Sag ja zur Liebe - Toni Waidacher - E-Book

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Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Der Bergpfarrer Nr. Kann Jan seine Susanne überzeugen? Susanne Wülfert erreichte die Passhöhe, fuhr auf den Parkplatz, stieg aus dem Auto und schaute hinunter ins Wachnertal. Ein warmes Gefühl durchströmte sie. Sie war wieder zu Hause. Es war, als würde sich bei diesem Anblick in ihr der Stau aus Enttäuschung, Ärger und Frustration, den sie mit sich herumgetragen hatte, auflösen und dem Gefühl einer grenzenlosen Freiheit weichen. Nichts schien sich hier verändert zu haben. Wie versteinerte, stumme Wächter erhoben sich rund um das Tal die himmelstürmenden, zerklüfteten Felsketten und die bewaldeten Berge, wie eine grüne Lebensader schlängelte sich die Kachlach am Rand des Tales dahin, um in den Achsteinsee zu münden, der sich wie ein riesiger verflüssigter Smaragd aus dem dunklen Grün und Braun der Wiesen, Felder und Äcker abhob. Die Achtundzwanzigjährige atmete durch. Nur noch ein paar Minuten, dann würde sie ihre Eltern in die Arme schließen können, sie würde in deren Haus ihr früheres Zimmer wieder beziehen, und nichts mehr sollte sie je wieder veranlassen können, St. Johann und das Wachnertal zu verlassen. Susanne war ungefähr eins fünfundsiebzig groß und schlank, aber dennoch fraulich proportioniert. Sie wirkte sehr durchtrainiert. Bekleidet war sie mit einem weißen Rock, der eine Handbreit über den Knien endete, einer grünen Bluse und ebenfalls grünen Sneakers. Sieben Jahre lang hatte sie in Berlin bei einer großen Bühne als Tänzerin gearbeitet. Nun hatte sie alle Brücken hinter sich abgebrochen. Ihre Rückkehr in die Heimat sollte zugleich ein Neubeginn sein. Man konnte von hier oben aus die drei Gemeinden sehen, ihre roten Hausdächer, die Kirchtürme, die Bauernhöfe inmitten der Felder, die weidenden Kühe und Schafe. Es war ein Bild der Ruhe und Beschaulichkeit. Susanne sog es in sich ein und spürte, wie diese Ruhe auch von ihr Besitz ergriff, und für einen Moment wollte sich so etwas wie ein Glücksgefühl einstellen.

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Der Bergpfarrer Extra – 48 –

Sag ja zur Liebe

Kann Jan seine Susanne überzeugen?

Toni Waidacher

Susanne Wülfert erreichte die Passhöhe, fuhr auf den Parkplatz, stieg aus dem Auto und schaute hinunter ins Wachnertal. Ein warmes Gefühl durchströmte sie. Sie war wieder zu Hause. Es war, als würde sich bei diesem Anblick in ihr der Stau aus Enttäuschung, Ärger und Frustration, den sie mit sich herumgetragen hatte, auflösen und dem Gefühl einer grenzenlosen Freiheit weichen.

Nichts schien sich hier verändert zu haben. Wie versteinerte, stumme Wächter erhoben sich rund um das Tal die himmelstürmenden, zerklüfteten Felsketten und die bewaldeten Berge, wie eine grüne Lebensader schlängelte sich die Kachlach am Rand des Tales dahin, um in den Achsteinsee zu münden, der sich wie ein riesiger verflüssigter Smaragd aus dem dunklen Grün und Braun der Wiesen, Felder und Äcker abhob.

Die Achtundzwanzigjährige atmete durch. Nur noch ein paar Minuten, dann würde sie ihre Eltern in die Arme schließen können, sie würde in deren Haus ihr früheres Zimmer wieder beziehen, und nichts mehr sollte sie je wieder veranlassen können, St. Johann und das Wachnertal zu verlassen.

Susanne war ungefähr eins fünfundsiebzig groß und schlank, aber dennoch fraulich proportioniert. Sie wirkte sehr durchtrainiert. Bekleidet war sie mit einem weißen Rock, der eine Handbreit über den Knien endete, einer grünen Bluse und ebenfalls grünen Sneakers. Sieben Jahre lang hatte sie in Berlin bei einer großen Bühne als Tänzerin gearbeitet. Nun hatte sie alle Brücken hinter sich abgebrochen. Ihre Rückkehr in die Heimat sollte zugleich ein Neubeginn sein.

Man konnte von hier oben aus die drei Gemeinden sehen, ihre roten Hausdächer, die Kirchtürme, die Bauernhöfe inmitten der Felder, die weidenden Kühe und Schafe. Es war ein Bild der Ruhe und Beschaulichkeit. Susanne sog es in sich ein und spürte, wie diese Ruhe auch von ihr Besitz ergriff, und für einen Moment wollte sich so etwas wie ein Glücksgefühl einstellen.

Doch da war plötzlich wieder der Missklang tief in ihr, denn ihr kam der Grund ihrer Heimkehr in den Sinn. Er trübte das Bild von Ruhe und Frieden, und sie musste sich eingestehen, dass es doch nicht so einfach war, das Gewesene aus dem Gedächtnis zu verbannen. Sosehr sie sich auch bemühte, es zu verdrängen – es spülte immer wieder an die Oberfläche ihres Bewusstseins und krampfte ihr den Magen zusammen.

Ihr Blick schien sich irgendwo in der Ferne zu verlieren. Die Bilder verschwammen, und die Berge, die ihr Blickfeld begrenzten, schienen sich in bläulichen Dunst aufzulösen. Ein Name spukte durch ihren Kopf: Rainer! Sie sah sein Gesicht mit dem spöttischen Ausdruck und dem Hohn in seinen Augen, als er ihr erklärte, dass er eine ihrer Kolleginnen mehr liebe als sie, und ihr gleichzeitig mit Häme gestand, dass er sie schon seit Längerem mit dieser Kollegin betrogen hätte.

Vergiss ihn!, schrie eine Stimme in ihr. Er ist es nicht wert, dass du auch nur einen einzigen Gedanken an ihn verschwendest.

Rainer Krämer hatte ihr sehr, sehr wehgetan.

Susanne gab sich einen Ruck. Die Berge auf der anderen Seite des Tals nahmen wieder ihre scharfen Konturen an, die Natur erhielt ihre Farben zurück, alles lag wieder klar vor Susannes Blick. Nein, er war es nicht wert … Sie wandte sich ab, ging zu ihrem Auto, stieg ein und fuhr weiter. In Serpentinen schlängelte sich die schmale Straße ins Tal. Sie kam unten an, und wenige Minuten später parkte sie den VW Golf vor dem Haus ihrer Eltern. Sie betrieben die Pension ›Blauer Enzian‹, und aus den Telefongesprächen mit ihrer Mutter wusste sie, dass im Moment - es war noch Vorsaison - nicht alle Zimmer belegt waren.

Ihre Eltern schienen sie schon erwartet zu haben, denn im selben Moment, in dem Susanne aus dem Auto stieg, kamen sie lachend aus dem Haus und eilten auf sie zu.

»Da bist du ja endlich, Kind!«, freute sich Katharina, ihre Mutter, und nahm sie in die Arme. »Ich bin so glücklich«, raunte sie ihrer Tochter ins Ohr.

»Ich freu’ mich auch, wieder daheim zu sein«, flüsterte Susanne. Ihre Mutter küsste sie auf die Wange, dann lag sie in den Armen ihres Vaters. »Du bist wieder daheim, Madel«, murmelte er, »und hier, du wirst es sehen, ist die Welt in Ordnung.«

Es sollte Mut machen, sie aufrichten, vielleicht auch ein wenig Trost spenden. »Ja, ich bin daheim, und das ist gut. Oben, auf dem Pass, als ich ins Tal geschaut hab’, ist mir zum ersten Mal so richtig klar geworden, was ich bereit gewesen war, aufzugeben. Das ist mir nie bewusst gewesen, wenn ich euch besucht hab’. Heut aber …«

»Komm, Madel, gehen wir hinein«, sagte Katharina. »Der Papa kümmert sich um dein Gepäck.«

»Es sind nur ein Koffer und eine Reisetasche«, sagte Susanne. »Mehr brauch’ ich net. Alles andere hab’ ich zurückgelassen. Es würd’ nur Erinnerungen in mir wecken.«

Susannes Eltern wechselten einen schnellen, bedeutungsvollen Blick, dann murmelte ihre Mutter: »Hier kannst du vergessen, Madel. Und wir werden alles tun, um dir dabei zu helfen.«

Sie gingen ins Haus. In den Kästen auf den Fensterbänken und an den Balkonen blühten die Geranien und Petunien um die Wette. In den großen Tonvasen zu beiden Seiten der Eingangstür ebenfalls; eine Blütenpracht sondergleichen. Das Holz der Balkone und Dachvorsprünge sowie die schweren Fensterläden waren erst vor Kurzem frisch gebeizt worden und wirkten wie neu. Hier bist du zu Hause!, dachte Susanne, und sie freute sich auf die Zeit, die vor ihr lag. Sie wollte in sich gehen, mit sich ins Reine kommen, zu sich selber finden. Das hier war der Ort, an dem ihr dies gelingen würde. Davon war sie überzeugt.

Nachdem sie ihr Zimmer wieder bezogen hatte, in dem sie bis zu ihrem Umzug nach Berlin vor über sieben Jahren gewohnt hatte, begab sie sich ins Esszimmer, wo ihre Mutter bereits den Kaffeetisch gedeckt hatte. Auf dem Tisch standen sowohl ein Schokoladenkuchen als auch drei Kaffeegedecke. Es roch nach frisch gebrühtem Kaffee.

Wenig später saß die kleine Familie am Tisch beisammen. Jeder aß ein Stück von dem Kuchen, dazu tranken sie Kaffee, und Susannes Vater erkundigte sich, ob sie eine gute Fahrt gehabt hätte. Susanne war am Morgen um fünf Uhr losgefahren und hatte mit Pausen nicht ganz neun Stunden benötigt. »Ja«, beantwortete sie die Frage, »ich bin sehr gut durchgekommen. In München ist’s ein bissel langsamer gegangen, aber im Großen und Ganzen war’s problemlos.«

»Ich kann mir net vorstellen, dass du deinen Beruf völlig an den Nagel hängen möchtest«, sagte Katharina. »Das Tanzen war doch dein Leben.«

Susanne seufzte »Man sieht nur die schönen Seiten, wenn eine Tanzgruppe auftritt – auf der Bühne oder im Fernsehen. Der Beruf hat aber auch seine Schattenseiten. Es ist teilweise ein Knochenjob. Du bist ständig gefordert. Sich mal entspannt hinzusetzen und sich ein Stück Kuchen schmecken zu lassen, war fast net möglich, denn man könnt’ ja ein paar Gramm zunehmen. Und dann passt du nimmer ins Ensemble und kannst gehen.«

»Und die andere Sach’?«, kam es fragend von Katharina. »Ich hab’s gar net glauben mögen, als du angerufen und erklärt hast, dass der Rainer eine andere hat und du nach Haus’ zurückkehrst. Ich hab’ ihn immer als einen anständigen, treuen Burschen eingeschätzt. Dass er so ein Haderlump ist, hätt’ ich doch nie für möglich gehalten.«

»In einen Menschen kann man halt net hineinschauen«, philosophierte Jakob, Susannes Vater. »Von ein paar ehrlich blickenden blauen Augen sollt’ man sich einfach net täuschen lassen. Man sollt’ überhaupt niemandem was glauben.«

»Dafür, dass du allen Leuten misstraust, bist du ja bekannt«, sagte Katharina lachend. »Am liebsten würdest du unseren Gartenzaun mit einem Stacheldraht versehen und überall Alarmanlagen installieren.« Sie schaute Susanne an. »Seit jemand dem Papa den Rasenmäher aus der Garage gestohlen hat, traut er net mal mehr seinem eigenen Schatten.«

Susanne lachte, wenn es auch wenig gequält anmutete. Dann sagte sie: »Ich hätt’s dem Rainer auch net zugetraut. Als ich ihn dann zur Rede gestellt hab’, weil sich bei mir mehr und mehr der Verdacht erhärtete, dass er mit der Sandra was angefangen hat, hat er plötzlich sein wahres Gesicht gezeigt. Für mich war es klar, dass ich net länger in Berlin bleib’. Und jetzt bin ich hier, und ihr bringt mich wahrscheinlich nie mehr los.«

»Man soll niemals nie sagen«, brummte Jakob.

»Ich hab’s mir geschworen«, murmelte Susanne. »Hier bringt mich keiner mehr weg, und mit Mannsbildern hab’ ich so schnell auch nix mehr am Hut. Ich hab’ die Nase voll.«

»Niemand würd’s mehr freuen als mich, wenn du hier bleibst«, sagte Katharina. »Du kannst mir ein bissel zur Hand gehen. Manchmal wächst mir die Arbeit in der Pension schon über den Kopf, und ein bissel Hilfe würd’ mich freuen. Was wir verdienen, reicht für uns drei allemal. Von daher musst du dir also keine Gedanken machen, Madel.«

*

Susanne war nun seit drei Wochen wieder zu Hause. Sie war ihrer Mutter tatsächlich eine große Hilfe, denn sie stürzte sich regelrecht in der Arbeit, die der Pensionsbetrieb forderte. In ihrer Freizeit aber zog sie sich bequeme Kleidung und solide Schuhe an, packte Brotzeit und Getränk in ihren Rucksack und wanderte durch den Ainringer Forst oder auf die Berge rund um das Tal.

Einige Freundinnen von früher, die meisten waren verheiratet und hatten Familie, hatten versucht, Kontakt mit Susanne aufzunehmen, doch sie zeigte sich zurückhaltend und blockte ab. Sie war nicht darauf erpicht, neugierige Fragen zu beantworten, denn sie wollte weder mit jemandem über ihre Enttäuschung sprechen, noch andere mit ihren Problemen belasten.

Sie war am liebsten allein, die Einsamkeit im Wald oder auf einem Berg war geradezu Balsam für ihre Seele und half ihr, die Tiefschläge, die ihr zugefügt worden waren, aufzuarbeiten.

Ihr Streben nach Alleinsein, nach Einsamkeit, beobachtete ihre Mutter mit Sorge. Es gefiel ihr nicht, dass sich Susanne so sehr abkapselte. »Sie ist noch viel zu jung«, sagte sie einmal zu Jakob, »um nimmer am Leben teilzuhaben. Ihr Leben ist doch net vorbei, bloß weil s’ mit dem Rainer so schlechte Erfahrung gemacht hat. Sie muss aufhören, in der Vergangenheit zu leben, sondern muss den Blick in die Zukunft richten. Andere Madeln in ihrem Alter sind verheiratet und haben Kinder. Die Susanne wird schließlich net jünger. Und irgendwann wird ihr die Zeit davongelaufen sein. Dann wird s’ feststellen, dass das Leben an ihr vorübergegangen ist, und dann ist sie noch mehr frustriert und verbittert.«

»Jetzt hör’ aber auf, Kathl«, versetzte Jakob. »Das Madel ist gerade mal achtundzwanzig Jahre alt. Ich glaub’ auch gar net, dass die Susi der Vergangenheit nachtrauert. Ich denk’ vielmehr, dass sie den Blick sehr wohl nach vorn richtet. Sie sieht ihre Zukunft halt net als Hausfrau und Mutter. Wenn s’ eine Zeitlang lieber allein sein will, dann lass’ sie. Sie braucht wahrscheinlich Zeit, um ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden.«

Katharina warf einen Blick auf die Uhr. »Halb fünf«, sagte sie. »Ich glaub’ ich geh’ heut’ mal wieder in die Abendandacht. Der Pfarrer Trenker wird schon denken, ich bin krank, weil ich schon seit ein paar Tagen nimmer in der Messe war.«

»Der Pfarrer weiß doch, dass wir viel Arbeit haben. Und das wird noch mehr, wenn die Hauptsaison anfängt.«

»Jetzt haben wir ja eine Hilfe«, versetzte Katharina. In ihren Augen blitzte es plötzlich auf, als wäre ihr etwas in den Sinn gekommen, das sie beinahe vergessen hätte. »Gestern hab’ ich die Hofreiter-Helga getroffen. Sie hat mir erzählt, dass ihr Bub, der Jan, ganz verträumt dreingeblickt hat, als sie ihm erzählte, dass die Susanne nach Haus’ zurückgekehrt ist und dableibt. Sie hat mir verraten, dass der Jan damals, ehe unser Madel nach Berlin gegangen ist, heimlich in sie verliebt gewesen ist.«

»Der Jan ist doch auch schon dreißig«, murmelte Jakob. »Und er hat auch noch keine Frau und keine Kinder. Da siehst du es, Kathl, die Susi ist net allein mit ihrer Einstellung, das Leben frei und ungebunden zu genießen.«

»Ich denk’, das Madel hat die Enttäuschung, die’s erleben musst’, noch immer net verkraftet«, beharrte Katharina auf ihrem Standpunkt. »Ich will net zuschauen müssen, wie’s womöglich in die Depression abgleitet und nur noch betrübt durch die Gegend läuft.«

»Jetzt mach aber halblang«, stieß Jakob hervor. »Unser Madel ist doch gar net dazu veranlagt, depressiv zu werden. Die Susi möcht’ allein sein, die will keinen um sich haben. Sie zieht sich ja auch abends auf ihr Zimmer zurück, statt sich zu uns ins Wohnzimmer zu setzen. Sie will halt im Moment für sich sein.«

Seine bessere Hälfte schüttelte den Kopf. »Mir gefällt’s einfach net, dass sich die Susi dermaßen isoliert.«

»Das ist wahrscheinlich bloß, weil alles noch ziemlich frisch ist. Sie war ja immerhin fast fünf Jahre mit dem Rainer zusammen. Wenn so was in die Brüche geht, steckt man das net so mir nix, dir nix weg.« Jakob zuckte mit den Schultern. »Die Susi wird schon wieder, Kathl. Lass’ ihr einfach Zeit. Die Zeit heilt Wunden, sagt man. Früher oder später wird unser Madel die Sach’ mit dem Rainer abhaken, und dann wendet es sich auch wieder dem Leben zu, und eines Tages wirst du dein erstes Enkelkind auf den Knien reiten lassen.«

»Dass du auf einmal so positiv denkst«, wunderte sich Katharina. »Du bist doch der in der Familie, der normalerweise alles ins Negative zieht und ständig behauptet, dass es so schön sein könnt auf der Welt, wenn’s die Leut’ net gäb’. Das Schlimmste auf der Welt sind die Leut’, tönst du immer, der Mensch wär’ ein Fehlgriff der Natur …«

»Das sag’ ich doch auch nur, wenn mich irgendjemand ärgert oder mit ständig auf den Nerven herumtrampelt. Im Großen und Ganzen ist’s doch recht schön auf dieser Welt – trotz der Menschen.« Nach diesen Worten zeigte Jakob ein verkniffenes Grinsen.

»Manchmal hast du gar net so unrecht«, musste Katharina zugeben. »Dass wir mal ein Enkelkind haben, von mir aus auch zwei oder drei Enkelkinder, ist schon seit Langem mein Wunsch. Ich werd’ nachher in der Messe dafür beten, dass mir dieser Wunsch net versagt bleibt.«

»Das tust, Kathl«, ermunterte Jakob seine Frau. »Vielleicht hat der Himmel ein Einsehen.«

Tatsächlich machte sich Katharina eine halbe Stunde später auf den Weg zur Kirche.

Sie hatte sich ein Dirndl angezogen, und Jakob, der ihr hinterherschaute, sagte sich, dass Katharina trotz ihrer dreiundfünfzig Jahre noch eine adrette, attraktive Frau war, die gewiss so manchen Männerblick auf sich zog.

In dem Moment, in dem er sich vom Fenster abwandte, kam Susanne in Wanderkleidung und dem Rucksack über der Schulter in die Küche. »Ich geh’ noch ein Stück, Papa«, sagte sie. »Bis zum Einbruch der Dunkelheit bin ich zurück.«

»Pass nur auf, Madel. Ich bin net so begeistert darüber, dass du ständig alleine auf den Bergen herumsteigst. Wie schnell vertritt man sich den Knöchel, oder man fällt einen Abhang hinunter. Und wenn du dann da oben kein Netz für dein Smartphone hast, dann schaust du unter Umständen ganz schön alt aus.«

»Ich geb’ schon acht, Papa. Vergiss net, ich hab’ jahrelang getanzt. Da lernt man es, wie man seine Füße am Boden aufsetzt, ohne sich die Knöchel zu verstauchen oder gar zu brechen.«

»Die Mama hat Angst, dass du vereinsamen könntest.«

Susannes Brauen zuckten überrascht in die Höhe. »Ich - vereinsamen? Wie kommt die Mama drauf?«

»Na ja. Wundern musst du dich net, Madel. Du gibst dich mit niemand ab, lehnst es ab, mit deinen früheren Freundinnen mal eine Tasse Kaffee zu trinken, rennst ständig mutterseelenallein im Ainringer Forst oder auf den Bergen herum und setzt dich abends net mal zu uns ins Wohnzimmer, sondern hältst dich in deinem Zimmer auf.«

»Das sind für mich die schönsten Stunden des Tages, wenn ich allein durch den Wald spazier’ oder auf einen Berg steig’, Papa. Da bin ich mit mir im Reinen, fühl’ mich leicht und frei und hab’ das Gefühl, der glücklichste Mensch auf der Welt zu sein.«

»Es hat also nix damit zu tun, dass dir die Angelegenheit mit dem Rainer immer noch recht zusetzt«, stellte Jakob fest.