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"Wenn Sie gedacht haben, dass es nach dem Ende der Serie DER RING DER ZAUBEREI keinen Grund zum Leben mehr gibt, haben Sie sich getäuscht. Mit DER AUFSTAND DER DRACHEN, hat Morgan Rice den verheißungsvollen Auftakt einer weiteren brillanten Serie veröffentlicht, die uns in eine Welt der Trolle und Drachen, voller Heldenmut, Ehre, Tapferkeit, Magie, und dem Glauben an das Schicksal eintauchen lässt. Morgan ist es wieder einmal gelungen starke Charaktere zu erschaffen, die wir nur zu gerne auf jeder Seite anfeuern… Wärmstens empfohlen für die Bibliothek aller Leser, die Fantasy-Geschichten lieben." --Books and Movie Reviews, Roberto Mattos Von der #1 Bestseller-Autorin Morgan Rice kommt der erste Band einer epischen neuen Fantasy-Serie: DER AUFSTAND DER DRACHEN (VON KÖNIGEN UND ZAUBERERN—Buch 1). Kyra, ein vierzehnjähriges Mädchen, das davon träumt in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten und eine berühmte Kriegerin zu werden, ist das einzige Mädchen in einer Festung voller Männer. Bemüht, ihre Fähigkeiten, ihre mysteriöse innere Macht, zu verstehen, und das Geheimnis zu ergründen, das man seit ihrer Geburt vor ihr geheim gehalten hat, erkennt sie, dass sie anders ist als die anderen und ein besonderes Schicksal hat. Es stellt sie vor die Frage, wer sie wirklich ist. Als sie ins heiratsfähige Alter kommt und der Lord kommt, um sie zu holen, will ihr Vater sie verheiraten, um sie zu retten. Doch Kyra weigert sich und bricht auf eine Wanderung in den gefährlichen Wald auf, wo sie einem verwundeten Drachen begegnet und eine Reihe von Ereignissen auslöst, die das Schicksal des Königreichs für immer verändern wird. Am anderen Ende des Königreichs wandert Merk, ein ehemaliger Söldner, der versucht, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen, durch den Wald um ein Wächter in einem der Türme zu werden, und das Schwert des Feuers zu beschützen, die magische Quelle die die Flammen speist.
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Seitenzahl: 368
Veröffentlichungsjahr: 2015
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D E R A U F S T A N D D E R D R A C H E N
(VON KÖNIGEN UND ZAUBERERN—BUCH 1)
MORGAN RICE
Morgan Rice
Morgan Rice ist die #1 Besteller- und USA Today Bestseller-Autorin der 17 Bände umfassenden epischen Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, der neuen #1 Bestseller Fantasy-Serie VON KÖNIGEN UND ZAUBERERN, der #1 Bestseller-Serie DER WEG DER VAMPIRE (bestehend aus derzeit 11 Bänden) und der #1 Bestseller-Serie DIE TRILOGIE DES ÜBERLEBENS, eine post-apokalyptische Thriller-Serie. Morgans Bücher sind verfügbar als Hörbücher und Printeditionen und wurden bisher in mehr als 25 Sprachen übersetzt.
GEWANDELT (Band #1 Der Weg Der Vampire), ARENA EINS (Band #1 Der Trilogie Des Überlebens) und QUESTE DER HELDEN (Band #1 im Ring der Zauberei) sind als kostenlose Downloads auf Amazon verfügbar! Das erste Buch aus Morgans neuer epischer Fantasy-Serie, DER AUFSTAND DER DRACHEN (VON KÖNIGEN UND ZAUBERERN Buch #1) wurde gerade veröffentlicht!
Ausgewählte Kommentare zu Morgan Rices Büchern
“Eine Fantasievolle Fantasy-Geschichte, die Elemente von Mystik und Intrige in die Handlung einwebt. In Queste der Helden geht es um Mut und um das Erkennen des Sinns des Lebens, was zu Wachstum, Erwachsenwerden und Vortrefflichkeit führt… Für alle, die gehaltvolle Fantasy-Abenteuer suchen bieten die Hauptfiguren, ihre Waffen und die Handlung eine Reihe von Begegnungen, die sich auf Thor Entwicklung weg von einem verträumten Kind zu einem jungen Erwachsenen konzentrieren, bei denen er sich schier unlösbaren Aufgaben gegenüber findet... Das ist nur der Anfang von etwas, das verspricht, eine epische Serie für Junge erwachsene zu werden.”
--Midwest Book Review (D. Donovan, eBook Reviewer)
“DER RING DER ZAUBEREI hat alle Zutaten die für sofortigen Erfolg nötig sind: Anschläge und Gegenanschläge, Mysterien, edle Ritter und blühende Beziehungen die sich mit gebrochenen Herzen, Täuschung und Betrug abwechseln. Die Geschichten werden sie über Stunden in ihrem Bann halten und sind für alle Altersstufen geeignet. Eine wunderbare Ergänzung für das Bücherregal eines jeden Liebhabers von Fantasy Geschichten.”
--Books and Movie Reviews, Roberto Mattos
“Schnell und leicht zu lesen… Man muss lesen was als nächstes passiert. Man kann das Buch einfach nicht aus der Hand legen.”—FantasyOnline.net (über Queste der Helden) “Aktionsgeladen… Rice schreibt solide und die Geschichte ist faszinierend.”—Publishers Weekly (über Queste der Helden)
“[Eine] unterhaltsame epische Fantasy-Geschichte.”—Kirkus Reviews (über Queste der Helden)) “Der Anfang von etwas Bemerkenswertem ist gemacht.”
Bücher von Morgan Rice
VON KÖNIGEN UND ZAUBERERN
DER AUFSTAND DER DRACHEN (BAND #1)
DER RING DER ZAUBEREIQUESTE DER HELDEN (Band #1)MARSCH DER KÖNIGE (Band #2)
LOS DER DRACHEN (Band #3)
RUF NACH EHRE (Band #4)
SCHWUR DES RUHMS (Band #5)
ANGRIFF DER TAPFERKEIT(Band #6)RITUS DER SCHWERTER (Band #7)
GEWÄHR DER WAFFEN (Band #8)HIMMEL DER ZAUBER (Band #9)
MEER DER SCHILDE (Band #10)
REGENTSCHAFT DES STAHLS (Band #11)LAND DES FEUERS (BAND #12)
DIE HERRSCHAFT DER KÖNIGINNEN (BAND #13)DER EID DER BRÜDER (BAND #14)DER TRAUM DER STERBLICHEN(BAND #15)DAS TOURNIER DER RITTER (BAND #16)DAS GESCHENK DER SCHLACHT
DIE TRILOGIE DES ÜBERLEBENSARENA EINS: DIE SKLAVENTREIBER (BAND #1)ARENA TWO -- ARENA ZWEI (Band #2)
DER WEG DER VAMPIRE
GEWANDELT (Band #1 Der Weg Der Vampire)
VERGÖTTERT (Band #2 Der Weg Der Vampire)
VERRATEN (Band #3 Der Weg Der Vampire)
BESTIMMT (Band #4 Der Weg Der Vampire)
BEGEHRT (Band #5 Der Weg Der Vampire)
VERMÄHLT (Band #6)
GELOBT (Band #7)
GEFUNDEN (Band #8)
ERWECKT (Band #9)
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Copyright © 2014 by Morgan Rice
Alle Rechte vorbehalten. Mit den im U.S. Copyright Act von 1976 erlaubten Ausnahmen ist es nicht gestattet, jeglichen Teil dieser Publikation in jeglicher Form oder über jegliche Mittel ohne die vorherige Erlaubnis des Autors zu vervielfältigen, zu verteilen oder zu übertragen, oder in einer Datenbank oder einem Abrufsystem zu speichern.
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Diese Geschichte ist frei erfunden. Namen, Figuren, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder ein Produkt der Phantasie des Autors oder werden im fiktionalen Sinne verwendet. Jegliche Ähnlichkeit mit existierenden Personen, tot oder lebendig, ist rein zufällig
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INHALT
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SIX
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
KAPITEL NEUNUNDZWANZIG
“Der Mensch ist manchmal seines Schicksals Meister:
Nicht durch die Schuld der Sterne, lieber Brutus,
Durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge.”
--William Shakespeare
Es schneite. Kyra stand auf einem Grashügel, den hart gefrorenen Boden unter ihren Stiefeln, während sie versuchte, die beißende Kälte zu ignorieren, als sie ihren Bogen hob und sich auf ihr Ziel konzentrierte. Sie kniff die Augen zusammen, und sperrte den Rest der Welt aus – eine Windbö, das Krächzen einer Krähe in der Ferne – und zwang sich, nur die dünne Birke zu sehen, weit entfernt, schneeweiß und auffällig in einer Landschaft voller purpurner Kiefern. Sie stand 40 Metern Entfernung, nur ein wenig weiter, als ihre Brüder oder selbst die Männer ihres Vaters treffen konnten – was sie noch entschlossener werden ließ da sie die jüngste von allen und noch dazu das einzige Mädchen war.
Kyra hatte sich nie eingefügt. Ein Teil von ihr wollte natürlich tun, was von ihr erwartet wurde und Zeit mit den anderen Mädchen verbringen, und sich – so wie es sich für ein Mädchen gehörte – den häuslichen Dingen widmen; doch es entsprach einfach nicht ihrer Persönlichkeit. Sie war die Tochter ihres Vaters, hatte den Geist eines Kriegers wie er, und man konnte sie nicht in den steinernen Mauern der Festung einsperren; sie würde sich nicht ein Leben an Heim und Herd ergeben. Sie war ein besserer Schütze als all diese Männer – sie war tatsächlich schon besser als die besten Schützen ihres Vaters – und sie würde tun, was immer sie auch tun musste, um es allen zu beweisen – am meisten von allem ihrem Vater – dass man sie ernstnehmen musste. Sie wusste, dass ihr Vater sie liebte, doch er weigerte sich zu sehen, was wirklich in ihr steckte.
Kyra trainierte meistens außerhalb der Festung, allein hier draußen in der Ebene von Volis. Es störte sie nicht, denn als einziges Mädchen in einer Festung voller Krieger, hatte sie sich daran gewöhnt, allein zu sein. Hierhin, an ihren Lieblingsort, zog sie sich jeden Tag zurück; hier, hoch oben auf dem Plateau, von wo aus man die weitläufigen Steinmauern der Festung überblicken konnte, fand sie die besten Bäume – dünne Bäume, die schwer zu treffen waren. Das Zischen ihrer Pfeile war ein wohlbekanntes Geräusch geworden, das über das Dorf hallte. Nicht einem Baum hier oben waren ihre Pfeile erspart geblieben. Die Rinde ihrer Stämme war vernarbt, und einige neigten sich schon deutlich.
Kyra wusste, dass die meisten der Bogenschützen ihres Vaters auf die Mäuse in der Ebene schossen; als sie angefangen hatte, hatte sie es selbst auch versucht, und festgestellt, dass sie sie recht leicht töten konnte. Doch es hatte ihr Übelkeit bereitet. Sie war furchtlos, doch sie war auch sensibel, und ein Lebewesen vollkommen sinnlos zu töten gefiel ihr nicht. Sie hatte geschworen, nie wieder auf ein Lebewesen zu schießen, es sei denn es war gefährlich und griff sie an – so wie die Wolfsfledermäuse, die in der Nacht aus ihren Verstecken hervorkamen und zu dicht an das Fort ihres Vaters heranflogen. Sie hatte keine Skrupel, sie abzuschießen, besonders nachdem ihr jüngerer Bruder, Aidan, von einer gebissen worden und einen halben Mond lang krank gewesen war. Davon abgesehen waren sie die schnellsten Kreaturen hier, und sie wusste, wenn sie eine davon treffen konnte, besonders bei Nacht, dann konnte sie alles treffen. Sie hatte einmal eine ganze Vollmondnacht damit verbracht, vom Turm ihres Vaters aus zu schießen und war bei Sonnenaufgang erwartungsvoll hinausgerannt, begeistert, die zahllosen Wolfsfledermäuse am Boden zu sehen, in denen immer noch ihre Pfeile steckten. Die Dorfbewohner hatten sich staunend um sie herum versammelt.
Kyra zwang sich dazu, sich zu konzentrieren. Sie spielte den Schuss vor ihrem geistigen Auge durch, sah, wie sie den Bogen hob, die Sehne schnell an ihr Kinn zog und sie ohne Zögern losließ. Sie wusste, dass die eigentliche Arbeit vor dem Schuss geschah. Sie hatte gesehen, dass zu viele Bogenschützen ihres Alters – sie war vierzehn – die Sehne zogen und zögerten, und wusste, dass damit ihre Schüsse verloren waren.
Sie atmete tief durch, hob den Bogen, spannte und schoss. Sie musste nicht einmal nachsehen, um zu wissen, dass sie den Baum getroffen hatte.
Einen Augenblick später hörte sie den Einschlag – doch sie hatte sich schon abgewandt und suchte nach einem neuen Ziel, das weiter entfernt war.
Kyra hörte ein Winseln zu ihren Füssen, und sie senkte den Blick zu Leo, ihrem Wolf, der wie immer neben ihr ging und sich an ihrem Bein rieb. Leo, ein ausgewachsener Wolf, der ihr fast bis zur Taille reichte, beschützte Kyra genauso wie sie ihn, und die beiden waren ein untrennbares Paar im Fort ihres Vaters.
Kyra konnte nirgendwo hingehen, ohne dass Leo ihr folgte. Und immer war er dicht an ihrer Seite – es sei denn ein Eichhörnchen oder Kaninchen kreuzte ihren Weg; dann verschwand er für mehrere Stunden.
„Ich hab dich nicht vergessen, mein Junge“, sagte Kyra, griff in ihre Tasche und reichte Leo einen Knochen, der vom heutigen Festmahl übriggeblieben war. Leo nahm ihn ihr dankbar ab und trottete weiter neben ihr her.
Im Gehen hängte Kyra den Bogen über ihre Schulter und blies sich dampfend in die kalten Hände. Sie ging über das weite, flache Plateau und sah sich um. Von diesem Aussichtspunkt konnte sie über das ganze Land sehen. Die sanften Hügel von Volis, sonst von sattem Grün, waren schneebedeckt. Volis war die Provinz in der die Festung ihres Vaters lag, im nordöstlichen Winkel des Königreichs Escalon gelegen. Von hier oben sah sie die Ereignisse im Fort ihres Vaters aus der Vogelperspektive, das Kommen und Gehen der Dorfbewohner und Krieger – ein weiterer Grund, warum sie so gerne hier oben war. Sie studierte gerne die alten steinernen Umrisse der Festung ihres Vaters, die Formen ihrer Zinnen und Türme, die sich eindrucksvoll über die Hügel erstreckten und sich bis zum Horizont auszubreiten schienen. Volis war die größte Anlage in der Gegend. Manche der Gebäude waren vier Stockwerke hoch und wurden von eindrucksvollen Wehrgängen eingerahmt. Die Festung wurde von einem kreisrunden Turm am anderen Ende, einer Kapelle für die Bürger, vervollständigt – doch sie kletterte gerne hinauf, um den Blick über die Landschaft schweifen zu lassen und allein zu sein. Die gesamte Anlage wurde von einem Graben umgeben, der bei der Straße von einer steinernen Bogenbrücke überspannt wurde. Der Graben wiederum war von einer Reihe äußerer Befestigungsanlagen umgeben, Hügel, Senken, Mauern – ein Ort, wie er sich für den wichtigsten Krieger des Königs – ihren Vater – ziemte.
Auch wenn Volis, die letzte Festung vor den Flammen, ein paar Tagesritte von Andros, Escalons Hauptstadt entfernt war, war es immer noch die Heimat vieler berühmter Krieger des vorherigen Königs. Es war zu einem Leuchtfeuer geworden, einem Ort, innerhalb oder vor dessen Mauern hunderte von Dorfbewohnern und Bauern sicher lebten.
Kyra blickte hinab auf Dutzende von kleinen Lehmhütten, die sich an die Hügel außerhalb des Forts schmiegten. Rauch stieg aus den Schornsteinen auf, Farmer eilten hin und her und bereiteten sich auf den Winter vor – und auf die Festlichkeiten, die heute Nacht bevorstanden. Die Tatsache, dass sich die Dorfbewohner sicher genug fühlten, außerhalb der Mauern zu leben, war ein Zeichen großen Respekts vor der Macht ihres Vaters, das wusste Kyra – ein Anblick, den es sonst nirgendwo in Escalon gab. Doch schließlich waren sie alle nicht mehr als einen Ruf des Horns vom Schutz entfernt. Ertönte der Ruf, versammelten sich sofort alle Männer ihres Vaters.
Kyra blickte zur Zugbrücke hinunter, die immer voller Menschen war, Bauern, Schuhmacher, Schlachter, Schmiede und natürlich Krieger – die alle geschäftig zwischen der Festung und dem Dorf hin und her eilten. Denn das Innere des Forts war nicht nur ein Ort zu leben und zu trainieren, sondern die endlosen gepflasterten Höfe hatten sich auch zu einem bunten Markt für Händler aller Art entwickelt. Jeden Tag bauten sie ihre Stände auf, boten ihre Waren feil, tauschten, präsentierten den Jagd- oder Fangerfolg des Tages oder exotische Tücher oder Gewürze oder Spezereien aus fernen Ländern. Die Höfe des Forts waren immer von exotischen Düften erfüllt, von Tees, von Eintöpfen; sie konnte Stunden dort verbringen. Und auf der anderen Seite der Mauern, in der Ferne, lag Fighter’s Gate, die Trainingsanlage der Männer ihres Vaters, von einer niedrigen Steinmauer umgeben. Bei ihrem Anblick schlug ihr Herz schneller und sie sah aufgeregt zu, wie die Männer auf ihren Pferden versuchten, Ziel mit ihren Lanzen zu treffen – Schilde, die von den Bäumen hingen. Sie sehnte sich danach, mit ihnen trainieren zu dürfen.
Plötzlich hörte Kyra einen Ruf aus Richtung des Torhauses kommen, und sie drehte sich sofort alarmiert um, denn sie kannte die Stimme. Die Menge war unruhig und sie sah, wie sich ihr jüngerer Bruder Aiden, angeführt von ihren beiden älteren Brüdern, Brandon und Braxton, den Weg auf die Hauptstraße bahnten, und Kyra verkrampfte sich. An der Stimme ihres kleinen Bruders konnte sie hören, dass ihre älteren Brüder nichts Gutes im Schilde führten.
Kyra kniff die Augen zusammen, als sie ihre älteren Brüder beobachtete, und eine nur zu bekannte Wut stieg in ihr auf, die sie unbewusst ihren Bogen fester packen ließ. Sie hatten Aiden, den sie fast eine Elle überragten, zwischen sich genommen und zerrten ihn an den Armen aus dem Fort hinaus aufs Land. Aiden, ein kleiner, dünner, sensibler Junge von kaum zehn Jahren, sah zwischen seinen Brüdern, ausgewachsenen Jungen von 17 und 18 Jahren, besonders verletzlich aus. Sie sahen sich alle ähnlich, hatten alle starke Kiefer, ein stolzes Kinn, dunkelbraune Augen und lockiges braunes Haar – auch wenn Brandon und Braxton ihre Haare kurz geschoren hatte, während Aidans Haar ihm immer noch ungebändigt in die Augen fiel. Sie sahen sich alle ähnlich – doch sie glich ihnen mit ihrem hellblonden Haar und den grauen Augen überhaupt nicht. Sie trug gewebte Hosen, ein wollenes Hemd und Mantel und war dünn und blass – viel zu blass, hatte man ihr gesagt, mit hoher Stirn und kleiner Nase, gesegnet mit einem hübschen Gesicht, das viele Männer zweimal hinsehen ließ. Besonders jetzt, wo sie 15 wurde, bemerkte sie die Blicke in zunehmendem Maße.
Sie fühlte sich unbehaglich dabei. Sie zog nicht gerne die Aufmerksamkeit anderer auf sich und fand sich auch nicht schön. Ihr Aussehen war ihr egal – alles was sie interessierte waren Training, Tapferkeit und Ehre. Ihr wäre es lieber gewesen, wenn sie wie ihre Brüder ihrem Vater geähnelt hätte, einem Mann, den sie über alles liebte. Sie suchte im Spiegel immer wieder nach etwas von ihm in ihren Augen, doch so sehr sie auch suchte, sie fand es nicht.
„Ich habe gesagt, lasst mich in Ruhe!“, rief Aidan und seine Stimme hallte bis zu ihr hinauf. Als sie die Schreie ihres geliebten kleinen Bruders hörte, stand sie kerzengrade wie eine Löwin, die ihr Junges beobachtet. Auch Leo erstarrte und die Haare auf seinem Rücken stellten sich auf.
Nachdem ihre Mutter schon lange nicht mehr bei ihnen war, fühlte Kyra sich verantwortlich, über Aidan zu wachen, ihm die Mutter zu geben, die er niemals gehabt hatte.
Brandon und Braxton zerrten ihn grob die Straße entlang, weg vom Fort, auf eine einsame Landstraße, die zu einem einsamen Wald führte, und sie sah, dass sie ihn zwangen, einen Speer zu werfen, der viel zu groß für ihn war.
Aidan war ein leichtes Ziel für Braxtons und Brandons Gemeinheiten. Sie waren stark und mutig, wie Jungen in ihrem Alter eben sind, doch sie waren bessere Maulhelden als wirkliche Krieger, und sie brockten sich immer wieder Ärger ein, aus dem sie alleine nicht wieder herauskamen. Es machte sie wütend.
Kyra erkannte, was vor sich ging: Brandon und Braxton zerrten Aidan mit sich auf die Jagd. Sie sah die Weinschläuche in ihren Händen, und wusste, dass sie getrunken hatte. Sie kochte vor Wut. Nicht genug, dass sie sinnlos irgendein Tier töten würden, doch nun schleppten sie auch noch trotz seines Protests ihren kleinen Bruder mit sich.
Kyras Instinkte erwachten und sie rannte mit Leo an ihrer Seite den Hügel hinunter, um sie zu stellen.
„Du bist alt genug!“, sagte Brandon zu Aidan.
„Es ist höchste Zeit, dass du ein Mann wirst“, grunzte Braxton.
Kyra brauchte nicht lange, um sie einzuholen. Sie rannte hinaus auf die Straße und blieb schwer atmend vor ihnen stehen. Leo stand mit gesträubtem Fell neben ihr und die Brüder blieben stehen und sahen sie erschrocken an.
Sie konnte die Erleichterung in Aidans Miene sehen.
„Hast du dich verlaufen?“, höhnte Braxton.
„Du stehst im Weg“, sagte Brandon. „Geh zurück zu deinen Pfeilen und Stöcken.“
Die beiden lachten höhnisch, doch sie sah sie böse an und Leo begann zu knurren.
„Halt dein Biest von uns fern“, sagte Braxton, und versuchte mutig zu klingen, doch die Angst in seiner Stimme war offensichtlich als er seinen Speer fester in seinen Händen hielt.
„Und was denkt ihr, wo ihr Aidan hinbringt?“, fragte sie todernst und sah sie ungerührt an.
Sie hielten inne und ihre Gesichter wurden langsam härter.
„Wir bringen ihn hin, wo immer es uns passt“, knurrte Brandon.
„Er geht mit uns auf die Jagd, um zu lernen wie man ein Mann wird“, sagte Braxton und betonte das letzte Wort bewusst.
Doch sie ließ nicht locker.
„Er ist zu jung“, sagte sie mit fester Stimme.
Brandon verzog das Gesicht.
„Wer sagt das?“
„Ich sage das.“
„Bist du seine Mutter?“, fragte Braxton.
Lyra wurde rot vor Wut, und wünschte sich mehr denn je, dass ihre Mutter jetzt hier wäre.
„So sehr wie du sein Vater bist“, antwortete sie.
Sie standen in angespannter Stille da und Kyra sah Aidan an, der ihren Blick aus ängstlichen Augen erwiderte.
„Aidan“, fragte sie, „möchtest du mit ihnen auf die Jagd gehen?“
Aidan senkte beschämt den Blick. Er stand schweigend da und wich ihrem Blick aus. Kyra hatte Bedenken, ein Machtwort zu sprechen, da sie ihre Brüder nicht provozieren wollte.
„Na bitte, da hast du’s“, sagte Brandon. „Er hat nichts dagegen.“
Kyra stand brennend vor Frustration da, und wollte, das Aidan etwas sagte, doch konnte ihn nicht dazu zwingen.
„Es ist dumm, ihn auf die Jagd mitzunehmen“, sagte sie. „Ein Sturm braut sich zusammen, und es wird bald dunkel. Der Wald ist voller Gefahren. Wenn ihr ihm beibringen wollt, wie man jagt, nehmt ihn an einem anderen Tag mit, wenn er älter ist.
Sie sahen sie verärgert an.
„Was weißt du schon von der Jagd?“, fragte Braxton. „Was hast du schon gejagt außer deinen Bäumen?“
„Hat dich etwa einer davon gebissen?“, fügte Brandon hinzu.
Beide lachten. Kyra kochte und überlegte, was sie tun sollte. Ohne, dass Aidan etwas sagte, konnte sie nicht viel tun.
„Du machst dir zu viele Sorgen“, sagte Brandon schließlich. „Mit uns wird Aidan schon nichts passieren. Wir wollen nur, dass er zum Mann wird – wir bringen ihn schon nicht um. Glaubst du etwa, dass du die einzige bist, die sich um ihn sorgt?“
„Davon abgesehen – Vater beobachtet uns“, sagte Braxton. „Willst du ihn etwa enttäuschen?“
Kyra warf einen Blick über ihre Schultern, und hoch oben, im Turm, konnte sie ihren Vater sehen, der an einem der großen Fenster stand und sie beobachtete. Sie war zutiefst von ihm enttäuscht, dass er sie nicht aufhielt.
Sie versuchten, sich an Kyra vorbeizudrängen, doch Kyra blockierte den Weg. Sie sahen aus, als wollten sie sie beiseite schubsen, doch Leo trat knurrend zwischen sie und sie überlegten es sich anders.
„Aidan, es ist noch nicht zu spät“, sagte sie zu ihm. „Du musst das nicht tun. Möchtest du mit mir zum Fort zurückgehen?“
Sie sah ihn an und konnte die Tränen in seinen Augen sehen, doch sie spürte, dass er hin und hergerissen war. Langes Schweigen folgte, durch nichts unterbrochen außer dem Heulen des Windes und dem dichter werdenden Schnee.
Schließlich regte er sich.
„Ich will jagen gehen“, murmelte er halbherzig.
Sofort stürmten ihre Brüder an ihr vorbei, rempelten sie an der Schulter an und zerrten Aidan mit sich die Straße hinunter.
Kyra drehte sich um und sah ihnen zu, ein Ungutes Gefühl im Bauch.
Sie wandte sich zum Fort um und blickte zum Turm auf, doch ihr Vater war schon verschwunden.
Kyra sah zu, wie ihre drei Brüder aus im Schnee verschwanden. Im immer stärker werdenden Sturm gingen sie auf den Dornenwald zu, und sie konnte das Ungute Gefühl im Bauch nicht loswerden. Sie überlegte, ob sie sie einholen und Aidan zurückbringen sollte – doch sie wollte ihn nicht beschämen.
Sie wusste, dass sie es vergessen sollte – doch es gelang ihr nicht. Irgendetwas in ihr ließ es nicht zu. Sie spürte die Gefahr an diesem Vorabend des Wintermondes. Sie traute ihren älteren Brüdern nicht; sie wusste zwar, dass sie Aidan nichts antun würden, doch sie waren leichtsinnig und zu grob. Was noch viel schlimmer war: sie hatten viel zu großes Vertrauen in ihre Fähigkeiten – und das war keine gute Kombination.
Kyra konnte es nicht länger ertragen. Wenn ihr Vater nichts tun würde, würde sie handeln. Sie war jetzt alt genug und musste niemandem mehr Rede und Antwort stehen außer sich selbst.
Sie rannte gefolgt von Leo los, die einsame Landstraße entlang, direkt auf den Dornenwald zu.
Kyra ging in den düsteren Dornenwald westlich der Festungsanlage, einem Wald, der so dicht war, dass man kaum etwas sehen konnte. Während sie langsam mit Leo weiterging, und Schnee und Eis unter ihren Füssen knirschten, blickte sie auf. Im Vergleich mit den riesigen Dornenbäumen kam sie sich winzig vor. Es waren uralte schwarze Bäume mit knorrigen Ästen, die Dornen ähnelten und fleischigen, schwarzen Blättern. Sie spürte, dass dieser Ort verflucht war; nichts Gutes kam jemals von hier. Die Männer ihres Vaters kehrten oft verletzt von der Jagd zurück und mehr als nur einmal war ein Troll durch die Flammen gebrochen, hatte hier Zuflucht gesucht und den Wald als Lager benutzt, um das Dorf anzugreifen.
In dem Augenblick, in dem sie ihn betrat, spürte sie sofort einen Schauer. Es war dunkler hier, kälter, und die Luft war feuchter; der Geruch der Dornenbäume lag schwer in der Luft – wie verrottende Erde – und die riesigen Bäume sperrten das letzte verbliebene Licht des Tages aus. Kyra war wütend auf ihre älteren Brüder. Es war gefährlich ohne die Begleitung von mehreren Kriegern hierher zu kommen – besonders in der Abenddämmerung. Jedes Geräusch ließ sie aufschrecken. Aus der Ferne hörte sie den Schrei eines Tieres und sah sich suchend danach um. Doch sie konnte es im dichten Wald nicht finden.
Leo jedoch knurrte neben ihr und stürmte plötzliche los.
„Leo!“, rief sie.
Doch er war schon verschwunden.
Sie seufzte verärgert; so war er immer, wenn sie einem Tier begegneten. Sie wusste, dass er irgendwann zurückkommen würde.
Kyra ging nun allein weiter; der Wald wurde immer dunkler, und es fiel ihr schwer, den Spuren ihrer Brüder zu folgen – bis sie fernes Gelächter hörte. Sie straffte sich und folgte dem Lachen durch die dicken Bäume, bis sie vor sich ihre Brüder sah,
Kyra hielt Abstand, denn sie wollte nicht, dass sie sie sahen. Sie wusste, dass Aidan sich schämen und sie wegschicken würde, wenn er sie sah. Sie würde sie aus der Deckung beobachten, nur um sicherzugehen, dass sie keinen Ärger bekamen. Es war besser für Aidan, sich wie ein Mann zu fühlen, als sich zu schämen.
Ein Zweig brach unter ihrem Stiefel und Kyra duckte sich, besorgt, dass das Geräusch sie verraten könnte – doch ihre betrunkenen Brüder bemerkten nichts. Sie waren etwa 30 Meter vor ihr und übertönten jedes Geräusch mit ihrem Lachen. An Aidans Körperhaltung konnte sie sehen, wie angespannt er war. Er sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. Er hielt seinen Speer fest, um sich als Mann zu beweisen, doch er hielt die viel zu große Waffe unsicher und schwankte unter ihrem Gewicht.
„Komm hier hoch!“, rief Braxton Aidan zu, der ein paar Meter hinter ihnen lief.
„Wovor hast du solche Angst?“, fragte Brandon ihn.
„Ich habe keine Angst…“, beharrte Aidan.
„Ruhe!“, sagte Brandon plötzlich, blieb stehen und hielt Aidan zurück. Zum ersten Mal seit sie losgegangen waren, war seine Miene ernst. Auch Braxton blieb angespannt stehen.
Kyra versteckte sich hinter einem Baum und beobachtete ihre Brüder. Sie standen am Rand einer Lichtung und sahen geradeaus, als hätten sie etwas gesehen.
Vorsichtig kroch sie auf sie zu, um besser sehen zu können, und als sie zwischen zwei Bäumen hindurchsah, blieb sie verblüfft stehen, als sie entdeckte, was ihre Brüder sahen.
Mitten auf der Lichtung stand ein Eber und grub Eicheln aus. Doch es war kein normaler Eber; es war ein riesiger, schwarz gehörnter Eber – der größte, den sie je gesehen hatte, mit langen gebogenen weißen Hauern und drei langen scharfen Hörnern, wovon eines aus seiner Nase und zwei aus dem Kopf hervorragten. Beinahe so groß wie ein Bär, war es ein seltenes Tier, bekannt für seine Bösartigkeit und seine Schnelligkeit. Es war ein weithin gefürchtetes Tier, eines, dem kein Jäger je begegnen wollte.
Es bedeutete Ärger.
Kyra, die eine Gänsehaut bekam, wünschte sich, dass Leo hier wäre – doch in gewisser Weise war sie dankbar, dass er nicht hier war, denn sie wusste, er hätte sich sofort auf das Tier gestürzt und war sich nicht sicher, ob er die Konfrontation überleben konnte.
Kyra nahm langsam ihren Bogen von der Schulter während sie instinktiv nach einem Pfeil griff. Sie betrachtete genau, wie weit der Eber von den Jungen entfernt war – und sah, dass er viel zu nah war. Außerdem waren viel zu viele Bäume im Weg, als dass sie einen sauberen Treffer landen konnte, und bei einem Tier dieser Größe war kein Raum für Fehler. Sie bezweifelte, dass ein Pfeil ausreichen würde, es zu töten.
Kyra sah die Angst in den Gesichtern ihrer Brüder – doch der Blick wich bei Braxton und Brandon schnell einem Ausdruck von Draufgängertum – wahrscheinlich der Mut der Betrunkenen. Beide hoben ihre Speere und gingen einige Schritte auf den Eber zu. Als Braxton Aidan wie angewurzelt stehen bleiben sah, packte er den kleinen Jungen an der Schulter und zog ihn mit sich.
„Das ist deine Chance, ein Mann zu werden“, sagte Braxton. „Töte den Eber und sie werden noch in Generationen über dich singen.“
„Ja, bring seinen Kopf zurück und du wirst berühmt werden“, sagte Brandon.
„Ich… hab Angst“, sagte Aidan.
Brandon und Braxton schnaubten, dann lachten sie ihn aus.
„Angst?“, sagte Brandon. „Was würde Vater sagen, wenn er das hören könnte?“
Der Eber hob aufmerksam den Kopf und starrte sie aus leuchtend gelben Augen an. Seine Schnauze verzog sich zu einem wütenden Brummen. Er öffnete das Maul und zeigte sabbernd seine Hauer, während er ein böses Knurren ausstieß. Selbst Kyra, die ein ganzes Stück weit entfernt war, spürte einen Anflug von Angst – sie konnte sich nur zu gut vorstellen, was Aidan empfinden musste.
Kyra schrieb jegliche Vorsicht in den Wind und tastete sich schnell voran, entschlossen, zu ihnen aufzuholen, bevor es zu spät war. Als sie nur noch ein paar Meter hinter ihren Brüdern war, rief sie, „Lasst es bleiben!“
Ihre strenge Stimme zerriss die Stille, und ihre Brüder fuhren, offensichtlich erschrocken, herum.
„Ihr hattet euren Spaß“, sagte sie. „Lasst es bleiben!“
Während Aidan erleichtert war, sahen Brandon und Braxton sie wütend an.
„Was weißt du schon?“, gab Brandon zurück. „Hör auf, dich in Männerangelegenheiten einzumischen.“
Der Eber knurrte lauter während er auf sie zu kroch, und Kyra, wütend und ängstlich zur gleichen Zeit, trat vor.
„Wenn ihr dumm genug seid, euch mit dem Vieh anzulegen, dann nur los“, sagte sie. „Doch ich nehme Aiden mit zurück.“
Brandon schnitt eine Grimasse.
„Aidan passiert hier schon nichts“, gab Brandon zurück. „Er ist im Begriff zu lernen, wie man kämpft. Nicht wahr, Aidan?“
Aidan stand schweigend da, starr vor Angst.
Kyra wollte gerade Aidan am Arm packen, als sie ein Rascheln von der Lichtung hörte. Sie sah wie der Eber langsam Schritt für Schritt bedrohlich näher kam.
„Er greift nicht an, wenn ihr ihn nicht provoziert“, flehte Kyra ihre Brüder an. „Lasst es gut sein.“
Doch ihre Brüder ignorierten sie, wandten ihr den Rücken zu, und hoben ihre Speere. Sie betraten die Lichtung, als ob sie ihr beweisen wollten, wie mutig sie waren.
„Ich ziele auf seinen Kopf“, sagte Brandon.
„Und ich auf seinen Hals“, stimmte Braxton zu.
Der Eber knurrte lauter, öffnete sein Maul weiter, sabberte, und ging weiter auf sie zu.
„Kommt zurück!“, schrie Kyra verzweifelt.
Doch Brandon und Braxton gingen weiter, hoben ihre Speere und warfen sie plötzlich.
Kyra beobachtete gebannt, wie die Speere durch die Luft segelten, und bereitete sich auf das Schlimmste vor. Zu ihre Entsetzen sah sie, wie Brandons Speer das Tier nur am Ohr kratzte – gerade genug, um es zu provozieren – während Braxtons Speer einen guten Meter am Kopf des Ebers vorbei segelte.
Plötzlich sahen Brandon und Braxton nicht mehr so mutig aus. Sie standen mit offenen Mündern und einem dummen Ausdruck im Gesicht da, und ihr betrunkener Mut wich nackter Angst.
Der Eber senkte wütend seinen Kopf, stieß ein schreckliches Grunzen aus und stürmte los.
Kyra sah mit Schrecken zu, wie er auf ihre Brüder zu stürmte. Für seine Größe war das Tier unglaublich schnell.
Als es näher kam, drehten sich Braxton und Brandon um und rannten in entgegengesetzte Richtungen davon.
Damit stand Aidan allein wie von der Furcht angewurzelt da. Sein Mund stand offen und er ließ den Speer fallen.
Kyra wusste, dass es keinen Unterschied machte: Aidan hätte sich ohnehin nicht gegen das Tier wehren können. Nicht einmal ein ausgewachsener Mann wäre dazu in der Lage gewesen. Und als ob er es spürte, stürmte der Eber direkt auf Aidan zu.
Mit pochendem Herzen stürzte sie zwischen den Bäumen hervor. Sie wusste, dass sie nur eine Chance hatte: ihr Schuss musste sitzen. Selbst wenn sie nicht vor Panik zittern würde war der Schuss auf den rasenden Eber kein leichter – doch wenn sie wollte, dass Aidan überlebte, musste sie treffen.
„AIDAN, RUNTER!“, rief sie.
Zuerst bewegte er sich nicht. Aidan stand ihr im Weg, störte ihre Schussbahn. Wenn er sich nicht rührte, konnte sie nicht schießen. Sie hob ihren Bogen und rannte los. Während sie durch den Wald stolperte und auf dem Schnee und Eis rutschte, fürchtete sie einen Augenblick lang, dass alles verloren war.
„AIDAN!“, rief sie verzweifelt.
Wundersamer Weise hörte er sie diesmal, und warf sich im letzten Augenblick zur Seite, sodass Kyra einen Schuss abgeben konnte.
Während der Eber auf Aidan zustürmte, lief die Zeit für Kyra plötzlich langsamer ab. Sie spürte, dass sich etwas öffnete, etwas in ihr aufstieg, das sie noch nie zuvor gespürt hatte, und nicht verstand. Die Welt um sie herum verschwand und alles was sie hörte war ihr eigener Herzschlag und ihr Atem, das Rascheln der Blätter und das Krächzen einer Krähe über ihr. Sie fühlte sich eins mit der Natur, als ob sie ein Reich betreten hätte, in dem sie eins mit dem Universum war.
Kyras Hände wurden warm und prickelten, als ob etwas Fremdes die Kontrolle über ihren Körper übernahm. Es war als ob sie, für einen winzigen Moment nur, über sich hinauswuchs und jemand weitaus Mächtigeres wurde.
Kyra hörte auf zu denken und ließ sich von ihrem Instinkt und der neuen Energie, die durch ihren Körper pulsierte leiten. Sie blieb stehen, hob den Bogen, legte den Pfeil an, spannte und schoss.
Sie wusste in dem Augenblick, in dem sie den Pfeil losgelassen hatte, dass es ein ganz besonderer Schuss war. Sie musste den Pfeil nicht beobachten um zu wissen, dass er genau dort traf, wo sie ihn haben wollte: ins rechte Auge des Tiers.
Das Tier stieß einen Schrei aus als seine Beine unter ihm nachgaben und stürzte mit der Schnauze voran in den Schnee. Es rutschte weiter über den glatten Boden, sich windend, bis es Aidan erreichte. Weniger als einen halben Meter vor Aidan blieb es schließlich liegen.
Es zuckte, und Kyra legte einen weiteren Pfeil an und schoss dem Tier von hinten durch den Schädel. Endlich rührte es sich nicht mehr.
Kyra stand mit pochendem Herzen auf der Lichtung und das Prickeln in ihren Händen ließ langsam nach, die Energie schwand und sie fragte sich, was gerade geschehen war. Hatte sie wirklich den Eber erlegt?
Sofort dachte sie an Aidan, fuhr herum und zog ihn zu sich heran. Er blickte zu ihr auf wie er seine Mutter angesehen hätte, die Augen voller Angst, doch unverletzte. Sie war grenzenlos erleichtert, als sie sah, dass ihm nichts geschehen war.
Dann drehte sie sich um und sah ihre älteren Brüder, die immer noch auf der Lichtung kauerten, und sie geschockt und staunend ansahen. Doch da lag noch etwas anderes in ihrem Blick, das sie nervös machte: Argwohn. Als ob sie anders war als sie. Eine Außenseiterin. Es war ein Blick, den Kyra schon zuvor gesehen hatte. Selten zwar, doch oft genug, dass sie selbst darüber nachdachte. Sie drehte sich um und betrachtete das tote Tier, riesig und blutend zu ihren Füssen, und sie fragte sich, wie sie, ein fünfzehnjähriges Mädchen, das vollbringen konnte. Sie wusste, dass es selbst ihre Fähigkeiten überstieg. Das war mehr als ein Glückstreffer.
Da war immer etwas an ihr gewesen, das anders war, als die anderen. Sie stand da, betäubt, und wollte sich bewegen, doch es gelang ihr nicht. Denn das was sie heute erschüttert hatte war nicht das Tier, das wusste sie, sondern der Blick ihrer Brüder. Und sie stellte sich zum wiederholten Mal die Frage, vor der sie sich schon ihr ganzes Leben gefürchtet hatte“
Wer war sie?
Kyra ging hinter ihren Brüdern her, als sie über die Landstraße zurück zum Fort gingen, und beobachtete sie dabei, wie sie sich mit dem Gewicht des Ebers abmühten. Aidan ging neben ihr her, und Leo, der zurückgekommen war, folgte ihnen.
Brandon und Braxton mussten sich abmühen, das Tier zu tragen. Sie hatten es an ihre Speere gebunden, die sie nun über den Schultern trugen. Die grimmige Laune hatte sich dramatisch geändert, seit dem sie aus dem Wald gekommen und wieder unter freiem Himmel waren, besonders jetzt, wo die Festung des Vaters in Sichtweite war. Mit jedem Schritt gewannen Brandon und Braxton ihr Selbstbewusstsein zurück, und waren beinahe wieder so aufgeblasen wie zuvor, lachten und scherzten über ihren Fang.
„Es war mein Speer, der ihn gestreift hat“, sagte Brandon zu Braxton.
„Doch es war mein Speer, der ihn dazu gebracht hat, in Kyras Pfeil zu laufen.“
Kyra lauschte, und ihr Gesicht rötete sich vor Wut über die Lügen der beiden; ihre verbohrten Brüder hatten sich selbst eine überzeugende Geschichte eingeredet, und schienen sie zwischenzeitlich ernsthaft zu glauben. Sie konnte sich ihre Prahlerei in der Festung schon ausmahlen – wie sie jedem von ihrem Jagderfolg erzählten.
Es machte sie wütend. Doch es war unter ihrer Würde, sie zu korrigieren. Sie glaubte fest an die Mühlen der Gerechtigkeit, und sie wusste, dass irgendwann die Wahrheit ans Licht kommen würde.
„Ihr seid Lügner!“, knurrte Aidan, der neben ihr herlief, immer noch erschüttert von dem, was er erlebt hatte. „Ihr wisst, dass Kyra allein den Eber getötet hat.“
Brandon warf ihm über die Schulter einen höhnischen Blick zu.
„Was weißt du schon?“, fragte er. „Du warst doch viel zu sehr damit beschäftigt, dir in die Hosen zu pinkeln.“
Beide lachten, als ob ihre kleine Geschichte für sie mit jedem Schritt wahrer wurde.
„Und ihr seid nicht wie die Hasen davongerannt?“, fragte Kyra, denn sie konnte nicht einen Moment länger ertragen, wie sie mit Aidan umgingen.
Damit verstummten sie. Kyra hätte ihnen wirklich Saures geben können – doch sie musste nicht einmal ihre Stimme heben. Sie ging zufrieden weiter und fühlte sich wirklich gut, wissend, dass sie das Leben ihres Bruders gerettet hatte; mehr brauchte sie nicht.
Lyra spürte eine kleine Hand auf ihrer Schulter und sah Aidans tröstenden Blick, der offensichtlich dankbar war am Leben und unverletzt zu sein. Kyra fragte sich, ob ihre älteren Brüder auch zu schätzen wussten, was sie für sie getan hatte; schließlich wären sie alle gestoben, wenn sie nicht gewesen wäre.
Kyra sah zu, wie der Eber bei jedem ihrer Schritte hin und her schwang, und schnitt eine Grimasse; sie wünschte, dass ihre Brüder ihn auf der Lichtung gelassen hätten, wo er hingehörte. Es war ein verfluchtes Tier, das nicht aus Volis stammte, und es gehörte hier auch nicht hin. Es war ein schlechtes Omen, besonders, da es aus dem Dornenwald kam, und viel mehr noch am Vorabend des Wintermondes. Sie erinnerte sich an einen alten Spruch, den sie gelesen hatte: rühme dich nicht, nachdem du vom Tod verschont worden bist.
Sie hatte das Gefühl, dass ihre Brüder das Schicksal herausforderten und die Finsternis mit sich in ihr Heim brachten. Sie konnte das Gefühl nicht loswerden, dass es Vorbote schlimmer Dinge war.
Sie erklommen einen Hügel und unter ihnen tat sich ein atemberaubender Blick auf die Festungsanlage und die Landschaft drum herum auf. Trotz dem Wind und dem immer heftiger werdenden Schnee, war Kyra erleichtert, zu Hause zu sein. Rauch stieg aus den Schornsteinen auf und die Feuer des Forts strahlten ein warmes Leuchten aus. Sie schritten schneller aus und gingen eilige auf die Brücke zu. So nah an der Festung war die Straße voller Menschen, die sich trotz dem Wetter und der hereinbrechenden Nacht auf das Fest freuten.
Kyra war kaum überrascht. Das Fest des Wintermondes war eines der wichtigsten Feste des Jahres, und alle waren mit Vorbereitungen beschäftigt. Zahllose Menschen drängten über die Zugbrücke in die Festung, während mindestens genauso viele hinausdrängten, auf dem Weg nach Hause, um mit ihren Familien zu feiern. Ochsen zogen Wägen und trugen Ware in beide Richtungen, während Maurer an einer weiteren Mauer um das Fort herum arbeiteten. Kyra fragte sich, wie sie in diesem Wetter arbeiten konnten, ohne dass ihre Hände taub wurden.
Als sie die Brücke betraten und sich unter die Menge mischten, schnürte sich Kyras Magen zusammen, als sie einige Männer des Lords in der Nähe des Tors stehen sah, Krieger des örtlichen Lord Regenten, der von Pandesia ernannt worden war, in ihren unverkennbaren roten Kettenpanzern.
Die Gegenwart der Männer des Lords war zu jeder Zeit erdrückend – doch ganz besonders zur Zeit des Wintermondes, wenn sie nur dazu hier sein konnten, die Nachernte von den Leuten einzufordern. Sie hielt sie für Plünderer. Plünderer und Grobiane für die verabscheuenswürdigen Adligen, die seit der pandesischen Invasion die Macht ergriffen hatten.
Die Schwäche ihres ehemaligen Königs, der kapituliert hatte, war daran schuld – doch das half ihnen auch nicht weiter. Jetzt, zu ihrer Schande, mussten sie sich diesen Männern unterwerfen. Es füllte Kyra mit grenzenlosem Zorn. Es machte ihren Vater und seine großen Krieger – und alle ihre Leute – zu nicht mehr, als besseren Leibeigenen; sie wünschte sich so sehr, dass sie sich auflehnten, um für ihre Freiheit zu kämpfen, um in den Krieg zu ziehen, für den ihr alter König zu feige gewesen war. Doch sie wusste auch, dass sie, wenn sie sich jetzt erhoben, den Zorn der pandesischen Armee zu spüren bekommen würden. Vielleicht hätten sie sie aufhalten können, wenn sie sie nie eingelassen hätten; doch jetzt, wo sie sich erst einmal breit gemacht hatten, waren ihre Möglichkeiten beschränkt.
Sie erreichten die Brücke und mischten sich unter die Leute, die sie anstarrten und auf den Eber deuteten, als sie vorbeigingen. Kyra zog eine gewisse Befriedigung daraus zu sehen, dass ihre Brüder unter der Last des Tiers schwitzten und keuchten. Die Leute wandten ihre Köpfe und gafften, Bürger genauso wie Krieger, alle beeindruckt von dem riesigen Tier. Sie sah auch ein paar abergläubische und fragende Blicke. Auch andere Leute schienen es für ein böses Omen zu halten.
Doch alle sahen ihre Brüder stolz an.
„Ein guter Fang für das Fest“, rief einer der Bauern aus, der einen Ochsen an ihnen vorbei führte.
Braxton und Brandon strahlten stolz.
„Das wird den halben Hof eures Vaters satt machen!“, rief ein Schlachter.
„Wie habt ihr das geschafft?“, fragte ein Sattler.
Die beiden Brüder tauschten Blicke aus und Brandon grinste schließlich den Mann an.
„Mit einem feinen Wurf und ohne Furcht“, antwortete er dreist.
„Wenn man nicht in den Wald geht“, fügte Braxton hinzu, „weiß man nicht, was man verpasst!“
Ein paar Männer jubelten und klopften ihnen auf den Rücken. Kyra schwieg. Sie brauchte das Wohlwollen dieser Leute nicht; sie wusste, was sie getan hatte.
„Sie haben den Eber nicht getötet!“, rief Aidan empört.
„Halt deinen Mund“, zischte Brandon. „Noch ein Wort und ich erzähle allen, dass du dir in die Hosen gepinkelt hast, als er angegriffen hat.“
„Aber das habe ich nicht!“, protestierte Aidan.
„Und das werden sie dir glauben?“, fügte Braxton hinzu.
Brandon und Braxton lachten, und Aidan warf Kyra einen Blick zu, als wollte er fragen, was er tun sollte.
Sie schüttelte den Kopf.
„Verschwende nicht deine Energie“, sagte sie. „Die Wahrheit setzt sich immer durch.“
Die Menschenmassen wurden dichter, als sie die Brücke überquerten, und bald waren sie im dichten Gedränge über dem Burggraben. Kyra spürte die Aufregung in der Luft, als es dunkel wurde; Fackeln erleuchteten die Brücke und der Schnee fiel ununterbrochen weiter. Als sie das Tor vor sich sah, das von einem Dutzend der Männer ihres Vaters bewacht wurde, schlug ihr Herz schneller. Aus dem Bogen ragten die Spitzen eines eisernen Fallgitters hervor, dessen Gitterstäbe stark genug waren, jeden Feind abzuhalten, bereit beim Klang eines Horns geschlossen zu werden. Das Tor war 10 Meter hoch, und darüber befand sich eine breite Plattform, die sich um das ganze Fort erstreckte, mit breiten steinernen Zinnen, die mit Wächtern bemannt waren, die immer ein wachsames Auge auf die Landschaft hatten. Volis war eine feine Festung, davon war Kyra immer überzeugt gewesen, und war stolz darauf. Doch was sie noch stolzer machte, waren die Männer im Inneren, die Männer ihres Vaters, die besten Krieger von Escalon, die sich langsam in Volis sammelten, nachdem sie nach der Kapitulation des Königs in alle Winde verstreut waren. Ihr Vater zog sie wie ein Magnet an. Mehr als einmal hatte sie ihren Vater gedrängt, sich zum neuen König auszurufen – doch er hatte immer nur den Kopf geschüttelt und gesagt, dass das nicht seine Art war.
Als sie sich dem Tor näherten, kamen ein Dutzend der Männer ihres Vaters zu Pferde hindurch, und die Menschen machten ihnen Platz. Sie ritten zum Trainingsgelände außerhalb des Forts, ihrem liebsten Ort in der ganzen Umgebung.
Sie ging dorthin und sah ihnen stundenlang beim Training zu, studierte jede einzelne ihrer Bewegungen, wie sie ihre Pferde ritten, und wie sie ihre Schwerter zogen, die Speere warfen und die Flegel schwangen.
Diese Männer ritten trotz des Wetters und der bevorstehenden Festlichkeiten hinaus um zu trainieren, weil sie es wollten. Sie wollte lieber draußen auf einem Schlachtfeld sein als drinnen eingesperrt zu sein – genau wie sie. Sie spürte, dass sie in Wirklichkeit eine von ihnen war.
