Der Charme des Todes - Thomas Köhler - E-Book

Der Charme des Todes E-Book

Thomas Köhler

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Beschreibung

Berühmt-berüchtigt: Von Schillers verschollenem Schädel über das dramatische Ertrinken Ludwigs II. bis hin zum Attentat auf J.F. Kennedy und zu Michael Jacksons skurrilem Ableben – und viele mehr! - Ernst und unterhaltsam zugleich: Medizinische Fachkenntnisse ordnen spektakuläre Todesfälle ein - Kulturhistorisch relevant: Wie Tode Weltgeschichte schreiben - Spannend: Die Biologie des Todes an berühmten Fällen lernen Was nach dem Tod kommt, wissen wir nicht? Wie gut, dass die berühmten Verstorbenen aus diesem Buch nicht mitbekommen haben, was nach ihrem Ableben mit ihnen passiert ist! Ötzi hätte sich seinerzeit bestimmt nie träumen lassen, als berühmte Mumie durch zahlreiche forschende Hände zu wandern und durch die Medien des 20. und 21. Jahrhunderts zu tingeln. Schiller hatte vermutlich auch anderes im Sinn als ein Verwirrspiel um seinen Schädel. Und Philipp dem Schönen wäre sicher Friedhofsruhe lieber gewesen als von Johanna der Wahnsinnigen quer durch Spanien gezerrt zu werden – als Leiche! Und Kennedy, was hätte er gesagt, wenn er gewusst hätte, dass sein Tod vermutlich immer ein Rätsel bleiben würde? Thomas Köhler interessieren Todesfälle, bei denen etwas ganz anders, schief oder charmant lief: von nicht verwesenden Leichen über gewaltsame Tode berühmter Persönlichkeiten – die Ermordung Cäsars, von Elisabeth von Österreich (Sisi), die Übertötung Rasputins, die Erschießung der letzten Zarenfamilie u.v.m. – bis hin zu "faszinierenden" Selbstmorden und postmortalen Unruhe-Schicksalen. Der Charme des Todes weht durch die Seiten dieses Buches! Dieses Buch richtet sich an: Interessierte aller Fachrichtungen

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Seitenzahl: 207

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Thomas Köhler

Der Charme des Todes

Rätselhafte Todesfälle und kuriose posthume Schicksale berühmter Persönlichkeiten

herausgegeben von Wulf Bertram

Wulf Bertram, Dipl.-Psych. Dr. med, geb. in Soest/Westfalen, Studium der Psychologie, Medizin und Soziologie in Hamburg. Zunächst Klinischer Psychologe im Universitätskrankenhaus Hamburg Eppendorf, nach Staatsexamen und Promotion in Medizin Assistenzarzt in einem Sozialpsychiatrischen Dienst in der Provinz Arezzo/Toskana, danach psychiatrische Ausbildung in Kaufbeuren/Allgäu. 1986 wechselte er als Lektor für medizinische Lehrbücher ins Verlagswesen und wurde 1988 wissenschaftlicher Leiter des Schattauer Verlags, 1992 dessen verlegerischer Geschäftsführer. Aus seiner Überzeugung heraus, dass Lernen Spaß machen muss und solides Wissen auch unterhaltsam vermittelt werden kann, konzipierte er 2009 die Taschenbuchreihe »Wissen & Leben«, in der mittlerweile mehr als 50 Bände erschienen sind. Bertram hat eine Ausbildung in Gesprächs- und Verhaltenstherapie sowie in Psychodynamischer Psychotherapie und arbeitet als Psychotherapeut in eigener Praxis.

Für seine »wissenschaftlich fundierte Verlagstätigkeit«, mit der er im Sinne des Stiftungsgedankens einen Beitrag zu einer humaneren Medizin geleistet hat, in der der Mensch in seiner Ganzheitlichkeit im Mittelpunkt steht, wurde Bertram 2018 der renommierte Schweizer Wissenschaftspreis der Margrit-Egnér-Stiftung verliehen.

Impressum

Prof. Dr. med. Dr. phil. Dipl.-Psych. Thomas Köhler

Oberstraße 98

20149 Hamburg

[email protected]

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Besonderer Hinweis

Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollten bitte im allgemeinen Interesse dem Verlag mitgeteilt werden. Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische oder therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung.

In diesem Buch sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Schattauer

www.schattauer.de

© 2021 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Bettina Herrmann, Stuttgart

unter Verwendung einer Abbildung von © istock/EzumeImages

Gesetzt von Eberl & Kœsel Studio GmbH, Krugzell

Gedruckt und gebunden von Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg

Lektorat: Marion Drachsel, Berlin

Projektmanagement: Dr. Nadja Urbani, Stuttgart

ISBN 978-3-608- 40054-0

E-Book: ISBN 978-3-608-12099-8

PDF-E-Book: 978-3-608-20513-8

Inhalt

Vorwort

1 Zur Physiologie des Todes und der postmortalen Zersetzungsvorgänge

1.1 Der Akt des Sterbens

1.2 Die natürlichen postmortalen Zersetzungsvorgänge (Verwesung, Dekomposition)

1.3 Die beabsichtigte oder unbeabsichtigte Verhinderung der Verwesung (»Mumifizierung«, »Mumifikation«)

1.3.1 Vorbemerkungen

1.3.2 Die Mumifizierung bei den Ägyptern

1.3.3 Die Kirchen- oder Gruftmumien

1.3.4 Moorleichen

1.3.5 Wachsleichen

1.3.6 Moderne Methoden zur Erhaltung der Körperstruktur: Konservierung in Alkohol, Formalininjektion und Plastination

2 Ungewöhnliche Todesfälle berühmter Persönlichkeiten

2.1 Vorbemerkungen

2.2 Attentate

2.2.1 Vorbemerkungen und Beispiele

2.2.2 Das Attentat von Sarajewo

Die längere Vorgeschichte

Die unmittelbare Vorgeschichte

Das Attentat

Was danach geschah

2.2.3 Ein sinnloses Attentat: Der Mord an der österreichischen Kaiserin Elisabeth

2.2.4 Das Attentat von Dallas

Zur Vorgeschichte

Das unmittelbare Geschehen

Was danach geschah

2.3 Berühmte Morde

2.3.1 Vorbemerkungen

2.3.2 Wallensteins Tod

Die Ermordnung und ihre Vorgeschichte

Was danach geschah

2.3.3 Die sieben Leben des Gregorij Jefimowitsch Rasputin

2.4 Suizide, Doppelsuizide, erweiterte und kollektive Selbstmorde

2.4.1 Suizide

2.4.2 Doppelsuizide

Das Rätsel von Mayerling

Die weitere Vorgeschichte

Die nähere Vorgeschichte und der Doppelselbstmord

Was danach geschah

2.4.3 Erweiterte Suizide

2.4.4 Kollektive Selbstmorde: Die Eroberung von Masada

Zur Vorgeschichte

Der Jüdische Krieg

Masada

2.5 Rätselhafte und nur scheinbar rätselhafte Todesfälle

2.5.1 Der Fluch des Pharao

2.5.2 Der Tod von Papst Johannes Paul I.

2.5.3 Die Mär vom Mord am Märchenkönig: Das Ende Ludwigs II. im Starnberger See

Die Vorgeschichte von Ludwigs Tod

Die letzten Tage und die offizielle Version des Todes

Die wahrscheinlichste Version

2.5.4 Tod durch Schlaf: Michael Jackson

2.6 Kuriose Sterbevarianten: Der Tod von Arnold Schönberg

2.7 »Schicksalhafte« Todesfälle: Die Folgen der Inzucht und die Bluterkrankheit im europäischen Hochadel

3 Ungewöhnliche posthume Schicksale

3.1 Vorbemerkungen

3.2 Posthume Justiz

3.2.1 Die Leichensynode

3.2.2 Die Hinrichtungen eines lebenden Königs und eines toten Lord Protector

3.3 Ein Leichnam reist durch Spanien

3.4 Schillers Schädel

3.5 Von Sarajewo nach Artstetten: Das unwürdige Begräbnis des österreichischen Thronfolgerehepaars

3.6 Die Gebeine der Romanows

3.7 Nicht verwesende Leichname: Ein ruchloser Ritter und drei Heilige

3.8 Lenin im Schneewittchensarg

Literatur

Personen- und Sachverzeichnis

Venit mors velociter, rapit nos atrociter, nemini parcetur

(Der Tod kommt schnell und rafft uns grausam dahin; kein Einziger bleibt verschont)

Aus dem Studentenlied »Gaudeamus igitur«

Vorwort

Die Monate der Abfassung dieses Büchleins und – mit ziemlicher Sicherheit – auch die seines Erscheinens sind beileibe nicht die günstigsten: Der Tod und die Maßnahmen zu seiner Verhinderung sind durch die Corona-Krise so sehr in den Lebensalltag gerückt, dass es gegenwärtig keineswegs eine nahe liegende Freizeitlektüre sein dürfte, sich mit den faszinierenden (zuweilen grotesken) Aspekten des Todes zu befassen. Vielleicht – so hoffe ich – ist es für einige aber jetzt gerade die geeignete Zeit, dem Thema Tod ins Auge zu sehen, und zwar nicht mit tiefschürfenden Gedanken, die schließlich doch zu nichts führen. Die hier präsentierte Mischung aus Geschichte und Biologie, die in der Regel längst verstorbene Personen betrifft, ist möglicherweise genau das Richtige: aus angemessener Distanz sich mit etwas zu befassen, was wir uns schwer als eigene Realität vorstellen können, es gleichwohl sein wird. Jenes »Media vita in morte sumus« (mitten im Leben sind wir im Tod) wurde den in der westlichen Zivilisation nach dem Zweiten Weltkrieg lebenden Menschen nie so klar wie jetzt vor Augen geführt. Aber wie auch immer: Dank der unleugbaren Fortschritte der Medizin werden die Covid-19-Jahre irgendeinmal Geschichte sein und das Buch wird hoffentlich spätestens dann jenes Interesse finden, das sich der Autor bei der Planung und in den ersten Monaten der Abfassung erhofft hat.

Dass in einer Reihe mit dem Titel »Wissen & Leben« ausgerechnet ein Buch über den Tod erscheint, mag widersinnig erscheinen, ist es aber ganz gewiss nicht. Das Sterben ist ein vollwertiger Akt im Leben, wenn auch der letzte; erst mit seinem Abschluss hat das Leben seine endgültige Gestalt angenommen. Es verhält sich so wie in der Grammatik mit dem Punkt: Er schließt zwar den Satz ab, beendet seine Aussage, ohne ihn bliebe der Satz aber unvollständig.

So befremdend es klingen mag: Mir hat die Abfassung Spaß gemacht. Es ist lehrreich, zu sehen, wie zufällig und schicksalhaft zugleich der Tod ist: Wäre der Chauffeur des Erzherzogs Ferdinand in Sarajewo nicht aus Versehen in die falsche Straße abgebogen, so hätte der Attentäter Gavrilo Prinzip nie sein Ziel so perfekt präsentiert bekommen und der Erste Weltkrieg wäre nicht oder vielleicht erheblich später ausgebrochen – viele junge Männer, die elend auf den Schlachtfeldern umkamen, hätten noch Jahrzehnte gelebt, ihre große Liebe gefunden und ein zufriedenes bürgerliches Leben führen können. Wäre Caesar nicht an den Iden des März in den Senat gegangen – trotz zahlreicher Warnungen und böser Vorahnungen –, sondern hätte sein Fernbleiben durch Unwohlsein entschuldigt, hätten ihn Brutus und Cassius und andere Senatoren dort nicht erdolchen können; der Verlauf der Weltgeschichte wäre sicher ein gänzlich anderer gewesen.

Dem Schattauer-Verlag, mit dem ich seit Jahrzehnten harmonisch zusammenarbeiten darf, speziell Wulf Bertram und in besonderem Maße Frau Nadja Urbani, danke ich herzlich für diese Gelegenheit, meine Gedanken in Druckform einer hoffentlich interessierten und zahlreichen Leserschaft präsentieren zu können. Mein alter Freund und Kollege Reinhold Schwab gab mir wertvolle Anregungen und ebenfalls einer meiner wenigen Freunde, Michael Wuchner, hat mir mit seinen bemerkenswerten historischen Kenntnissen dank seiner Korrektur manche Peinlichkeit erspart. Frau Marion Drachsel danke ich sehr für die gründliche Lektorierung und Herrn Fabian Beermann für die effektive Beschaffung von Literatur. Wie immer hat meine liebe Frau Carmen die Abfassung ertragen, manchmal etwas grummelig über die Unordnung im gemeinsamen Wohnzimmer und ungeduldig, weil ich andere Aufgaben immer wieder aufzuschieben verstand; wahrscheinlich aber war sie unter dem Strich ganz froh, so wenigstens für einige Stunden täglich in Ruhe gelassen zu werden.

Hamburg, im November 2020 (anno coronae primo)

Thomas Köhler

1 Zur Physiologie des Todes und der postmortalen Zersetzungsvorgänge

1.1 Der Akt des Sterbens

Als Tod (Exitus letalis) wird das irreversible Aussetzen aller lebenserhaltender Funktionen bezeichnet. Der Übergang vom Leben zum Tod wird Sterben genannt, wofür es einerseits weniger drastische Ausdrücke gibt (z. B. entschlafen, verscheiden), andererseits auch zahlreiche ausgesprochen salopp-schnoddrige Bezeichnungen (etwa: ins Gras beißen, abkratzen, den Löffel abgeben).

Festzulegen, wann die lebenserhaltenden Funktionen wirklich unumkehrbar verloren sind, ist nicht immer einfach. So gibt es bekanntlich nach einem Herzstillstand nicht selten erfolgreiche Wiederbelebungsversuche und der »Scheintod« war früher offensichtlich keineswegs selten.

Scheintod

Als Scheintod(1)(Vita reducta) bezeichnet man einen Zustand extrem tiefer Bewusstlosigkeit, in dem sich ohne eine sehr genaue Untersuchung Lebenszeichen nicht nachweisen lassen, andererseits aber die sicheren Zeichen des Todes (Totenflecken(1), Totenstarre) fehlen. Heutzutage dürfte er in unserem Teil der Welt angesichts der zwingend erforderlichen Leichenschau zur Erlangung des Totenscheins eine extreme Rarität darstellen; er war aber früher angesichts der Feststellung des Todes mittels eines nicht tastbaren Pulses oder einer unter die Nase gehaltenen, sich nicht bewegenden Feder (bzw. eines sich nicht beschlagenden Spiegels) offenbar etwas nicht ganz Ungewöhnliches, u. a. deshalb, weil die Ärzte sich für viele Jahrhunderte vorzugsweise um die noch lebenden Kranken kümmerten und die Feststellung des Todes einer Person deren Angehörigen oder Bekannten überlassen wurde; auch gebildete Personen hatten oft eine panische Angst vor einem solchen Schicksal. (2)Scheintote dürften deutlich häufiger ins Grab gelegt worden sein, wenn Krankheitsepidemien herrschten und man die scheinbare Leiche rasch aus dem Haus bzw. weg von der Straße haben und unter die Erde bringen wollte.

Auf Betreiben des renommierten Mediziners Hufeland wurden im 18. Jahrhundert mehr und mehr Leichenhallen auf den Friedhöfen angelegt, in denen die Verstorbenen für einige Zeit vor der Beerdigung aufgebahrt sein mussten. Diese Leichenhallen haben sich bekanntlich bis heute gehalten, dienen aber mittlerweile dazu, der Öffentlichkeit Gelegenheit zu geben, einen Blick auf den Toten bzw. seinen meist bereits geschlossenen Sarg zu werfen.

Der Scheintod ist ein durchaus beliebtes Motiv in der Literatur, keineswegs nur in Form billiger Gruselgeschichten. Werner Bergengruen hat in seinem Novellenband »Der Tod von Reval« in der köstlichen Erzählung »Die wunderliche Herberge« das Thema humoristisch behandelt: Ein Arzt, der sich, je mehr er seinem eigenen Ende entgegensah, zunehmend mit dem Scheintod beschäftigte, sich auch diesbezüglich mit diversen Eingaben an die Behörde wandte, verfügte schließlich in seinem Testament den Bau einer »Herberge für Scheintote« nahe des außerhalb der Stadt liegenden Friedhofs. Sie hatte drei Zimmer, in die sich die gerade noch dem Unglück Entronnenen flüchten konnten, jedes mit Möbeln voller Kleidung ausgestattet, in der kalten Jahreszeit ständig beheizt, auch mit Schreibzeug versehen, damit die Geretteten ihren Angehörigen und den Behörden Mitteilung von ihrem nicht erfolgten Ableben machen konnten. Zur Hüterin der Herberge hatte der Stifter – unter Zahlung einer nicht unbeträchtlichen Rente – seine einstige Haushälterin bestimmt. Diese war natürlich einerseits sehr froh über die lebenslange Absicherung, begann sich andererseits allmählich zu langweilen, nachdem im Laufe vieler Jahre kein einziger Scheintoter Zuflucht gesucht hatte. Es war deshalb durchaus eine willkommene Abwechslung, als ihre Nichte sie bat, ihr lediglich für eine Nacht eines der Zimmer für ein Treffen mit ihrem Geliebten zur Verfügung zu stellen. Die Nichte kam wieder, auch mit anderen Liebhabern, und bald hatte sich die Gelegenheit unter anderen Pärchen herumgesprochen. Die Herbergsmutter verdiente sich so zusätzlich noch ein wenig Geld durch Kuppelei und hatte angenehme Unterhaltung. Eine Störung dieser bequemen Situation trat allerdings dergestalt auf, dass tief in der Nacht – alle Zimmer waren mit Lebenden bzw. Liebenden besetzt – stürmisch die Glocke geläutet wurde und ein Mann, nur mit einem Hemd bekleidet, energisch Einlass begehrte; es war also ganz offensichtlich ein Scheintoter, für den eine der Kammern geräumt wurde und welcher der Dame des Hauses sowie ihren Gästen drastisch sein gerade noch geglücktes Entkommen aus dem Sarge schilderte. Am nächsten Morgen war er allerdings verschwunden, hatte sich mit den bereitgelegten Kleidern versehen, dafür aber sein Hemd zurückgelassen. Im Laufe des Tages erschien ein Polizist, der von einem ausgebrochenen Sträfling erzählte und bei der Inspektion das in der Strafanstalt gebräuchliche Hemd fand. Um sich von dem Vorwurf der Fluchtbegünstigung zu befreien, nannte die Hausverwalterin alle dabei in der vergangenen Nacht anwesenden Zeuginnen und Zeugen, womit die Kuppelei aufkam. Um das Andenken des seligen Stifters nicht zu beschmutzen, kehrte man allerdings das Ganze unter den Teppich und es traf sich gut, dass im Rahmen des Baus einer Bahntrasse das Haus ohnehin abgerissen werden musste und die Stadt für das Grundstück eine nicht unerhebliche Summe bot. Mit einer guten Rente ausgestattet und mit einem Teil der Entschädigung versehen, verbrachte die alte Dame den Rest ihres Lebens in einem komfortablen Witwenstift.

Unfreiwillig humoristisch behandelte die »schlesische Nachtigall« Frederike Kemper den Sachverhalt in ihrem viel zitierten Reim: »Wisst ihr nicht, wie weh es tut, wenn man wach im Grabe ruht?« Ihre nur bedingt entwickelte poetische Ader sollte aber nicht vergessen machen, dass diese wohlhabende Dame sich eifrig sozialen Projekten widmete, u. a. eben den durchaus legitimen Anliegen von (3)Scheintoten.

Tritt der Tod nicht »schlagartig« auf, z. B. durch Herzstillstand nach einem Infarkt oder durch schwere Herzrhythmusstörungen (oder durch einen Unfall bzw. Gewaltakt), ist davon auszugehen, dass die Organe sukzessive in ihrer Funktion nachlassen. Zuerst stellen Leber und Niere ihre Tätigkeit weitgehend ein, womit sich diverse, darunter hirnschädigende Substanzen in hohen Konzentrationen bilden; diesen ist es zu verdanken, dass die Sterbenden die (1)Agonie, den »Todeskampf«, meist nicht bei vollem Bewusstsein erleben. Später lässt die Lunge in ihrer Funktion nach mit der Folge des röchelnden Atems. Schließlich schlägt das Herz zunehmend schwächer und unregelmäßiger, weshalb zuweilen im Stadium der (2)Agonie bereits Totenflecken(2) auftreten; schließlich hört es völlig auf zu schlagen (Herztod(1)). Damit erhält das Gehirn auch den nötigen Sauerstoff nicht mehr und stellt seine neuronale Aktivität ein (Hirntod(1), gekennzeichnet u. a. durch »Null-Linien« im EEG). Dies geschieht aber offenbar nicht sofort, sondern ist möglicherweise sogar mit einer kurzfristigen Steigerung synaptischer Übertragungen verbunden, die zu interessanten psychischen Reaktionen führt. So soll Papst Johannes Paul II.(1) direkt vor Eintritt des Todes einen seligen Ausdruck in seinem von der Parkinson-Krankheit sonst erstarrten Gesicht gezeigt haben. Auch die immer wieder beschriebenen »Nahtod-Erfahrungen(1)« von Personen, die ins Leben zurückgeholt wurden, sind vielleicht auf diese eigenartigen neuronalen Aktivitäten zurückzuführen.

Zudem verändert sich der Gesichtsausdruck der sterbenden Person. Diese »Facies hippocratica(1)« ist vornehmlich gekennzeichnet durch eine spitze Nase und eine eigenartige Blässe im Bereich von Nase und Mund sowie eingesunkene Augen und Wangen.

Ist der Tod eingetreten, zeigen sich typische Veränderungen, die im Rahmen der Leichenschau gewissenhaft zu beachten sind. Von diesen sicheren Todeszeichen sind zunächst die Totenflecken(3) zu nennen, die sich zuweilen schon während der (3)Agonie als Folge der verminderten Herzleistung ausbilden können, aber spätestens 30–60 Minuten nach dem Exitus auftreten. Es sind rötlich blaue Hautveränderungen, durch Absinken des Blutes hervorgerufen und an jenen (tief gelegenen) Stellen zu finden, wo der Sterbende nicht auflag (also nicht an den Pobacken, den Schultern, den Waden und Fersen, hingegen deutlich an Oberschenkeln und am unteren Rücken). In den ersten Stunden lassen sie sich noch wegdrücken; später, nachdem der durch Zerfall der roten Blutkörperchen freiwerdende Blutfarbstoff ins Gewebe eingedrungen ist, ist dies nicht mehr möglich und die (4)Totenflecken fließen zusammen. Das zweite sichere Zeichen ist die (1)Totenstarre(1)(Rigor mortis), die nach zwei bis drei Stunden an der Muskulatur des Kiefergelenks einsetzt – deshalb die verbreitete Sitte, mittels eines Tuchs den Unterkiefer in geschlossener Mundstellung zu fixieren. In den nächsten acht bis zehn Stunden ergreift die Totenstarre den gesamten Körper, um sich einige Tage später wieder völlig zu lösen. Zusammen mit der abfallenden Körpertemperatur lässt sich nicht nur der Tod feststellen, sondern auch der Zeitpunkt seines Eintritts schätzen (bei erst später aufgefundenen Leichen kann man beispielsweise anhand der Besiedlung mit Tieren bzw. ihren Eiern mit oft erstaunlicher Präzision den Todeszeitraum eingrenzen).

1.2 Die natürlichen postmortalen Zersetzungsvorgänge (Verwesung, Dekomposition)

Unmittelbar nach dem Tod setzt die Verwesung(1) ein, nachdem die nun funktionsunfähigen Zellen die Auflösung ihrer Strukturen und das Eindringen von Bakterien und anderen Mikroorganismen nicht mehr verhindern können. Diese Erreger waren großteils bereits im lebenden Organismus vorhanden, ohne ihm zu schaden, bildeten beispielsweise die Darmflora. Eine weitere Rolle spielt die Autolyse, die Zersetzung durch körpereigene, trotz des mittlerweile erfolgten Exitus noch arbeitende Enzyme. Am schnellsten laufen die Verwesungsvorgänge im feuchtwarmen Klima ab, insbesondere wenn die Leiche oberirdisch im Freien lagert und Ameisen, Würmer, aasfressende Säugetiere und Vögel sowie weitere Organismen hier reiche Beute finden. Binnen weniger Wochen bleiben oft nur die Knochen übrig, die sich aber dann über Jahrhunderte bis Jahrmillionen halten können.

In der Friedhofserde geht, abhängig von der Bodenbeschaffenheit, die (2)Verwesung langsamer vor sich; frühestens nach drei, spätestens meist nach zwölf Jahren ist nur noch das Skelett vorhanden, welches oft bei der Neubelegung des Grabes (sofern die Angehörigen des gerade Verstorbenen einverstanden sind) dort verbleibt, sonst in »Beinhäusern« (Kärnern) untergebracht wird. Bemerkenswerte Beinhäuser finden sich u. a. in Hallstadt in Österreich oder im Kloster St. Florian in Oberösterreich; besonders eindrucksvoll ist jenes im Katharinenkloster im Sinai (Ägypten), wo die Gebeine der in den vielen Jahrhunderten dort nach einem frommen Leben verstorbenen Mönche untergebracht sind. Äußerst skurrile Beinhäuser findet man in einigen Orten Tschechiens (z. B. in Kutná Hora), wo aus den Knochen Gegenstände wie Wappen oder Leuchter geformt sind.

Die gesetzlichen Ruhefristen, nach denen die Gräber aufgelöst oder neu belegt werden, betragen in Deutschland – abhängig vom Bundesland – 15–30 Jahre, wobei im Falle der »(1)Wachsleichen« auch diese lange Zeit nicht genügt, um ein vollständig von sonstigen Geweberesten befreites Skelett zu erhalten (▶ Abschn. 1.3.5).

Kälte verzögert die Verwesungsvorgänge erheblich; beispielsweise sehen die im sibirischen Permafrostboden gefundenen Wollnashörner oder Mammuts wie lebendig aus. Auch die berühmte Gletscherleiche Ötzi(1) verdankt ihre bemerkenswerte Unversehrtheit der Tatsache, dass Ötzi schon in einer kalten Jahreszeit verstarb, offenbar bald danach eingeschneit wurde und unter Schnee und Eis die nächsten Jahrtausende verbrachte. Nicht ohne Grund bewahren pathologische Anatomen ihre Untersuchungsobjekte in gekühlten Schränken auf.

Die Gletschermumie Ötzi(2)

Im Jahre 1991 entdeckte ein Bergwanderehepaar in circa 3200 Meter Höhe am Hauslabjoch in den Ötztaler Alpen – auf italienischer Seite, aber nahe zur österreichischen Grenze – in einem im Abschmelzen begriffenen Schneefeld eine außergewöhnlich gut erhaltene Leiche, die aufgrund ihrer Kleidung und der daneben liegenden Gegenstände schnell als sehr alt identifiziert werden konnte. Im gerichtsmedizinischen Institut von Innsbruck, wohin man den Fund zunächst transportierte und die ersten Untersuchungen vornahm, wurde »Ötzi« als Mann identifiziert, der gegen Ende des vierten vorchristlichen Jahrtausends lebte und ganz offensichtlich an den Folgen einer Verletzung durch einen Pfeil starb. Anders als man lange annahm, hatte ihn der Schuss nicht im Tal getroffen, wo er sich wenige Tage vor seinem Tod noch aufhielt. Die Pfeilverletzung und ein mittlerweile nachgewiesenes Schädel-Hirn-Trauma mussten unmittelbar tödlich sein. Zudem hatte er kurz vor seinem Tod noch eine ausgiebige Mahlzeit eingenommen. Damit ergab sich, dass er aus dem Tal über 2000 Meter nach oben gestiegen (wohl geflohen) war. Dort fühlte er sich leidlich sicher, was sich jedoch als Trugschluss herausstellte: Man war ihm gefolgt, tötete ihn nahe des Fundorts mit einem Pfeil; dabei schlug er entweder mit dem Kopf auf einem Felsen auf oder seine Verfolger hieben zusätzlich mit einem Stein auf ihn ein (Zink 2016, S. 69 ff.). Aus seinem Mageninhalt schloss man, dass er im Herbst1 gestorben war, durch die kalten und trockenen Gletscherwinde eine teilweise Mumifizierung erfuhr, bald eingeschneit wurde und dann tiefgefroren über mehrere Tausend Jahre unverändert dort lag, bis ein heißer Sommer die oberste Partie freilegte.

Trockene Hitze erschwert ebenfalls den Gewebsverfall, wie etwa an den Inka-Leichen zu sehen, deren intakt wirkende Haut mit Haaren das Skelett umspannt.

1.3 Die beabsichtigte oder unbeabsichtigte Verhinderung der Verwesung (»Mumifizierung(1)«, »Mumifikation«)

1.3.1 Vorbemerkungen

Nicht verweste, also durch keinerlei Veränderungen gekennzeichnete Leichen gibt es nicht (sieht man von jenen durch Tiefgefrieren oder (1)Plastination entstandenen Überresten ab). Lediglich kann es sein, dass die Zersetzung an einigen Partien so ausfällt, dass der Körper des Toten dem der einst lebenden Person erstaunlich ähnlich ist. Es hat sich eingebürgert, solche Leichen als (1)Mumien zu bezeichnen, was missverständlich ist. (2)Mumien sind streng genommen nur jene, die im Alten Ägypten durch bestimmte Mumifizierungstechniken (also letztlich durch Austrocknung des Gewebes) erhalten wurden, sowie die auf natürliche Weise dank günstiger Umstände ebenfalls unter weitgehendem Erhalt der Struktur entstandenen Inka-Leichen und in Europa die (1)Gruft- bzw. (1)Kirchenleichen (▶ Abschn. 1.3.3). So hat der oft als Gletschermumie bezeichnete Ötzi(3) (s. oben) seinen bemerkenswerten Erhaltungszustand zwar sicher teilweise durch Mumifizierungsvorgänge in den Wochen nach seinem Tod erlangt, aber wahrscheinlich wäre wenig von ihm übrig, hätte ihn danach bis zu seiner Entdeckung nicht das Eis bedeckt. Auch die (2)Fettwachsmumien (▶ Abschn. 1.3.5) sind auf gänzlich andere, nicht beabsichtigte und keineswegs erwünschte Art zustande gekommen.

1.3.2 Die Mumifizierung bei den Ägyptern

In ihrem unerschütterlichen Glauben an ein Leben nach dem Tode, welches dem derzeitigen gleicht, waren die alten Ägypter sehr darauf bedacht, die Leichen in möglichst unversehrtem Zustand zu halten. In den frühesten Zeiten wurden die Verstorbenen in Schilfmatten eingehüllt und im Sand vergraben. Die Hitze und der Salzgehalt des Bodens sorgten für eine rasche (2)Mumifizierung. Später wurden die Techniken elaborierter: Speziell ausgebildete Personen öffneten den Bauch, entnahmen dort weitgehend die Organe (zudem durch die Nase mithilfe von Haken das Gehirn) und trockneten diese gesondert.2 In den hohlen Bauchraum wurden Säckchen mit Natron (einem Salzgemisch) eingebracht, die dem Körper rasch das Wasser entzogen. Nach gut einem Monat bestrich man die Leiche zur weiteren Konservierung mit Harz und Ölen – daher auch der Ausdruck »Einbalsamieren«(1). Danach legte man die entnommenen Eingeweide entweder in den Bauch zurück oder stellte sie in Kanopengefäßen neben den Leichnam, der, in Tücher gehüllt, in der Grabkammer seine letzte (oft nur vorletzte) Ruhestätte fand (nach Zöller-Engelhardt 2018). Wie effizient diese Technik war, kann man beispielsweise an der (3)Mumie des um 1200 v. Chr. verstorbenen Pharao Ramses II. sehen, dessen Gesichtszüge alle charakteristischen Merkmale beibehalten haben.

Salzleichen(1)

Was die alten Ägypter mit Natron bewirkten, nämlich den massiven Entzug von Wasser aus der Leiche (zusammen mit einem keimtötenden Effekt), kann auch ganz ohne menschliche Einwirkung geschehen – man spricht dann nicht von (4)Mumifizierung, sondern von (3)Mumifikation. Das passiert etwa, wenn Personen in der Nähe großer Salzmengen versterben, typischerweise bei Stolleneinbrüchen in Salzbergwerken. So wurden beispielsweise im Iran in einem Salzstollen über 2000 Jahre alte getrocknete Leichen gefunden, deren Gesichtszüge und Körperformen erstaunlich gut erhalten waren. Auch bei Hallstadt in Oberösterreich, das seit langer Zeit eine Tradition des Salzbergbaus hat und daraus auch seinen Namen ableitet (hal

Die toten Stellvertreter Christi

So heißt ein lesenswerter Artikel von Kehnel & Kümper (2018), der unter Ergänzungen hier wiedergegeben wird.

Einbalsamiert(2) – in Wirklichkeit nicht mit ätherischen Ölen behandelt, sondern mit scharfen Chemikalien (nämlich (1)Formalinlösung) – werden traditionsgemäß auch die verstorbenen Päpste (zuweilen gegen deren zu Lebzeiten geäußerten Wunsch). Wenigstens für die etwa neun Tage, wo die Leiche bis zu den Trauerfeierlichkeiten öffentlich aufgebahrt im Petersdom liegt, soll diese in einem optisch und geruchsmäßig erträglichen Zustand gehalten werden. Was keineswegs immer zufriedenstellend gelang: Der Leichnam (1)Pius XII. wechselte während der Aufbahrung im Petersdom sichtlich seine Farbe, von grau über grün zu purpurrot, die Nase wurde schwarz und fiel noch vor der Beisetzung ab. Die kräftigen jungen Männer der Schweizer Garde, die den toten Papst bewachten, fielen aufgrund des Gestanks reihenweise in Ohnmacht und wurden deshalb schließlich jede Viertelstunde abgelöst. Bei (1)Paul VI. begann sich das Bein zu zersetzen – Folge wohl auch der ungewöhnlichen Hitze in diesem Sommer. Andererseits war der Leichnam des 1963 verstorbenen Johannes XXIII.(1) fast völlig unversehrt, als man angesichts seiner Seligsprechung 2001 den Sarkophag in den Vatikanischen Grotten öffnete. Die Leiche wurde daraufhin in einen Glassarg umgebettet und ist seit einiger Zeit, eingelassen in einen Altar im Domraum, sichtbar untergebracht (▶ Abb. 1-1).

Abb. 1-1 Papst Johannes XXIII.(2)

1.3.3 Die Kirchen- oder (2)Gruftmumien