Der Defibrillator - Claudia Fischer - E-Book

Der Defibrillator E-Book

Claudia Fischer

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Beschreibung

Auf liebe- und humorvolle Art und Weise wird in diesem Buch versucht, die Verhaltensweisen von einem kleinen Hund zu entschlüsseln. In der Begegnung mit anderen Menschen entwickeln sich sehr dynamische Situationen. Gleichzeitig begibt man sich auf eine Reise durch die Lebensgeschichten verschiedener Personen. Alles miteinander zu verbinden und eine eigene Spürnase für Mensch und Tier zu entwickeln, sei den Leser*innen vorbehalten.

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Claudia Fischer

DerDefibrillator

…..und warum ein kleines Zwicken manchmal etwas zurechtrücken kann

© 2020 Claudia Fischer

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-347-10867-7

Hardcover:

978-3-347-10868-4

e-Book:

978-3-347-10869-1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Für Antonia

Einleitung

Mein Hund ist ein kleiner Yorkshire Terrier und er heißt Wuffi. Es ist mein erster Hund und mir ist nichts Besseres eingefallen. Hundi war auch im Rennen, denn bei beiden Namen kann man vom Namen gleich auf das Geschöpf schließen und auch vermuten, dass ein Hund sich so verhält wie ein Hund. Der hat nämlich eine ganz feine Nase und ebenso feine Ohren. Ihm bleibt wenig verborgen. Er kann Krankheiten und Angstschweiß riechen und manche Popsongs aus dem Radio findet er richtig blöd, weil die anscheinend einen ganz unangenehmen Beat haben, für Hundeohren jedenfalls. Manchmal gilt das aber auch für meine Menschenohren, denn inzwischen kann ich die Lieder, die er nicht mag, auch nicht mehr leiden. Dann geht das Radio eben aus.

Dass Hunde besser hören können als Menschen, weiß ja jedes Kind. Manche von ihnen werden mit so einer Pfeife trainiert, die für Menschen unhörbare hohe Töne entlässt. Die hohen Töne sind bei Menschen sowieso immer sehr in Gefahr. Die Fähigkeit sie zu hören, kann uns früh verlassen.

Die hohe Frequenzlage ist die, die Menschen mit beginnender Schwerhörigkeit als erstes verlieren. Es ist ein hartnäckiges Gerücht, dass Schwerhörige alles einfach leiser hören. Das tun sie nicht. Mit sich entwickelnder Schwerhörigkeit verlieren Menschen einzelne Frequenzbereiche. Vergleichbar wäre dieses Phänomen damit, dass man jemanden sprechen hört, der verschluckt aber zwischendurch einzelne Silben. Dann muss man ein sehr guter Detektiv sein, sozusagen eine feine Spürnase haben, um weiterhin zu verstehen, was gemeint ist. Die hohen Töne sind, wie schon angedeutet, die ersten, die gehen. Störgeräusche sind niedrigfrequent. Sie sind am Ende das, was übrig bleibt. Weil überall Störgeräusche sind, gewinnen sie schließlich in der Klangwelt die Überhand.

Wuffi muss davon überzeugt sein, dass ich sehr schwerhörig bin. Wenn es an der Haustür klingelt, macht er, dem offensichtlichen Herzinfarkt nahe, ein solches Gebell, dass einem im wahrsten Sinne des Wortes die Ohren wegfliegen. Er kündigt damit eine derartige Bedrohung an, dass ich dabei immer das Gefühl habe, da steht jetzt der Nachbar mit einem Gürtel voller Plutonium-Bomben umgeschnallt vor der Tür oder mindestens 15 schwer vermummte und bewaffnete Männer vom SEK, die auf unsere Wohnungstür zielen. An manchen Tagen muss es dafür sogar nicht mal geklingelt haben. Da reicht es, wenn ein Nachbar einfach an unserer Wohnungstür vorbei geht. Aber wer kennt seine Nachbarn schon so genau? Vielleicht arbeitet ja einer beim SEK, verdeckt und keiner weiß es, nur Wuffi.

Man kann nie einfach die Wohnungstür öffnen. Es muss fein säuberlich darauf geachtet werden, dass Wuffi eingesperrt ist. Er würde rauslaufen und sich an die Hosenbeine unserer Nachbarn hängen. Hunde können im Laufe ihres Lebens auch schwerhörig werden. Und wer weiß, vielleicht beginnt damit tatsächlich so etwas wie die Hunde-Rente. Sie müssen auf einmal nicht mehr auf das aufpassen, was sich durch Geräusche ankündigt.

Bis jetzt jedenfalls antwortet der kleine Hund auf jedes Geräusch. Es käme ihm gar nicht in den Sinn, irgendetwas unbeantwortet zu lassen. Wäre er regelmäßig online, würde er jede E-Mail beantworten. Auf diesem Gebiet haben sich die Menschen sehr verändert. In der Regel beantworten sie heutzutage nur noch E-Mails, deren Inhalt ihnen gefällt. Nun ja, der Wert einer E-Mail ist nicht mit dem eines handgeschriebenen Briefes zu vergleichen. Das ist mir inzwischen auch klar geworden, obwohl ich davon überzeugt bin, dass Angehörige meiner Generation dieser Fehler der vergleichenden Wertstellung noch ab und zu unterläuft. Mit einem Klick sind sie gelöscht und man kann, zumindest als Empfänger, so tun, als hätte es sie nie gegeben. Der Absender kann das auch, muss sich dann aber noch in einem größeren Umfang in die Tasche lügen. Wuffis Einstellung zum Thema Lügen soll an einer späteren Stelle noch Erwähnung finden.

Von alleine schwingt Wuffi jedenfalls keine großen Reden. Es gibt von ihm keine stundenlangen Bellkonzerte zu hören. Es ist sogar so, als habe er die Gerichtsurteile zu Mietwohnungen genauestens studiert und wisse, dass er nachts zwischen 22 Uhr und sechs Uhr morgens keinen Piep sagen darf. Auch hält er sich stets an die Vorgabe, dass er am Tag nicht mehr als eine halbe Stunde bellt und niemals länger als zehn Minuten am Stück. Das versteht sich von selbst.

Im Grunde ist es doch auch so: was soll man auch großartig sagen? Der Norddeutsche kommt mit wenig aus. Mit „Na, jo und nützt ja nix“ kommt man bestens durch jedes norddeutsche Gespräch. Darüber hinaus ist der klassische Norddeutsche davon überzeugt, dass man Zuneigung auf einfache und kleine Weise zeigen kann. Da muss man gar nicht kompliziert werden oder riesige Geschütze auffahren. Das ist bei Ablehnung genauso. Die zeigen Menschen ja auch ohne Umschweife, egal aus welchem Bundesland sie kommen und dabei machen sie meistens kurzen Prozess. Ablehnung gibt es schon ewig als togo-Variante. Schon bevor dieser Lebensstil angefangen hat, die Umwelt zu belasten. Wuffi findet, dass togo gar nichts mit gemütlichem Gassi gehen zu tun hat. Aber wirklich so gar nichts! Dass sich beim Gehen eine ganze Menge löst und so Manches, was groß und bedrohlich wirkt immer kleiner und unwichtiger wird, habe selbst ich schon begriffen. Beim Gehen kommt das Denken in den Fluss. Dafür sollte man sich Zeit nehmen!

Überhaupt kann Ablehnung so schnell zu etwas wie Fremdenfeindlichkeit aufgebauscht werden. Die steht dann einfach so im Raum. Und geht da nicht weg. Bei Wuffi gibt es einen Trick gegen Ablehnung. Der wirkt immer und zu 100%! Dafür muss man natürlich bereit sein. Und man darf es nicht in den Knien oder im Kreuz haben. Man muss sich für die erste Begegnung auf den Boden setzen und es für Wuffi möglich machen, dass er einen überall beschnuppern kann. Er findet es bedrohlich, wenn man sich von oben über ihn herabbeugt. Aber ganz ehrlich: wer mag das schon? Für die Bekanntmachung mit Wuffi muss man sich ein wenig Zeit nehmen. Wenn er dann Teddy bringt, dann ist das Eis gebrochen. Von großem Vorteil ist, dass man weiß, dass Teddy geworfen werden soll, damit Wuffi ihn wieder einfangen kann.

Teddy ähnelt, wenn man jetzt nicht ganz so genau hinschaut, einer Ratte. Und Teddy hatte schon jede Menge Operationen am offenen Herzen. Kürzlich habe ich ihm einen gelben Pullover angenäht, damit das Innenleben nicht ständig herausfällt. Da Yorkshire Terrier dafür gezüchtet wurden, um Ratten zu fangen, fängt er eben Teddy und schüttelt ihn so lange bis er nach seiner Meinung tot ist. Teddy war eigentlich schon immer tot. Und ganz nebenbei gesagt, ist er Wuffis einziger Freund. Auf jeden Fall kann man mit Fug und Recht behaupten, dass es der Beginn einer großen Freundschaft ist, wenn Teddy ins Spiel kommt. Das ist dann so eine Art Tridem und einer davon ist tot. Dieses Verhältnis der geschilderten Lebendigkeit, also zwei sind am Leben und einer ist tot, könnte aber sowieso als das Geheimrezept des Erfolges eines jeden Tridems bezeichnet werden. Drei waren bekanntlich schon immer einer zu viel. Wenn einer nicht tot sein möchte, kann man sich auch darauf verständigen, dass er halt nur so tut. Er darf dann eben nichts sagen. Für Teddy ist diese Rolle die ideale Besetzung und die Magie, die in dieser ersten Begegnung entsteht, wirkt für immer!

Das Leben in der Stadt ist für Wuffi ziemlich stressig. Er erschrickt sich oft. Und er erschreckt Menschen, denen er begegnet. Häufig nachdem er sich vor ihnen erschrocken hat. Manche ärgern sich und beschimpfen ihn dann. Andere sind seltsam entrückt. Wieder andere wirken wie erstarrt. Manche lächeln nachdem der Schreck entwichen ist und wirken so, als hätten sie verstanden, dass es sich hierbei immer um zwei Mal Erschrecken hintereinander handelt. Im Grunde entschuldige ich mich immer sofort reflexartig. Das hat schon dazu geführt, dass einige Reinigungskräfte am Hafen, die immer morgens zur gleichen Zeit arbeiten, wenn ich Gassi gehe, denken, der kleine Hund heißt „Entschuldigung“. Das ist lustig, passt aber gar nicht. Denn mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass der Hund keine einzige Entschuldigung ist. Er benimmt sich wie ein Hund. Für ihn ist das normal. Für das Sein in der Welt übrigens auch!

Außerdem ist die Lage am Hafen mit dem Blick auf die Elbe sowieso auch irgendwie eine Mogelpackung. Das scheint Wuffi auch längst gemerkt zu haben. „Das Tor zur Welt“…. Allein schon dieser Name, der noch die Prägung einer finsteren Zeit in Deutschland mit sich rumschleppt. Und wenn man da steht, heißt das nicht unbedingt, dass man über die eigenen kleinen Grenzen hinweg denken kann. Dafür muss man Orte eigentlich verlassen und sich anderes anschauen. Da stehen die Chancen viel besser, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und Empathie für andere Lebewesen zu entwickeln, die auf den ersten Blick erstmal total verschieden von dem zu sein scheinen, für was man sich selbst hält. Häufig dauert die Zeit bis zum zweiten Blick nicht sehr lange und man stellt fest, dass sich die angenommene Grundverschiedenheit in Luft auflöst. Natürlich kann man am Hafen mit diesem Blick ein wenig verweilen. Ist dann aber auch nicht viel anders als sich daheim eine Fototapete mit dem Strand von Ko Phi Phi anzuschauen und sich einzureden, man wäre dort. Nützt ja beides nix, wenn man nicht auf Entdeckungsreise geht.