Der erste Kontinent - Troy Dust - E-Book

Der erste Kontinent E-Book

Troy Dust

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Beschreibung

Ein alter Schlüssel und die Worte eines betrunkenen Mannes; keiner der sechs Freunde hätte gedacht, dass damit eine Geschichte ihren Anfang nimmt, deren Verlauf sie mit einer Frau zusammenführt, die um die Gefahren weiß, die vor ihnen liegen. Und so beginnt eine Reise, bei der sich das gemeinsame Streben auf ein Ziel konzentriert: Das Überleben eines Marsches durch dieses weite, unbekannte Land in der Hoffnung, das Innere der Erde wieder verlassen zu können ...

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– Inhalt –

Das erste Buch

Vorspiel In den Tiefen

I

Kapitel 1 Die Stille des Morgens

Kapitel 2 Erste Erinnerungen

I. Zwischenspiel Delirium

Kapitel 3 Freunde

Kapitel 4 Rückblick I

Kapitel 5 Pläne

II. Zwischenspiel Dolor

Kapitel 6 Rückblick II

Kapitel 7 Treffen

Kapitel 8 Rückblick III

Kapitel 9 Ziele

Kapitel 10 Brinley Grayson

Kapitel 11 Entscheidung

III. Zwischenspiel Lutum

Kapitel 12 Zweisam

Kapitel 13 Vorbereitungen

Kapitel 14 Vermutungen

Kapitel 15 Rückblick IV

Kapitel 16 Neuigkeiten

II

Kapitel 17 Unterwegs

Kapitel 18 Am Meer

Kapitel 19 Rückblick V

Kapitel 20 Nordwärts

IV. Zwischenspiel Abyssus

Kapitel 21 Am Ziel

Kapitel 22 Spurlos

Kapitel 23 Die Entdeckung

Kapitel 24 Sternenzelt

Kapitel 25 Ins Dunkel

Kapitel 26 Im Nichts I

Kapitel 27 Im Nichts II

III

Kapitel 28 Licht

Kapitel 29 Rückblick VI

Kapitel 30 An Land

Kapitel 31 Am Morgen

Kapitel 32 Die Stadt

V. Zwischenspiel Lethe

Kapitel 33 Die Begegnung

Kapitel 34 Arla

Kapitel 35 Erkenntnisse I

Kapitel 36 Erkenntnisse II

Kapitel 37 Erkenntnisse III

Kapitel 38 Hoffnungsschimmer

Kapitel 39 Das Zentrum der Stadt

Kapitel 40 Die erste Plage

Kapitel 41 Schock

Kapitel 42 Rückblick VII

Kapitel 43 Abschied

IV

Kapitel 44 Draußen im Feld

Kapitel 45 Garten der Panzer

Kapitel 46 Neuirminsul

Kapitel 47 Die Kaverne

VI. Zwischenspiel Carnis

Kapitel 48 Der Pfad des Lichts

Kapitel 49 Schweigen

Kapitel 50 Gedankenflut

Kapitel 51 Im Tal

Kapitel 52 Arlas Erinnerung

Kapitel 53 Die zweite Plage

Kapitel 54 Die Ebene

Kapitel 55 Der äußere Ring

Kapitel 56 Die dritte Plage

Kapitel 57 Tartarus

Nachspiel Sommerabend

Das zweite Buch

Vorspiel Abendstimmung

I

Kapitel 1 Heimwärts

Kapitel 2 Polaroid

Kapitel 3 Bilder aus der Vergangenheit I

Kapitel 4 Bilder aus der Vergangenheit II

Kapitel 5 Erste Wogen

Kapitel 6 Die Bitte

Kapitel 7 Schatten

Kapitel 8 Verschwunden

Kapitel 9 Schlaflos

Kapitel 10 Das Mädchen der Lüfte

Kapitel 11 Gefangen in der Freiheit

Kapitel 12 Zweifel und Parallelen

Kapitel 13 Übergang

Kapitel 14 Lossagung

Kapitel 15 Bilder aus der Vergangenheit III

Kapitel 16 Die Schlinge der Zeit

Kapitel 17 Die Fahrt

Kapitel 18 Konfrontation

II

Kapitel 19 Danach

Kapitel 20 Die letzte Etappe

Kapitel 21 Des’reth

Kapitel 22 Wissen

Kapitel 23 Mourtekai

Kapitel 24 Vertrauen

Kapitel 25 Beweise

Kapitel 26 In den Ruinen

Kapitel 27 Die weiße Plage

Kapitel 28 Ausbeute

III

Kapitel 29 Aufbruch

Kapitel 30 Die vierte Plage

Kapitel 31 Zehrer

Kapitel 32 Fanatiker

Kapitel 33 Die fünfte Plage

Kapitel 34 In den Weiten

Kapitel 35 Der kahle Wald

Kapitel 36 Chales Vernel

Kapitel 37 Das Wissen der Jahrtausende

Kapitel 38 Die Blaue Maschine

Kapitel 39 Ibiis

Kapitel 40 An den Toren

Kapitel 41 Das Unausweichliche

Kapitel 42 Visionen einer großen Zukunft

Kapitel 43 Strukturen der Dunkelheit

Kapitel 44 Todtenuhr

Kapitel 45 Abgrund

Kapitel 46 Die versunkene Welt

Kapitel 47 Die sechste Plage

Kapitel 48 Letzte Worte

Kapitel 49 Aufstieg

Kapitel 50 Kortum

IV

Kapitel 51 Tabula rasa I

Kapitel 52 Tabula rasa II

Kapitel 53 Tabula rasa III

Kapitel 54 Zu Neuem

Nachspiel Der reinigende Krieg

»Wenn du Salzsümpfe überquerst, soll es deine einzige Sorge sein, sie rasch und ohne Verzögerung hinter dir zu lassen.«

Sun Tsu ›Über die Kriegskunst‹ 9.7., Patrick Lindley

Das erste Buch

»Gelände, auf dem wir dem Untergang nur entgehen, wenn wir kämpfen, ohne zu zögern, ist hoffnungsloses Gelände.«

Sun Tsu ›Über die Kriegskunst‹ 11.10., Patrick Lindley

– Vorspiel –

In den Tiefen

Wie hatte das alles geschehen können?

Sie erinnerte sich nicht an jede Einzelheit, nicht an jedes Element der Ereigniskette; zu verschwommen und zu ungeordnet waren die vorüberziehenden Gedankenfragmente. Aber selbst ein klarer Blick auf das Gesamtbild hätte nichts an den Tatsachen geändert. Unterbewusst war ihr das vermutlich auch klar.

Eine Freundin hatte ihr einmal gesagt, dass es keine Zufälle gibt. Wenn das stimmte, war sie dann nur eine Marionette? Oder hätte sie den Lauf der Dinge an irgendeinem Punkt beeinflussen können? Sie wusste es nicht; und sie würde es nie erfahren. Im Durcheinander hinter ihrer Stirn war das die einzige Erkenntnis.

I

– Kapitel 1 –

Die Stille des Morgens

Die milde Sommernacht verging sanft in der Morgendämmerung, die dem wolkenlosen Himmel zu neuer Farbe verhalf und so den erwachenden Tag begrüßte.

Sie lag mit von sich gestreckten Armen am Rande des Pools und bewegte leicht die Beine, die bis knapp unterhalb der Knie im Wasser baumelten. Hoch oben zogen Vögel durch ihr Blickfeld, während ein Flugzeug Kondensstreifen hinterließ.

Sie war auf der Dachterrasse, die zum Penthouse ihrer Eltern gehörte. Die Partygäste hatten sich bereits vor geraumer Zeit verabschiedet oder nach und nach zurückgezogen, um etwas Schlaf zu suchen. Sie war allein draußen geblieben, um die Ruhe zu genießen, die sich ihr in diesen frühen Stunden hoch über den Dächern der Stadt offenbarte.

Das Penthouse befand sich in knapp 200 Metern Höhe – das Hochhaus gehörte ihrem Vater, der dort Büroräume und Lagerflächen vermietete – und war derart großzügig dimensioniert, dass man glauben konnte, man würde sich in einem Haus befinden, das von einem weitläufigen Garten umgeben war. Die Dachterrasse verfügte über Rasenflächen, einen kleinen Birkenhain, einen von Flieder und Lavendel gesäumten Pavillon und einen 20 mal 7 Meter großen Pool, welcher an einer der kurzen Seiten eine Besonderheit aufwies: Das Becken ragte vier Meter aus dem Grundriss des Hochhauses hervor. Es war aus einem Guss, bestand komplett aus glasklarem, mehrschichtigem Kunststoff von gut 20 Zentimetern Stärke und besaß eine Wassertiefe von eineinhalb Metern. Der Beckenrand lag nur wenige Zentimeter über der Wasseroberfläche – außer im freitragenden Bereich, wo die Beckenwände mit dem Geländer abschlossen, das die Dachterrasse umgab, um zusätzliche Sicherheit zu bieten. Die Tatsache, dass auch der Boden transparent war, sorgte für ein besonderes Erlebnis, sobald man über die sichtbare Außenkante des Hochhauses schwamm: Es war, als würde man fliegen.

Ein Windhauch berührte sie sanft und schenkte ihr eine Gänsehaut. Sie trug nur einen Bikini und darüber Shorts und ein Trägertop.

Gleich würde sie ins Bett gehen und friedlich schlafen; sie lächelte bei dem Gedanken. Schon seit langer Zeit hatte sie sich innerlich nicht mehr so wohlig leicht gefühlt, wie in diesem Moment – und das lag nicht nur am Alkohol.

Sie atmete tief ein und schloss die Augen, um sich auf eine Sirene zu konzentrieren, die irgendwo in der Stadt ertönte und deren Aufheulen nur schwach an ihre Ohren drang.

– Kapitel 2 –

Erste Erinnerungen

Nachdem sie aufgestanden war, hatte sie bei einem Rundgang die noch brennenden Kerzen und Teelichter gelöscht. Sie würde erst einmal in Ruhe schlafen und sich dann darum kümmern, alles wieder in Ordnung zu bringen, denn überall standen Gläser, Flaschen und Geschirr herum.

Sie hatte im Zuge der Partyvorbereitungen für ein mehr als üppiges Buffet mit kalten und warmen Speisen und einen Grundvorrat an verschiedenen Getränken gesorgt. Da Freunde von ihr Cocktails aller Art mixen konnten, hatte sich das Angebot schlagartig vervielfacht. Als im Laufe des Abends immer mehr Gäste spontan erschienen waren, hatten einige ihrer Freunde einen großen Grill, Kohle und allerlei Bratwürste, Steaks, Maiskolben, Grillkäse und andere Köstlichkeiten organisiert, um damit Nachschub für die hungrigen Mäuler bereitzustellen. Und so bunt wie die Verpflegung mit Getränken und Essen gewesen war, so facettenreich hatte sich die musikalische Untermalung gestaltet: Das Angebot hatte sich von Pop-Songs, Post-Rock, Downtempo und Hip Hop über Ska und Jazz bis hin zu Trance erstreckt; jeder hatte Wünsche äußern oder selbst DJ spielen können.

Grund für die Party war die Rückkehr ihres Freundes vor zwei Tagen gewesen. Er hatte zweieinhalb Monate lang eine Ausstellungsreihe in Neuseeland und Australien begleitet, an deren Organisation er beteiligt gewesen war – er hatte auch ein paar seiner eigenen Gemälde und Plastiken gezeigt. Die räumliche Trennung hatte ihr aus unerfindlichen Gründen mehr zugesetzt als sonst, trotz der täglichen Telefonate. Doch nun war die Zeit des unerfüllten Sehnens vorbei; und darüber war sie sehr glücklich.

Sie war 28, genau wie er. Für beide war es – im Nachhinein betrachtet – vor etwas mehr als drei Jahren Liebe auf den ersten Blick gewesen, als sie zufällig in einem Museum nebeneinander vor einer surrealen Plastik aus Bronze gestanden hatten. Unbewusst – oder doch bewusst – hatten ihre Augen den restlichen Besuch über einander gesucht und immer wieder gefunden. Irgendwann war er in den Raum gekommen, in welchem sie auf einer Eckcouch gesessen und in einem Ausstellungskatalog geblättert hatte, um sich über einige der Künstler zu informieren.

„Darf ich mich zu dir setzen?“ waren seine ersten Worte gewesen, begleitet von einem Lächeln.

Sie konnte sich noch genau an den Augenblick erinnern, was an der Mischung aus Panik, Verlegenheit – verursacht durch gefühltes Erröten im Gesicht und an den Ohren – und Herzrasen – einhergehend mit schnellerer Atmung und schwitzenden Händen – gelegen hatte. Nickend hatte sie geantwortet: „Klar.“

„Ich heiße Shinji.“

„Und ich bin Hinano.“

Sie hatten sich daraufhin über die Ausstellung unterhalten und Telefonnummern ausgetauscht, ehe sie nach einem Blick auf die Uhr hatte gestehen müssen, in einer Stunde einen Termin zu haben.

Das waren ihre ersten gemeinsamen Erinnerungen.

Hinano lief vorsichtig in das Penthouse und dort zur Eingangstüre, um zu überprüfen, ob sie abgeschlossen war. Sie versuchte dabei, möglichst niemanden zu wecken, denn einige Freunde und Bekannte hatten es sich hier und da mehr oder minder bequem gemacht und schliefen. Dann ging sie die Treppe hinauf in das erste Obergeschoss, wo sie sich im Badezimmer die Zähne putzte und dann auf Zehenspitzen in ihr Zimmer schlich, wo Shinji bereits seit etwa zwei Stunden schlief, da er noch mit der Zeitumstellung zu kämpfen hatte. Sie schloss langsam und lautlos die Türe, ehe sie die Shorts und das Trägertop ablegte, ihre schulterlangen Haare zu einem Pferdeschwanz band und im Bikini vorsichtig zu ihrem Freund unter die Decke kroch.

Shinji schien ihre Anwesenheit zu spüren, denn kaum war sie neben ihm, drehte er sich zu ihr und legte den Arm um sie, ohne dabei die Augen zu öffnen oder den Eindruck zu machen, durch ihre Bewegungen erwacht zu sein.

Sie genoss die Wärme seines Körpers und schmiegte sich an ihn, um seine Haut zu spüren, denn auch heute schlief er – wie ohnehin meist – lediglich mit Shorts bekleidet. Sie blickte nach rechts in sein Gesicht, das teilweise von seinen kinnlangen Haaren verdeckt wurde, und legte ihre linke Hand auf seinen Unterarm, der auf ihrem Bauch ruhte, und streichelte ihn sanft.

Sie lag noch eine Weile wach und schaute an die Zimmerdecke, dabei dem ruhigen Atem Shinjis lauschend und die damit einhergehende Bewegung seines Körpers registrierend, und ließ die Party Revue passieren – viele Leute hatte sie seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gesehen und mit einigen erstmals Bekanntschaft gemacht. Irgendwann fielen ihr die Augen zu und sie sank in einen tiefen und erholsamen Schlaf.

– I. Zwischenspiel –

Delirium

Ein kurzes Aufflackern der Umgebung drang an ihren Geist, doch nicht deutlich genug, um zu erkennen, wo sie war. Oder träumte sie? Lag sie möglicherweise gerade im Bett? Schlief sie vielleicht nach außen hin friedlich, obwohl das nicht der Fall war?

Hatte sie etwas gehört? Einen Schrei? Einen Schritt? Wasser, das auf Stein tropfte? Wind, der durch Gänge wehte? Ein undefinierbares Dröhnen, das ohne erkennbaren Ursprung die Luft erfüllte?

Kurz hatte sie den Eindruck, sie wäre unter Wasser und würde bereits das Licht an der Oberfläche sehen, nur um zu erkennen, dass es mehr als zwei Züge waren, die sie nach oben benötigte; ihre Lunge verlangte nach Sauerstoff und sie musste mit aller Kraft den Atemreflex unterdrücken, was ihren Hals schmerzen ließ.

Was war das für ein Geruch?

Sie hielt es nicht länger aus; ihr Brustkorb bebte, denn die Muskeln wollten Luft in die Lungenflügel saugen.

Der Geruch kam ihr bekannt vor, sie konnte ihn aber nicht einordnen.

Entgegen der Panik, die in ihr aufgestiegen war, gab sie dem Drang nach und holte Luft. Leider musste sie feststellen, dass sie kaum welche bekam, fast so, als würde sie durch einen Strohhalm atmen.

Schlief sie noch immer? War das ein weiterer Schrei? Rief jemand ihren Namen? Und wo war sie?

Alles schien sich zu drehen und dann wieder nicht. Völlig ohne Orientierung schwebte sie in dieser zähen Schwärze, nicht in der Lage, das Oben vom Unten zu trennen.

Schlagartig war sie sich sicher: Es war kein normaler Geruch – es war Gestank.

– Kapitel 3 –

Freunde

Quinn saß am gedeckten Tisch auf der Dachterrasse, trank ihren Kaffee und ließ die Gedanken schweifen. Hinter sich konnte sie hören, wie der leichte Wind das Wasser des Pools in Bewegung versetzte. Sie schob ihre Brille etwas nach oben und nahm einen Schluck.

Es war bereits Nachmittag und neben Hinano, Shinji und ihr waren nur noch Cala, Elio und Korbin anwesend, um beim Aufräumen zu helfen. Da lediglich kleine Handgriffe fehlten, ließ es jeder entspannt angehen; das kam allen sehr gelegen, denn die lange Nacht, der Alkohol und die Joints hatten ihre Spuren hinterlassen.

Quinn war seit einem Monat 29. Sie und Hinano kannten sich seit der zweiten Klasse. Obwohl sie nach der Schule einige Jahre getrennte Wege gegangen waren, war der Kontakt nie vollständig abgebrochen; ab und zu hatten sie sich Briefe oder E-Mails geschrieben und miteinander telefoniert. Vor vier Jahren hatte es sie zurück in diese Stadt verschlagen, und es war, als hätte es die Trennung nie gegeben.

Während Shinji sein Geld mit Ausstellungen und Verkäufen eigener Arbeiten zu verdienen versuchte – er hatte auch ein Atelier, das zugleich seine Wohnung war – und Hinano in einem Büro ihres Vaters arbeitete, hatte Quinn einen kleinen Laden, in welchem sie Schmuck verkaufte, den sie zum Großteil selbst entwarf. Zu ihren Tätigkeiten gehörten darüber hinaus Reparaturen und das Umarbeiten von älteren Stücken. Das Handwerk hatte sie von ihrem Großvater gelernt, der Goldschmied und Glasbläser gewesen war.

Sie schaute von der Kaffeetasse auf und sah Hinano, die gerade dabei war, im Wohnzimmer mehrere Decken zusammenzulegen. Im Hintergrund standen Shinji und Korbin im Durchgang zur Küche und unterhielten sich.

Das Penthouse besaß im unteren Bereich keine einzige Außenwand, die nicht aus Glas bestand, was der Architektur eine enorme Leichtigkeit verlieh und die beiden Obergeschosse wie eine Hütte wirken ließ, die auf Stelzen ruhte. Einige der oberen Räume waren ebenfalls mit gläsernen Außenwänden versehen, sodass man auch von dort den Blick über die Stadt schweifen lassen konnte. Per Knopfdruck ließ sich jede Wand einzeln undurchsichtig machen, wie Milchglas.

Im Untergeschoss gab es ein Esszimmer, die Küche, eine Gästetoilette und das Wohnzimmer, das den größten Teil der Grundfläche für sich beanspruchte. Mitten darin stand ein weißer Flügel. Im ersten Obergeschoss gab es ein Lesezimmer, ein großes Badezimmer mit Sauna, zwei Gästezimmer und ein Zimmer, das Hinanos Reich war, wenn sie nicht in ihrer Wohnung oder bei Shinji schlief. Hinanos Eltern hatten ein Schlafzimmer im zweiten Obergeschoss, wo es zusätzlich ein Heimkino gab, zwei Arbeitszimmer – eines für ihren Vater und eines für ihre Mutter –, ein weiteres Bad und einen begehbaren Kleiderschrank.

Quinns Blick wanderte nach links, wo sie Cala und Elio im Pavillon sitzen sah. Die beiden teilten sich eine Zigarette und genossen sichtlich die Ruhe.

Ihr war klar, dass sie zu einem bunten Haufen gehörte, doch in diesem Moment schien die Erkenntnis neu zu sein.

Da war Hinano. Ihr Vater war Japaner und ihre Mutter stammte aus Portugal. Sie konnte Klavier spielen – aber nicht so gut wie ihre Eltern, die das Instrument nahezu perfekt beherrschten – und zog leidenschaftlich gern mit der Kamera los, um Stimmungen und besondere Orte einzufangen. Ruhe fand sie beim gelegentlichen Meditieren und im Qigong.

Shinjis Eltern stammten beide aus Singapur, doch er trug, wie Quinn wusste, auch hawaiianisches und indonesisches Blut in sich – da seine Eltern lange Zeit in Japan gelebt hatten und er dort zur Welt gekommen war, hatte man sich für einen japanischen Namen entschieden. Er mochte alles, was irgendwie mit Kunst zu tun hatte, und war sehr sportlich, was nach und nach auf Hinano übergesprungen war. Er surfte, joggte und schwamm mit Begeisterung, genoss obendrein aber auch lange Radtouren, Tauchausflüge, mehrtägige Wanderungen oder eine halbe Stunde an den Gewichten.

Quinns Mutter, die dänische Vorfahren hatte, stammte aus Südafrika und ihr Vater aus Alaska. Von ihrer Mutter hatte sie das straßenköterblonde Haar, das sich nur schwer bändigen ließ, von ihrem Vater hingegen das handwerkliche Geschick. In ihrer Freizeit bastelte sie alles Mögliche und probierte mit Entzücken neue Dinge aus, die hier und da Einfluss auf Schmuckentwürfe hatten oder über fünf Ecken zu neuen Ideen führten. Einen Ausgleich fand sie beim Schwimmen und beim Joggen. Sie hatte eine Iris-Heterochromie, wobei das rechte Auge dunkelbraun war und das linke bernsteinfarben.

Die Dritte im Bunde war Cala, deren Haare aktuell kurz, strubbelig und dunkelrot gefärbt waren – am Hinterkopf stand ein längeres, zu einem Pferdeschwanz gebundenes Haarbüschel ab, bei welchem sie sich für Orange als Farbe entschieden hatte. Ihr Vater stammte aus Island und ihre Mutter von Haiti. Sie war 27 und trug eine Brille, da sie kurzsichtig war. Besonders auffallend waren an ihr zwei Dinge: Zum einen die grünen Augen und zum anderen ihre makellose, dunkle Haut, durch die ihre Augen noch mehr zur Geltung kamen.

Cala kannte Shinji durch einen Töpferkurs, den sie gemeinsam vor gut sechs Jahren absolviert hatten. Sie hatten anschließend für einige Wochen eine kleine Liebelei, die abrupt endete, als eines Tages Elio in ihr Leben trat; das änderte allerdings nichts an der entstandenen Freundschaft.

Elio war 28. Sein Vater stammte aus Argentinien, seine Mutter aus Schweden. Er konnte sich – genau wie seine Freundin – enorm für Aktivitäten wie Klettern, Tauchen und Basejumping begeistern. Er hatte kurz geschorene Haare und ausgesprochen wache Augen, die pausenlos die Welt zu ergründen schienen.

Cala und Elio hatten sich auf einer Party kennengelernt und waren sich schnell sicher gewesen, dass sie gemeinsam alt werden würden – das sagte auch jeder, der sie nur einmal zusammen gesehen hatte, denn ihr Umgang miteinander sprach diesbezüglich Bände.

Und dann gab es noch Korbin. Er war 29, hatte Dreads, die ihm fast bis zu den Schultern reichten, und zahlreiche Tätowierungen, die sich über seinen gesamten Körper verteilten. Seine Mutter stammte aus Indonesien und sein Vater aus Australien. Er surfte für sein Leben gern, tauchte, betrieb Parkour und Wakeboarding; und er sprang gern von Klippen. Er drehte zusammen mit Freunden – darunter auch Surfer, Skateboarder und Bike-Trial-Profis – einschlägige Videos, die sie mit Musik untermalten und über das Internet verbreiteten; oder sie brannten DVDs, welche sie überall verteilten und hinterlegten, wo es ihnen gerade in den Sinn kam. Man verkaufte auch spezielle Editionen und zog sich den einen oder anderen Sponsorenvertrag an Land – so finanzierte er sein Leben.

Korbin und Shinji kannten sich seit mehr als 10 Jahren. Sie waren sich eines Tages beim Surfen in Chile begegnet und hatten festgestellt, dass ihr jeweiliger fester Wohnsitz in derselben Stadt lag, was den Beginn einer innigen Freundschaft markierte.

So hatte sich die Gruppe nach und nach vergrößert, bis sie auf die aktuell sechs Leute angewachsen war, von denen jeder sagen konnte, dass die anderen die mit Abstand besten Freunde waren. Cala, Elio und Korbin waren hierbei mehr die Herumtreiber und Globetrotter, während Hinano und Quinn den sesshafteren, ruhigeren Teil bildeten; Shinji befand sich mal auf der einen, mal auf der anderen Seite.

Bei den Frauen verhielt es sich so, dass Quinn vom Auftreten und ihrem Stil her die wohl weiblichste von ihnen war. Cala, die es sich nicht nehmen ließ, ab und an in ein Kleid zu schlüpfen und hochhackige Schuhe zu tragen, war aufgrund ihrer Interessen eher diejenige von ihnen, die kein Problem damit hatte, auch mal kräftiger zuzupacken. Die, die sie nicht näher kannten, sahen meist nur die etwas raue Fassade, wohingegen ihre Freunde wussten, dass sie im Inneren eine selbstbewusste Frau war, die mit ihrem Körper im Einklang stand und das auch gerne zeigte; mit Make-up ging sie allerdings sehr sparsam um. Hinano unterschied sich von Quinn und Cala dahingehend, dass sie sich noch nie viel aus Kleidern gemacht hatte. Sie besaß zwar einige, doch das nur wegen Anlässen, bei denen es, zumindest ihrer Meinung nach, unpassend war, kein Kleid zu tragen – wenngleich sie sich darin alles andere als wohl fühlte. Hochhackige Schuhe hingegen nannte sie nicht ihr Eigen; sie hasste es, in ihnen zu laufen. Sie trug fast ausschließlich Sneaker – und fand für jedes Outfit schnell ein passendes Paar. Hätte ihr Wesen mehr dem von Cala entsprochen, hätte man sie leicht für einen Tomboy halten können.

Korbin war wohl am ehesten so etwas wie ein Surfertyp und Aussteiger, jemand, der in den Tag hinein lebte und das Leben genoss, allerdings immer unter der Voraussetzung, halbwegs zu wissen, was am nächsten Tag sein würde. Er war eine treue Seele und schien an nahezu jedem Ort der Welt irgendjemanden zu kennen. Elio war das perfekte Gegenstück zu Cala – und ihr Ruhepol. Er strahlte generell Ruhe auf die Menschen in seiner Umgebung aus, wenngleich man ihn aufgrund seines Erscheinungsbildes fälschlicherweise für einen üblen Kerl hätte halten können, der nur die nächste Schlägerei provozieren wollte.

Shinji war ebenfalls der eher ruhige Typ, wobei er sich das über die Jahre hinweg selbst beigebracht hatte, denn in seiner Jugend war er keiner Konfrontation aus dem Weg gegangen; im Gegenteil, streckenweise war er einzig auf Ärger aus gewesen. Aber nun versuchte er, dem eingeschlagenen, friedlichen Weg zu folgen, ohne sich in gewissen Situationen unnötig aus der Ruhe bringen zu lassen.

Quinn musste bei diesen Gedanken zugeben – und mit dieser Meinung war sie nicht allein –, dass sie ein durchschnittlicheres Leben führte als die anderen, was in erster Linie mit ihrem Beruf zusammenhing, zumal ihr Laden stets etwas Gewinn abwarf. Shinji hingegen reiste umher, stellte aus, organisierte und verkaufte, doch letztendlich blieb es eine Nullnummer. Sie machten gerne Witze darüber, dass er nur noch nicht verhungert war, weil Hinano ihn durchfütterte. Hinano verdiente zwar Geld, doch war sie durch ihre Stelle indirekt an so manchen zwielichtigen Geschäften ihres Vaters beteiligt, was ihrer Tätigkeit jegliche Normalität absprach. Elio und Cala kamen irgendwie über die Runden, auch wenn ab und zu keiner von beiden sagen konnte, wie sie die letzte Woche überstanden hatten. Korbin konnte stets seine Miete bezahlen, auch wenn sich keiner so wirklich einen Reim darauf machen konnte, wie er das schaffte – vielleicht unterschätzten sie einfach den Markt, den er bediente.

„Dein Kaffee wird kalt, wenn du ihn nur anstarrst“, sagte Hinano, die sich barfuß näherte.

Quinn sah auf. Sie fühlte eine angenehme Schwere, die sie in den Stuhl zog.

Hinano hatte eine Narbe, die vom linken Wangenknochen in einem Bogen nach oben bis dicht an ihr Auge reichte und besonders dann auffiel, wenn sie lachte. Die Narbe stammte von einem Treppensturz mit 10 Jahren. Sie hatte sich nie an diesen Makel gewöhnt; und in ruhigen Momenten vor dem Spiegel wurde ihr immer wieder bewusst, wie sehr sie diese Narbe störte. Wenn es nach ihr ginge, hätte es auch etwas mehr Oberweite sein dürfen, denn sie fand sich, beispielsweise im Vergleich zu Quinn und Cala, doch recht spärlich ausgestattet – wenngleich ihr Shinji nicht den geringsten Grund für solche Gedanken gab.

Hinano schenkte sich etwas Orangensaft in ein Glas und nahm einen Schluck, ohne sich zu setzen. Sie spürte, wie abwesend Quinn war. „Ist alles in Ordnung?“

„Ihr werdet irgendwann die schönsten Kinder der Welt haben“, sagte Quinn aus heiterem Himmel.

Hinano hielt irritiert in ihrer Bewegung inne und hob die Augenbrauen. „Wie kommst du denn jetzt darauf?“

Quinn zuckte mit den Schultern. „Schaut euch an. Du siehst irre aus. Und von Shinji will ich gar nicht erst reden.“

Hinano hatte keine Ahnung, was sie darauf antworten sollte.

„Ist das eigentlich schon Thema?“

„Kinder?“ Hinano drehte einen der Stühle zur Seite, setzte sich und streckte die Beine aus.

Quinn nickte.

Hinano schüttelte den Kopf. „Also, wir sprachen schon darüber, aber das kann noch zwei oder drei Jahre warten. Immerhin leben wir nicht mehr im 17. Jahrhundert. Aber wenn es zufällig passieren sollte, wäre es auch okay. Wir legen es nur nicht darauf an.“

„Wer legt was worauf nicht an?“ wollte Cala wissen, die sich zu ihnen gesellte und nur den letzten Satz mitbekommen hatte.

Hinano schaute über ihre Schulter zu Cala und sah, wie Elio hinter ihr im Penthouse verschwand. „Shinji und ich legen es nicht darauf an, dass ich in nächster Zeit schwanger werde.“

„Das tun Elio und ich auch nicht“, sagte Cala und setzte sich auf einen der freien Stühle.

„Und wenn es passiert?“ fragte Hinano, trank etwas Orangensaft und stellte das Glas auf den Tisch.

Cala verschaffte sich einen kurzen Überblick über die Dinge, die noch auf dem Tisch zu finden waren, und nahm eine Scheibe Käse. Sie zuckte mit den Schultern. „Dann würden wir es irgendwie schaffen, gute Eltern zu sein.“ Sie riss ein Stück Käse ab und aß es. „Aber eine finanzielle Grundlage wäre nicht schlecht.“ Sie warf einen Blick zu Quinn. „Und ihr?“

Quinn machte ein erschrockenes Gesicht. „Dafür sollten wir erst einmal wissen, was wir wollen.“

„Wisst ihr das immer noch nicht?“ wunderte sich Hinano.

Quinn schüttelte den Kopf.

„Das bringt aber weder dich noch Korbin weiter“, warf Cala ein. „Das geht ja schon eine ganze Weile.“

„Über drei Monate“, sagte Hinano.

Quinn nickte. „Ich weiß.“ Sie seufzte.

Cala wunderte sich. Sie sah Quinn und Hinano regelmäßig und sie sprachen über alles Mögliche, aber ihre Beziehungen waren aus unerfindlichen Gründen relativ selten das Thema; dazu brauchte es besondere Momente wie diesen.

„Was hält euch denn davon ab, fest miteinander zu gehen?“ wollte Hinano wissen. „Ich meine, keiner von euch geht mit anderen aus. Ihr seid quasi für jeden um euch herum ein Paar.“

„Irgendwie sind wir hin- und hergerissen.“

„Habt ihr vielleicht Angst, dass es nicht mehr so interessant ist und in Routine übergeht, sobald ihr es offiziell macht?“

„Irgendwie schon. Wenn ich an meine letzten Beziehungen denke ...“

Hinano und Cala schwiegen. Quinn hatte mehrmals die Erfahrung machen müssen, betrogen und fallen gelassen zu werden. Sie wurde auf Händen getragen und im nächsten Augenblick wie Dreck behandelt; das prägte.

„Man soll sich ja aus so etwas heraushalten, aber wir reden hier von Korbin“, begann Cala. „Schief gehen kann es immer. Aber er wird nie so einen Scheiß abziehen.“ Sie aß ein weiteres Stück der Käsescheibe.

„Wenn ich mich ganz darauf einlasse, verliere ich die Kontrolle“, erklärte Quinn. „Ihr teilt sie euch“, berichtigte Hinano.

Quinn zuckte mit den Schultern. Sie war skeptisch.

„Ihr macht das schon“, sagte Cala und verspeiste die restliche Käsescheibe.

Hinano lächelte Quinn zu. „So einfach kannst du eh nicht mehr zurück. Das weiß ich, das weiß Cala und du weißt es auch. Du kannst nur nach vorn.“

„Ein gutes Stichwort“, sagte Cala und erhob sich. „Während die Herren Männergespräche führen, und das tun sie definitiv, könnten wir eine Runde schwimmen. Und wir sollten das Thema erst einmal lassen. Wer weiß, welch erlesene Ratschläge Korbin eben bekommt.“

„Das macht mir ja Hoffnung“, sagte Quinn und lachte, diesmal mit strahlendem Gesicht.

Hinano stand auf. „Ich hole schnell für jeden ein Badehandtuch.“ Damit lief sie ins Penthouse.

„Ich habe meinen Bikini drunter“, sagte Quinn, als sie bemerkte, dass Cala auf sie zu warten schien.

„Dann bis gleich“, sagte Cala und folgte Hinano.

Quinn sah ihr nach und nahm einen Schluck Kaffee, der mittlerweile nur noch lauwarm war.

Vielleicht hatten die beiden ja Recht und zwischen ihr und dem gemeinsamen Glück mit Korbin stand einzig ihre Angst.

– Kapitel 4 –

Rückblick I

Das gegenseitige Kennenlernen von Hinano und Shinji gestaltete sich schwieriger, als es das unter normalen Umständen getan hätte. Der hierbei ausschlaggebende Faktor war Hinanos Vater, der versuchte, schützend die Hände über seine Tochter zu halten, was in Bezug auf Shinji besonders ausgeprägt war. Er konnte es sich nicht verzeihen, dass er etwa ein Jahr vor Hinanos Museumsbesuch – und damit ihrer ersten Begegnung mit Shinji – nicht zur Stelle gewesen war, als sie ihn am dringendsten gebraucht hätte:

Eines Nachts waren Hinano und ihr damaliger Freund – beide gut angetrunken – von einer Party zurück in Hinanos Wohnung gekommen. Nachdem sie ihrem Freund, mit dem sie seit sechs Monaten ein Paar war, mehrmals gesagt hatte, dass sie nicht in der Stimmung für Sex sei, hatte dieser mit Flüchen und Beleidigungen begonnen und dann ohne Vorwarnung auf sie eingeschlagen und auch nicht aufgehört, als sie zu Boden gegangen war und schützend die Arme über den Kopf gehalten hatte. Irgendwann hatte er von ihr abgelassen.

Hinano fand erst reichlich acht Stunden später wieder zu Bewusstsein und schleppte sich unter Schmerzen zum Telefon, um ihren Vater zu verständigen – ihre Eltern waren für einen spontanen Kurzurlaub für ein paar Tage aus der Stadt. Ihr Vater verständigte einen seiner Männer, der Hinano ins Krankenhaus bringen sollte, und brach den Urlaub ab.

Sie konnte sich nicht daran erinnern, was nach dem ersten Schlag, der sie mitten im Gesicht getroffen hatte, geschehen war. Sie hatte am ganzen Körper Prellungen, eine Platzwunde am Hinterkopf, ein blaues Auge, eine aufgeplatzte Unterlippe und einen gebrochenen Ringfinger an der linken Hand. Zu ihrer Erleichterung gab es keine Hinweise auf eine Vergewaltigung.

Unter Tränen erzählte sie ihren Eltern, woran sie sich erinnern konnte. Zwei Tage später verschwand ihr Exfreund, der sich weder für den Vorfall entschuldigt noch irgendeine Reaktion gezeigt hatte, auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle. Keiner wusste, wo er war; es hatte auch niemand etwas gesehen oder gehört, das Rückschlüsse auf seinen Aufenthaltsort zugelassen hätte. Hinano wusste aber genau, weshalb er verschwunden war und dass man ihn nicht finden würde; dafür brauchte sie keine Bestätigung, denn die Antwort lag allein im Blick ihres Vaters.

Offiziell verfolgte der Vater von Hinano Geschäfte im Immobilienbereich, inoffiziell zogen sich die Fäden seiner Geschäftsbeziehungen jedoch bis in die Unterwelt, denn zahlreiche Freunde aus alten Tagen hatten sich in der organisierten Kriminalität einen Namen gemacht. Und eben jenen Leuten tat er hier und da einen Gefallen, welcher mit der einen oder anderen Gefälligkeit ihrerseits abgegolten wurde. Letztendlich konnte man es so zusammenfassen: Beziehungen schadeten nur denen, die keine hatten; und er hatte viele.

Der Zwischenfall jenes Abends war nur wenigen Personen bekannt: Ihrem Vater, ihrer Mutter, dem Mitarbeiter ihres Vaters, mit dem sie ins Krankenhaus gefahren war, und Shinji, dem sie sich anvertraut hatte, nachdem sie zusammengezuckt und in Tränen ausgebrochen war, als er sich von hinten angeschlichen und ihr über die Wange gestreichelt hatte. Für alle anderen hatte sie spontan verreisen müssen, weil ein Verwandter verstorben war. Je weniger davon wussten, desto besser, denn man wollte keinesfalls das Risiko eingehen, dass jemand zu neugierig wurde und die Nase in Dinge steckte, die niemanden etwas angingen.

Und dann saß Shinji neben ihr und sie tauschten Nummern. Drei Tage später rief er sie an und verabredete sich mit ihr, um gemeinsam in einem Park spazieren zu gehen und danach eine Ausstellung zu besuchen. Was keiner von beiden wusste: Zwei von den Männern ihres Vaters beschatteten sie unabhängig voneinander, und das über die folgenden drei Wochen. Da es allerdings keinen Zwischenfall gab und auch kein Anzeichen dafür, dass Shinji die gleiche Art von Mann war wie Hinanos Exfreund, stoppte ihr Vater die Aktion – und behielt das Wissen darüber für sich, zumal keiner der beiden Verdacht geschöpft hatte.

Nachdem sie Shinji in das Geheimnis eingeweiht hatte, bat sie ihn, ihr Zeit zu geben. So vergingen einige Wochen mit Treffen, Unternehmungen und Telefonaten bis tief in die Nacht hinein.

Irgendwann verbrachten sie einen Filmabend bei Hinano – ihr Vater hatte sich direkt nach dem Vorfall um eine neue Wohnung für seine Tochter gekümmert und den Umzug organisiert. Als sie sich zum Abschied an der Türe geküsst hatten, ließ sie Shinjis Hand nicht los. Sie fragte: „Würdest du vielleicht doch bleiben?“

Er spürte, wie aufgeregt sie war und dass sie diese Frage Überwindung gekostet hatte, wobei er nicht wusste, ob es allgemein an der Situation zwischen ihnen lag oder an dem, was ihr passiert war. Er lächelte nur und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, um im Anschluss daran wieder in die Wohnung zu treten und die Türe hinter sich zu schließen.

Sie machten sich in der Küche Tee und gingen dann in ihr Schlafzimmer, wo sie sich noch eine ganze Weile unterhielten, während Hinano mit dem Rücken an Shinjis Brust geschmiegt auf dem Bett vor ihm saß. Er hatte beide Arme um sie gelegt, was ihr das Gefühl von tiefer Geborgenheit gab.

Die Nachttischlampe war die einzige Lichtquelle. Da die CD, die Hinano eingelegt hatte, seit Ewigkeiten zu Ende war, konnten sie den Wind hören, der draußen durch die Straßen wehte.

Irgendwann schloss Hinano die Augen und schlief ein.

Shinji, der ihre veränderte Atmung und das Verschwinden der Körperspannung registrierte, löste sanft die Umarmung und rutschte etwas nach vorn – Hinano dabei vorsichtig halb schiebend und halb hebend –, um eine bequemere, mehr liegende Haltung einzunehmen. Er schob ein zweites Kissen hinter seinen Rücken, legte die Arme wieder um Hinano und streckte sich etwas nach links, um an die Nachttischlampe zu kommen und diese auszuknipsen. Er lag noch eine Weile wach, ehe ihn die Müdigkeit in einen angenehmen Schlaf geleitete.

Als Shinji am nächsten Morgen erwachte, richtete er sich vorsichtig auf und sah nach rechts, wo Hinano ihm zugewandt schlief. Sie hatte den Kopf auf ihre Hände gelegt und wirkte vollkommen entspannt und friedlich. Entweder hatten sie sich irgendwie im Schlaf getrennt oder Hinano war kurz aufgewacht und zur Seite gerutscht. Er blickte sich um und sah auf ihrem Nachttisch mit der Lampe die leeren Teetassen und daneben Akiyuki Nosakas „Das Grab der Leuchtkäfer“ und ein Notizheft. Oder war es ein Tagebuch?

Das Zimmer war schlicht eingerichtet: Ein großes Bett, ein überaus simpel und modern wirkender Schrank aus Echtholz, eine große Kommode, über der ein Spiegel hing, ein kleiner Tisch mit einem Stuhl und ein hellgrauer Teppich mit rotem Rand, der direkt vor dem Bett in der Mitte des Raumes lag, dessen Boden – genau wie der im Rest der Wohnung – aus rustikal wirkenden Dielen bestand.

Shinji blickte nach rechts zu den beiden Fenstern. Auf den Fensterbrettern stand je eine Vase mit frischen Blumen. Draußen sah er nur trüben Dunst; es schien zu nieseln.

Hinano streckte sich genüsslich und öffnete die Augen, woraufhin sich ihre Blicke trafen. Ein Lächeln umspielte für einen Moment ihre Lippen. Doch dann verschwand es und wich einem Ausdruck zwischen Aufregung und Sorge.

Shinji war irritiert und wollte gerade etwas sagen, als sie zu ihm rutschte und dann innehielt. Er hörte, dass sie etwas schneller atmete. Vermutlich schlug ihr in diesem Augenblick das Herz so bis zum Hals, wie es das seine tat, während sich ein wohliges Kribbeln in seinem Bauch ausbreitete.

Er bewegte sich auf sie zu und küsste sie auf den Mund. Zeitgleich nahm er ihre Hand – sie fühlte sich kalt an – und verschränkte die Finger mit den ihren.

An diesem Morgen schliefen sie das erste Mal miteinander. Es war für beide neu und aufregend, da sie sich so noch nicht kannten; und es fühlte sich richtig an.

– Kapitel 5 –

Pläne

„Was macht ihr in der nächsten Zeit?“ Hinano hatte die Frage auch an Quinn gerichtet, schaute aber nur zu Cala, die rechts von ihr stand, die Stirn an die Poolwand gepresst hatte und in die verzerrte Tiefe unter dem freitragenden Bereich sah.

„Irgendwie an Geld kommen“, antwortete Cala, die den Blick nicht von der Straße nahm. Obwohl sie schon oft in diesem Pool gewesen war, war es immer wieder aufregend, hier zu stehen und darauf zu vertrauen, dass die Konstruktion hielt, denn allein das Wasser besaß ein ungeheures Gewicht. „Wie gehabt.“ Sie lachte. „Wieso?“

„Ich habe mir zwei Wochen Urlaub genommen und dachte, je nachdem, was ihr treibt, dass wir uns für paar Tage anschließen könnten. Shinji weiß noch nicht einmal, dass ich frei habe.“ Sie sah nach links zu Quinn. Hatte sie die Frage mitbekommen? „Und du?“

Quinn, die mit dem Rücken an der Poolwand lehnte, sagte: „Aufträge abarbeiten und endlich neue Entwürfe umsetzen.“ Sie schaute zu Cala und dann zu Hinano. „Wir können doch alle zusammen etwas unternehmen.“

„Keine schlechte Idee“, fand Cala. „Ein Tapetenwechsel würde Elio und mir gut tun.“

Hinano sah zu Cala. „Was ist mit eurer Wohnung?“ Sie wusste nur, dass Cala und Elio bei einer Freundin von Cala untergekommen waren, die mit ihrem Freund seit einer Woche auf einer Reise quer durch Europa und Asien war, für die sie ein halbes Jahr angesetzt hatten.

„Lauras Eltern zahlen die Miete.“ Cala drehte den Kopf zur Seite, ohne die Stirn von der Poolwand zu lösen. „Und wir passen derweil auf.“

„Ein Kurztrip wäre klasse“, sagte Hinano. „Dann wären wir drei ein paar Tage gemeinsam unterwegs und hätten viel Zeit zusammen. Das letzte Mal ist ja schon Ewigkeiten her.“

Cala nickte.

„Und wohin soll es gehen?“ fragte Quinn.

Cala zuckte mit den Schultern und blickte wieder hinab in die Häuserschlucht. „Das müssen wir ausdiskutieren.“

„Keine Angst, Korbin bekommen wir auch ins Boot, damit du nicht allein bist“, scherzte Hinano und stieß mit ihrer Schulter Quinn leicht von der Seite an.

Quinn sagte nichts; aber ihre errötenden Ohren sprachen Bände.

Etwa eine Stunde später saßen die sechs Freunde im Kreis auf dem Rasen vor dem Pavillon und aßen Eis, welches Elio in einer Eisdiele gekauft hatte, die sich zwei Straßen weiter befand und in der es das beste Eis weit und breit gab. Jeder genoss schweigend seine vier Eiskugeln – Vanille, Kokos, Kirsche und Limette –, die Schlagsahne, das Waffelröllchen und die bunten Zuckerstreusel.

Elio zwinkerte Cala zu, was sie mit einem Lächeln beantwortete. Sie wussten beide, dass sie von allen diejenigen waren, bei denen es finanziell immer am schlechtesten aussah. Es war zwar nie Thema und sie wussten auch, dass ihnen keiner der anderen deshalb Vorhaltungen machte, aber eine Gelegenheit wie diesen Nachmittag nutzten sie gerne, um ihren Freunden etwas zurückzugeben. Unter vier Augen hatte sich jeder der beiden schon öfter mitgeteilt und stets waren ihre Bedenken als unbegründet bezeichnet und mit einer Umarmung beantwortet worden; leider blieben die Zweifel im Hinterkopf bestehen, daran konnten weder Worte noch Gesten etwas ändern.

„Vorhin kamen wir auf die Idee, mal wieder etwas gemeinsam zu unternehmen“, sagte Quinn und sah von ihrem Eisbecher auf.

Shinji legte die Stirn in Falten. „Tun wir das nicht seit gestern?“

Auch Korbin war verwundert, was sein Gesichtsausdruck verriet.

„Quinn meinte einen längeren Ausflug“, sagte Cala und schaute zu Elio, der bis eben auch nicht gewusst hatte, worum es ging. „Ein paar Tage. Ein Kurzurlaub.“

Hinano leckte ihren Löffel ab. „Also ich finde die Idee super.“

Korbin, der mit seinem Eis fertig war, lehnte sich zurück und stützte sich mit den Händen ab. „Ich schätze, ich mache das vom Ziel abhängig. Wohin soll die Reise denn denn gehen?“

Hinano sah zu Quinn und sofort wieder weg, nachdem sich ihre Blicke getroffen hatten; sie wollte ihre Freundin nicht wieder in Verlegenheit bringen, obwohl ihr ein Spruch auf der Zunge lag. Sie lachte innerlich.

Cala, die auch mit ihrem Eis fertig war, stellte den Becher vor sich ins Gras. „Deshalb sitzen wir hier. Das müssen wir besprechen. Und den Zeitpunkt.“

„Welcher Tag ist heute eigentlich?“ fragte Elio.

„Sonntag“, antwortete Shinji, der den Rest des geschmolzenen Eises aus seinem Becher löffelte.

Korbin schaute zu ihm. „Ich weiß, dass ich dich das gestern schon fragte, aber an die Antwort kann ich mich nicht erinnern: Wie lange bleibst du?“

„Mindestens vier Wochen, tendenziell eher sechs“, antwortete Shinji. „Und in der Zeit will ich so wenig wie möglich von ihrer Seite weichen.“ Damit beugte er sich zu Hinano und küsste ihre Schulter.

Hinano strahlte. Diese kleine Geste ließ ihr Herz schneller schlagen und erinnerte sie daran, was sie in den letzten Wochen so vermisst hatte. Sie stellte ihren leeren Becher neben den von Cala. „Aus genau dem Grund habe ich ab morgen zwei Wochen Urlaub.“

Shinji sah freudig überrascht zu Hinano und sagte: „Da wäre ein Ausflug in der Tat eine feine Sache.“

Trotz seiner positiven Reaktion fühlte sie sich etwas unwohl. Hatte ihn die Sache überrollt? Er war seit zwei Tagen zurück und wollte garantiert erst einmal Zeit mit ihr allein genießen. Diese Sehnsucht konnte Hinano verstehen, denn sie teilte das Verlangen nach Nähe und Zweisamkeit. Auf der anderen Seite würde es ja nicht direkt morgen losgehen. Sie merkte, dass sie wieder zu viel nachdachte.

Hinano rutschte hinter Shinji, schmiegte sich an ihn und schlang die Arme um seine Taille. Ihr Kinn bettete sie auf seine linke Schulter.

Quinn sah in die Runde. „Ich sperre meinen Laden einfach für ein paar Tage zu.“ Damit stellte sie ihren leeren Becher zur Seite.

„Und wir schaffen es irgendwie“, sagte Elio lachend und nickte Cala zu.

„Das Eis war lecker“, bedankte sich Shinji und stellte als Letzter den Becher ab. Er schmiegte seine Wange an die von Hinano und nahm ihre Hände in die seinen.

Korbin warf einen Blick auf seine Uhr. „Verdammt, ich muss langsam los. Ich wollte mich noch mit einem Kumpel treffen.“

Cala schaute zu ihm und fragte: „Wie spät ist es denn?“

„Gleich fünf.“

An Elio gewandt fragte sie: „Verschwinden wir auch?“

Er nickte und erhob sich, woraufhin alle aufstanden.

Quinn wäre gern geblieben, um eine weitere Runde zu schwimmen und sich mit Hinano zu unterhalten, doch ohne die anderen hätte sie sich fehl am Platz gefühlt – obgleich Hinano und Shinji definitiv keine Einwände gehabt hätten. Und so sagte sie: „Dann schließe ich mich an.“

Sie verabschiedeten sich an der Wohnungstüre, wo Shinji und Hinano nochmals jedem für das Erscheinen bei der Party dankten.

„Dann bis Dienstag bei uns, wie abgemacht“, sagte Cala, die als Erste hinaus auf den Gang trat. Dort konnte man den Fahrstuhl benutzen oder durch eine Brandschutztüre ins Treppenhaus gelangen.

„Ich bin schon auf eure Ideen gespannt“, sagte Hinano und schloss Quinn herzlich in die Arme.

Elio trat zu Cala und nahm ihre Hand. „Lasst euch etwas Gutes einfallen!“

„Machen wir“, versicherte Hinano.

Korbin boxte Shinji leicht gegen die Brust und verließ die Wohnung. „Ich kann euch mitnehmen und absetzen“, sagte er zu den anderen. „Wäre nur ein kleiner Umweg. Und die Zeit habe ich noch.“

Quinn umarmte Shinji und winkte ihm und Hinano zu, als sie Richtung Fahrstuhl lief, wo Cala bereits den Knopf gedrückt hatte.

Hinano ließ die Türe ins Schloss fallen. Sie sah Shinji in die Augen. Nun waren sie allein. Ihre Eltern waren noch einige Tage unterwegs. Sie durfte nicht vergessen, kurz bei ihnen anzurufen, um sie über die Ausflugspläne zu informieren und zu fragen, wann mit ihrer Rückkehr zu rechnen war.

Shinji trat dicht an Hinano heran, umfasste sie an der Taille und küsste sie sanft zwischen Hals und Schlüsselbein.

Sie bekam eine Gänsehaut. „Du hast mir gefehlt“, sagte sie flüsternd und griff hinter sich, wo sie den Schlüssel im Schloss der Türe ertastete und diese absperrte.

Sein Blick wanderte von ihren strahlenden Augen zu ihrem Mund und wieder zurück. „Du mir auch.“

Daraufhin begaben sie sich Hand in Hand und voller Vorfreude nach oben in Hinanos Zimmer.

– II. Zwischenspiel –

Dolor

In den Wirren ihres undefinierbaren Dämmerzustands drang aus allen Richtungen etwas zu ihr, das sie zunächst nicht einzuordnen vermochte. Nach wie vor vernahm sie Dinge, die sie nicht deuten konnte; vielleicht wäre es ihr gelungen, wenn ihr Geist länger in der Lage gewesen wäre, sich damit zu befassen. Verschwommene und zugleich grobkörnige Lichter schwebten vor ihr, um sofort wieder in der stillen, zähen Finsternis zu verschwinden wie die Geräusche aus der unbekannten Ferne. All das war durch die unstete Art noch zu ertragen, der Gestank jedoch schien mit jedem Atemzug übler zu werden – was aber nicht an einer zunehmenden Intensität lag, sondern an der schrecklichen Beharrlichkeit.

Und dann war da jener neue Eindruck, der wie ein Nebel durch ihren Leib schwebte und an jeder Nervenfaser seine Spuren hinterließ, die mit jedem Erscheinen und Aufflammen weniger flüchtig wurden. Zugleich nahm das Chaos in ihrem Kopf immer deutlichere Strukturen an, bis sie erkennen konnte, was sich da zu ihr gesellt hatte: Schmerz.

– Kapitel 6 –

Rückblick II

Hitoshi Hanamori war mit einer Körpergröße von 1,81 Meter für japanische Verhältnisse außerordentlich groß – Hinano lag mit 1,71 Meter ebenfalls über dem Durchschnitt, obwohl ihre Mutter ganze neun Zentimeter kleiner war. Hinzu kam, dass er einen stämmigen Körperbau besaß, sodass er Ehrfurcht erweckte, wo immer er auftauchte. Er war glücklich, dass Hinano den Angriff ihres Exfreundes überlebt und keine bleibenden Schäden davongetragen hatte. Dass ihn eine Mischung aus Schuldgefühlen, erhöhter Vorsicht und gesteigertem Misstrauen dazu veranlasste, Shinji überaus kritisch zu beäugen, konnte Hinano zwar verstehen, aber nicht akzeptieren. Da sie wusste, dass ihr Vater ein Dickkopf war, entschuldigte sie sich mehrmals bei Shinji für dessen Verhalten, betonte aber, dass es besser werden würde; ihr Vater benötigte einfach Zeit. Ihre Mutter hingegen hatte Shinji direkt bei der ersten Begegnung in ihr Herz geschlossen – was Hitoshi völlig kalt ließ. Sie konnte nicht sagen, weshalb es so war, aber sie fühlte etwas zwischen Shinji und ihrer Tochter, das es so bei Hinanos Exfreunden nicht gegeben hatte. Vielleicht war es mütterlicher Instinkt.

So kam es, dass sich die recht eisige Stimmung schrittweise verbesserte und Shinji bei seinen Besuchen immer weniger das Gefühl hatte, lediglich ein geduldeter Gast zu sein. Doch innerlich ließ ihm die Situation keine Ruhe, denn er liebte Hinano und wollte sich nicht fühlen, als stünde er dauerhaft unter Beobachtung, als würde man nur darauf warten, dass er einen Fehler beging. Er konnte die Sorgen ihres Vaters ja nachvollziehen, denn er hätte, wenn er ehrlich war, nach dem Vorfall genauso reagiert. Auf der anderen Seite fehlte ihm ein Beweis, wirklich willkommen zu sein; mitunter war er vor einem Treffen aufgeregter, als bei so mancher Prüfung, die er durchlaufen hatte.

Weil er diesen Umstand nicht länger hinnehmen wollte, suchte er nach einer Lösung; eines Morgens hatte er den passenden Einfall.

„Ist Herr Hanamori zu sprechen?“ fragte Shinji die Sekretärin, nachdem er sich vorgestellt hatte.

Hinter ihrem Schreibtisch, dessen Form einen Bogen beschrieb, befand sich eine große Flügeltüre, die zum Büro von Hinanos Vater führte. Die schwarzbraunen, fein gemaserten und auf Hochglanz polierten Türflügel verfügten jeweils über eine Holzintarsie. Gezeigt wurde eine vereinfachte Blumenblüte in einer Raute, die von zwei Linien begrenzt wurde. Über und unter der Blüte befand sich je ein kleiner Kreis. Die Struktur der für die Einlegearbeiten genutzten, beigefarbenen Holzsorten fügte sich derart gut ein, dass man nur aus nächster Nähe die minimalen, natürlichen Unterschiede ausmachen konnte.

Shinji trug einen seiner besten Anzüge – schwarzblaues Jackett, schwarzblaue Hose, dunkelgraues Hemd, eine pastellblaue Krawatte und dazu schwarze Lederschuhe. Da er aus dem Gedächtnis heraus nur einen einfachen Krawattenknoten beherrschte, hatte er recherchiert und sich für einen Trinity-Knoten entschieden, da er einen besonderen Eindruck machen wollte. Allerdings hegte er in diesem Moment Zweifel, ob die Idee die beste gewesen war; vor dem Spiegel hatte alles stimmig und elegant gewirkt, nun schien es, als wäre er über das Ziel hinausgeschossen.

„Einen Augenblick bitte“, sagte die Sekretärin, schob ihre Brille zurecht und erhob sich. „Wen darf ich melden?“

Überrumpelt von dieser Förmlichkeit hörte er sich sagen: „Shinji. Ich bin der Freund seiner Tochter.“

Die Sekretärin hob die linke Augenbraue und musterte ihn kurz, ehe sie an die Flügeltüre ging, anklopfte und auf eine Reaktion wartete.

Shinji hätte sich für diese unüberlegte Antwort ohrfeigen können. Widerhallend klang es in seinem Kopf regelrecht überheblich; doch was gesagt worden war, ließ sich nicht rückgängig machen.

Die Anspannung in ihm wuchs. Würde er auch nur ein Wort herausbekommen, ohne den überzeugten Klang in seiner Stimme zu verlieren? Oder würde Hinanos Vater seine Aufregung spüren und diese Schwäche gegen ihn ausspielen?

Er wunderte sich über derartige Gedanken, da er früher vor nichts zurückgeschreckt war. Aber hier ging es indirekt auch um Hinano. Und er konnte die Tatsache nicht wegreden, dass er seit Monaten unter Strom stand, eben aufgrund der Situation mit ihrem Vater; das hatte sein Nervenkostüm merklich angegriffen.

Er schaute kurz zu der ausgesprochen hübschen Frau, um sich dann im Raum umzusehen. Es gab den Arbeitsplatz der Sekretärin und im linken Bereich einen Tisch mit Stühlen. In der Mitte der Tischplatte befand sich ein silbernes Tablett mit vier kleinen Wasserflaschen und vier auf dem Kopf stehenden Gläsern. Shinjis Blick wanderte an dem Tisch vorbei zum Fenster, das die gesamte Wandfläche einnahm und eine schöne Aussicht über den angrenzenden Park bot. Auf dem ausladenden Schreibtisch stand neben dem Flachbildschirm des Computers ein großer Blumentopf, in welchem mehrere kleine Sonnenblumen wuchsen. Rechts befand sich ein großes Gemälde an der Wand, das einen in voller Blüte stehenden Kirschhain zeigte, hinter dem sich Wolkenberge in majestätischer Anmut erhoben. Links und rechts von dem Bild stand je ein großer, quadratischer Pflanzentopf, in dem Bambus wuchs, dessen sattes Grün sich deutlich von den vorherrschenden Erdtönen des Zimmers abhob.

Die Sekretärin öffnete den rechten Türflügel und steckte den Kopf in den Raum dahinter.

Shinji konnte kein Wort der kurzen Unterhaltung verstehen.

Sie drehte sich zu ihm und öffnete die gesamte Türe mit einer einladenden Geste. „Sie können eintreten.“

„Danke sehr“, sagte Shinji und lächelte ihr im Vorbeigehen zu.

Kaum hatte er das Büro betreten, hörte er, wie die Türflügel hinter ihm geschlossen wurden.

„Shinji, was verschafft mir denn die Ehre, dich so edel gekleidet begrüßen zu dürfen?“ fragte Hitoshi, der bereits von seinem Schreibtisch aufgestanden und auf Shinji zugegangen war. Er streckte ihm die Hand entgehen. „Bist du auf Stellensuche?“

Hinanos Vater hatte beinahe vollkommen ergrautes, kurz geschnittenes Haar, das er mit Pomade elegant in Form zu bringen wusste. Er trug einen grauen Anzug mit dunkelblauen Nadelstreifen – das Jackett hing über der Lehne seines Chefsessels –, ein hellgraues Hemd, schwarze Hosenträger und dazu eine beige Krawatte mit weißen Querstreifen. Sein selbstsicheres Auftreten wurde von seinem Parfum unterstrichen.

Der Ton in Hitoshis Stimme klang überrascht, allerdings auf eine positive Art; als hätte er schon lange auf einen solchen Besuch gewartet.

Shinji gab ihm die Hand, spürte den starken Händedruck, und antwortete: „Ich wollte mit Ihnen unter vier Augen sprechen.“

„Wenn das so ist, nur zu“, sagte Hitoshi und lud ihn mit einer Handbewegung ein, zum Schreibtisch zu gehen, vor dem zwei Stühle standen. „Das ist übrigens ein interessanter Krawattenknoten.“

„Danke“, sagte Shinji, folgte dem Mann und sah sich dabei um.

Wie im Vorzimmer war die linke Wand eine einzige, gigantische Fensterscheibe, sodass Licht den Raum ungehindert durchfluten konnte. Einige Meter davor stand ein niedriger Tisch mit prunkvollen Schnitzereien, auf dem sich ein Hain aus fünf Bonsais in einer ausladenden, schlicht gestalteten, rotbraunen Schale befand – es waren Kiefern. An den Wänden hingen Fotografien in Rahmen, die gut dreimal so groß waren wie die Bilder selbst. Er wusste von Hinano, dass sie die Aufnahmen gemacht hatte; ein See, über dem die Sonne aufging und dabei den dahinziehenden Nebel zu einem Spiel mit Licht und Schatten animierte, die Makroaufnahme eines Tautropfens, hinter welchem ein Marienkäfer saß, ein Rehkitz, das den Kopf aus einer schier endlos weiten Wiese erhob, der Eingangsbereich eines einst prächtigen Lichtspielhauses, das seit Jahrzehnten ungestört von der Natur zurückerobert wurde, und eine ältere Dame, die einem kleinen Mädchen, dessen Gesicht strahlte, an einem rostigen Eiswagen ein Eis kaufte. Rechts im Zimmer stand eine verchromte Stereoanlage mit zwei außerordentlich schmalen Boxentürmen. Ein Regal oder eine Ablage mit CDs konnte Shinji nicht sehen.

„Kann ich dir eine Tasse Kaffee oder etwas anderes anbieten?“ fragte Hitoshi und lehnte sich an den Schreibtisch, auf dem allerlei dicke und dünne Aktenordner lagen, welche die Fläche zusammen mit zwei großen Flachbildschirmen, zwei Ablagen, einem Halter für einen edlen Kugelschreiber und einem kleinen Kugelstoßpendel einnahmen.

Shinji blieb neben den Stühlen stehen und sagte: „Nein, danke.“ Er hätte gern gewusst, was der Mann gerade dachte. Verzweifelt überlegte er, wie er das geplante Gespräch eröffnen sollte, doch die Worte ließen sich weder finden noch ordnen.

„Setz dich ruhig“, bot Hitoshi an und verschränkte die Arme vor der Brust.

Shinji schüttelte den Kopf. „Ich würde lieber stehen.“

Hitoshi nickte. „Dann mal los: Womit kann ich dir behilflich sein?“

Shinji atmete kurz durch, doch das verringerte die Aufregung kaum. Er spürte aber, dass seine Handflächen mittlerweile weniger feucht waren, als noch im Fahrstuhl auf dem Weg nach oben; die Panik schien in ihrer Gesamtwirkung langsam nachzulassen. Und dann sprach er einfach los: „Ich würde gerne wissen, was Sie von mir halten. Ich weiß, Sie sind misstrauisch, aber ich bin nicht Hinanos Exfreund und gab weder Ihnen noch Ihrer Frau oder Hinano je einen Grund, Parallelen zwischen ihm und mir zu ziehen. Ich kann mich täuschen, aber mir kommt es vor, als hätte sich Ihre Haltung mir gegenüber nicht wesentlich verändert, obwohl wir uns schon eine ganze Weile kennen.“

Hitoshi steckte die Hände in die Hosentaschen. „Misstrauisch bin ich schon immer, deshalb bin ich da, wo ich jetzt bin.“ Er konnte sich noch keinen Reim darauf machen, weshalb Shinji hier war, denn das, was er bisher gehört hatte, hätte Shinji ihm auch bei einer anderen Gelegenheit sagen können, ohne sich extra auf den Weg zu seinem Büro zu machen. Dessen ungeachtet rechnete er es ihm aber hoch an, allein hier erschienen zu sein.

„Aber nun zu deiner Frage: Du liebst meine Tochter. Wenn ich sehe und höre, wie ihr miteinander umgeht, dann ist mir durchaus klar, dass wir hier von einer ernsthaften Beziehung sprechen und von keiner flüchtigen Romanze. Immerhin sind es schon an die sechs Monate. Hinanos Augen leuchten, wenn sie von dir spricht. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir egal ist. Hinano ist glücklich. Sie bat mich mehrmals, mein Auftreten dir gegenüber zu ändern und etwas ‚lockerer’ zu werden. Meine Frau übrigens auch. Und das sogar öfter als Hinano.“

Bei diesen Worten kam Shinji in den Sinn, dass Hinanos Mutter ihm nach dem dritten oder vierten Treffen das Du angeboten hatte, wohingegen ihr Vater nie etwas in dieser Richtung unternommen hatte – Shinji hatte ihm allerdings das Du angeboten, da es in seinen Augen eine Frage des Respekts war. Stattdessen ließ Hitoshi seine Ehrfurcht einflößende Aura sprechen; das war einer der Gründe, weshalb sich Shinji nie wirklich wohl in seiner Gegenwart fühlte.

Hitoshi nahm die Hände aus den Hosentaschen und entfernte sich vom Tisch Richtung Fenster. Er blieb neben dem Bonsai-Hain stehen und sah nach draußen zum Park.

Shinjis Blick folgte ihm. Er wurde wieder unsicherer. Auf der einen Seite strahlte der Mann Ruhe und Friedfertigkeit aus, auf der anderen lag in der Wahl seiner Worte eine gewisse Schärfe, der sich Shinji nicht erwehren konnte.

Hitoshi wandte sich zu Shinji und sah ihm in die Augen. „Ich respektiere dich. Und ich respektiere, dass du der Mann im Leben meiner Tochter bist. Wäre das nicht so, hätte ich dir das Leben längst zur Hölle gemacht.“

Shinji hielt Hitoshis Blick stand.

„Du bist aber nicht zu mir gekommen, und schon gar nicht in einem Anzug, nur um mich zu fragen, was ich von dir halte. Das kaufe ich dir nicht ab.“

„Um ehrlich zu sein, haben Sie mir eben etwas Wind aus den Segeln genommen, denn ich wollte Sie bitten, mich als Hinanos Freund anzuerkennen. Ich möchte mich gerne in Hinanos ... in Ihrer Familie willkommen fühlen.“

Hitoshi hüllte sich in Schweigen und schien nachzudenken. Dann fragte er: „Kannst du auf Hinano aufpassen und sie beschützen, wenn es nötig ist?“

„Ich hatte schon viele Schlägereien, wenn Sie das meinen“, antwortete Shinji. „Ich weiß durchaus, wie ich mich und andere verteidigen kann, wenn das der letzte Ausweg ist.“

„Und wenn jemand ein Messer oder eine Pistole zieht?“

„Dann nichts wie weg, ich bin ja nicht verrückt. Und wenn das nicht geht, kann man nur hoffen, dass man Glück hat.“

Hitoshi nickte. „Ein wichtiger Grundsatz: Man soll nie Mut mit Leichtsinn verwechseln.“ Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Bis 20 Uhr sind es noch knapp drei Stunden.“

Hinano hatte ein Essen für Shinji und ihre Eltern geplant und war seit dem Nachmittag mit den Besorgungen und Vorbereitungen beschäftigt. Shinji hatte ihr seine Hilfe angeboten, doch sie hatte dankend abgelehnt, woraufhin ihm spontan in den Sinn gekommen war, endlich das überfällige Gespräch mit ihrem Vater zu suchen, wenngleich es bei einem schlechten Ausgang möglicherweise den Abend ruinierte; aber er war das Risiko eingegangen, da er die Sache schon zu lange aufgeschoben hatte.

Hitoshi lief zu seinem Chefsessel, wo er das Jackett nahm und anzog. „Dann haben wir ja noch etwas Zeit.“

„Wofür?“ wollte Shinji wissen.

„Um mir zu zeigen, dass ich dir glauben und vertrauen kann“, war die schleierhafte Antwort.

Damit verließen sie das Büro.

Die Sekretärin, die gerade ein Schreiben aufsetzte und dabei über einen In-Ear-Kopfhörer im rechten Ohr Musik hörte, hob den Blick zu den am Tisch vorübergehenden Männern.

„Das kann bis Montag warten“, sagte Hitoshi freundlich, ohne dabei anzuhalten. „Genießen Sie lieber das Wochenende mit Ihrem Verlobten!“

„Danke, Herr Hanamori“, sagte sie. „Ich wünsche Ihnen beiden auch ein angenehmes Wochenende.“

Doch sie waren schon zur Türe hinaus.

– Kapitel 7 –

Treffen

Elio, Cala, Quinn und Korbin hatten etwas Geld zusammengelegt, mit dem Cala und Elio Getränke und Zutaten für Pizzen gekauft hatten, da sich die Freunde natürlich nicht nur treffen wollten, um die Frage nach dem Reiseziel zu klären: Auf die Besprechung und das Essen sollte ein geselliger Spieleabend folgen.

Gegen 18 Uhr klingelte es an der Wohnungstüre. Da Elio duschen war, öffnete Cala und begrüßte Quinn.

„Bin ich zu früh?“ fragte sie und trat ein.

„Der Rest ist zu spät“, sagte Cala lachend und schloss hinter Quinn die Türe.

Quinn zog die Schuhe aus und stellte sie an der Garderobe ab. Als sie ihren Blick schweifen ließ, sagte sie: „Die Wohnung ist ja der Wahnsinn.“

Mit der Aussage hatte sie Recht: Überall lagen, hingen und standen Dinge, die aus allen möglichen Ländern während zahlloser Reisen zusammengetragen worden waren. Die riesige Wohnung war eine Mischung aus Museum, Trödelmarkt, Antiquitätenladen und Dachboden; und obwohl alles auf den ersten Blick chaotisch wirkte, war es doch überaus gemütlich und zugleich stilvoll – wenn man mit dem Grundton etwas anfangen konnte, der weit vom Minimalismus entfernt war. Es gab Stoffe, die an den Wänden hingen, Gegenstände aus Holz, Speckstein und Alabaster in allen Größen und Formen – von einer menschlichen Darstellung über Tiere bis hin zu abstrakten Gebilden, Gebrauchsgegenständen und Zierobjekten –, Geschirr, Schmuckstücke, Gemälde, Vasen, Holzschnitte, Kupferstiche, Bücher und sogar Waffen. Zwischendrin standen allerlei Pflanzen, die sich mitunter frei ausbreiten konnten und zusätzlich für einen unbestimmt fremdländischen Charme sorgten, der auf Quinn schlagartig sehr inspirierend wirkte.

„Das kannst du laut sagen“, stimme Cala zu. „Wir kennen die Wohnung schon lange und finden trotzdem dauernd etwas Neues.“

„Wo ist denn die Küche?“ fragte Quinn. „Ich habe noch etwas mitgebracht.“ Sie nahm ihren kleinen Rucksack ab. Es war unüberhörbar, dass sich darin Flaschen befanden. Ihr Blick wanderte den Flur entlang, wo in einigen Bereichen Origami-Vögel in zahlreichen Farben und Ausführungen von der Decke hingen. Sie bewegten sich leicht und Quinn fragte sich, ob irgendwo ein Fenster angekippt war oder ob das Öffnen der Wohnungstüre eine Luftverwirbelung verursacht hatte.

Cala führte Quinn in die Küche und sagte dabei: „Das bei Hinano war wohl nicht genug?“

„Es ist selten genug“, scherzte Quinn und öffnete den Rucksack.

„Stimmt. Man soll die Feste feiern, wie sie fallen.“ Cala nahm die drei Flaschen nacheinander entgegen – Wodka, Whiskey und Cidre – und versuchte durch Neuordnung des bereits vorhandenen Inhalts, im Kühlschrank Platz zu schaffen. „Wir rauchten vorhin die erste Tüte des Tages, von daher passt das alles perfekt.“