigkeit wurde belohnt. Völlig demotiviert erhob sich eine der Sekretärinnen schwerfällig und lustlos, klapperte mit einem Schlüsselbund und führte ihn in der Tat zu den Zählerplätzen.
„Melden Sie sich wieder, wenn Sie fertig sind. Ich muss wieder abschließen.“
Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und ließ ihn stehen.
Das war ihm sowieso das Liebste. Er hasste es, wenn ihm jemand über die Schulter auf seine Finger schaute. Es machte ihn nervös.
Manche Kunden waren da sehr penetrant, als müssten sie aufpassen, dass er die Daten auch richtig eingibt.
Johannes hatte ein elektronisches Ablesegerät, in das er nicht nur den abgelesenen Zählerstand eingeben konnte, sondern auch alle Besonderheiten erfasste, die er vor Ort vorfand.
So notierte er in den Lagehinweisen den Standort des Zählers und vermerkte, dass die Schlüssel im Sekretariat zu holen seien.
Gewissenhaft las er sieben Zähler ab. Beim achten Zähler jedoch musste er kapitulieren. Dieser war wieder einer der sogenannten intelligenten Geräte. Ein Messsystem, das er manuell nicht auslesen konnte. Auch mit dieser Besonderheit wurde er fertig. Er meldete sich bei den Damen wieder ab.
Dieser Kunde hatte Zeit gekostet und es ärgerte ihn. Wenn das so weiterginge, würde er sein Tagespensum nicht schaffen. Er hatte klare Ziele, wie viel er täglich schaffen wollte.
Johannes arbeitete in freier Zeiteinteilung, so hatte es Frau Waible ihm auf der Bewerberveranstaltung damals angeboten.
Johannes hatte seine Arbeitszeiten seinerzeit vorgeschlagen und sich bis zum heutigen Tag strikt daran gehalten. Er arbeitete sogar mehr als er angegeben hatte.
Pünktlich um zwölf Uhr machte er eine Stunde Mittagspause Nur wenn er im Industriegebiet unterwegs war, wurden daraus eineinhalb Stunden, denn zur Mittagszeit war in den meisten Firmen sein Kommen unerwünscht.
Mit seinem Auto suchte er sich einen möglichst abgelegenen Parkplatz, aß sein Butterbrot, trank den noch warmen Kaffee und las ausgiebig die Tageszeitung.
„Du kommst aber heute spät“, die allabendliche Begrüßung der Mutter war ebenfalls seit drei Jahren die gleiche, obwohl Johannes fast immer um neunzehn Uhr zuhause war.
„Ich habe das Essen schon fertig.“
Johannes Leben bestand aus Ritualen. Jeder Tagesablauf war akribisch geplant und identisch mit dem des Vortages und dem Tag davor sowie allen anderen Tagen zuvor.
Abweichungen machten ihn nervös und irritierten ihn. Er fand sich sowieso besser zurecht, wenn alles in seinem Tagesablauf genau und minutiös durchstrukturiert war.
Diese Ordnung brauchte Johannes für sein allgemeines Wohlbefinden und für seine Zufriedenheit.
Er sagte sich immer: „Nur zufriedene Menschen sind auch glückliche Menschen.“ Er konnte mit Fug und Recht sagen, dass er in seiner eigenen kleinen Welt, mit seiner eigenen Sichtweise, glücklich und zufrieden war.
Nach dem Essen machte es sich Johannes vor den Fernseher bequem, während seine Mutter in der Küche herumwerkelte.
Wie jeden Abend sagte seine Mutter: „Was soll nur aus Dir werden, wenn ich nicht mehr da bin? Wer kümmert sich dann um Dich? Willst Du Dich nicht doch einmal nach einer Frau umgucken?“
Jeden Abend verzichtete Johannes auf einen Kommentar, jeden Abend rollte er nur die Augen und schüttelte den Kopf.
Johannes hatte nie längere Affären. In der Vergangenheit hatte er schon die eine oder andere Freundin gehabt, aber als Handelsreisender war er selten zu Hause, hatte wenig Zeit für private Dinge.
So zerbrachen diese Beziehungen und in der Zwischenzeit hatte er sich mit seiner Situation im Leben abgefunden. Es ging ihm gut und es fehlte ihm an nichts, obwohl er sich manchmal, besonders an trüben Tagen, danach sehnte, eine Frau außer seiner Mutter, an seiner Seite zu haben.
Er wollte sich nicht beklagen. Seine Arbeit machte ihm Spaß, der Verdienst war gut und das Leben mit seiner Mutter war alles in allem gut zu ertragen.
Jeden Abend um Punkt zweiundzwanzig Uhr ging Johannes zu Bett, um am nächsten Morgen wieder um sechs Uhr aufzustehen. Seit drei Jahren.
„Ich muss mich besser vorbereiten. Ich darf ihn nicht fragen, ob er einen Kaffee möchte, ich sage ihm, dass ich den Kaffee für ihn schon bereitgestellt habe. Ja, so könnte es klappen.“ Carola schöpfte wieder Hoffnung.
An diesem Tag war sie während ihrer Arbeit sehr unkonzentriert. Andauernd fiel ihr etwas aus der Hand. Sie musste sich zwingen, an etwas anderes als an den Ableser zu denken. Ohne Erfolg.
Sie stiefelte zur Personalabteilung, klopfte höflich an und bat die Vorzimmerdame, sie beim Personalchef anzumelden. Fünf Minuten später stand sie Herrn Weber gegenüber.
„Ich habe am Montag einen unvorhergesehenen, aber unaufschiebbaren Termin wahrzunehmen und bitte deshalb um einen Tag Urlaub.“
Tapfer brachte sie ihr Anliegen vor.
In Herrn Webers großem Büro kam sie sich sofort klein und unwichtig vor.
„Frau Kortmann, ich hatte Sie bereits mehrfach gebeten, die Termine nicht so kurzfristig anzumelden. Wir ersticken hier in Arbeit, da kann ich meinen Mitarbeitern nicht unplanmäßig Urlaub gewähren. Ich fürchte, Sie müssen diesen Termin verschieben.“
Herr Weber sagte das in einem sehr energischen Ton. Carola wurde kreidebleich.
„Das geht nicht, Herr Weber“, stammelte sie. „Unmöglich!“ Verzweifelt starrte sie ihn an, eine Welt drohte für Carola zusammenzubrechen.
„Ja, Frau Kortmann, Sie haben durchaus Recht. Es ist unmöglich und es geht nicht! Wir erwarten Montag eine neue Lieferung, die noch am gleichen Tag wieder in den Versand muss. Wie Sie wissen, ist Frau Peters noch immer krank. Gehen Sie wieder an Ihre Arbeit. Versuchen Sie Ihren Termin auf die übernächste Woche zu verlegen, dann können wir nochmals darüber reden. Reichen Sie mir dann einfach Ihren Urlaubsschein herein… Und getrauen Sie sich nicht, Montag mit einem Krankenschein anzukommen!“
Damit war für Herrn Weber die Sache erledigt. Wie vom Donner gerührt erstarrte Carola, aber es blieb ihr nichts anderes übrig, als den Rückzug anzutreten.
Tränen schossen ihr in die Augen. Sogar die alte Hexe aus der Buchhaltung schien Mitleid mit ihr zu haben.
Krampfhaft überlegte Carola, wie es zu dem Kaffeetrinken mit Herrn Berger doch noch kommen könnte. Sie konnte sich beim besten Willen nicht mehr auf ihre Arbeit konzentrieren.
Im Bus auf dem Nachhauseweg kam ihr dann die rettende Idee. Sie würde ihn anrufen. Sie würde behaupten, sie sei einige Tage nicht zu Hause, damit er sie nicht bitten konnte in den Keller zu gehen, um selbst abzulesen. Weitere Bewohner seien ebenfalls nicht zu dem Termin anwesend. Dann müsse Herr Berger unweigerlich auf ihren Terminvorschlag eingehen!
Inständig hoffte sie, ihre Stimme möge bei dem Telefonat nicht versagen. Sie übte und übte den bevorstehenden Telefonanruf immer wieder in den unterschiedlichsten Tonlagen.
Dann besann sie sich auf das Getue ihrer Kolleginnen, die andauernd ihre Termine verschoben und dies mit einer Selbstverständlichkeit taten, als sei alle Welt darauf angewiesen, sich nach ihren Terminkalendern zu richten.
Selbstbewusst klang das, ja, Selbstbewusstsein sollte in der Tonlage mitschwingen.
Carola nahm ihren ganzen Mut zusammen und wählte mit ihrem Handy die auf der Karte aufgedruckte Telefonnummer. „Guten Tag, Herr Berger, mir ist das so unangenehm, aber ich möchte Sie bitten, den Termin am Montag zu verschieben.
Ich bin leider einige Tage verreist. Es kann Ihnen niemand öffnen.
Dummerweise bin ich schon unterwegs, sonst hätte ich Ihnen die Zählerstände durchgeben können.“
„Ah, ja. Mit wem spreche ich denn bitte?
„Oh, Entschuldigung, hier ist Carola Kortmann, Bad Cannstatt, Goethestraße achtundsiebzig.“
In ihrer Aufregung war sie gleich mit der Tür ins Haus gefallen, ohne sich anständig zu melden, so wie es sich gehört. Hoffentlich hatte er ihre Nervosität nicht bemerkt. Sie fand, ihre Stimme klang fremd, kalt und gestresst, wie die einer vielbeschäftigten Businessfrau.
Frau Kortmann, natürlich! Goethestraße achtundsiebzig.
Er erinnerte sich sofort. Johannes hatte gehofft, ohne ihre Begleitung seine Arbeit verrichten zu können. Das Gefühl undefinierbaren Unwohlseins stieg wieder in ihm auf. Kein unangenehmes Unwohlsein, allerdings konnte er sein Gefühl nicht genau definieren.
„Das ist aber mehr als ungünstig, weil ich am Montag in dem Viertel bereits mehrere Termine habe. Dann müsste ich extra nochmals kommen.
Ich werde Ihnen eine Selbstablesekarte in den Briefkasten werfen, die können Sie dann kostenlos zurückschicken. Ach nein, da sind ja noch mehrere Zähler in dem Haus, die nicht zu Ihnen gehören. Ein- oder zwei Wohnungen stehen meines Wissens leer, die Werte müsste ansonsten der Hauseigentümer melden…und Frau Stadler bekommt dann auch eine Karte….
Oder könnten Sie so freundlich sein und…, nein, das wäre nicht ganz rechtens. Damit hätten wir ein Datenschutzproblem. Wann könnten Sie denn?“
Carola atmete hörbar auf. Es schien zu klappen. Blitzschnell überlegte sie, dass am Dienstag ihr Friseur geöffnet habe. „Dienstag, aber nachmittags. Der fünfzehnte März wäre gut.“
„Hm. Da bin ich eigentlich in Hilkershausen.“ Johannes überlegte angestrengt, wie er um das unvermeidliche und seit drei Jahren immer wieder angetragene Angebot zum Kaffeetrinken herumkommen könnte.
Ein anderer Ableser hätte sie vielleicht aufgefordert, die Zählerstände aufzuschreiben und irgendwo zu deponieren. Johannes hingegen war gewissenhaft. Seine Projektleiterin hatte ihn auf dieses Verbot unter Berufung auf den Datenschutz ausdrücklich hingewiesen.
„Gut, aber es wird dann etwas später, nicht vor achtzehn Uhr. Ich komme kurz vor meinem Feierabend auf meinem Nachhauseweg bei Ihnen vorbei.“
Carola bestätigte und man wünschte sich gegenseitig einen schönen Abend.
Nur war die Sache mit dem Kaffee jetzt wohl gestorben. Oder vielleicht einen Tee zum Feierabend oder ein Bier? Nein, das war zu aufdringlich.
Achtzehn Uhr, nun gut, trotzdem würde sie Urlaub einreichen.
Johannes machte seine Arbeit gern, sie war sehr abwechslungsreich. Er kam mit vielen unterschiedlichen Menschen zusammen und trotzte jedem Wetter. Seitdem er als Ableser bei Wind und Wetter unterwegs war, fühlte er sich wesentlich gesünder und war auch gegen die Erkältungswellen, die seine Mitbürger befielen, so gut wie immun.
Als er sich entschlossen hatte, die Einladung der Dienstleisterfirma aus Rheinland-Pfalz anzunehmen, war er damals zunächst erschrocken über die hohe Teilnehmerzahl dieser Bewerberveranstaltung.
Männer und Frauen aller Altersgruppen, er zählte zweiunddreißig anwesende potenzielle Interessenten. Wahrscheinlich hatte seine Mutter doch recht gehabt, und er würde in ein Verkaufsgespräch verwickelt.
Er nahm auf den hintersten Stuhlreihen Platz. Sein Unbehagen wuchs. Doch am Ende waren seine Bedenken unbegründet. Er bekam einen Vertrag und wurde zu weiteren Schulungen eingeladen.
Anfänglich tat er sich schwer und stellte viele Fragen. Die übrigen zehn Teilnehmer in dem Schulungsseminar schienen weniger begriffsstutzig zu sein, dennoch bewältigte Johannes seine ersten Ablesetage mit Bravour und wurde sogar dafür gelobt.
Mehr als einmal bestätigte ihm Frau Waible, wie hochwertig seine Arbeit sei und wie sehr verbindlich und zuverlässig. Mittlerweile bearbeitete er locker viereinhalbtausend Zähler im Monat, manchmal sogar mehr.
Frau Waible hatte ihn sogar einige Male schon für andere Ablesungen herangezogen, die außerhalb seines Arbeitsgebietes waren. Er sprang gerne ein, wann und wo es erforderlich war. Frau Waible honorierte es stets mit einem Dank.
Manchmal fand er auf seinen Abrechnungen Bonusvergütungen.
Johannes freute sich über die Anerkennung und war stolz, seine Gewissenhaftigkeit wurde belohnt und - was allerdings noch viel wichtiger für ihn war - er wurde bemerkt!
Er wurde zwei Jahre später sogar zu einer Bewerberrunde eingeladen, um den „Neuen“ von seinen Erfahrungen zu berichten.
Vor allen Anwesenden hatte Frau Waible seine durchgehend hervorragenden Leistungen herausgestellt. Im Anschluss der Veranstaltung wurde er von Frau Waible zum Abendessen eingeladen.
Johannes war hiervon sehr angetan. In den diversen Teamtreffen stellte sich nämlich heraus, dass diese Privilegien noch keinem seiner Kollegen zu Teil wurden.
Seine Mutter hatte er mit der Zeit auch beruhigen können, er war ausgeglichener als all die Jahre zuvor, deshalb freute sie sich mit ihm.
Wenn nur der Dienstag schon vorbei wäre!
Alle Termine im Dichter-und-Denker-Viertel hatte er inzwischen abgearbeitet, nur die Hausnummer achtundsiebzig hing über ihn wie ein Damoklesschwert.
Eigentlich fand er Frau Kortmann sehr sympathisch, eigentlich mehr als das. Und das machte ihm Angst.
Am besagten Dienstagmorgen arbeitete Johannes die Häuser in Autobahnnähe in Hilkershausen ab. Er war erst ein einziges Mal zuvor dort in dem Viertel gewesen, einige Häuser standen – wie im Vorjahr bereits auch – noch immer leer, so dass er einen erfolglosen Ableseversuch melden musste.
Er hatte mittlerweile ein geschultes Auge dafür, ob hin und wieder zu den leerstehenden Gebäuden jemand kam, um nach dem Rechten zu sehen. Wenn möglich, hinterließ er eine seiner Karten.
Ein größeres Gebäude hatte er gerade zusammen mit einem Hausmeister abgearbeitet. Er war sogar erneut zu einer Kundin zurückgelaufen, die ihn anrief und bat, doch nochmals möglichst sofort zurückzukommen. Die Dame hatte seine Terminkarte gefunden und sei nur kurz weggewesen.
Es war jetzt Mittagszeit. Johannes machte sich auf den Weg zu seinem Auto. Bei dem milden Märzwetter freute er sich auf seinen Kaffee und sein Butterbrot. Heute hatte ihm Mutter sogar ein Ei eingepackt.
In der Nähe seines Autos hatte er eine Sitzbank bemerkt, auf diese wollte er sich niederlassen und die ersten Sonnenstrahlen genießen.
Johannes lief an den Häuserzeilen vorbei und stutzte.
Vor einer guten halben Stunde war das Gartentor an diesem Haus geschlossen gewesen, er war sich dessen ganz sicher. Jetzt stand es offen. Ein Fahrzeug parkte jedoch nicht vor dem Haus.
Im letzten Jahr wohnte dort niemand, daran konnte er sich sofort erinnern, als er das Haus in diesem Jahr wiedersah. Der Briefkasten war noch immer zugeklebt.
Der Garten war verwildert. Das Anwesen machte insgesamt einen verwahrlosten Eindruck.
Auch vor der besagten halben Stunde konnte er keine Veränderung zum Vorjahr feststellen, deshalb hatte er „Haus unbewohnt, Briefkasten zugeklebt, keine Selbstablesekarte hinterlassen“, gemeldet. Jetzt rief er diesen Auftrag wieder auf, um ihn zu korrigieren.
Er schlussfolgerte, wenn das Tor jetzt offensteht, ist jemand im Haus! Deshalb beschloss er, seine Mittagspause ausnahmsweise noch zu verschieben und dieses Objekt noch abzuarbeiten. Möglicherweise wäre nach seiner Mittagspause derjenige bereits wieder fort. Vielleicht könnte er die Kontaktdaten des Eigentümers noch ermitteln. Das wäre ein runder Abschluss eines schwierigen Auftrags.
Er lief durch das geöffnete Gartentor auf die Haustür zu. Auch diese stand weit offen. Noch vom Garten aus sah er bereits den Stromzähler, der direkt im Hausflur auf ihn zu warten schien.
Er zögerte. Sollte er klingeln? Oder sollte er einfach die Zahlen in sein Gerät eintippen? Bis jemand an der Haustür erschienen wäre, wäre er schon lange fertig.
Er entschied sich dennoch zu klingeln. Die Klingel aber gab keinen Ton von sich. Er trat einen Schritt in den Hausflur und begann „Hallo“ zu rufen.
Johannes meinte, Stimmen zu vernehmen. Gleichzeitig begann er bereits, die Daten des Stromzählers in sein Gerät einzutippen. Das Gerät würde automatisch Datum und Uhrzeit dieser Ablesung festhalten.
Wie wichtig dieser Umstand für ihn sein würde, konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht erahnen.
Die Stimmen blieben. Niemand kam.
Johannes beschlich intuitiv ein beklemmendes Gefühl, ohne dafür eine Erklärung zu haben. Er hatte seine Arbeit getan. Es würde keinen Grund geben, sich nochmals bemerkbar zu machen.
Oder besser doch?
Später würde der Eigentümer vielleicht fragen, wie er denn in ein unbewohntes Haus gekommen sei und ihn schlimmstenfalls des Einbruchs bezichtigen.
So ergänzte er vorsichtshalber den Auftrag, in dem er festhielt, dass die Haustür weit offenstand und auf sein Rufen niemand geantwortet habe. Ferner setzte er hinzu: “Klingel defekt, Zählerplatz direkt gegenüber der Haustür.“
Jetzt war er auf der sicheren Seite.
Gerade als er sich zum Gehen abwendete, wurden die Stimmen im Haus lauter. Offensichtlich stritten sich mindestens zwei Männer. Er meinte auch, eine Frauenstimme herauszuhören.
Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Wahrscheinlich Erbschaftsstreitigkeiten, mutmaßte er.
Dann hörte er etwas, was er besser nicht gehört hätte! Die drohende tiefe Stimme durchzuckte seinen Körper wie bei einem elektrischen Schlag.
Johannes trieb es Schweißperlen auf die Stirn. Er war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen und unfähig, sich zu bewegen. Aber er musste hier weg! Sofort!
Wenn man ihn entdecken würde, ginge es ihm an den Kragen!
„Sofort weg hier!“, durchfuhr es ihn. „Wegrennen oder davonschleichen? Was ist besser?“
Er entschied sich für schnelles Davonschleichen Bloß nicht mehr umdrehen, um im Falle einer Entdeckung so zu tun, als habe er nichts mitbekommen.
Er meinte, Blicke hinter den schäbigen Vorhängen zu spüren, traute sich aber nicht mehr, sich noch einmal umzuschauen. Das würde dann sicherlich so aussehen, als habe er ein schlechtes Gewissen. Es kostete ihn große Überwindung.
Niemand war auf der Straße zu sehen. Erst als er außer Sichtweite des Hauses war, rannte er los und hielt erst an seinem Auto wieder an. Vor Aufregung fiel ihm der Autoschlüssel aus der Hand, erst jetzt bemerkte er, wie sehr er zitterte.
Auf jeden Fall würde jetzt die Mittagspause ausfallen, das erste Mal seit drei Jahren.
Es gelang ihm, sein Auto zu starten. Er bewegte sich ortsauswärts und konnte sich nach einem kleinen Umweg in den fließenden Verkehr der A 81 einfädeln.
Wohin fuhr er überhaupt? Ohne sich in irgendeiner Weise zu orientieren oder sich zu konzentrieren, war er einfach losgerast, ohne wirklich zu wissen, wohin er wollte – Hauptsache weit weg!
Auch das noch! Er fuhr in jedem Fall in die falsche Richtung! Geradewegs Richtung Singen.
Was sollte er tatsächlich jetzt machen? Polizei! Er müsse die Polizei verständigen.
Was dann? Würde er sich selbst verdächtig machen? Oder – er sah erschrocken in den Rückspiegel – wurde er bereits verfolgt?
Beinahe wäre er auf seinen Vordermann gekracht, Johannes hatte nicht bemerkt, wie sich der Verkehr staute.
Es gelang ihm, sich zwischen zwei LKWs zu drängen. Seine eventuellen Verfolger würden ihn dann jedenfalls nicht so schnell sehen.
Oder – waren sie etwa direkt neben ihm auf der linken Spur?
Johannes wurde es speiübel. Er musste sich zusammennehmen, um nicht hinter dem Steuerrad zu kollabieren, um dann von dem hinter ihm fahrenden LKW zerquetscht zu werden.
An einer der nächsten Ausfahrten würde er herausfahren, die nächste, übernächste oder die, die ihm dann gerade am geeignetsten erschien.
Später würde er über Schleichwege zurück nach Stuttgart fahren.
Vielleicht würde er sich zwischendurch in den Wäldern verstecken, aber zuallererst musste er von dieser Autobahn.
Carola hatte allen Kolleginnen am Montag erzählt, sie würde am Folgetag nicht zur Arbeit kommen, da sie einen wichtigen Termin habe.
Ihre Kolleginnen nahmen es kopfnickend zur Kenntnis, niemand aber fragte sie, was denn so wichtig sei, dass sie schon tagelang total neben der Kapp´ liefe.
Gott sei Dank hatte sie am Dienstagvormittag noch einen passenden Friseurtermin bekommen, aber nur auf Drängen, da sie auch ihrer Friseurin von dem dringenden Termin erzählte. Aber auch die Friseurin fragte nicht, weshalb dieser Termin so wichtig sei.
Auch nicht, als sie darum bat, die Kosmetikerin in dem Salon solle sie dezent schminken.
Gegen Mittag betrat sie eine Parfümerie, ließ sich viel Zeit bei der Auswahl des Duftwassers und war erschrocken über den Preis. Der Verkäuferin erzählte sie ebenfalls von dem wichtigen Termin, auch hier wurden keine Fragen gestellt.
Sie wollte auf alles vorbereitet sein, so ging sie in den Supermarkt und kaufte Gemüse und Salat. Beim Metzger kaufte sie Steaks und Schnitzel.
Sie war sich immer noch nicht sicher, ob sie nicht zufällig gerade das Essen fertig haben würde, wenn der Ableser käme. Und vielleicht hätte dieser zufällig auch gerade Appetit auf ein saftiges Steak.
Verflixt, sie hatte den Wein und das Bier vergessen.
Sie getraute sich aber nicht noch einmal in den Supermarkt. Man würde sie vielleicht komisch anschauen, also ging sie den weiteren Weg in die Getränkehandlung.
„Ich habe heute einen wirklich wichtigen Termin. Ich weiß aber nicht, was mein Gast gerne trinkt, deshalb brauche ich Weißwein, Rotwein, Sherry und drei Flaschen Bier. Aber ich bin leider keine Weinkennerin.“
Der Verkäufer hinter dem Ladentisch grinste breit und sprach seine Empfehlungen aus. Dann verrechnete er für den Rotwein siebzehn Euro fünfundneunzig, für den Weißwein zwölf Euro neunzig.
Dabei beteuerte er einige Male zu viel, sie habe ganz sicher eine gute Wahl getroffen.