Anna –  wo bist du? - Toni Waidacher - E-Book

Anna – wo bist du? E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Es war Freitagabend. Vor einer halben Stunde waren Matthias Breitmoser und sein Sohn Jonas aus dem Wald zurückgekehrt. Sie hatten einen Teil des Waldes vom Windbruch gesäubert oder verdorrte Bäume gefällt. Das war notwendig, um die gesunden Bäume im Frühling vor Schädlingsbefall zu schützen. Anna Kallmeier hatte für Vater und Sohn das Abendessen vorbereitet. Die Fünfundzwanzigjährige arbeitete auf dem Breitmoserhof als Hauswirtschafterin, nachdem vor über drei Jahren die Bäuerin tragisch früh verstorben war. Der Tisch in der Küche war gedeckt. Es duftete nach gebratenem Fleisch und Bratkartoffeln. Eine Schüssel voll Endiviensalat stand in der Tischmitte, daneben eine Schale mit Röstzwiebeln. Nachdem Matthias und sein Sohn sich geduscht und umgezogen hatten, setzten sie sich an den Tisch. Anna brachte die Pfanne mit dem gebratenen Fleisch, spießte jedem ein großes Stück auf den Teller und sagte: »Kartoffeln und Röstzwiebeln müsst ihr euch selber nehmen. Ich weiß net, wie groß euer Hunger ist.« »Er ist riesig!«, versetzte Jonas. Er war fünfundzwanzig Jahre alt, dunkelhaarig und von sportlicher Statur. Er grinste Anna an, seine Augen funkelten. »Ich glaub', in meinem Magen sitzt ein Wolf, der wie verrückt nach Essen brüllt. Waldarbeit macht hungrig.« Anna lächelte. »Dann tu' dir keinen Zwang an, Jonas, und greif zu.

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Der Bergpfarrer – 467 –

Anna – wo bist du?

Toni Waidacher

Es war Freitagabend. Vor einer halben Stunde waren Matthias Breitmoser und sein Sohn Jonas aus dem Wald zurückgekehrt. Sie hatten einen Teil des Waldes vom Windbruch gesäubert oder verdorrte Bäume gefällt. Das war notwendig, um die gesunden Bäume im Frühling vor Schädlingsbefall zu schützen.

Anna Kallmeier hatte für Vater und Sohn das Abendessen vorbereitet. Die Fünfundzwanzigjährige arbeitete auf dem Breitmoserhof als Hauswirtschafterin, nachdem vor über drei Jahren die Bäuerin tragisch früh verstorben war.

Der Tisch in der Küche war gedeckt. Es duftete nach gebratenem Fleisch und Bratkartoffeln. Eine Schüssel voll Endiviensalat stand in der Tischmitte, daneben eine Schale mit Röstzwiebeln.

Nachdem Matthias und sein Sohn sich geduscht und umgezogen hatten, setzten sie sich an den Tisch. Anna brachte die Pfanne mit dem gebratenen Fleisch, spießte jedem ein großes Stück auf den Teller und sagte: »Kartoffeln und Röstzwiebeln müsst ihr euch selber nehmen. Ich weiß net, wie groß euer Hunger ist.«

»Er ist riesig!«, versetzte Jonas. Er war fünfundzwanzig Jahre alt, dunkelhaarig und von sportlicher Statur. Er grinste Anna an, seine Augen funkelten. »Ich glaub’, in meinem Magen sitzt ein Wolf, der wie verrückt nach Essen brüllt. Waldarbeit macht hungrig.«

Anna lächelte. »Dann tu’ dir keinen Zwang an, Jonas, und greif zu. Ich stell’ die Pfanne mit dem Fleisch auf den Tisch.«

»Wir haben tatsächlich mächtigen Hunger«, erklärte Matthias Breitmoser, der vierundfünfzigjährige Landwirt. »Der Sturm vor zwei Wochen hat im Wald fürchterlich gehaust. Nix wie entwurzelte oder abgebrochene Bäum’ hat er zurückgelassen. Eine Schneise der Verwüstung … Da gibt's noch viel zu tun für uns.«

»Nehmt euch morgen halt mehr Brotzeit mit«, schlug Anna vor.

»Wir nehmen mit, was du uns richtest«, grinste Jonas. Für einen Moment versank sein Blick in dem Annas, sie errötete leicht und wandte sich ab.

Matthias Breitmoser entging ihre Verlegenheit nicht. Er warf seinem Sohn, der große Ähnlichkeit mit ihm besaß, einen prüfenden Blick zu, dann griff er nach der Pfanne mit den Bratkartoffeln und bediente sich. Er gab die Pfanne an Jonas weiter und nahm sich einige Löffel voll von den Röstzwiebeln, die er über seinem Braten verteilte.

»Ich hab’ mich um acht Uhr mit der Sonja verabredet«, sagte Jonas nach einer ganzen Weile, in der er und sein Vater schweigend gegessen hatten. »Ihre zwei Brüder und deren ganze Clique treffen sich im ›Roten Ochsen‹ zum Bowlen. Sie hat mich angerufen, ob ich auch mitgeh’. Ich hab’ natürlich zugesagt.«

»Hast du net eben drüber geklagt, dass du ziemlich müd’ bist?«, fragte Matthias. »Und morgen müssen wir wieder hinaus in den Wald. Wir werden den ganzen Winter über zu tun haben.«

»Jetzt geht’s schon wieder«, erwiderte Jonas. »Nachdem ich heiß und kalt geduscht hab’, fühl’ ich mich wie neu geboren. Ich wollt’ halt die Sonja net vor den Kopf stoßen. Hätt’ ich ihr einen Korb gegeben, würd’ sie mich wohl nie mehr wieder einladen, mit ihr bowlen zu gehen. Ich hab’ aber net vor, allzu lang auf der Bowlingbahn auszuhalten, keine Sorge, morgen möcht’ ich fit sein.«

Anna stand mit dem Rücken zu ihnen am Herd. Ihr Gesicht war wie versteinert, in ihren rehbraunen Augen drückten sich Traurigkeit und Enttäuschung aus.

»Es freut mich, dass du so diszipliniert bist«, hörte sie Matthias zu seinem Sohn voller Stolz sagen. »Aber ich hab’s ja schon immer gewusst: Du bist von meinem Schrot und Korn. Bei dir bewahrheitet sich wieder mal die alte Binsenweisheit, dass der Apfel net weit vom Stamm fällt. Hätt’s deine Mutter noch erleben können, wie du dich entwickelt hast in den vergangenen zwei – drei Jahren, sie wär’ sicher stolz auf dich.«

»Man wird halt älter und gescheiter, Papa«, versetzte Jonas lächelnd. »Dass ich manchmal recht schwierig war und der Mama eine Menge Sorgen und Ärger bereitet hab’, tut mir heut’ noch leid, und wenn ich so manches rückgängig machen könnt’, würd’ ich’s tun. Aber ich denk’, die Mama hat mir’s nachgesehen, ehe sie …« Er brach ab. Er wollte bei seinem Vater keine Wunde aufreißen. Es hatte lange gedauert, bis Matthias über den Tod seiner Frau hinweggekommen war. Jonas, der früher ein rechter Luftikus gewesen war, hatte sich regelrecht über Nacht geändert und seinem Vater geholfen, die tiefe Trauer zu überwinden.

Anna beschäftigte sich damit, dass sie Geschirr und Besteck, das sie zum Kochen benötigt hatte, per Hand abspülte. So konnte sie es vermeiden, Vater und Sohn ansehen zu müssen. Sie sollten nicht bemerken, was mit ihr los war. Es sollte ihr Geheimnis bleiben, dass sie sich in Jonas verliebt hatte, der dies aber nicht bemerkte oder nicht bemerken wollte.

Eben hatte er ihr wieder in die Augen geschaut, aber sie konnte nicht sagen, ob er dabei etwas empfunden hatte. Er hatte gegrinst; lausbubenhaft und entwaffnend, so wie sie es an ihm liebte. Sein Blick hatte ihr Herz schneller schlagen lassen und sie hatte selbst gespürt, dass sie errötet war. ›Genauso wird er sicher auch die Sonja anschauen‹, dachte sie und verspürte Eifersucht.

Sonjas Eltern bewirtschafteten in Waldeck einen großen Hof, der ganz gewiss beträchtliche Gewinne abwarf, sodass Sonja mal mit einer beträchtlichen Mitgift rechnen konnte. Und das brachte sicherlich so manchen Burschen zum Grübeln, ob es net sinnvoll wäre, darüber hinwegzusehen, dass Sonja nicht gerade eine Schönheit war. Sie war, wie man so sagt, eine ›gute Partie‹.

Sie, Anna, war zwar recht hübsch, aber unvermögend …

Matthias und sein Sohn hatten gegessen. Anna hatte das Geschirr gewaschen und getrocknet und in den Schrank gestellt. Jetzt holte sie die schmutzigen Teller und Bestecke vom Tisch und stellte sie ins Spülbecken.

Jonas erhob sich. »Ich mach’ noch den Stall«, sagte er, »und dann verschwind’ ich.«

»Ich komm’ auch gleich hinaus und helf’ dir beim Ausmisten«, erklärte sein Vater.

Jonas verließ die Küche und Anna begann, auch die beiden Schüsseln und die Pfanne vom Tisch abzuräumen.

Matthias beobachtete sie eine Weile. Anna bemerkte es, doch sie war bemüht, dem Blick des Bauern auszuweichen. Schließlich sagte Matthias: »Was ist denn los, Madel? Du bist vorhin ziemlich verlegen geworden, als dich der Jonas angeschaut hat. Hast du dich etwa in den Burschen verguckt?«

Anna schluckte. Damit, dass sie der Bauer so direkt fragte, hatte sie nicht gerechnet. Sie war regelrecht überrumpelt und ihr fehlten sekundenlang die Worte. Schließlich aber stammelte sie: »Wie – kommst – du denn darauf, Matthias? Ich mich in den Jonas verschaut – nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Das wär ja anmaßend. Ich bin hier auf dem Hof angestellt, und es käm’ mir nie in den Sinn …«

»Gefällt dir mein Bub net?«, fragte Matthias.

»Wieso sollt’ er mir net gefallen?«

»Weil du’s eben so kategorisch verneint hast, dich in ihn verschaut zu haben. Das hat geklungen, als wär’ er net deine Kragenweite.«

»Ich hab’ das anders gemeint, Matthias«, murmelte Anna. »Und deshalb hab’ ich auch gesagt, dass es anmaßend von mir wär’ …«

Matthias winkte ab. »Was sollt’ daran anmaßend sein, Madl? Mir wärst du als Schwiegertochter sehr willkommen. Du bist die geborene Bäuerin, und mein Bub hätt’ mit dir eine sehr gute Wahl getroffen. Sein Blick vorhin hat mir verraten, dass er von dir recht angetan zu sein scheint.«

»Aber die Sonja Niedermeyer…«

Matthias winkte ab. »Ob da was läuft zwischen ihr und dem Jonas weiß ich net. Gesprochen hat er noch net drüber. Aber ich werd’ das sicher herausfinden. Allerdings kann ich’s mir net vorstellen. Ich glaub’ nämlich net, dass die Sonja sein Typ ist.«

»Man wird ihm da nix dreinreden können, Matthias«, murmelte Anna. »Ich kann mir schon vorstellen, dass die Sonja ein Aug’ auf deinen Buben geworden hat. Ihr seid ja auch net grad arm …«

»Darauf kommt’s doch überhaupt net an, Madel«, schnitt ihr Matthias das Wort ab und pochte sich mit der Faust gegen die Brust. »Da drin muss es stimmen. Alles andere kannst du vergessen. Zwei, die ein Leben gemeinsam verbringen möchten, müssen sich lieben. Zweckgemeinschaften machen keinen glücklich.«

»Man weiß nie, wo die Liebe hinfällt, Matthias«, versetzte Anna leise. Sie drehte sich wieder um und begann, das letzte schmutzige Geschirr zu waschen. Länger hatte sie dem forschenden Blick des Bauern nicht standhalten können.

*

Um sechs Uhr morgens fand sich Anna wieder auf dem Breitmoserhof ein. Während Matthias die Kühe melkte, transportierte Jonas Heu, das er aus der großen Scheune holte, in den Kuhstall. Licht fiel durch das offen stehende Tor ins Freie.

Anna begab sich sofort in die Küche, um den beiden Männern das Frühstück zu bereiten. Das hatte sich auf dem Breitmoserhof so eingebürgert. Die beiden Männer warfen sich nach dem Aufstehen lediglich ein paar Hände voll Wasser ins Gesicht, zogen ihre Stallmontur, also Gummistiefel und Blaumann, an und versorgten die Kühe, indem sie sie molken und fütterten. Danach duschten sie, rasierten sich, putzten sich die Zähne und zogen die Arbeitskleidung an, an der kein Stallgeruch haftete und die sie den Tag über trugen.

Derart auf den Tag und die anfallende Arbeit eingestellt kamen sie eine halbe Stunde später in die Küche und setzten sich an den Frühstückstisch …

Anna schenkte ihnen Kaffee ein. Sie hatte Brot geschnitten. Butter, Marmelade, etwas Wurst und Käse standen bereit. Die beiden machen sich mit gesundem Appetit über das Essen her.

»Wie war’s beim Bowling?«, fragte Matthias. Während der Stallarbeit hatten er und Jonas nur das Nötigste miteinander gesprochen.

»War eine ziemliche Gaudi«, antwortete Jonas grinsend. »Wir haben zwei Mannschaften gebildet, die gegeneinander gespielt haben. Die Sonja war in meiner Mannschaft. Die schiebt eine Kugel, kann ich dir sagen … Da erblasst so mancher, der sich einbildet, Bowlen zu können, vor Neid.«

»Und? Habt ihr gewonnen?«, fragte Matthias.

»Ja. Die Sonja hat die Pins bloß so weggeschossen. Letztendlich haben wir ihr den Sieg über die andere Mannschaft zu verdanken gehabt.« Jonas geriet ins Schwärmen. »Sie ist ein Madel, mit dem man Pferde stehlen kann, sag’ ich dir. Die steckt so manchen, der sich einbildet, ein ganzer Kerl zu sein, in die Tasche und holt’ ihn wieder raus, ganz wie’s ihr beliebt.«

Anna hörte es und es versetzte ihr einen schmerzlichen Stich in der Brust. Sie spürte fast körperlich, dass sie ein schneller Blick Matthias’ streifte, und fühlte sich durchschaut.

»Du scheinst ja mächtig beeindruckt zu sein von ihr«, stellte Matthias fest. »Ist da vielleicht was im Busch?«

Jonas zögerte ein wenig. »Iwo, Papa«, verneinte er schließlich und fügte sogleich hinzu: »Wir vertragen uns gut, und ich hab’ sie auch einige Male in den Arm genommen, wenn ihr wieder ein besonders guter Wurf gelungen war, aber mehr ist da net. Wir sind gute Freunde.«

›Und warum schwärmt er dann so von ihr?‹, fragte sich Anna, und in ihr regte sich wieder die Eifersucht. Sie nahm sich zusammen, trat an den Tisch heran, schaute erst Matthias an und dann Jonas, zwang sich zu Unbefangenheit und fragte: »Passt alles? Braucht ihr noch etwas? Wollt ihr vielleicht noch ein Spiegelei oder soll ich ein paar Rühreier braten?«

Zuletzt hatte sie nur noch Augen für Jonas.

Der schaute zu ihr hoch, grinste und erwiderte: »Du bist wieder einmal wie eine Mutter zu uns, Anna. Aber wenn wir uns so voll stopfen, können wir uns im Wald net mehr bücken.«

Sie suchte auf dem Grund seiner Augen nach einem Ausdruck, der ihr Hoffnung verleihen sollte, aber da war nur Freundlichkeit. Wärme und Zuneigung konnte sie nicht erkennen.

»Dann richt’ ich euch jetzt die Brotzeit.« Annas Stimme klang belegt, enttäuscht wandte sie sich ab.

»Ja, mach’ das«, rief ihr Jonas hinterher, »damit wir bald weiterkommen. Wir wollen nämlich keine Zeit verlieren.«

Zehn Minuten später verließen sie das Haus. Jeder trug einen prallgefüllten Rucksack, in den Anna Brotzeit und jeweils eine Thermoskanne mit Tee gepackt hatte.

Anna stand am Fenster und schaute hinterher, als der Schlepper mit den beiden Männern vom Hof tuckerte.

Als sie ihn nicht mehr sehen konnte und das Motorengeräusch in der Stille versunken war, wandte sie sich um.

Ihre Stimmung war auf dem Tiefpunkt. ›Er hat nix übrig für dich.‹, dachte sie und verspürte eine tief sitzende Traurigkeit. Da war aber auch eine Stimme, die sie mit Nachdruck fragte, ob sie überhaupt das Recht hatte, sich Hoffnungen zu machen. ›Du hast nix und du bist nix‹, durchfuhr es sie voll Verbitterung. ›Wie kannst du erwarten, dass der Jonas sich in dich verliebt? Im Gegensatz zu dir bringt die Niedermeyer-Sonja was mit.‹

Anna raffte sich auf und räumte den Tisch ab. Dann begab sie sich in das Schlafzimmer von Matthias, um das Bett zu machen. Es war eiskalt in dem Raum, denn der Bauer hatte das Fenster weit geöffnet. Anna schloss es und drehte die Heizung wieder ein Stück auf. Dann machte sie sich daran, das Bett zu richten. ›Mit der Sonja kannst du net mithalten‹, spann sie ihre unerfreulichen Gedanken weiter. ›Unabhängig davon hat der Jonas net mal andeutungsweise erkennen lassen, dass er auch nur ein bissel was für dich empfinden würd’. Wahrscheinlich bist du gar net der Typ, auf den er steht. Dass der Matthias nix gegen dich als seine Schwiegertochter einzuwenden hätt’, ändert daran auch nix. Er kann den Jonas net zwingen, dich zu lieben.‹

Anna hatte das Bett gemacht und ging in Jonas’ Zimmer, um dort ebenfalls für Ordnung zu sorgen. Als das geschehen war, fuhr sie in den Ort, um ein paar Dinge für den Haushalt einzukaufen.

Die nagenden Gedanken ließen sie den ganzen Tag nicht los. Als sie gegen sieben Uhr abends nach Hause kam, begab sie sich sofort in ihre kleine Wohnung, die sie im Haus ihrer Tante innehatte. Sie verspürte nicht einmal Hunger. Enttäuschung und Eifersucht waren ihr auf den Magen geschlagen.

Anna war in Engelsbach aufgewachsen und lebte seit drei Jahren bei Katharina Haller, einer Schwester ihrer Mutter, hier in St. Johann.

Katharina hatte ihr die kleine Mansardenwohnung gerne zur Verfügung gestellt, da sie endlich wieder Gesellschaft hatte und ihr die Miete, die Anna bezahlte, sehr willkommen war, da sie nur eine kleine Witwenrente erhielt.

Katharina Haller, die es gewohnt war, dass Anna, wenn sie abends von der Arbeit heimkam, in ihre Wohnung kam und grüß Gott sagte, war vom Verhalten ihrer Nichte befremdet und nahm sich vor, der Sache auf den Grund zu gehen.

Kurzerhand stieg sie die Treppe zum Obergeschoss empor und läutete an der Tür zu Annas Wohnung …

*

Auf den ersten Blick sah Katharina, dass ihre Nichte traurig war. Die Schwermut in ihren Blick war nicht zu übersehen. Außerdem waren ihre Augen gerötet, was darauf schließen ließ, dass sie geweint hatte.