Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Errichtung des Leuchtturms auf dem 'Hohe Weg' war ein technische und logistische Herausforderung. Innerhalb von 15 Monaten wurde der Turm unter widrigsten Umständen mitten im Watt erbaut. Der verantwortliche Wasserbauingenieur Jacobus van Ronzelen schildert hier aus erster Hand, wie dieses Monument der Technikgeschichte Mitte des 19. Jahrhunderts der Nordsee abgetrotzt wurde.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 77
Veröffentlichungsjahr: 2023
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Jacobus van Ronzelen
Herausgegeben von Ronald Hoppeedition.epilog.de
Für diese Ausgabe wurden die Originaltexte in die aktuelle Rechtschreibung umgesetzt und behutsam redigiert. Längenangaben und andere Maße wurden gegebenenfalls in das metrische System umgerechnet.
Von Jacobus van RonzelenBaurat und Hafenbaudirektor zu Bremerhaven
Dieses Werk zerfällt in 6 Abteilungen. Sie enthalten:
Die Gründe, welche Senat und Bürgerschaft bewogen haben, an der Stelle der Bremer Bake in der Wesermündung einen Leuchtturm zu erbauen.
Die Beschreibung des Terrains, auch in historischer Beziehung.
Die Einrichtung des Bauplatzes und die Beschreibung des Baus.
Die störenden Einwirkungen auf den Grundbau, durch die schweren Seegänge und Brandungen bei stürmischem Wetter.
Die Art der Beleuchtung des Turms und ihre Wartung.
Hilfsleistung in der Aufnahme von Schiffbrüchigen im Turm, so wie über die gefährliche Landung daselbst, nebst Vorschlägen zu deren Abhilfe.
An die Art der Erbauung dieses Leuchtturmes und namentlich die Konstruktion seines Fundaments von der gewöhnlichen Behandlung der Grundbauten gänzlich abweicht und also für sich isoliert dasteht, so habe ich außer äußeren Anregungen geglaubt, es ins Besondere der praktisch-technischen Welt schuldig zu sein oder derselben einen Dienst damit zu erweisen, dieses Bauwerk sowohl in seinem Ganzen als in seinen einzelnen Teilen zu beschreiben.
Es kommt nämlich wohl nicht oft vor, dass dem Ingenieur ein, fast in See, wenigstens von der nächsten Küste noch zwei deutsche Meilen entfernt liegender Punkt als Bauplatz angewiesen wird, welcher aus einem reinen Treibsandlager besteht und sich nicht weniger als sechs Fuß unter der täglichen Fluthöhe befindet. Ferner hoffe ich, wird diese Beschreibung nicht allein meine vorgesetzte Behörde, sondern auch das handeltreibende Publikum wie alle Bürger, welchen das Wohl des Bremer Staats in seiner so raschen Entwickelung am Herzen liegt, interessieren. Namentlich wird die Kaufmannschaft es gewiss dankend anerkennen, dass Senat und Bürgerschaft im Vertrauen auf den guten Erfolg des Werks, durch Erbauung dieses Leuchtturmes wesentlich zur Sicherheit und zum Aufblühen der Schifffahrt beigetragen haben.
Gerne unterwerfe ich dieses Werk, zu meiner eigenen Belehrung, der technischen Kritik von Männern, die in der Wasserbaukunst durch selbstständige eigene Praxis Erfahrungen erlangt haben.
Bremerhaven, im März 1857.• J. J. van Ronzelen
Die Gründe, welche Senat und Bürgerschaft bewogen haben, an der Stelle der Bremer Bake in der Wesermündung einen Leuchtturm zu erbauen.
Es war ein schon längst gefühltes Bedürfnis, an der Stelle der jetzigen Bremer Bake einen Leuchtturm zu erbauen, und zwar aus folgenden Gründen:
Ist es einleuchtend, dass sofort ein großer Gewinn für die Schifffahrt darin liegen müsse, wenn man das bis jetzt nur für den Tag geltende Zeichen der Bremer Bake auch für die Nacht nutzbar und anwendbar machen konnte.
Kann das Leuchtschiff, welches in der Nähe der Bremer Bake seine Station hat, während der Nacht das Zeichen der Bremer Bake nicht vollständig ersetzen, indem nicht allein die Beleuchtung des Schiffs in den langen dunkeln Winternächten, zumal bei Schnee und Regen, nicht so kräftig wirken kann, dass das Schiff immer sichtbar ist, sondern weil es bei eintretendem Eisgang, seine Station sogar zu verlassen gezwungen wird.
Eine Kommission aus den erfahrensten bremischen Schiffskapitänen und Lotsen bei einer Untersuchung, welche am 6. Juli 1854 stattfand, erklärte, dass die Stelle der Bremer Bake in nautischer Beziehung eine durchaus geeignete sei zur Erbauung eines Leuchtturmes, und ich meinerseits erklärte, dass das Terrain, obgleich dem Bau überaus ungünstig, dennoch in technischer Beziehung eben keine Unmöglichkeit darbiete, die nicht zu überwinden wäre.
Es war ein Fakt, dass die gehörige Unterhaltung eines Leuchtschiffes und dessen Bemannung überall eine mühsame Administration erfordert und jährlich bei weitem größere Kosten in Anspruch nimmt als ein solider Leuchtturm mit dessen geringer Besatzung, und dass also
dem Staat in zweifacher Weise geholfen werden könne, einmal in Beziehung auf die Schifffahrt und ferner in Beziehung auf die verminderten Ausgaben der Staatshaushaltung.
Die Beschreibung des Terrains, auch in historischer Beziehung
Das Terrain, auf welchem die Bremer Bake steht, ist ein Teil eines etwa 10 km² großen, sehr mächtigen und sehr flüssigen Treibsandlagers, welches unter dem Namen Mellum die Jade von der Weser trennt.
Diese Mellum ist von mehreren Prielen (Stromrillen) durchschnitten, wodurch Abteilungen entstanden sind, welche eigene Namen angenommen haben und so trägt der Teil des Sandes bei der Bremer Bake den Namen ›Hohe Weg‹. Vermutlich war hier früher der höchste Rücken des mit Namen Mellum bezeichneten Sandes, den man jetzt an einem andern Teil desselben findet mit Namen Dünkirchen, etwa 3,8 km Meile unterhalb der Bremer Bake.
Die Bremer Bake selbst befindet sich in der Richtungslinie, welche von der Jungfernbake aus nach WNWest gezogen wird, oder genauer noch auf 53° 42' 51" nördlicher Breite und 8° 14' 52" östlicher Länge von Greenwich.
Abb. 1. Die Wesermündung ums Jahr 1511.
Die ganze Mellum war in alten Zeiten vermutlich ein grünes, etwas zu früh oder nur schwach eingedeichtes Land. An ihre Vergangenheit knüpfen sich interessante Erinnerungen, die ich hier glaubte, eigens anführen zu müssen, weil sie sonst sicherlich in die Vergessenheit geraten.
Mir wurde nämlich von Anbeginn meines Hierseins von älteren Schiffskapitänen wiederholt die Sage mitgeteilt, »dass in der Nähe der Bremer Bake das Schloss Mellum gestanden habe«, aber es konnte mir niemand darüber Beweise und noch viel weniger Details beibringen.
Der Bau unseres Leuchtturms trieb mich nun zu ferneren Forschungen, aber lange Zeit hindurch waren dieselben vergeblich. Endlich gelang es mir ganz unverhofft, ein altes zerrissenes gedrucktes Bruchstück von einer armen Tagelöhnerfamilie in der Nähe von Fedderwarden und Langwarden zu bekommen. Dasselbe deckt Vieles auf. Ich sandte es nach Oldenburg an den Baurat Lasius mit der Bitte, da weder Titel noch Schluss daran zu sehen war, dasselbe in der Bibliothek gegen die Oldenburger Chroniken anzuhalten und zu vergleichen und ich erhielt es, vom Archivar Dr. Leverkus geprüft, zurück mit der Erklärung, dasselbe sei:
»Ein historisch-theologisches Werk von Johann Friedrich Jansen, Diener des göttlichen Wortes zu Nyende in Jeverland, zu finden bei Joh. Andreas Grimm in Bremen und in Jever, 1722.«
Der Herr Pastor Jansen geht in diesem seinen Werk bis auf diejenige Vorzeit zurück, in welcher unsere Seeküste zu allererst bedeicht worden. Er teilt die Traditionen mit, welche die damalige Bevölkerung der Nachwelt überliefert haben und bezieht sich dabei auf alte Chroniken, als Hamelmann, Henning, Michaelis, Reusner, Winkelmann, Helmold und Emmius. Nach diesen Autoren erzählt er, dass gerade die erste bekannte Sturmflut nach der ersten Bedeichung dieser Länder die vom Jahr 1066 gewesen ist, welche das Schloss Mellum vernichtete, das etwa eine deutsche Meile unterhalb Langwarden – die Spitze des jetzigen Budjadinger Landes – gelegen war.
Dieses Schloss befand sich – so steht geschrieben – auf einem Sande, einem Keil ähnlich, welcher die Weser von der Jade trennt. (Siehe Abb. 1, Weserkarte von anno 1511.)
Von diesem Schloss sagt Jansen wörtlich das Folgende, indem er sich auf Hamelmann bezieht:
»Es ist dies Schloss von Walberto, Herzog Wigberti Sohn und Widekindi, des großen Königs von Sachsen Kindeskind erbauet, und ist unter Grafen Huno, nachdem es an die 200 Jahre gestanden, durch die Kraft der Wellen verloren gegangen.«
Er meint ferner, dass daran, »dass ein solches Schloss, Mellum genannt, gewesen«, nicht gezweifelt werden könne, »wenn man eine geschriebene gewisse Schrift von Henningius und Reusnerus liest«, worin es folgendermaßen lautet:
»Johann, Graf von Oldenburg, Heinrich II. Er diente Anno Domini 1007 dem Kaiser gegen die Sarazenen und Griechen in Italien und ein Jahrzehnt später gegen Polen. Er hielt die Burgen Mellum am Meer und Jadeleh, die von den Alten am Fluss Jade erbaut wurden, von wo aus er die Friesen bis nach Groningen unterwarf.«
Archivar Dr. Leverkus in Oldenburg behauptet übrigens dennoch, dass für die ganze Geschichte vom Jahre 1066 keine einzige echte historische Quelle aufzufinden sei, und meint ferner, dass dasjenige, was Herr Pastor Jansen hier erzählt, dieser wieder aus Handschriften von Laurentius Michaelis geschöpft habe, welchen Graf Johann XVI. von Oldenburg, der 1575 Jeverland von seiner Großtante, Fräulein Marie ererbte, zur Auslieferung des Manuskriptes zwang.
Wie dem aber auch sei, so ist hiermit doch noch kein logischer Schluss ausgesprochen, dass eben alles, was sich auf das Schloss Mellum bezieht, als Märchen aufzunehmen wäre, da z. B. auch wiederum die Geschichte des Schlosses Mellum mit der des Schlosses Jadeleh eng zusammensteht. Man findet da ferner zugleich das Entstehen des in jetziger Zeit wegen der beabsichtigen umfangreichen preußischen Hafenbauten so interessant gewordenen Jadebusen in der Sturmflut vom 17. November 1218 beschrieben, und ich kann es bei dieser Gelegenheit, obwohl diese Sachen nicht zum Technischen des Turmbaues gehören, nicht unterlassen sie anzuführen, damit die Zusammenstellung solcher interessanter Daten der Nachwelt erhalten bleiben möge.
Es heißt weiter in Jansens Schrift:
»Zu dieser Zeit anno 1218 ist der Jadefluss zu der Größe gediehen, dass da er vorhin nur ein kleiner Fluss war, nun zu einer großen See geworden, nachdem nämlich so viel Land verschlungen und mit dem Meere bedecket ist. Es ist auch in dieser Flut der sogenannte Schlicker Siel (der von dem Schlick in der See, wie Winkelmann bezeuget, den Namen geführt hat), welcher mit starken kupfernen Türen und von Graf Otto I. ums Jahr 970 gemacht worden, nicht weit von dem Ausflusse der Ahne gelegen (Abb. 1), wie der Autor der geschriebenen Beschreibung von Rastedt anzeigt, eingebrochen und verloren gegangen.«