Der Apparat - J. O. Morgan - E-Book

Der Apparat E-Book

J. O. Morgan

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Beschreibung

Ein dystopischer Roman über eine der drängendsten Fragen unserer Zeit: Was wird aus uns Menschen, unseren Beziehungen, Gedanken und Gefühlen, aus unserer Seele in einer technikversessenen Welt? Und was wäre, wenn niemand das Internet erfunden hätte? Eine Welt, die unserer zum Verwechseln ähnelt – mit einem Unterschied: Es gibt kein Internet. Stattdessen wird die Teleportation erfunden, und Entfernungen stellen kein Hindernis mehr dar. Eine Revolution, ein Wunder, das schnell alltäglich wird und doch das Leben aller Beteiligten tiefgreifend verändert: von den ersten Versuchen, einem teleportierten Eierlöffel, bis zur selbstverständlichen, unmittelbaren Bewegung von Menschen. Aber ist ein Ölgemälde nach dem Umzug per Teleportation wirklich noch dasselbe wie zuvor? Warum hat Der Apparat die Macht, eine Beziehungskrise auszulösen? Und hat dein Ehemann, der erste teleportierte Mensch der Welt, die Übertragung wirklich so unbeschadet überstanden, wie es scheint? In seinem formvollendeten Roman untersucht der preisgekrönte Lyriker J. O. Morgan, was in einer technologiebestimmten Welt mit unserer Menschlichkeit, unseren Erinnerungen, Ängsten, Lieben geschieht und was verloren geht auf dem Weg in die Zukunft.

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Seitenzahl: 246

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J. O. Morgan

Der Apparat

Roman

 

 

Aus dem Englischen von Jan Schönherr

 

Über dieses Buch

Eine Welt, die unserer zum Verwechseln ähnelt – mit einem Unterschied: Es gibt kein Internet. Stattdessen wird die Teleportation erfunden, und Entfernungen stellen kein Hindernis mehr dar. Eine Revolution, ein Wunder, das schnell alltäglich wird und doch das Leben aller Beteiligten tiefgreifend verändert: von den ersten Versuchen, einem teleportierten Eierlöffel, bis zur selbstverständlichen, unmittelbaren Bewegung von Menschen. Aber ist ein Ölgemälde nach dem Umzug per Teleportation wirklich noch dasselbe wie zuvor? Warum hat der Apparat die Macht, eine Beziehungskrise auszulösen? Und hat dein Ehemann, der erste teleportierte Mensch der Welt, die Übertragung wirklich so unbeschadet überstanden, wie es scheint? In seinem formvollendeten Roman untersucht der preisgekrönte Lyriker J. O. Morgan, was in einer technologiebestimmten Welt mit unserer Menschlichkeit, unseren Erinnerungen, Ängsten, Lieben geschieht und was verloren geht auf dem Weg in die Zukunft.

Vita

J. O. Morgan, geboren 1978, wurde für seine Lyrik mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Costa Poetry Award. Der Apparat ist sein zweiter Roman. J. O. Morgan lebt in Edinburgh, Schottland.  

 

Jan Schönherr lebt in München und hat Autoren wie Charles Bukowski, Roald Dahl und Francis Spufford übersetzt. Für seine Arbeit wurde er mehrmals ausgezeichnet, u. a. mit dem Förderpreis zum Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW 2019.

Impressum

Die Übersetzung wurde vom Publishing Scotland Translation Fund gefördert. 

 

 

 

 

 

Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel «Appliance» bei Jonathan Cape, London.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Juli 2023

Copyright © 2023 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

«Appliance» Copyright © 2022 by J. O. Morgan

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

Covergestaltung Anzinger und Rasp, München

Coverabbildung «Dampfbügeleisen», Konrad Klapheck/akg-images/© VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-644-01369-8

www.rowohlt.de

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

Und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun.

Genesis 11,6

 

Durch einen Mechanismus verschwindet das Bankett.

Shakespeare, Der Sturm (3. Aufzug, 3. Szene)

1.Bringen Sie’s rein

Der Apparat sah fast exakt so aus wie ein großer grauer Kühlschrank, so ein imposantes ausländisches Modell mit einer großen Tür unten und einer kleineren darüber, beide wie ein Autodach gewölbt und mit je einem langen Chromgriff ausgestattet; bloß war der untere Griff mit einem schweren Schloss gesichert, und an den oberen durfte man nur greifen, wenn das grüne Licht aufleuchtete. Im Unterschied zu einem Kühlschrank saßen nämlich auf der glänzenden Oberseite des Apparats drei kleine verschiedenfarbige Glühlampen; und die wuchtige, an der Seite angeschraubte Steuerungseinheit mit Kaltkathodendisplay und gummiertem Tastenfeld war auch kein Thermostat.

Eines Freitagabends kamen vier gut gekleidete Männer vom Institut vorbei, um dieses Gerät kippelnd, schiebend und stützend aus einem alten blauen Lieferwagen zu wuchten, auf einem Transportroller über den Gartenweg zu schieben und dann durch Mr Pearsons Haustür zu bugsieren.

Diese diffizile Aufgabe erfüllten sie mit größter Sorgfalt und in aller Ruhe. Mehrfach maßen sie das gusseiserne Gartentor aus und banden es schließlich mit einer Schnur zurück. Sie suchten den groben Asphalt des Gartenwegs nach Rissen und Dellen ab. Legten lange Bretter über die Stufen vor der Haustür. Wischten sich den Schweiß mit Stofftaschentüchern von den Händen. Dann packten sie den großen grauen Kasten ganz fest zu viert, um ihn ins Haus zu rollen, als wäre ein Sturz, bei dem er auch nur die kleinste Macke abbekäme, eine Katastrophe von apokalyptischem Ausmaß.

Mr Pearson hielt sich aus alldem heraus, räumte bloß einige potenzielle Hindernisse aus dem Flur, während er seiner Frau erklärte, dass man ihn sehr wohl um seine Erlaubnis gebeten habe, er sehr wohl wisse, was auf sie beide zukomme, und er ihr die Einzelheiten noch in Ruhe auseinandersetzen würde, sobald das Gerät ordnungsgemäß angeschlossen sei.

Mr Pearson arbeitete nicht in derselben Abteilung wie die vier Männer. Mr Pearson war eigens auserkoren worden. Mr Pearson und seiner Frau wurde die Maschine, dieser Prototyp, für ein paar Tage anvertraut, um damit eine Reihe basaler Tests durchzuführen. Mr Pearson hatte detaillierte Anweisungen erhalten. Außerdem wohnte Mr Pearson, im Unterschied zu vielen seiner Kollegen, einigermaßen nah am Institut, und das hatte wohl den letzten Ausschlag gegeben.

Das Gerät wurde in der Küche abgestellt. Ein selbstverständlicher Platz dafür drängte sich nicht auf, weshalb es nun sperrig mitten im Raum aufragte. Wandbündig konnte man es nicht platzieren, einerseits wegen des steifen Kabels an der Rückseite, andererseits weil man es – zumindest in der Testphase – für geboten hielt, es allseitig zugänglich zu halten. Das eigenartige Kabel war dick wie ein Babyarm und ummantelt mit weichem braunem Gummi. Am Gerät war es mit einem starren Kunststoffkragen befestigt, von dem aus es sich durch die Küche, den Flur und den Briefschlitz an der Haustür schlängelte.

Nachdem sie sich vom stabilen Stand der Maschine überzeugt und das dünne Stromkabel in die nächstliegende Dose gesteckt hatten, zogen die vier Männer ab und ließen Mr und Mrs Pearson mit dem Neuzugang im Küchenmobiliar allein zurück.

Oben auf dem Apparat glomm ein bernsteinfarbenes Licht. Mr Pearson wusste zwar nicht recht, was das bedeutete, stand aber trotzdem mit den Händen in den Hosentaschen da und strahlte die Maschine an. Mrs Pearson stand mit verschränkten Armen hinter ihm und strahlte nicht.

Nach einer Weile ergriff sie das Wort. «Und was, wenn wir mal aus dem Haus müssen?»

«Hmm?» Mr Pearson ließ den Apparat nicht aus den Augen.

«Und ziehen wird es auch wie Hechtsuppe, wenn der Briefschlitz die ganze Nacht aufsteht.»

Langsam und noch immer strahlend trat Mr Pearson einen Schritt zurück und setzte sich.

«Wenn dieses Ding tut, was es soll –» Er ermahnte das klobige Gerät mit erhobenem Zeigefinger. «Huiuiui … Meine Herren … Das wird was. Das wird wirklich was.»

Mrs Pearson seufzte und nahm neben ihrem Mann Platz.

«Du hast gar nicht erzählt, dass die an so was tüfteln.»

«Ich wusste es ja selber nicht. Niemand wusste das. Jedenfalls nicht wir in der Personalabteilung. Ist aber ganz normal. Wirklich genau wissen wir immer nur, dass wir nie genau wissen, woran die arbeiten. Und wenn wir es zufällig doch mal mitkriegen, müssen wir schwören, mit niemandem darüber zu sprechen. Ich musste extra ein Formular unterschreiben, um das zu versprechen.»

«So, so.» Mrs Pearson blickte Richtung Küchenfenster. «Aber ich hab denen nichts dergleichen versprochen. Und was soll ich jetzt sagen, wenn die Leute nach dem hässlichen Kabel fragen, das aus unserer Haustür ragt? Die fragen nämlich garantiert! Das Ding läuft ja direkt am Gartenweg entlang. Und danach, wie weit noch? Wahrscheinlich ja wohl bis zum Institut. Locker vier-, fünfhundert Meter. Die Leute werden sich ganz schön das Maul zerreißen, wenn sie das Kabel sehen. Und ich bin keine Lügnerin. Dafür hab ich keine Zeit. Wenn also einer fragt –»

Mr Pearson kam wieder auf die Füße, erneut die Hände in den Taschen. Gemächlich ging er rings um die Maschine, inspizierte sie aus jeder Perspektive.

«Das haben die bestimmt bedacht. Alles geregelt.» Er ging in die Hocke und beäugte den Anschluss. Schon streckte er die Hand aus, um sich zu überzeugen, dass alles fest verkoppelt war, besann sich aber doch noch rechtzeitig und zuckte zurück. «Die haben das sicher irgendwo angemeldet. Mit allen nötigen Stellen gesprochen.» Mit der freien Hand winkte er ab, dann schob er sie wieder in die Tasche. «Warnschilder werden sie aufgestellt haben. Berühren verboten! Lebensgefahr! Empfindliche Bußgelder! Mach dir mal keine Sorgen. Ich wette, es fragt nicht mal jemand.»

Nach abgeschlossenem Rundgang setzte Mr Pearson sich wieder zu seiner Frau. Gerade wollte er mit den Beteuerungen fortfahren, als sich etwas veränderte. Das bernsteinfarbene Licht ging aus. Und einen Augenblick später ging ein rotes Licht an.

Mr Pearson sprang auf, die Knöchel seiner Faust vor den geschürzten Lippen. Langsam erhob sich auch seine Frau und trat neben ihn.

Eine Weile rührten sie sich beide nicht, und nichts weiter geschah mit der Maschine. Kein Geräusch, kein Warnsignal, nur der träge Übergang von einem Leuchtsignal zum anderen, dessen sanftes rotes Licht nun auf ihren gespannten Mienen schimmerte.

Nach einer Weile ließ Mrs Pearson die Schultern sinken.

«Meinst du, das war schon alles?»

«Sssch!» Ihr Gatte machte eine brüske Geste.

Mrs Pearson senkte die Stimme zum Flüstern. «Ich meinte, ob du glaubst, dass was angekommen ist. Glaubst du, was immer da drin ist, muss erst noch … verarbeitet werden oder so?»

«Was? Nein. Es, ähm … Ich weiß nicht.» Aus der Innentasche seines Sakkos zog Mr Pearson ein paar gefaltete graue Unterlagen hervor, die man am Nachmittag für ihn getippt hatte, unter Verwendung sowohl schwarzen als auch roten Farbbands. Mit dem Zeigefinger strich er nun über diese Instruktionen. «Ah.» Er tippte auf die Seiten. «Es ist verriegelt.» Noch einmal las er die betreffende Zeile. «Genau. Das rote Licht heißt, es ist verriegelt. Das ist alles.» Er las weiter. Nickte. «Genau. Vollautomatisch geht das. Vermutlich machen die irgendwas am anderen Ende der Leitung. Wir tun einfach … gar nichts. Genau. Fürs Erste … warten wir nur ab.» Er blickte wieder auf und lächelte.

Mrs Pearson ließ ein müdes kleines Ächzen fahren und zog sich ans Spülbecken zurück. «Also ich verschwende damit sicher nicht noch mehr kostbare Zeit. Schließlich ist das deine Arbeit. Gut, vielleicht nicht deine Arbeit, aber deine Verantwortung. Also wirst wohl du –» Sie nahm einen großen Topf aus dem Regal und füllte ihn mit Wasser. «Kriegst du dafür eigentlich eine Zulage? Das will ich aber doch schwer hoffen! Für uns beide, meine ich. Für unsere Unannehmlichkeiten. Das ganze Wochenende, haben die gesagt! Und wenn wir jetzt Gäste hätten? Interessiert die wohl gar nicht, hm? Und erzähl mir jetzt nichts von wegen Privileg. Wenn das zum Job gehört, gehört es auch bezahlt. Und was kann dabei überhaupt alles passieren? Versuchskaninchen sind wir, weiter nichts! Haben die denn wenigstens versucht, dir zu versichern, das sei alles völlig –»

Mrs Pearson ließ den schweren Topf fallen. Dumpf krachte er ins Spülbecken. Das Wasser schwappte ihr über die Schürze und platschte auf den Fußboden.

Reflexartig hatte sie die Hände hochgerissen, um sich die Ohren zuzuhalten. Doch das Geräusch, das sie dazu veranlasst hatte, war schon wieder verstummt. Nur das kalte Sprudeln aus dem Wasserhahn war noch zu hören.

Mrs Pearsons Mund stand sperrangelweit auf, bereit zu einem Schrei. Ihre Augen waren winzig klein gekniffen, in Erwartung dessen, was da kommen mochte.

Aber es kam gar nichts.

Als sie sich umdrehte, sah sie, dass auch ihr Mann sich beide Ohren zuhielt und sich krümmte, als wolle er sich an sich selbst festklammern.

Das Geräusch hielt nicht lang an, kaum mehr als einen Augenblick, und verstummte so schlagartig, wie es erschallt war. Trotz der Lautstärke tat es nicht direkt weh in den Ohren, war aber doch höchst unerfreulich. Als zerkratzte und zerfetzte irgendwer mit Stahlklauen die Luft – als risse sie mit orkangleicher Gewalt auf und schnappte gleich darauf genauso kräftig wieder zu.

Mrs Pearson musste sich fast übergeben. Sie nahm an, ihrem Gatten erging es nicht anders, auch wenn der das niemals zugegeben hätte. Doch in der neuen Stille ließ die Übelkeit rasch nach. Schon hatte Mr Pearson sich aufgerichtet und die zitternden Hände wieder in den Taschen verstaut. Er warf seiner Frau einen tapferen wissenden Blick zu, wie um zu sagen: «Siehst du?» So als hätten all seine Erwartungen sich voll und ganz bestätigt. Aber Mrs Pearson merkte, wie er hinter dem dünnen Lächeln das Gesicht verzog, insgeheim sicher schon bange vor der nächsten Unbill.

Dann erlosch blinkend die rote Birne, ihr Nachglanz verblasste, und nach einer winzig kleinen Pause, so als überprüfte sich das Gerät vor dem nächsten Schritt noch schnell ein letztes Mal selbst, leuchtete das grüne Licht auf.

Argwöhnisch nahm Mrs Pearson die Hände von den Ohren. Sie tastete nach dem Wasserhahn und drehte ihn zu, bevor sie wieder neben ihren Mann trat.

«Glaubst du, das heißt …» Mit leicht gekrümmten Schultern stand sie da und trocknete die Finger an der Schürze ab.

Mr Pearson hatte wieder seine lässige Pose eingenommen und entspannte sich allmählich, auch wenn die Luft ihm noch im Hals feststeckte und er zur Antwort nur ein paarmal nicken konnte.

«Und jetzt? Wie –» Misstrauisch beäugte Mrs Pearson die Maschine. «Woher sollen wir’s … wissen? Also sicher, meine ich?»

Mr Pearson glotzte das Gerät an, öffnete und schloss fischgleich den Mund. Dann zückte er erneut die Unterlagen und konsultierte sie beflissen. Noch immer zitterten ihm die Hände. Er trat einen Schritt nach vorn. Warf noch einmal einen Blick in die Papiere und legte dann die Hand an den oberen der beiden Griffe. Der gab seinem Ziehen sofort nach, und mit leisem Schlossklicken und dem Schmatzen eines sich lösenden Plastikwulsts öffnete sich die obere Tür und schwang leichtgängig nach außen auf.

Das Fach dahinter war viel kleiner als erwartet. Auch dieser Teil war fast so massiv und so grau wie der Rest des Apparats – nur in der Mitte fand sich eine kleine Aussparung, kaum groß genug für einen Eierkarton. Dieser Hohlraum war gewölbt und an den Seiten dicht gespickt mit etwas, das aussah wie zahllose winzige Glühbirnchen. Sie bestanden aus durchsichtigem Glas, enthielten aber augenscheinlich keinen Glühdraht, sondern nur ein dunkles Zentrum; wie tausend Fischaugen mit großen, weich umränderten Pupillen oder eine Wand aus gefrorenem Froschlaich.

Auch die Tür barg auf der Innenseite ein gewölbtes Feld aus Birnen, das sich, wenn man das Gerät schloss, wieder über den Hohlraum legen und die Kugel komplettieren würde. Jetzt aber stand der Hohlraum offen. Die Birnen lagen still und dunkel da. Und auf den Birnen, exakt in der Mitte, lag ein kleiner weißer Plastiklöffel.

Er sah aus wie einer von der Sorte, die Mr Pearson täglich in der Hand hatte, wenn er in der Institutskantine zu Mittag aß. Schon wollte er danach greifen.

«Nicht!» Seine Frau schlug ihm die ausgestreckte Hand zur Seite. «Der ist doch sicher heiß oder steht unter Strom oder … irgendwas! Du weißt es nicht!»

Mr Pearson konsultierte sorgsam seine Unterlagen und schüttelte den Kopf. Er griff in die Kammer. Berührte den Löffel. Der Löffel bewegte sich, kratzte leise quietschend übers zarte Glas der Birnen. Mr Pearson nahm ihn in die Hand. Betrachtete ihn voller Staunen. Hielt ihn seiner Frau hin, die sich vorbeugte, um sich davon zu überzeugen, dass es sich tatsächlich um einen kleinen weißen Plastiklöffel handelte. Mr Pearson drehte ihn herum. Strich den Daumen durch die Laffe. Betastete den rauen Rand des geformten Plastiks. Dann legte er ihn vorsichtig, ehrfürchtig zurück in den glasäugigen Hohlraum der Maschine und wollte die Tür wieder schließen.

«Werden die nicht noch was anderes schicken? Sollten wir den nicht behalten, damit nichts, na, du weißt schon, durcheinanderkommt?»

«Nein.» Mr Pearson sprach ganz leise, flüsterte beinahe. «Nein, so funktioniert das nicht. Nicht mal annähernd. Jetzt dürfen wir –» Er schloss behutsam die Tür, und die Birnen fügten sich leise knirschend wieder ineinander. «Jetzt schicken wir ihn zurück.»

Leicht gebückt und seine Unterlagen fest umklammert, tapste er an die Seite der Maschine und tippte mit stocksteifem, zielstrebigem Finger bedächtig auf das Tastenfeld ein.

«Und du weißt wirklich, wie das geht? Bist du ganz sicher?»

Mr Pearson schwieg, konzentrierte sich voll auf seine Aufgabe. Sein Blick huschte hin und her zwischen dem schmalen Display und den getippten Instruktionen. Stumm die Lippen mitbewegend, prüfte er die Zahlen noch mal nach. Er zögerte, einen Finger bereits sendebereit über dem Knopf. War das nicht doch alles viel zu simpel, viel zu unkompliziert? Er grinste. Aber na klar! Das war ja gerade der Witz! Der einzige Grund, dass man ihm überhaupt die Gelegenheit gab, so ein Gerät zu testen, bei sich zu Hause, völlig ohne Aufsicht. Er drückte den Knopf und trat zurück. Die grüne Lampe erlosch. Die bernsteinfarbene leuchtete auf.

Sofort setzte ein fürchterliches Klopfen ein. Ein stürmisches inneres Gehämmer. Besorgt blickten Mr und Mrs Pearson erst einander und dann die Maschine an.

«Schau nach!», drängte Mrs Pearson ihren Mann. «Schau sofort nach, ob das normal ist, bevor das Ding in tausend Stücke fliegt und unsere Küche gleich mit!»

Noch einmal wurden die Unterlagen sachgemäß befragt, wenn auch unter hektischem Geblätter.

Das Rattern und Klopfen riss nicht ab, die Rhythmen überlappten und verzerrten sich. Dann folgte ein Geräusch wie von Saugpumpen, wie von ächzenden Rohren, ein tiefes Wogen und Pulsieren.

«Hier steht … hier steht, das sei normal.» Mr Pearson gab sich Mühe, vollkommen entspannt zu wirken, obwohl er gegen das Getöse ansprechen musste. Zur Beruhigung seiner Frau rang er sich ein frisches Lächeln ab. «Hier heißt es, wir müssten mit einer ‹geringfügigen akustischen Beeinträchtigung› rechnen. Gehört alles zur … ähm … zum Analyseprozess. Der muss … ja, der muss sehr gründlich sein.»

«Und was meinst du, wie lange diese Gründlichkeit noch dauert?»

Mrs Pearson war kein bisschen beruhigt. Wieder hielt sie sich die Ohren zu, doch das nützte ihr nicht viel, der Lärm schien direkt in sie einzudringen.

In kleinen Rückwärtsschritten zog sie sich zur Wand zurück. Ihr Mann tat es ihr gleich – vorgeblich bloß, weil er nicht schreien wollte. Doch gerade, als er erneut zu sprechen anhob, hörte das Klopfen plötzlich auf. Die beiden blickten erst einander und dann die Maschine an. Das Bernsteinlämpchen leuchtete noch immer.

Auch Mr Pearson hielt sich nun die Ohren zu. In der Luft lag ein Gefühl, als könnte gleich ausnahmslos alles passieren, und zwar ohne jede Vorwarnung.

Doch es passierte gar nichts. Die Maschine blieb stumm.

Zaghaft, tapfer nahm Mrs Pearson die Hände von den Ohren.

«Also eins kann ich dir sagen, die Lust aufs Kochen ist mir jedenfalls vergangen. Solange dieses Ding hier jederzeit losrumpeln kann, rühr ich keinen Finger. Geradezu gefährlich wäre das, den Herd da anzustellen. Wer würde sich so was je ins Haus holen wollen? Irritierend, um es milde auszudrücken. Und hässlich.»

«Das ist ja bloß ein Prototyp. Wenn die Technik erst richtig ausgefeilt ist, klingt es sicher nicht mehr so. Das kriegen die schon hin. Das bügeln die noch aus. Außerdem habe ich sowieso keinen großen Hunger. Ein Sandwich reicht mir völlig.»

Mrs Pearson machte sich daran, ihnen ein simples Abendbrot anzurichten, obwohl es ihr überhaupt nicht passte, auf dem Weg zur Speisekammer an dem Apparat vorbeizumüssen.

Mr Pearson setzte sich an den Tisch. Mit der vorläufigen Stille war auch seine Begeisterung zurückgekehrt.

«Schon ein Wunder, findest du nicht? Das ist der Anfang eines neuen Zeitalters! Die Zukunft, hier in unserer Küche!»

«Ich weiß ja nicht … Wem soll das denn nützen, solche Wegwerflöffel durch die Gegend zu schicken?»

«Sei nicht albern. Die Löffel sind doch nur ein Test. Simple Sachen eben, klar? Eine Kleinigkeit nach der anderen, bloß um zu überprüfen, dass auch alles richtig, ähm, kalibriert ist oder so. Du musst größer denken! Die Maschinen im Institut sind … Na ja, selbst gesehen hab ich sie nicht, aber ich wette, die sind riesig. Und stell dir doch nur mal eine große Fabrik vor, irgendwo im Ausland, mit ganzen Lagerhäusern voller Waren, die damit verschickt werden. Jederzeit könntest du eine neue Ladung kriegen. Einfach so.» Er schnippte mit den Fingern. «Blitzschnell. Sofort. Zack, zack.»

«Wohl kaum.» Mrs Pearson linste zu dem Bernsteinlicht. «Nicht wenn man immer so lange warten muss.» Sie stellte zwei volle Teller ab und setzte sich ebenfalls an den Küchentisch.

«Das kriegen die noch hin. Ruckzuck wird das gehen. Glaub mir das ruhig.» Mr Pearson nahm sich eine dicke Scheibe Brot und bestrich sie mit Butter, wobei er hin und wieder mit dem Messer fuchtelte, um seine Gedanken präziser zu dirigieren. «Und ich spreche hier nicht von Löffeln. Nein! Eher von Eisen, Stahl, Rohöl und so was. Rohstoffe. Güter, die auf dem Seeweg heute noch Monate unterwegs sind. Die müssen nur erst die Kabel verlegen. Am Meeresgrund. Das wird sicher noch ein Weilchen dauern. Ein Haufen Arbeit. Aber das ist’s wert. Langfristig viel billiger.»

«Und die normalen Firmen gehen alle pleite. Die Werften, die Ingenieure, die Seeleute. Alle arbeitslos. Ruckzuck. Zack, zack. Für die gibt’s keine Zukunft.»

«Irrtum. Total falsch.» Entschlossen zeigte Mr Pearson mit dem Messer auf sie, unterbrach seinen Vortrag nur kurz, um zu kauen und einen großen Happen zu schlucken. «Erstens werden die ja für die übrigen Waren noch gebraucht. Für alles, was nicht mit der neuen Methode verschickt werden kann. Komplizierte Waren, weißt du, Elektrogeräte oder Luxuslebensmittel. Ganz zu schweigen von Personen. Die müssen ja auch noch transportiert werden. Und zweitens, selbst wenn die Reedereien, wie du richtig annimmst, abschiffen, können die Arbeiter ja in die neue Branche wechseln. Da gibt’s jede Menge neue Jobs. Systemüberwachung, Kabel verlegen. So was alles. Eine Tür schließt sich, eine andere geht auf. So läuft das eben. Das ist Fortschritt.»

Erneut fing es hinter ihnen zu klopfen an. Mrs Pearson fuhr vor Schreck zusammen und hätte sich beinah verschluckt. Ihr Mann winkte die Störung ab wie ein alter Hase, als wäre er schon durch und durch gewöhnt an die Funktionsweise des Apparats.

«Reanalyse. Ganz normal. Das macht das Gerät regelmäßig. Die Dinge verändern sich, weißt du? Auf molekularer Ebene. Von Augenblick zu Augenblick. Die Maschine überprüft noch einmal das Objekt, kontrolliert all seine Werte oder so, und wenn es dann sendefertig ist, stimmt alles ganz genau.»

«Und was ist mit uns?» Behutsam trank Mrs Pearson einen Schluck Wasser. «Was haben wir von dieser großartigen Erfindung? Wie soll einer wie du, aus der Personalabteilung, von dieser schönen neuen Welt profitieren?»

«Na, als Konsument natürlich! Es geht ja nicht bloß um die Industrie. Am Ende kommen alle Vorteile bei uns an. Alles wird billiger. Praktischer. Erst Löffel, dann komplette Autos. Vielleicht. Direkt ab Werk vor die Haustür. Oder in die Einfahrt, besser gesagt. Oder eben dahin, wo der nächste Apparat steht. Das kann doch nur billiger, leichter und insgesamt besser sein, meinst du nicht?»

«Mir kommt das alles eher sehr viel teurer vor. Wie noch größere Geldverschwendung. Braucht im Grunde kein Mensch.» Mrs Pearson stand auf und trug ihren leeren Teller und ihr Glas zur Spüle. «Die vielen Kabelkilometer, die man dafür legen muss. All die neuen Anlagen. Das wird die Preise eher in die Höhe schießen lassen.» Sie legte den Kopf auf die Seite. «Oder wer weiß, vielleicht kommt’s auch aufs Selbe raus. Preismäßig, meine ich. So läuft es doch sonst auch. Alles bleibt beim Alten. Relativ gesehen.»

Sie mochte die Geräusche nicht, all das Klopfen, Saugen, Gurgeln, wusste sie jedoch bereits auszublenden; wie wenn Bauarbeiter die Straße vor dem Haus aufreißen und man den Lärm bald nur noch als Hintergrundrauschen wahrnimmt. Doch als das Klopfen verstummte und sie bemerkte, dass die Lampen still und gleichmütig von Bernstein zu Rot gewechselt hatten, änderte sich schnell auch ihr Verhalten, und sie stellte das Geschirr rasch in die Spüle, um sich die Ohren zuzuhalten und die Augen zuzukneifen. Mr Pearson folgte ihrem Beispiel, und so standen beide stocksteif da und erwarteten das grauenhafte Reißgeräusch, bei dem ihnen vermutlich wieder hochkäme, was sie eben geschluckt hatten.

Diesmal erschien es ihnen sogar noch schlimmer. Obwohl sie es erwartet hatten. Obwohl sie sich die Ohren zuhielten. Sie verspürten ein plötzliches Ziehen, kurz, aber kräftig. Derselbe kratzende, ratschende Lärm wie vorhin riss mit Gewalt an ihren Eingeweiden. Zerrte sie langsam in Richtung der Maschine.

Zaghaft schlugen beide die Augen auf. Das Licht auf dem Gerät war wieder grün. Mr Pearson wiegte sich von seinem Stuhl, versuchte, sich auf eine Weise zu bewegen, die so aussah, als fiele ihm Bewegung leicht. Er warf einen Blick in die Kammer. Sie war leer. Nichts darin außer den dicht gereihten Glasbirnen. Wie ein Zaubertrick. Kein Weg hinein, kein Weg hinaus. Es kracht, es zischt, zu seh’n ist nichts.

«Die Maschine ist ja doch recht groß.» Mit beiden Händen hielt Mrs Pearson sich den Bauch. Ohne sich so ganz zu voller Höhe aufzurichten, trat sie neben ihren Mann, um mit ihm in die leere Kammer zu spähen. «Vielleicht ist da irgendwo ein doppelter Boden. Vielleicht klappen die Birnen einfach weg wie eine Falltür, und der Löffel plumpst nach unten. Wo man ihn nicht mehr sieht. Dann macht man die Tür zu, und zack, ist der Löffel wieder da.»

Mr Pearson streckte eine Hand in die Kammer, strich über Boden und Seiten. Die Birnen fühlten sich fast übernatürlich glatt an. So kühl und rutschig waren sie, dass er richtiggehend stutzte, weil seine Hand nicht feucht war, als er sie aus der Kammer nahm.

«Wirkt alles recht stabil. Ziemlich dicht gepackt.»

«Außerdem war der Löffel winzig. Und das Kabel ist so dick! Kein Hexenwerk, da einen kleinen Löffel durchzukriegen.» Mrs Pearson schnürte ihre Schürze auf und faltete die fleckige weiße Baumwolle zusammen. «Bestimmt so eine Art Rohrpost. Mit Druckluft, wie in diesen feinen Banken. All dieses Geklopfe, da wird der Druck aufgebaut, und dann – schwupp und ab dafür. Ratzfatz. Clever, das schon, aber nichts Neues. Das setzt sich nie durch.»

Mr Pearson nickte langsam. Er hörte ihr gar nicht richtig zu. Er schwenkte die offene Tür in den Angeln hin und her. Versuchte, ihr Gewicht zu erspüren. Wollte die dünnen Kabel sehen, die Tür und Apparat verbanden.

Mrs Pearson ließ ihn machen.

«Also ich werde jedenfalls nicht auf noch mehr Löffel warten.» Sie legte die gefaltete Schürze auf den Tisch neben die Reste ihres Abendbrots. «Ich hoffe, es kommen gar keine mehr. Wenigstens nicht heute Abend.» Ein kurzer Blick zum Abwasch in der Spüle. «Dieses ganze Geklopfe und Gepumpe und Gekreische … Wie soll man da ein Auge zukriegen?» Sie holte tief Luft und steuerte den Flur an. «Denk nur dran, die Tür später gut zuzumachen, wenn du raufkommst.» Und damit verschwand sie.

Einen Augenblick stand Mr Pearson ganz allein da. Der Apparat vor ihm blieb stumm. Jetzt, wo seine Frau fort war, konnte er erst richtig würdigen, wie ausgesprochen still dieses Gerät war. Selbst ein Kühlschrank summte leise, aber dieses Ding gab nicht das kleinste Grundgeräusch ab, nicht einmal die grüne Lampe brummte. Sogar Mr Pearsons Nasenatmung klang dagegen grob. Die Tür schwang ohne jeden Widerstand zu, bloß als die Birnen sich berührten, gab es einen kleinen Ruck und dieses zarte, hohe Quietschen von der Reibung, dann saugte der Magnetstreifen sich mit kleinem dumpfem Laut am Rahmen fest.

Mr Pearson schob die Hände in die Taschen und trat ein paar Schritte zurück, wollte die Maschine noch nicht aus den Augen lassen – nur, falls doch noch irgendwas passierte, irgendetwas Ungewöhnliches.

Doch es passierte nichts. Das grüne Licht leuchtete weiter. Der Apparat blieb stumm. Und Mr Pearson wandte sich schließlich doch ab und folgte seiner Frau schlurfend ins Bett.

 

Die kühle blaue Dunkelheit der Küche sowie das sanfte gelbe Licht einer Laterne, das durch die Jalousie am Fenster fiel. Die träge Schwere des einsatzbereiten Apparats sowie das kleine gleichmäßige Leuchten der bernsteinfarbenen Lampe darauf.

Ein langsames Knarzen. Ein sachtes Tapsen, dumpf, leise und zögerlich. Ein Schlurfen, ein Tasten im Dunkeln, dann schwang die Küchentür, die einen Spaltbreit aufgestanden hatte, allmählich kücheneinwärts.

In der Tür tauchte verschwommen der schattenhafte Schemen von Mrs Pearson auf, das dünne gelbe Licht umrahmte fahl ihr altes weißes Nachthemd. Fest umschlang sie sich mit beiden Armen. Streckte einen nackten Fuß vor und tippte mit dem großen Zeh gegen das dicke, sich aus der Tür schlängelnde Kabel. Der Gummimantel war weich und warm. Gab unter ihrem Zeh ein wenig nach.

Sie stapfte zur Spüle, wobei ihre nackten Füße leise auf dem kühlen Linoleum schmatzten. Die Knie aneinandergepresst, ging sie in die Hocke, öffnete die Schranktür unter der Spüle und nahm eine längliche Werkzeugtasche heraus. Als das Metall darin beim Aufstehen verrutschte, sackte die Tasche an den Enden ab.

Von draußen war kein Mucks zu hören. Die ganze Straße schlief. Nur die Maschine mit dem Bernsteinlicht bürdete der Küche konstant ihre Bereitschaft auf. Mrs Pearson legte die Hand auf den kleinen braunen Stecker in der Dose knapp über dem Boden. Er war heiß. Das Kabel ebenfalls. Sie legte den Schalter an der Dose um und sah zu, wie – ein oder zwei Sekunden später – das Bernsteinlicht auf dem Gerät im Küchenblau verblasste. Zur Sicherheit zog sie den Stecker und legte ihn leise auf den Boden.

Tastend fand sie in der Werkzeugtasche eine lange schwarze Stablampe. Die richtete sie auf den Boden, ehe sie sie anknipste. Über so viel Helligkeit erschrocken, spreizte sie die Finger filternd über den Lichtstrahl, ehe sie ihn auf den Sockel der Maschine richtete und nach Schrauben Ausschau hielt. Acht Stück entdeckte sie an der ihr nächsten Abdeckplatte und durchstöberte erneut die Tasche nach dem geeignetsten Schraubenzieher. Dann leuchtete sie die Maschine an und machte sich ans Werk.

Die Schrauben saßen bündig im Metall. Waren gründlich festgedreht. Aber Mrs Pearson war entschlossen. Sie biss die Zähne so kräftig zusammen, dass ihr der Kiefer wehtat. Hielt den Schraubenzieher derart fest, dass ihre Knöchel weiß wurden, und drehte ihn mit aller Macht, bis – mit einem kleinen metallischen Knirschen – die erste Schraube endlich nachgab. Sachte drehte sie sie ganz heraus und nahm sie in die Hand.

Sechs Schrauben hatte sie schon rausgedreht und fein säuberlich auf den Boden neben sich gereiht, um sie später in korrekter Reihenfolge wieder einsetzen zu können, als sie plötzlich bemerkte, dass ihre kleinen Seufzer und angestrengten Grunzer nicht die einzigen Nachtgeräusche in der Küche waren. In der Tür stand jetzt ein zweiter Schatten, sah ihr zu. Mrs Pearsons Augen brauchten einen Moment, um sich vom Blick in den Lichtkegel der Stablampe ausreichend umzustellen, dass sie die blassen Pyjamastreifen ihres Manns erkannten.

Eine Weile starrten sich die beiden durch das Dunkel gegenseitig an. Dann trat Mr Pearson in den Raum. Er trug alte Lederpuschen, in denen seine Schritte ausgesprochen leise auf den Küchenboden fielen. Von oben blickte er auf seine Frau herab. Die Stablampe breitete ihr Licht über die Szene, verlieh dem akkuraten Arrangement der Schrauben scharfe, lange Schatten und offenbarte die klaffende Lücke, wo die Seitenplatte der Maschine sich bereits zum Teil gelöst hatte.

Mr Pearson streckte seiner Frau die Hand hin. Mrs Pearson händigte ihm den Schraubenzieher aus. Mr Pearson nahm ihn, setzte ihn entschlossen auf eine der letzten beiden Schrauben und drehte. Mrs Pearson fand noch einen zweiten Schraubenzieher und machte mit.