Neues Glück für Hanna - Toni Waidacher - E-Book

Neues Glück für Hanna E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. »Grüß Gott, Frau Burgthaler«, sagte der Postbote und überreichte der jungen Frau einen Stapel Briefe. »Vielen Dank, Herr Obermüller«, nickte sie und nahm die Post entgegen. Hoffentlich nicht nur wieder Rechnungen! Hanna Burgthaler schloss die Tür und ging in die Küche zurück. In der Kaffeekanne war noch ein kleiner Rest. Hanna schenkte ihn ein und setzte sich. Dabei schaute sie automatisch auf die Uhr an ihrem Handgelenk. Schon fast zwölf, nicht mehr lange, dann kam schon wieder Frieda aus der Schule. Na ja, immerhin war sie mit dem Putzen der Wohnung fast fertig geworden. So konnte man seinen freien Tag natürlich auch verbringen – putzen, Essen kochen und die Post sichten. Von den zehn Briefen waren sieben Reklamesendungen von Versandfirmen und Möbelhäusern, ein Autohaus offerierte schon auf dem Umschlage, eine Probefahrt ›in Ihrem Traumauto! ‹. Hanna öffnete sie gar nicht erst, sondern legte sie gleich beiseite, um die Umschläge später im Altpapier zu entsorgen. Von den drei Briefen, die übrig geblieben waren, stammte einer von den Stadtwerken, die den ausstehenden monatlichen Abschlag anmahnten, ein Brief enthielt die Telefonrechnung, die auch schon wieder fällig war, der letzte Umschlag war mit blauer Tinte beschrieben, in einer Handschrift, die Hanna kaum lesen konnte. Nur mit Mühe gelang es ihr, den Absender zu entziffern. Als sie es geschafft hatte, glaubte sie, ihr Herzschlag setze aus. Walburga und Richard Burgthaler, St. Der Brief war von ihren Schwiegereltern!

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Der Bergpfarrer – 312 –

Neues Glück für Hanna

Erst die Versöhung – und dann?

Toni Waidacher

»Grüß Gott, Frau Burgthaler«, sagte der Postbote und überreichte der jungen Frau einen Stapel Briefe.

»Vielen Dank, Herr Obermüller«, nickte sie und nahm die Post entgegen.

Hoffentlich nicht nur wieder Rechnungen!

Hanna Burgthaler schloss die Tür und ging in die Küche zurück. In der Kaffeekanne war noch ein kleiner Rest. Hanna schenkte ihn ein und setzte sich. Dabei schaute sie automatisch auf die Uhr an ihrem Handgelenk.

Schon fast zwölf, nicht mehr lange, dann kam schon wieder Frieda aus der Schule. Na ja, immerhin war sie mit dem Putzen der Wohnung fast fertig geworden.

So konnte man seinen freien Tag natürlich auch verbringen – putzen, Essen kochen und die Post sichten.

Von den zehn Briefen waren sieben Reklamesendungen von Versandfirmen und Möbelhäusern, ein Autohaus offerierte schon auf dem Umschlage, eine Probefahrt ›in Ihrem Traumauto!‹. Hanna öffnete sie gar nicht erst, sondern legte sie gleich beiseite, um die Umschläge später im Altpapier zu entsorgen. Von den drei Briefen, die übrig geblieben waren, stammte einer von den Stadtwerken, die den ausstehenden monatlichen Abschlag anmahnten, ein Brief enthielt die Telefonrechnung, die auch schon wieder fällig war, der letzte Umschlag war mit blauer Tinte beschrieben, in einer Handschrift, die Hanna kaum lesen konnte. Nur mit Mühe gelang es ihr, den Absender zu entziffern. Als sie es geschafft hatte, glaubte sie, ihr Herzschlag setze aus.

Walburga und Richard Burgthaler, St. Johann …

Der Brief war von ihren Schwiegereltern!

Hanna trank von dem längst kalt gewordenen Kaffee. Ihr Mund war vor Aufregung ganz trocken geworden, die Zunge fühlte sich an wie ein Reibeisen.

Zögernd betrachtete sie den Umschlag, drehte ihn immer wieder in den Händen, legte ihn beiseite, nahm ihn doch wieder.

Und dann füllten sich ihre Augen mit Tränen.

Endlich, nach all den Jahren! Wie sehr hatte Rolf auf einen Brief seiner Eltern gehofft!

Gleichzeitig spürte sie Misstrauen aufsteigen.

Was wollten sie von ihr? Jahrelang hatten sie sich nicht um ihre Schwiegertochter und das Enkelkind gekümmert, waren nicht einmal zur Beerdigung des Sohnes gekommen. Und jetzt ein Lebenszeichen, nach neun Jahren!

Neun Jahre war es her, dass Rolf mit seinen Eltern gebrochen hatte. Im Nachhinein glaubte Hanna, ihre Liebe hatte von Anfang an unter keinem guten Stern gestanden. Dabei hatte es doch so wunderschön und romantisch begonnen, damals, als sie Urlaub im Wachnertal machte – drei Wochen unbeschwertes Leben, wie das in dem Alter eben war. Keinen Tanzabend hatte sie ausgelassen, gleich am ersten Samstag hatte sie die Bekanntschaft des feschen Bauernsohnes gemacht und sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Rolf Burgthaler machte ihr schon beim zweiten Treffen einen Heiratsantrag, und sie nahm an.

Freilich hatte sie es für einen Scherz gehalten. Ein Urlaubsflirt, mehr nicht, war es zwischen ihnen beiden, glaubte sie.

Dass er es ernst meinte, merkte sie am dritten Tanzabend, als Rolf ihr einen Verlobungsring ansteckte und sie seinen Eltern vorstellen wollte.

Der Besuch auf dem Burgthalerhof wurde zu einem Desaster!

Eisig war der Empfang durch Burgl und Richard Burgthaler. In ihren Augen war Hanna nichts weiter, als eine ›Dahergelaufene‹, die es nicht wert war, den Sohn zu heiraten und als Bäuerin auf den Hof zu ziehen.

Rolf indes stand zu seiner Liebe. Der bitterböse Streit, den seine Eltern vom Zaun brachen, konnte daran nichts ändern. Noch bevor ihr Urlaub ganz zu Ende war, kehrte Hanna nach München zurück, und Rolf ging mit ihr.

Es war kein leichter Start, den sie hatten. Die Fähigkeiten eines Bauern waren nicht unbedingt gefragt in der bayrischen Landeshauptstadt, und selbst im Umland suchte er vergeblich nach einer Arbeit auf einem Bauernhof. Doch trotz allem ließ er sich nicht unterkriegen.

»Wenn net beim Bauern, dann eben in der Fabrik«, sagte Rolf Burgthaler und fand schneller eine Stelle, als er gefürchtet hatte.

Dann bestand er darauf, so rasch wie möglich zu heiraten. Hanna arbeitete als Hauswirtschafterin in einem großen Altenheim, und ihr beider Verdienst reichte für ein sorgenfreies Leben. Ihr Glück wurde gekrönt, als sich ein Jahr nach der Hochzeit Nachwuchs ankündigte, und für das junge Paar wurde es die schönste Zeit seines Lebens.

Seine Eltern erwähnte Rolf nie wieder. Hanna wusste nicht, wie sehr es ihn geschmerzt hatte, dass sie nicht zur Trauung gekommen waren – heimlich und ohne Rolfs Wissen hatte sie Burgl und Richard eingeladen –, und dass sie ihre Enkeltochter wohl nie kennenlernen würden.

Einmal, gleich nach Friedas Geburt, hatte Hanna ihnen noch einmal geschrieben, wieder heimlich, und ihnen mitgeteilt, dass sie Großeltern geworden waren. Als die alten Burgthaler auch darauf nicht reagierten, gab Hanna es schließlich auf. Sie hatte sich alle Mühe gegeben, den Kontakt wieder herzustellen, doch offenbar legten ihre Schwiegereltern keinen Wert darauf.

Nur einmal noch musste Hanna an sie schreiben, damals, vor knapp sechs Jahren, als Rolf gestorben war, und sie von einem Tag auf den anderen zur Witwe geworden war …

Von unsagbarem Schmerz erfüllt stand sie am Grab ihres Mannes, die zweijährige Tochter an der Hand. Alle waren gekommen, die Nachbarn, Freunde und die Arbeitskollegen. Sogar der Besitzer der Fabrik, in der sich der schreckliche Unfall ereignet hatte, erwies ihm die letzte Ehre.

Nur Rolfs Eltern fehlten! Kein Anruf, kein Brief, schon gar keine persönliche Anwesenheit, um den einzigen Sohn auf seinem letzten Weg zu begleiten! Nichts!

Das war der Moment, in dem Hanna sich schwor, nie wieder in ihrem Leben etwas mit Burgl und Richard Burgthaler zu tun haben zu wollen. Was auch immer geschehen würde!

Das stürmische Klingeln an der Wohnungstür riss die junge Witwe aus ihren Erinnerungen.

Mein Gott, war das schon Frieda?

Sie sah auf die Uhr und sprang hoch. Zehn Minuten vor eins, und sie hatte das Essen noch nicht fertig!

Frieda strahlte sie an.

Hanna sah sie fragend an. »Was ist los?«

»Wir haben unsere Mathearbeit wiederbekommen.«

»Und?«

Stolz wie Oskar warf sich das Madel in die Brust. »Rate.«

»Eine Sechs …?«, fragte die Mama schmunzelnd.

»Genau«, nickte Frieda fröhlich. »Aber davon musst noch fünf abziehen.«

*

Eine Viertelstunde später saßen sie am Tisch und aßen. Die vorgesehenen Fleischpflanzerl waren kurzerhand auf den nächsten Tag verschoben worden, Hanna hätte erst noch einkaufen müssen. Stattdessen gab es Spaghetti. Ein Vorrat lag immer im Küchenschrank, genauso wie Parmesankäse und Dosentomaten, und wie fast alle Kinder aß Frieda Nudeln für ihr Leben gern.

»Gibts Nachtisch?« Das Madel reckte den Hals in Richtung Kühlschrank.

Hanna schüttelte bedauernd den Kopf.

»Ich weiß auch net, was los ist«, sagte sie entschuldigend, »aber heut steckt irgendwie der Wurm drin. Ich bin zu nix gekommen.«

»Dann ess ich halt einen Apfel«, erklärte die Tochter.

»Gute Idee, und hinterher machst gleich die Hausaufgaben, dann ist das auch erledigt.«

Frieda stand auf und ging zum Küchenschrank, auf dem die Schale mit Obst stand.

Sie schaut Rolf immer ähnlicher, dachte Hanna und spürte den schmerzhaften Stich in ihrem Herzen, den sie immer bekam, wenn sie an ihren verstorbenen Mann dachte. Vor zwei Monaten war das Kind acht Jahre geworden. Frieda ging in die dritte Klasse, noch ein Jahr in der Grundschule, dann stand auch schon das Gymnasium an. Keine Frage, dass die Schulempfehlung dahingehend lauten würde. Frieda gehörte zu den Besten in ihrer Klasse, ohne dass sie sich besonders anstrengen musste. Sie war schon sehr selbstständig und selbstbewusst für ihr Alter, fuhr alleine mit dem Bus zur Schule und half daheim freiwillig mit im Haushalt.

An den Papa hatte sie keine große Erinnerung mehr, auch wenn überall Fotos von Rolf Burgthaler standen und Mutter und Tochter oft die Alben anschauten, in denen noch viel mehr Fotografien steckten – jene aus glücklicheren Tagen.

Auch wenn der Vater seit sechs Jahren tot war, Frieda fragte oft nach ihm, wollte wissen, wie er so gewesen sei und wo er überhaupt herkomme, hatte sie einmal wissen wollen. Sie war erstaunt gewesen, als sie hörte, dass der Papa auf einem Bauernhof in den Bergen aufgewachsen sei, und wollte alles darüber erfahren. Ganz aufgeregt war das Madel, als es hörte, dass die Eltern des Vaters, also Friedas Großeltern, noch lebten.

»Können wir net mal hinfahren?«, bettelte sie immer wieder. »Ich möcht doch so gern Großvater und Großmutter kennenlernen!«

Es war für Hanna nicht einfach, der Tochter zu erklären, warum sie ihr diesen Wunsch nicht erfüllen konnte. Es lag ihr fern, Rolfs Eltern dabei in ein schlechtes Licht zu rücken, obgleich die beiden sich nicht freundlich verhalten hatten.

Indes ließ Frieda nicht locker und fragte mindestens einmal in der Woche nach, wann sie denn nun in das Wachnertal fahren konnten. Schließlich hatte Hanna keine andere Wahl mehr, als ihrer Tochter die Wahrheit zu sagen – oder zumindest teilweise, so weit das Kind sie ertragen konnte.

Frieda hatte sich einen Apfel aus der Schale genommen und wollte hineinbeißen, als ihr Blick, auf die Post fiel, die Hanna vorhin rasch neben die Obstschale gelegt hatte.

»Ein Brief.«

Sie nahm den Umschlag, noch ehe ihre Mutter eingreifen konnte, und las den Absender, den sie schneller entzifferte, als Hanna es gekonnt hatte.

»Der ist ja von den Großeltern!«, rief sie aufgeregt. »Hier steht: Absender Burgthaler, St. Johann. Warum hast ihn denn noch net aufgemacht?« Sie hielt den Brief ihrer Mutter unter die Nase. »Mama, jetzt mach schon!«

Seufzend nahm Hanna den Umschlag und öffnete ihn. Der Brief an sich war schon eine Überraschung. Noch überraschter aber war die junge Witwe von seinem Inhalt.

»Liebe Hanna, liebe Frieda«, las sie laut vor, »wir laden Euch recht herzlich zu unserer Silberhochzeit am Elften dieses Monats ein und würden uns sehr freuen, wenn Ihr diese Einladung annehmt. Vielleicht habt Ihr sogar ein bissel Zeit und könnt noch ein paar Tage bleiben. Wir grüßen Euch herzlich und freuen uns auf Euch! Burgl und Richard, Oma und Opa.«

»Juchhuu, wir fahren ins Wachnertal!« Frieda war außer Rand und Band.

»Moment mal«, wiegelte ihre Mutter ab. »Ganz so fix sind wir da net. Der Elfte ist schon nächste Woche Dienstag, und wir wissen noch gar net, ob du überhaupt von der Schule freibekommst. Es sind ja noch keine Ferien.«

Das Madel hatte ihr den Brief aus der Hand genommen und las ihn, während es genüsslich den Apfel kaute.

Hanna nagte an ihrer Lippe. Auf die Schule setzte sie ihre ganze Hoffnung, wenn man dort Frieda nicht freigeben würde, dann bliebe ihr, Hanna, die Begegnung mit den Schwiegereltern erspart. Andererseits spürte sie das schlechte Gewissen. Durfte sie ihrer Tochter die Großeltern vorenthalten? Schließlich waren sie die einzigen Verwandten ihres verstorbenen Vaters.

*

»Wann sind wir denn da?« Frieda hatte diese Frage in der vergangenen Stunde wohl mehr als zwanzigmal gestellt.

»Gleich«, antwortete Hanna auch diesmal genauso geduldig.

Natürlich hatte es seitens der Schule keine Einwände gegeben.

»Ihre Tochter ist so gut, die holt den versäumten Stoff mühelos wieder auf«, hatte Frau Gerstner, Friedas Lehrerin, gesagt, und den Antrag auf Beurlaubung bei der Schulleitung unterstützt.

Außerdem standen die Ferien fast vor der Tür, da spielten ein paar Tage extra frei keine große Rolle mehr.

Schweren Herzens hatte sich Hanna auf die Reise gemacht. Sie wusste nicht, wovor sie mehr Angst hatte, vor der Begegnung mit ihren Schwiegereltern oder vor den Erinnerungen.

Prompt holten die sie auch wieder ein, je näher sie St. Johann kamen. Allerdings fuhr sie nicht direkt durch den Ort, sondern umrundete ihn und bog dann auf die Bergstraße ein, die zum Burgthalerhof, der unterhalb des Koglers lag, führte.

Einmal nur war sie auf dieser Straße gefahren, als Rolf sie seinen Eltern vorstellen wollte …

»Was ist das für ein Berg?« Frieda, die hinten in ihrem Kindersitz saß, deutete zur anderen Seite, wo zwei schneebedeckte Bergspitzen scheinbar die Wolken berührten.

»Das ist der Zwillingsgipfel«, antwortete Hanna, nach einem kurzen Blick. »Sie heißen ›Himmelsspitz‹ und ›Wintermaid‹.«

»Warst du mal da oben?«

»Ja, einmal. Damals hab ich eine Bergwanderung auf eine Alm gemacht.«

»Mit Papa? Und was ist eine Alm?«

Geduldig erklärte die Mutter ihrer Tochter, was eine Alm ist, und dass sie seinerzeit nicht mit Rolf aufgestiegen war. »Dein Papa musste arbeiten.«

»Bei den Großeltern auf dem Hof.«

»Richtig. Aber ich hatte ja Urlaub und bin mit einem Pfarrer aufgestiegen.«

»Mit einem Pfarrer?«, wunderte sich das Madel.

»Ja, ich war damals auch erstaunt, als ich hörte, dass ein Geistlicher mein Bergführer sein sollte, aber Pfarrer Trenker kennt sich hier in den Bergen besonders gut aus, und mir hat die Tour viel Spaß gemacht. Wenn wir wieder daheim sind, müssen wir mal die Alben durchschauen. Da sind irgendwo auch Fotos, die ich auf der Alm und unterwegs gemacht hab.«

»Ich will gar net wieder heim.«

Der Ausspruch kam so prompt und resolut, dass Hanna überrascht ihre Tochter im Rückspiegel ansah. »Warum willst denn net wieder heim?«

Frieda zuckte die Schultern.

»Ich find’s schön hier«, antwortete sie. »Viel schöner, als in München, wo’s immer so laut ist und so viele Autos fahren. Hier ists so schön ruhig. Und bestimmt sind Papas Eltern ganz nett und freuen sich, wenn wir bleiben.«

Hanna verzichtete darauf, ihr zu erklären, dass das, was Frieda sich da ausdachte, nicht so leicht zu bewerkstelligen wäre. Abgesehen von dem ganzen Aufwand, den ein Umzug mit sich bringen würde, blieben da noch ihre Schwiegereltern, die vermutlich aus allen Wolken fallen würden, wenn sie den Wunsch des Madels hörten.

Glücklicherweise kam der Hof in Sicht, und Hanna war jeglicher Diskussion über den Einfall ihrer Tochter enthoben.

Glücklicherweise? Hanna trat unwillkürlich auf die Bremse. Als wäre es gestern gewesen, lief das Geschehen wie ein Film vor ihr ab. Die Auseinandersetzung, die hässlichen Szenen, die Tränen, die sie geweint hatte.

»Was ist? Warum halten wir?«

Die junge Witwe antwortete nicht, sondern fuhr wieder an. Von der Bergstraße bog sie auf den Hof ein und hielt vor der großen Scheune. Ihre Knie zitterten, als sie ausstieg, und trotz des leichten Sommerkleids schwitzte Hanna fürchterlich.

Frieda war aus dem Auto geklettert und stand nun neben ihrer Mutter. Ihre kleine Hand lag in Hannas.

»Da kommt jemand«, flüsterte sie, als drüben beim Haus eine Gestalt sichtbar wurde.

Hanna erkannte ihren Schwiegervater sofort wieder. Sechsundfünfzig Jahre, hatte sie ausgerechnet, musste er jetzt sein, seine Frau war zwei Jahre jünger. Er hob grüßend die Hand und drehte den Kopf zur Tür.

»Sie sind da!«, rief er.

Walburga Burgthaler trat aus der Tür, sah ihre Schwiegertochter und das Enkelkind stumm an.

»Komm«, sagte Hanna und zog die Kleine mit sich.

»Da seid ihr ja.« Der Bauer streckte die Hand aus, Hanna zögerte kurz, dann griff sie zu.

Ihre Schwiegermutter sah sie neugierig an.