Herz über Heu - Toni Waidacher - E-Book

Herz über Heu E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Es war ein Freitagnachmittag, als Sophie Tappert, die Haushälterin Pfarrer Trenkers, ihren Vorratsschrank in der Speisekammer des Pfarrhauses sichtete und feststellte, dass einige Sachen, die sie immer in ausreichender Anzahl vorrätig hatte, knapp wurden oder gar auszugehen drohten. Also entschloss sie sich, für Nachschub zu sorgen. Sie schrieb auf, was sie einkaufen wollte, zog ihre Schuhe an, nahm eine große Einkaufstasche, und sagte schließlich Sebastian, der in seinem Büro noch am Computer saß, Bescheid, dass sie zum Herrnbacher, dem kleinen Supermarkt in St. Johann, zu gehen gedachte. »Ich hab' festgestellt, dass einiges an Vorräten zur Neige geht«, ergänzte sie. »Zucker, Mehl, Nudeln sowie einige Gewürze.« »Gehen S' nur, Frau Tappert«, sagte der Bergpfarrer. »Aber kaufen S' net wieder alles auf einmal. Ich will net, dass Sie sich mit dem Einkauf so abschleppen müssen. Teilen S' den Einkauf auf. Kaufen S' heut' einen Teil, holen S' morgen wieder ein bissel was, und wenn nötig, können S' am Montag ein weiteres Mal zum Herrnbacher gehen und den Rest einkaufen.« »Keine Sorge, Hochwürden«, erwiderte Sophie. »Ich hab' meine Einkäufe bisher immer selber heimtragen können. Der Herrnbacher-Karl hat mir vor einiger Zeit sogar angeboten, dass er meine gekauften Waren mit dem Auto anliefern würd'. Ich hab' dankend abgelehnt. Wenn ich mal das, was ich einkauf', nimmer tragen kann, dann werd' ich alt. Und dann werden S' sich früher oder später nach einer anderen Haushälterin umsehen müssen.«

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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Der Bergpfarrer – 535 –Herz über Heu

Zwischen Pflicht, Sehnsucht und einem neuen Anfang

Toni Waidacher

Es war ein Freitagnachmittag, als Sophie Tappert, die Haushälterin Pfarrer Trenkers, ihren Vorratsschrank in der Speisekammer des Pfarrhauses sichtete und feststellte, dass einige Sachen, die sie immer in ausreichender Anzahl vorrätig hatte, knapp wurden oder gar auszugehen drohten. Also entschloss sie sich, für Nachschub zu sorgen.

Sie schrieb auf, was sie einkaufen wollte, zog ihre Schuhe an, nahm eine große Einkaufstasche, und sagte schließlich Sebastian, der in seinem Büro noch am Computer saß, Bescheid, dass sie zum Herrnbacher, dem kleinen Supermarkt in St. Johann, zu gehen gedachte. »Ich hab‘ festgestellt, dass einiges an Vorräten zur Neige geht«, ergänzte sie. »Zucker, Mehl, Nudeln sowie einige Gewürze.«

»Gehen S‘ nur, Frau Tappert«, sagte der Bergpfarrer. »Aber kaufen S‘ net wieder alles auf einmal. Ich will net, dass Sie sich mit dem Einkauf so abschleppen müssen. Teilen S‘ den Einkauf auf. Kaufen S‘ heut‘ einen Teil, holen S‘ morgen wieder ein bissel was, und wenn nötig, können S‘ am Montag ein weiteres Mal zum Herrnbacher gehen und den Rest einkaufen.«

»Keine Sorge, Hochwürden«, erwiderte Sophie. »Ich hab‘ meine Einkäufe bisher immer selber heimtragen können. Der Herrnbacher-Karl hat mir vor einiger Zeit sogar angeboten, dass er meine gekauften Waren mit dem Auto anliefern würd‘. Ich hab‘ dankend abgelehnt. Wenn ich mal das, was ich einkauf‘, nimmer tragen kann, dann werd‘ ich alt. Und dann werden S‘ sich früher oder später nach einer anderen Haushälterin umsehen müssen.«

»Das verhüte Gott!«, rief der Pfarrer. »Wenn das so ist, dann hoff’ ich, dass Sie noch recht lang Ihren Einkauf ohne fremde Hilfe ins Pfarrhaus tragen können.«

Sophie lachte. »Ich bin guter Dinge«, sagte sie, dann verabschiedete sie sich und verließ das Pfarrhaus.

Bis zum Supermarkt waren es nur wenige Gehminuten. Die Einkaufswagen standen in dem offenen Raum zwischen Eingangstür und Kasse, an der an diesem Tag wieder Elsbeth Herrnbacher, die Gattin des Marktinhabers, saß. Zwei Frauen standen am Laufband. Die gekauften Waren der einen von ihnen zog Elsbeth nacheinander über den Scanner. Die andere Frau hatte ihren Einkauf auch schon auf das Laufband gelegt. »Grüaß Ihnen, Frau Herrnbacher!«, rief Sophie. »Servus, Gerlinde, grüaß di, Franzi!«

Die drei Frauen erwiderten Sophies Gruß und lächelten ihr zu. Sophie schnappte sich einen Einkaufswagen und schob ihn zwischen zwei der Regale, holte ihren Merkzettel aus der Tasche und begann ihn abzuarbeiten. Als sie in den dritten Gang zwischen den Regalen fuhr, stand da ein junger Mann mit seinem Einkaufswagen. Sein suchender Blick glitt über die Waren in einem der Regale.

»Ja, da schau her«, entfuhr es Sophie überrascht. »Der Lothar. Dich hab‘ ich ja schon ewig nimmer im Ort gesehen. Wie gehts denn allweil so? Ich hoff‘, der Simon erfreut sich bester Gesundheit. Dich brauch‘ ich net fragen, wie’s dir geht, denn du strotzt ja regelrecht vor Kraft und Vitalität.«

In der Tat. Der Neunundzwanzigjährige war fast eins fünfundachtzig groß und von kräftiger Statur. Das Hemd spannte um seine breiten Schultern und die breite Brust. Er vermittelte einen kernigen Eindruck.

»Habe die Ehre, Frau Tappert«, grüßte der Bursche. »Ja, ja, der Papa ist gesund wie eh und je. Dass ich net allzu oft im Ort anzutreffen bin, ist darauf zurückzuführen, dass wir uns zu einem großen Teil selber versorgen. Einmal im Monat komm‘ ich in den Ort und kauf‘ ein, was nötig ist. Beim letzten Monatseinkauf hab‘ ich allerdings Essig und Öl vergessen, drum bin ich heut‘ noch einmal hergekommen.«

Er brach ab und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn. Schließlich hub er noch einmal zu sprechen an, indem er sagte:

»Es ist halt alles net so einfach ohne die Mama. Sie fehlt uns an allen Ecken und Enden. Der Papa ist ja auch nimmer der Jüngste, und er kann nimmer so, wie er gern möcht‘. So bleibt halt viel an mir hängen. Als die Mama – Gott hab‘ sie selig -, noch gelebt und den Haushalt sowie die Kühe und den Stall verrichtet hat, war alles viel einfacher. Ihr wär‘ das net passiert, dass sie bei ihrem Einkauf so was Wichtiges wie den Essig oder das Öl vergessen hätt‘.« Der Bursche seufzte. »Ich bin vielleicht ein recht brauchbarer Landwirt, aber ein guter Hausmann werd‘ ich wohl niemals sein.«

Sophie lachte. »Mit der Zeit blühen die Hackstöck‘, Lothar. Ich will damit sagen, dass alles erlernbar ist. Oft ists halt eine harte Schule, durch die man gehen muss, um vernünftige Arbeit zu leisten. Aber, wenn man Interesse hat, dann meistert man es.«

»Mir bleibt schon nix anderes übrig, Frau Tappert. Augen zu und durch.«

»Warum holt ihr euch denn keine Hauswirtschafterin auf den Hof?«, fragte Sophie. »Oder noch besser, Lothar. Du bist fast dreißig und könntest langsam dran denken, dir eine Frau auf den Hof zu holen. Mit einer jungen Bäuerin wär‘ euer Problem gleich gelöst.«

»Die Idee ist net schlecht, Frau Tappert. Ich würd‘ mir auf der Stelle ein Madel nehmen, eins, das mich auch mag. Aber ich hab‘ keine Zeit, um auf Brautschau zu gehen. Wenn ich am Abend unser Abendessengeschirr gespült hab‘, bin ich froh, wenn ich mich hinsetzen und alle Fünfe gerade sein lassen kann. Ich geh‘ spätestens um halb zehn Uhr ins Bett, und um fünf Uhr in der Früh steh‘ ich schon wieder im Kuhstall und schließ‘ die Küh‘ an die Melkmaschine an.«

»Und der Simon? So alt ist er mit seinen fünf- oder sechsundfünfzig Jahren auch noch net, dass er nimmer zupacken könnt‘.«

»Der Papa arbeitet auf den Feldern und Äckern und im Wald. Wenn ich mit der Arbeit auf dem Hof fertig bin, fahr‘ ich ihm nach und geh‘ ihm zur Hand. Der Wald macht halt sehr viel Arbeit. Die Wind- und Schneebrüche vom Winter müssen raus, ehe der Borkenkäfer die Herrschaft übernimmt.«

»Auf die Dauer wird das zu viel, Lothar«, sagte Sophie ernst. »Eine Zeit lang spielt der Körper schon mit. Aber irgendwann streikt er. Und dann habt ihr auf dem Hof ein Problem. Ihr merkt den Ausfall deiner Mama schon so krass. Wenn noch einer ausfällt, dann könnt ihr einpacken.«

»Ausfallen darf wirklich keiner«, pflichtete Lothar der Pfarrhaushälterin bei. »Aber der Papa meint, dass wir das schon schaffen. Ranklotzen ist seine Devise. Net viel reden – zupacken. Sie können sich ja denken, dass die Stimmung bei uns auch nimmer die beste ist, Frau Tappert. Beim geringsten Anlass streiten der Papa und ich. Dann reden wir oft zwei – drei Tage nix miteinander. Am liebsten würd‘ ich manchmal alles liegen und stehen lassen und davonrennen. Aber das wär‘ im Endeffekt auch keine Lösung.«

»Mit Sicherheit net«, bestätigte Sophie. »Aber red‘ ruhig mal mit deinem Papa über eine Haushaltshilfe. Das wär‘ eine immense Entlastung für euch. Leisten könnt ihr euch doch eine Bedienstete. Euer Hof ist ja net gerade notleidend.«

»Wo sollen wir denn jetzt, kaum, dass die Saison begonnen hat, eine Haushaltshilfe herkriegen, Frau Tappert? Die brauchbaren Leut‘ sind weg vom Markt, und eine, die zwei linke Hände hat, nützt uns wenig. Diejenige, die wir gegebenenfalls beschäftigen, müsst‘ zupacken können.«

»Inseriert halt mal im ›Kurier‹. Auch in der Süddeutschen könntet ihr ein Stellenangebot veröffentlichen. Ihr müsst halt was bieten. Ich kann mir vorstellen, dass das eine oder andere brauchbare Madel, wenn man ihm ordentliche und faire Konditionen bietet, gern an einem Ort arbeiten würd‘, an dem andere ihre Ferien verbringen.«

»Ich kann ja mal mit dem Papa drüber reden«, erklärte Lothar. »Vielleicht sieht er ein, dass uns auf die Dauer die ganze Arbeit über den Kopf wachsen wird.« Lothar zuckte ergeben mit den Schultern. »Net nur, dass er ein Pfennigfuchser ist«, fuhr er dann fort, »er ist über den Tod der Mama noch immer net hinweggekommen, obwohl es schon zwei Jahre her ist, dass sie gestorben ist. Ich erinnere mich, dass er einmal zum Grünbauer-Bartl, unserem Nachbarn, gesagt hat, dass auf dem Radlbeckhof nie eine andere Frau die Stelle der Mama einnehmen wird.«

»Damit hat er gewiss zum Ausdruck bringen wollen, dass er nimmer heiraten wird«, erwiderte Sophie. »Braucht er ja auch net. Es geht ja net um eine Frau für ihn, sondern um eine Haushaltshilfe.«

»Ich sprech‘ ihn jedenfalls mal drauf an«, sagte Lothar. »Dann hör‘ ich ja, was er sagt.«

»Das machst du Lothar. Mehr als ablehnen kann er’s ja net. So, ich muss weiter. Grüß‘ den Simon von mir. Und sag‘ ihm ruhig, dass das mit einer Haushaltshilfe meine Idee war.«

»Ich bestell’s ihm, Frau Tappert.«

»Also dann – servus, Lothar. Vielleicht trifft man sich mal wieder. Dann kannst du mir ja erzählen, wie dein Papa reagiert hat.«

»Pfüat Ihnen, Frau Tappert.«

Sie gingen auseinander.

*

Der Pfarrer empfing Sophie an der Haustür des Pfarrhauses und nahm ihr die doch verhältnismäßig schwere Tasche ab. »Ich will ja nix sagen«, grummelte er. »Aber warum müssen Sie immer alles auf einmal kaufen? Schauen S‘ sich an, wie Sie schwitzen. Das muss doch net sein.«

Tatsächlich glänzten in Sophies Augenhöhlen und auf ihrer Stirn Schweißperlen. »Es ist ja auch ziemlich heiß, Hochwürden«, entgegnete sie. »Außerdem gibts da einen Spruch. Der Faule schleppt sich tot, sagt man.«

»Ja, ja, und der Fleißige rennt sich tot«, erwiderte Sebastian. »Ich kenn‘ diese Sprüche. Wobei Sie alles andere als faul sind, Frau Tappert.«

Während dieses Wortgeplänkels waren sie in der Küche angelangt, wo Sebastian die Tasche auf einen Stuhl stellte. »Gibts was Neues zu vermelden?«, fragte er dann. »Meistens ist doch irgendein Gerücht in Umlauf.«

»Den Radlbeck-Lothar hab‘ ich getroffen ...«

»Den Burschen hab‘ ich ja schon seit ewigen Zeiten nimmer gesehen«, entfuhr es dem Bergpfarrer.

»Er kommt nur einmal im Monat in den Ort, um einzukaufen, hat er mir erzählt. Bei seinem letzten Einkauf hat er Essig und Öl vergessen, drum war er heut‘ noch einmal beim Herrnbacher.«

Sophie begann, die gekauften Waren aus der Tasche zu nehmen und sie auf dem Tisch abzustellen.

»Er hat ziemlich lamentiert, der Lothar«, fuhr die Haushälterin fort. »Die Bäuerin fehlt an allen Ecken und Enden, hat er verraten. Der Simon kann auch nimmer so, wie er gern möcht‘. Und so bleibt sehr viel am Lothar hängen. Manchmal, hat er gesagt, würd‘ er am liebsten davonrennen.«

»Ist der Simon krank?«, hakte Sebastian sofort ein.

»Nein, er erfreut sich bester Gesundheit, hat der Lothar gemeint. Er ist halt nimmer der Jüngste. Seit er aus der Schule ist, und auch vorher schon, arbeitet er in der Landwirtschaft. Vor allem die Arbeit im Wald ist ein Knochenjob. Diese Arbeit macht der Simon nun seit über vierzig Jahren. Das geht an die Substanz, Hochwürden.«

»Ja, das ist wohl so. Geschont hat er sich nie, der Radlbeck-Bauer.«

»Das ist wohl auch der Grund, aus dem er von seinem Sohn vollen Einsatz fordert«, sagte Sophie.

»Vielleicht sollt‘ ich den beiden mal einen Besuch abstatten«, murmelte Sebastian und schaute dabei nachdenklich drein. »Die Margarete hat wohl tatsächlich eine gewaltige Lücke auf dem Hof hinterlassen. Dem Simon und dem Lothar obliegt nach ihrem Tod auch die Arbeit im Haus und im Stall. Es ist sicherlich net so einfach, das alles zu meistern.«

»Ich hab‘ dem Lothar geraten, eine Hauswirtschafterin einzustellen. Er will mit seinem Vater drüber reden, bezweifelt aber, dass der mitspielt.«

»Das ist aber eine sehr gute Idee, Frau Tappert«, erklärte Sebastian. »Ich werd‘ das Thema noch einmal ansprechen, wenn ich dem Simon und dem Lothar einen Besuch abstatt‘.«

»Ich hab‘ den Lothar auch gefragt, ob er sich net endlich mal nach einer Bäuerin umschauen möcht‘«, erzählte Sophie. »Für eine Brautschau hätt‘ er keine Zeit, hat er mir geantwortet. Er ist zu sehr eingespannt.«

»War da net mal was mit der Schottenhaml-Alexandra?«, fragte der Pfarrer nachdenklich. »Das ist aber schon einige Zeit her.«

»Der Lothar hat keine Zeit für eine Frau«, hat er mir erzählt. »Drum wird sich auch das mit der Alexandra in Wohlgefallen aufgelöst haben. Von einem Freund, der von früh bis spät nur wurschtelt, und das sieben Tage in der Woche, hat ein Madel nix. Wobei ich sagen muss, dass die Alexandra gut zum Lothar gepasst hätt‘.«

»Es hat halt net sollen sein«, gab Sebastian zu verstehen. Dann fügte er hinzu: »Zu beneiden sind die beiden gewiss net. Ich werd‘ jedenfalls versuchen, dem Simon die Sache mit einer Haushälterin schmackhaft zu machen. Es wird sich doch jemand finden, der bereit ist, auf dem Radlbeckhof die Arbeiten der verstorbenen Bäuerin zu übernehmen. Der Simon muss halt ein paar Euros in die Hand nehmen und einer Bewerberin ein vernünftiges Angebot unterbreiten.«

»Das ist das eine Problem«, erwiderte Sophie. »Der Lothar hat seinen Vater als Pfennigfuchser bezeichnet. Außerdem soll der Simon einem Nachbarn gegenüber geäußert haben, dass niemals jemand die Stelle der Margarete auf dem Hof einnehmen wird.«

Es war ein geradezu verständnisloser Blick, mit dem Sebastian seine Haushälterin musterte. »Eine Haushälterin nimmt doch net die Stelle einer Bäuerin ein«, murmelte er.

»Das hab‘ ich dem Lothar auch zu verstehen gegeben«, antwortete Sophie. »Ich hab‘s allerdings ein bissel anders ausgedrückt. Ich hab‘ zu verstehen gegeben, dass der Simon die Haushälterin ja net gleich heiraten muss. Und als Lohnempfängerin nimmt sie doch net die Stelle der Margarete ein.«

»Das seh‘ ich auch so.« Sebastian wandte sich ab. »Wahrscheinlich fahr‘ ich heut‘ Abend noch raus zum Radlbeckhof.«

Er kehrte in sein Büro zurück.

Als die Kirchenuhr die siebzehnte Stunde des Tages anläutete, fuhr er den Computer herunter, ging in sein Schlafzimmer und tauschte die schwarze Anzughose sowie das schwarze Hemd mit dem weißen Priesterkragen gegen eine bequeme, graue Hose aus dünnem Stoff und ein weißes Sweatshirt. Sodann sagte er Sophie Bescheid, dass er sich auf den Weg zum Radlbeckhof mache, holte schließlich sein Fahrrad aus dem Garagenanbau und trat gleich darauf in die Pedale.

Es gab einen Radweg, der war geteert, und das Rad lief anfangs wie von selbst. Doch bald begann das Gelände anzusteigen und das Radeln wurde immer anstrengender. Sebastian kam ins Schwitzen, denn er fuhr in der prallen Sonne, die zwar schon ziemlich weit im Westen über den Bergen stand, deren sengende Hitze jedoch trotz der fortgeschrittenen Nachmittagsstunde ungebrochen war.

Aber Sebastian wäre nicht er gewesen, wenn er diese Herausforderung nicht gemeistert hätte. Zwanzig Minuten, nachdem er sich aufs Rad gesetzt hatte, lenkte er es auf den Hof des Radlbeckanwesens. An dem Unkraut, das am Rand des Hofes wuchs, war zu erkennen, dass dem Anwesen die pflegende Hand einer Bäuerin fehlte.

Sebastian saß ab, schob sein Rad bis zum Wohnhaus, und stellte es dort auf den Ständer. Am offenen Fenster der Küche erschien Lothar. Er hatte den Pfarrer auf den Hof radeln sehen und führte den Besuch auf sein Gespräch mit der Pfarrhaushälterin am Nachmittag im Supermarkt zurück. »Hallo, Herr Pfarrer«, grüßte er salopp. »Was verschafft uns denn die Ehre Ihres Besuchs?«

»Die Frau Tappert hat mir erzählt, dass sie dich getroffen und mit dir gesprochen hat. Das hat mich auf die Idee gebracht, bei euch mal nach dem Rechten zu schauen. Man sieht und hört ja nix mehr von euch. Der Grund, so die Frau Tappert, ist die viele Arbeit, die ihr kaum noch zu zweit bewältigen könnt.«

»Ja, über mangelnde Arbeit können wir uns net beklagen, Herr Pfarrer. Aber kommen S‘ doch herein. Sie schauen ziemlich abgekämpft aus und werden sicher Durst haben. Der Papa steht unter der Dusche. Er dürft‘ aber gleich auftauchen. Ich hab‘ ein Abendessen zubereitet. Wenn S‘ mögen, können S‘ mit uns essen. Es gibt Pfannkuchen mit Erdbeermarmelade.«

»Das hört sich gut an«, erklärte der Pfarrer. Dann ging er zur Haustür und betrat das Haus ...

*

Nachdem Sebastian die Küche betreten hatte, bat er um ein Glas Wasser, das er sofort bekam, dann setzte er sich an den Tisch und sagte: »Die Frau Tappert hat mir erzählt, dass euch die Arbeit auf dem Hof langsam aber sicher über den Kopf zu wachsen droht.«

»Ja, das ist richtig. Wir ...«

Lothar brach ab, weil in diesem Moment Simon Radlbeck, der Bauer, die Küche betrat. Er war angezogen, doch seine nassen Haare verrieten, dass er geduscht hatte. »Grüaß Ihnen Gott, Herr Pfarrer«, grüßte er. »Sie müssen sich doch verirrt haben. Oder gibts einen besonderen Grund, der Sie auf den Radlbeckhof führt?«

Sebastian erhob sich und streckte dem Landwirt die rechte Hand hin. »Habe die Ehre, Simon«, erwiderte Sebastian den Gruß.

Der Bauer ergriff seine Hand und schüttelte sie, dann setzten sie sich an den Tisch.