Der Bozen-Krimi: Familienehre - Simone Dark - E-Book

Der Bozen-Krimi: Familienehre E-Book

Simone Dark

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Beschreibung

Commissaria Sonja Schwarz wird ins Bozner Eishockeystadion gerufen: Starspieler Marcel Wallner wurde ermordet! Auf der Suche nach dem Täter tun sich Risse in der Sportlerbiografie auf: Für die Öffentlichkeit war Wallner ein glücklicher Familienvater gewesen. Parallel hatte er jedoch eine verborgene Beziehung mit der Dragqueen Isabella, einem Hotelierssohn aus reichem Hause. Was weiß der Liebhaber über den Mord?

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Seitenzahl: 144

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Simone Dark

Familienehre

FAMILIENEHRE

SIMONE DARK

Nach einer Idee von Corrado Falcone

Gedruckt mit Unterstützung der Südtiroler Landesregierung, Abteilung Deutsche Kultur

Sämtliche Figuren und Handlungen dieses Krimis sind frei erfunden. Alle Ähnlichkeiten mit Lebenden und Verstorbenen sind deshalb rein zufällig und nicht beabsichtigt.

1. Auflage

© Edition Raetia, Bozen 2023, Lizenz durch Merfee Film- und

Fernsehproduktions GmbH

ISBN: 978-88-7283-857-0

ISBN E-Book: 978-88-7283-858-7

Projektleitung: Felix Obermair

Lektorat: Katharina Preindl, Trudi Matzneller

Umschlaggestaltung: Philipp Putzer, www.farbfabrik.it

Umschlagfotos:

Vorderseite: Manni Kostner

Rückseite: StevanZZ, Shutterstock

Südtirol-Karte: Angelika Solibieda, www.cartomedia-karlsruhe.de

Grafik und Druckvorstufe: Typoplus, Frangart

Printed in Europe

Unseren Gesamtkatalog finden Sie unter www.raetia.com.

Bei Fragen und Anregungen wenden Sie sich bitte an [email protected].

Inhalt

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Dreiundzwanzig

Vierundzwanzig

Fünfundzwanzig

Sechsundzwanzig

Siebenundzwanzig

Achtundzwanzig

Danksagung

Eins

„Du könntest wenigstens so tun, als hättest du Spaß“, sagte Laura vorwurfsvoll und nippte an ihrem Aperitif. „Okay, du hast vor Kurzem deinen ehemaligen Lover erschossen, aber ehrlich, der Mann war echt ein Arsch.“

Sonja starrte ihre Ziehtochter an und wusste nicht, ob sie sauer sein oder lachen sollte. Solch heftige Worte war sie von ihr nicht gewöhnt.

„Das hast du jetzt nicht wirklich gesagt“, entgegnete sie. „Aber du hast ja recht. Das Leben geht weiter. Und ja, wir haben Spaß.“

Sonja sah sich in dem Lokal mitten in Bozens Zentrum um und zwang sich zu einem Lächeln. Es war gut besucht, mindestens fünfzig Personen hatten sich hier versammelt, um dem Auftritt einer als Isabella angekündigten Chansonnière beizuwohnen. Sie betrachtete das Publikum: Die meisten trugen schicke Kleidung aus Bozens Boutiquen, waren guter Dinge, lachten und prosteten sich mit ihren Prosecchi und Veneziani zu. Einige standen an der Bar, andere wiederum hatten es sich auf den Sesseln und Sofas gemütlich gemacht, die in der Hotelbar standen. Es herrschte gediegene Wohnzimmeratmosphäre.

Laura hatte sie in den letzten Tagen richtiggehend bedrängt, wieder einmal mit ihr auszugehen. Auf Kino hatte Sonja keine Lust, zu einem Abend mit sanfter Musik in diesem wunderschönen Ambiente hatte sie sich dann doch breitschlagen lassen. Es tat ihr leid, dass sie es dennoch nicht schaffte, in Stimmung zu kommen.

„Der Spaß hat übrigens schon angefangen“, bemerkte Laura und flüsterte Sonja dann zu, sich unauffällig umzudrehen. Sonjas Blick traf den eines jungen Mannes, der anscheinend schon eine Weile ihre Aufmerksamkeit gesucht hatte. Nun, da Sonja ihn angesehen hatte, kam er direkt auf sie zu und streckte ihr seine Hand hin.

„David Lorenz. Ich mache hier Urlaub“, stellte er sich vor.

Sonja war irritiert, begrüßte ihn dann aber doch förmlich. War sie tatsächlich schon so eingerostet? Sie war es einfach nicht mehr gewöhnt, von fremden Männern in einer Bar angesprochen zu werden. Lauras Versuch, das Eis durch einen lockeren Spruch zu brechen, scheiterte kläglich. „Darf ich Sie beide auf ein Glas Wein einladen?“, fragte er und versuchte, den Blickkontakt zu Sonja aufzunehmen.

Sie konnte nicht anders. Mit einem frostigen Lächeln antwortete sie: „Nein, danke. Ein andermal vielleicht.“

„Schade“, sagte David. „Dann werde ich es eben beim nächsten Mal wieder versuchen. Vielleicht habe ich dann ja mehr Glück.“

Laura sah ihn an und zuckte mit den Schultern. Er lächelte traurig.

„Ganz schön penetrant“, flüsterte Sonja Laura ins Ohr, als sich der junge Mann geknickt von ihnen abwandte.

„Er war doch eigentlich ganz nett“, erwiderte Laura. „Aber du kriegst sicher noch eine Chance bei ihm.“

Die Scheinwerfer leuchteten auf und Sonja wandte sich fast schon erleichtert von ihrem Bewunderer ab. Die Abfuhr, die sie ihm soeben erteilt hatte, tat ihr ein wenig leid, aber sie konnte in diesem Moment einfach keinen neuen Mann in ihrem Leben gebrauchen, auch wenn es nur ein kleiner Flirt sein sollte. Da war es besser, von vornherein klare Verhältnisse zu schaffen.

*

Eine große Gestalt mit stark geschminktem Gesicht und in schwarz glitzernden Frauenkleidern betrat die kleine Bühne. Sie trug einen ebenso glitzernden Zylinder. Die Gäste, die sich in der Bar des Hotels Luna versammelt hatten, applaudierten ihr und den Musikern, während sie bereits mit verführerischer Stimme das erste Lied anstimmte: Die blaue Katze. So musste es in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts zugegangen sein, dachte Sonja, also vor etwa genau einhundert Jahren.

„Auf einer Bank an der Pont St. Louis

zwischen Seineufer und Notre Dame

schläft die blaue Katze ihren Liebesrausch aus

und träumt wohl, wie alles begann.“1

*

Während sie sich von der rauen, männlich tiefen Stimme einlullen ließ, wanderte ihr Blick durch die Menge. Der unbekannte Charmeur, der sie und Laura zu einem Drink hatte einladen wollen, lächelte sie erneut an und hob sein Glas, um ihr zuzuprosten. Sie ignorierte ihn, früher oder später würde er es schon verstehen. Als sie sich wieder der Sängerin zuwandte, fiel Sonja auf, dass auch sie ihren Blick fest auf eine Person im Publikum geheftet hatte. Der Mann, dem ihre Aufmerksamkeit galt, passte nicht in das stylische Bozner Publikum. Er trug eine einfache Jeans und einen Kapuzenpulli, während sich die anderen Gäste in Schale geworfen hatten und ihre Designerkleidung zur Schau trugen. Seine Haare klebten ein wenig leblos am Kopf, er sah eher aus wie ein junger Arbeiter, der den ganzen Tag geschuftet hatte und aus Versehen in die Bar des Hotels Luna gestolpert war. Auf dem Tresen neben ihm stand ein halb geleertes Bierglas, während die anderen Gäste an ihren Sektflöten nippten oder bunte Cocktails schlürften. Sein Gesicht zeigte keine Zufriedenheit oder Freude, sondern vielmehr eine Mischung aus Vorwurf, Verzweiflung und Resignation.

Das Publikum spendete der Darbietung tosenden Applaus und begeisterte Pfiffe. Isabella hatte ihre Zuhörer verzaubert. Noch einmal sah Sonja sich unter den Gästen um und erblickte erneut Davids Lächeln. Seine Aufdringlichkeit war ihr etwas lästig. Aber bitte, dachte sie, Lächeln ist ja nicht verboten. Sie stand auf, legte einen Zwanzigeuroschein auf den Tisch und trank aus. Dann nahm sie ihre braune Lederjacke vom Stuhl.

„Wo willst du denn hin?“, fragte Laura überrascht.

„Nach Hause“, antwortete Sonja knapp.

„Wir sind gerade mal eine Viertelstunde hier!“, entgegnete Laura enttäuscht.

„Du kannst ja noch bleiben. Es tut mir leid, aber ich bin einfach nicht in Stimmung.“

„Ich gebe auf“, seufzte Laura und nahm ihre Tasche. „Aber lass uns wenigstens noch einen Spaziergang durch die Lauben machen. Ich möchte mal wieder was anderes sehen als Weinreben.“

Kaum näherten sich die beiden Frauen der Ausgangstür, trat auch schon David zu ihnen und fragte Sonja direkt, ob sie sich wiedersehen würden. Sie lächelte nur müde und machte ihm mit einer Geste klar, dass sie es nicht wusste, aber auch keinerlei Interesse an einem Wiedersehen hatte.

„Ist der aber hartnäckig“, murmelte Sonja und schob Laura sanft zur Ausgangstür.

„Immerhin hat er einen guten Geschmack“, konterte Laura leise und zwinkerte ihr zu. Sonja bedankte sich für ihr Kompliment mit einem Kuss auf die Wange.

*

Langsam gingen sie durch die noch belebte Bozner Innenstadt zurück zum Parkplatz. Sonja mochte Bozen am Abend. Zwar war es bereits Herbst und früher dunkel, aber die Luft war noch lau und die Stimmung beinahe sommerlich. Die Menschen saßen in den Straßencafés und Bars, tranken Aperitifs und aßen Pizza, die Kellner verteilten kleine Lämpchen und Kerzen auf den Tischen. In Frankfurt, wo Sonja früher gelebt hatte, war es um diese Jahreszeit schon zu kühl, um draußen zu verweilen. Sie legte kurz den Kopf in den Nacken und sog die Luft ein. Laura suchte nach ihrem Smartphone und beantwortete eine Nachricht.

„Hast du einen neuen Freund?“, fragte Sonja, als sie den Anflug von Freude in Lauras Gesicht bemerkte.

„Was? Nein, keine Zeit für Kerle. Das Bio-Weingut am Ritten hat mir geantwortet. Die anderen haben ja alle abgesagt. Ich würde die gerne mal besuchen, um mir vielleicht ein bisschen was bei ihnen abzuschauen.“

„Und, darfst du?“

„Noch haben sie nicht Nein gesagt. Wir müssen nur einen Termin vereinbaren.“

„Super. Und weißt du was? Ich komme mit“, schlug Sonja vor. „Vielleicht hat Katharina ja auch Zeit.“

„Am liebsten würde ich schon am Wochenende einen Ausflug auf den Ritten machen“, sagte Laura. „Wie wäre es mit einer Wanderung zum Rittner Horn? Oder zu den Erdpyramiden?“

„Gerne, das machen wir. Und ich glaube, dass der Ritten noch sehr viel mehr zu bieten hat. Du kannst ja inzwischen mal mit den Ermittlungen beginnen und mich und Katharina dann entführen.“

„Bei dir darf wohl kein Tag ohne Verbrechen vergehen“, stöhnte Laura und rollte mit den Augen. „Jetzt muss ich spaßeshalber schon meine eigene Mutter und meine Oma entführen, damit du mitkommst.“

Inzwischen waren Laura und Sonja beim Parkplatz angekommen.

„Bleib mal stehen“, flüsterte Sonja plötzlich. „Ist das nicht die Sängerin von vorhin? Und was will der Typ von ihr? Streiten sich die beiden etwa?“

Sie lauschten.

„Ich will doch nur mit dir reden“, sagte der Mann. Sonja erkannte ihn. Es war der Kerl, der einfach nicht ins Publikum gepasst hatte.

„Ich aber nicht mit dir“, entgegnete die Sängerin.

„Dann hör mir wenigstens zu!“

„Ich habe dir gesagt, dass du nicht mehr hierherkommen sollst“, wehrte sie sich.

In diesem Moment packte er sie beim Handgelenk. Ihr Versuch, sich zu befreien, misslang und Sonja beschloss, einzugreifen.

„Gibt’s hier ein Problem?“, fragte sie und ging entschlossen auf die beiden zu. Sie deutete Laura, hinter ihr zu bleiben.

„Halten Sie sich da raus! Das geht Sie nichts an“, entgegnete der junge Mann. Sein Blick war zornig. Dann ließ er von Isabella ab und ging einen Schritt zurück.

„Sie gehen jetzt besser“, wies Sonja ihn entschlossen an. Isabella sah sie verunsichert, aber dankbar an. Sie rieb sich das Handgelenk.

„Sind Sie verletzt?“, fragte Sonja.

„Nein“, sagte Isabella leise. Sie hatte Tränen in den Augen. Dann versuchte sie, ironisch die Augen zu verdrehen, und murmelte mit gespielter Abfälligkeit: „Männer.“ Doch die Traurigkeit in ihrem Gesicht sprach eine andere Sprache.

Der junge Mann ging zurück, schenkte den Frauen noch einen letzten wütenden Blick und wandte sich dann ab. Dann stieg er in seinen Geländewagen und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Isabella drückte kurz Sonjas Hand und bedankte sich bei ihr. Mit hängenden Schultern ging sie zurück in Richtung des Hotels Luna, wo sie eben noch gesungen hatte.

Laura, die ein wenig abseits geblieben war, ging auf Sonja zu.

„Was wollte der Typ von ihr?“

„Ich habe keine Ahnung. Das geht uns auch nichts an, aber handgreiflich darf er nicht werden“, antwortete Sonja.

„Ich weiß nicht, ob ich mich das getraut hätte“, sagte Laura.

„Das musst du auch nicht. Bring dich nie selbst in Gefahr. Wenn du mal so etwas siehst, bleib auf Distanz und ruf die Polizei.“

„Oder dich“, erwiderte Laura lächelnd und hakte sich bei Sonja unter.

1 Aus dem Liedtext von: Florian Paul & Die Kapelle der letzten Hoffnung, Die blaue Katze, 2019.

Zwei

Gregor Straußberger stand am Rande des Spielfelds und stützte sich mit beiden Händen an der Brüstung ab. Er war durch und durch stolz auf seine Mannschaft, wusste aber, es sie nicht spüren zu lassen. Wenn der Trainer erst einmal lobte, war es mit der Motivation der Mannschaft vorbei. Als Coach war es seine Aufgabe, das Unmögliche zu fordern und das Bestmögliche aus seinen Spielern herauszuholen.

Marcel Wallner schob den Puck in Richtung Tor. Lucas Ulmer, den er in diesem Spiel als Gegner hatte, kam ihm in die Quere, sie stießen hart zusammen. Wallner wehrte ihn mit einem Bodycheck ab, Ulmer strauchelte und landete seitlich auf der Eisfläche und Wallner schoss den Puck ins Tor. Straußberger fuhr sich kurz über seine Glatze, nahm die Trillerpfeife auf und beendete das Spiel.

Marcel Wallner nahm sein Visier ab und jubelte mit vor Anstrengung errötetem Gesicht. Seine Nase blutete, doch das schien er nicht einmal zu bemerken.

„Sehr gut, Marcel“, lobte Gregor Straußberger ihn nun doch.

Auch Lucas Ulmer befreite sich von seinem Kopfschutz und lief wütend auf Wallner zu.

„Sag mal, hast du sie nicht mehr alle, du blödes Arschloch?“, fuhr er ihn an.

„Komm mal runter, so schlimm war’s nicht“, beschwichtigte Wallner ihn mit hämischem Lachen.

Ulmer wusste sich nicht mit Worten zu wehren, deshalb griff er Wallner an und stieß ihn zu Boden. Straußberger, der eine ernsthafte Schlägerei zwischen seinen Jungs vermeiden wollte, ging dazwischen.

„Schluss jetzt, aufhören, alle beide! Das ist nur Training, klar? Hebt euch eure Energie für den Pokal auf“, rief er.

Marcel Wallner stand auf und schniefte, dann spuckte er kurz aus. Während er sich das Blut mit dem Ärmel wegwischte, warf er Lucas Ulmer einen lachenden Blick zu und nannte ihn eine Pussy. Ulmer wandte sich ab und verließ wortlos den Eisplatz.

Drei

Irina und ihre junge Kollegin Valentina betraten das Bozner Eishockeystadion gegen sechs Uhr morgens. Sie sprachen über dieses und jenes, während sie die schweren Putzwagen durch die schmalen Gänge des Eisstadions schoben. Valentina war müde, ihre zwei Kinder hatten in der letzten Nacht ständig geweint. Irina sah sie mitfühlend an und war froh, dass ihre eigenen Kinder schon groß waren und sie nicht mehr um den Nachtschlaf brachten. Dafür hatte sie nun andere Probleme, mit denen sie sich herumschlagen musste.

Sie drückte Valentina aufmunternd die Schulter, ging zu den Kabinen vor und hielt ihrer Kollegin die breite, schwere Sicherheitstür auf. Valentina schob den Wagen durch und stieß einen Schrei aus. Sie blieb wie versteinert stehen. Erschrocken hielt sie sich die Hand vor den Mund. Als auch Irina die Szene sah, überkam sie ein Schüttelfrost und sie brach in heftiges Weinen aus.

In einer riesigen Blutlache lag ein junger Mann. Seine Augen waren offen, sein gebrochener Blick war Richtung Decke gewandt. Auf seinem grünen Sweatshirt hatte sich ein dunkler, bräunlicher Fleck gebildet. Sein Gesicht war unnatürlich weiß, die hellen Neonröhren der Umkleide ließen seine Haut fast schon bläulich wirken. Er war tot.

Valentina löste sich langsam aus ihrer Erstarrung, nahm ihr Telefon aus der Tasche und rief die Polizei. Dann legte sie vorsichtig den Arm um ihre Kollegin und brachte sie aus der Umkleide.

„Komm, Irina“, sagte sie und tätschelte deren Hand. „Die Polizei ist schon unterwegs.“

„Das ist einer von den Spielern“, schluchzte Irina. „Wer tut so etwas? Der Arme!“

„Was für ein furchtbarer Anblick, mir ist ganz schlecht“, bemerkte nun auch Valentina.

„Komm, wir gehen an die frische Luft“, schlug Irina vor. „Mir geht es auch nicht gut. Draußen wird es sicher gleich besser.“

*

Sonja hatte gut geschlafen. Endlich einmal eine Nacht, in der sie sich nicht von Gedanken gequält im Bett hin und her geworfen und Mikes Gesicht vor sich gesehen hatte, nachdem sie ihm mit ihrer Waffe aus Notwehr in die Brust geschossen hatte. Laura hatte recht, sie musste seinen Tod ebenso akzeptieren wie das üble Spiel, das er mit ihr getrieben hatte. Es war vorbei und höchste Zeit, nach vorne zu schauen.

Sie stand auf, gähnte und streckte sich kurz, machte sich im Badezimmer frisch und betrat dann das Esszimmer des Weinguts. Die Sonne schien herein und zauberte ein friedvolles Ambiente. Katharina stand am Fenster und telefonierte so leise, dass Sonja ihre Worte nicht verstand.

Katharina hatte sie gehört, drehte sich zu ihr um, schenkte ihr ein mütterliches Lächeln und beendete dann das Telefonat abrupt. Fast schien es Sonja, als habe ihre Schwiegermutter sich auf frischer Tat ertappt gefühlt.

„Möchtest du frühstücken? Ich habe dir extra dein Lieblingsbrot gebacken“, bot sie ihr an.

„Nein, danke“, lehnte Sonja ab. „Ich bin etwas spät dran. Aber ein Kaffee wäre gut.“

Katharina schenkte ihr ein und reichte ihr die Kaffeetasse.

„Und, wie war’s gestern? Schön, dass ihr mal wieder ausgegangen seid.“

„Es war ein netter Abend“, sagte Sonja. Katharinas Handy vibrierte und Sonja deutete ihr, den Anruf entgegenzunehmen.

Katharina winkte ab. „Ist nicht wichtig. Kannst du dir das Wochenende freihalten? Laura möchte einen Ausflug machen.“

Sonja lächelte. „Auf den Ritten? Die Gegend scheint es ihr ja richtig angetan zu haben.“

„Ja, sie hat gemeint, dass sie den richtigen Ausflugsort für uns drei gefunden hat.“

„So?“, entgegnete Sonja erstaunt. „Und der wäre?“

„Eigentlich wollte sie zum Hexenbödele. Aber ich möchte ihr zuerst das Kobenkirchl und die Erdpyramiden zeigen …“

„Zu den Hexen und in die Kirche?“, fragte Sonja belustigt. „Das klingt aber sehr mystisch!“

„Das sind kleine, bekannte Ortschaften am Ritten. Du bist echt zu wenig unterwegs. Du weißt gar nicht, was du hier alles verpasst! Und übrigens wirst du uns begleiten, keine Widerrede. Damit du endlich mal deine neue Heimat kennenlernst.“

Sonja salutierte grinsend und schlug die Hacken aneinander. Katharina lächelte. Dann klingelte auch Sonjas Handy. Ihr Kollege Jonas Kerschbaumer war dran. Sie nahm ab, hörte zu und erwiderte knapp, dass sie sich sofort auf den Weg machen würde.

„Tut mir leid, Katharina. So wie es aussieht, wird es wohl in nächster Zeit nichts mit unserem Familienausflug. Es gab einen Mord.“

„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, ermahnte Katharina sie und reichte ihr einen Apfel. Sonja nahm ihn entgegen, warf ihn kurz in die Luft und steckte ihn in ihre Jackentasche.

„Danke. Wir holen das nach, versprochen.“

Dann setzte Sonja sich ins Auto, nahm die schnellste Strecke in die Bozner Industriezone und freute sich darüber, dass sie ausnahmsweise einmal nicht im Stau zu stehen kam.

Sonja fand gleich einen Parkplatz vor dem Eishockeystadion, das hier alle Eiswelle oder Palaonda nannten. Vor der Eingangstür saßen die beiden Frauen, die den Toten gefunden hatten, und rauchten mit zitternden Händen eine Zigarette. Sonja begrüßte sie kurz und bat die beiden, noch einen Moment dazubleiben. Sie musste auch mit ihnen sprechen.

„Ich bin dann gleich bei Ihnen“, versprach Sonja.

Die beiden Frauen nickten schwach.