Vom Ende einer Sonne - Troy Dust - E-Book

Vom Ende einer Sonne E-Book

Troy Dust

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Beschreibung

Sein Erwachen hatte sich Gallard anders vorgestellt: Nach 130 Jahren Kälteschlaf entdeckt er auf dem Raumfrachter nicht nur deutliche Spuren von Kampfhandlungen, sondern auch die sterblichen Überreste der Besatzung. Offenbar ist das alles Werk des stellvertretenden Kapitäns, der sich ebenfalls unter den Toten befindet. Kurz darauf vervielfachen sich Gallards Fragen mit der Erkenntnis, dass der stählerne Sarg im Orbit der Erde treibt, denn der Planet ist in den Kolonien nichts weiter als eine ferne, immer weiter verblassende Erinnerung. Weshalb ist er also ausgerechnet hier? Als Gallard wenig später auf dem laut Scan entvölkerten Planeten steht und sich umblickt, weiß er nicht, wie er das alles durchdringende Rätsel lüften soll. Obendrein hält sich ein hartnäckiger Zweifel: Ist er wirklich allein? Dieses Buch ist die Fortsetzung von Troy Dusts Roman "Der erste Kontinent", in welchem einige Elemente definiert werden, die Teil der Handlung sind.

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Dieses Buch ist die Fortsetzung von Troy Dusts Roman „Der erste Kontinent“, in welchem einige Elemente definiert werden, die Teil der folgenden Handlung sind.

»Es gibt eine Jahreszeit, die geeignet ist für Angriffe mit Feuer, und bestimmte Tage, um einen Brand anzufachen.«

Sun Tsu

›Über die Kriegskunst‹

12.3., Patrick Lindley

Inhaltsverzeichnis

Das dritte Buch

Vorspiel Die steinerne Allee

I

Kapitel 1 Kontakt

Kapitel 2 Erwachen

Kapitel 3 Vorbereitungen

Kapitel 4 Der Erkundungsflug

Kapitel 5 Die Stadt

Kapitel 6 Besinnung

Kapitel 7 Der schwarze Nebel

Kapitel 8 Verwunderung

Kapitel 9 Das hölzerne Reich

Kapitel 10 Rubio

Kapitel 11 Ort der Träume

Kapitel 12 Die schwarze Stadt

Kapitel 13 Ineth

Kapitel 14 Das Echo

Kapitel 15 Entscheidung

Kapitel 16 Ein Augenblick der Ruhe

II

Erinnerung Sichtbar

Kapitel 17 Die Anlage

Erinnerung Isolation

Kapitel 18 Einöde

Erinnerung Die Oase der Freunde

Kapitel 19 Zuversicht

Erinnerung Die erste Welle

Kapitel 20 Der zweite Kontakt

Erinnerung Der Teufel

Kapitel 21 Die zweite Stufe

Erinnerung Der Große Filter

Kapitel 22 Raum der Gedanken

Erinnerung In den Weiten

Kapitel 23 Das Zeichen

III

Kapitel 24 Pfad ins Nichts

Kapitel 25 Der letzte Weg

Kapitel 26 Fragen ohne Antwort

Kapitel 27 Im Dunkel

Kapitel 28 Brandung

Kapitel 29 In der Strömung

Kapitel 30 Wiedergutmachung

Kapitel 31 Abschied

Kapitel 32 Lebensabend

Kapitel 33 Stadt der Verlorenen

Kapitel 34 Dämonen im Himmel

Kapitel 35 Der Zirkel

Kapitel 36 Der Bruch

Kapitel 37 Blick zu den Sternen

Kapitel 38 Der erste Impuls

Kapitel 39 Der zweite Impuls

Kapitel 40 Der dritte Impuls

Kapitel 41 Der vierte Impuls

Kapitel 42 Der fünfte Impuls

Kapitel 43 Der sechste Impuls

Kapitel 44 Der siebte Impuls

Kapitel 45 Ankunft der Neuen Götter

IV

Kapitel 46 Das Brandmal

Kapitel 47 Was der Morast Gebar

Kapitel 48 Das Rudel

Kapitel 49 Die Stimme

Kapitel 50 Der schwarze Korridor

Kapitel 51 Aufbruch

Kapitel 52 Yhp

Kapitel 53 Die Grube

Kapitel 54 Weg aus der Dunkelheit

Kapitel 55 Die Pein im Nebelkleid

Kapitel 56 Das Aas im Meer der Blüten

Kapitel 57 Die Herrin der Plagen

Kapitel 58 Das grüne Ödland

Kapitel 59 Macht

Kapitel 60 Die Schwärze in den Gängen

Kapitel 61 Die Gerufenen

Kapitel 62 Offenbarung

Kapitel 63 1000 Blicke

Kapitel 64 Hartnäckigkeit

Kapitel 65 Geflecht des Lebens

Kapitel 66 Abgott

Kapitel 67 Mahlstrom der Fragen

Kapitel 68 Himmelwärts

Kapitel 69 Die Weiße Maschine

Nachspiel Ort der Erinnerung

Das dritte Buch

»Oh, du göttliche Kunst des Feingefühls und der Verstohlenheit. Durch dich lernen wir unsichtbar und unhörbar zu sein und so halten wir das Schicksal des Feindes in unseren Händen.«

Sun Tsu

›Über die Kriegskunst‹

6.9., Patrick Lindley

– Vorspiel –

Die steinerne Allee

Es war eine karge, unwirkliche Gegend. Es gab weder Bäume noch Büsche, lediglich Gräser, Moose und harte, knochige Flechten, die der Witterung trotzten. Graue Berge rahmten mit ihren scharfen Kämmen die Ebene, die vom Sonnenlicht abgeschirmt unter dichtem Höhennebel lag.

Gallard sehnte sich nach der Wärme eines klaren Himmels, denn hinter ihm lagen zwei Tage inmitten schwerer Nebelbänke; Schwaden so undurchdringlich, dass er nur ein paar Meter weit hatte blicken können. Er war froh, der unheimlichen Stille darin entkommen zu sein, ohne sich zu verirren oder gar in einen Abgrund zu stürzen. Und obwohl er nun eine bessere Sicht hatte, war sie doch nichts weiter als ein Blick in den Spiegel der Einsamkeit.

Die Kälte, die ihm schon vor den Nebelbänken in die Kleidung gekrochen war, versuchte weiterhin beharrlich, das Mark seiner Knochen zu erreichen, während er wie in Trance einen Fuß vor den anderen setzte. Abgesehen von großen und kleinen Gesteinsbrocken, die wie von einem gigantischen Wesen hingeworfen über die Ebene verteilt lagen, gab es nichts, das ihm hätte Deckung bieten können, um sich vor den teils eisigen Winden zu schützen.

Selbst die Luft war Teil dieser Einöde: Kein einziger Vogel war auszumachen; es gab auch keine Eidechsen, keine Schlangen, ja nicht einmal Käfer oder andere Insekten. Möglicherweise war er seit langer Zeit das erste Lebewesen, das diesen tristen Ort durchstreifte. Und so fragten sich die Felsen schweigend, was ihn in diese raue Gegend trieb.

Er spürte den Rucksack mit seinen Habseligkeiten auf dem Rücken und den Riemen des Strahlengewehrs auf der Schulter. Die Ausrüstung klapperte gedämpft im Rhythmus seiner Schritte, das einzige Geräusch in diesem Gebiet, das so geisterhaft wirkte, als stünden die Toten kurz davor, dem Erdreich zu entsteigen, in das sie einst gesunken waren. Ihm wurde nicht warm, trotz Bewegung und trotz seiner unversehrten Kleidung, deren Kunstfasern ihre schützende Funktion nur durch Einwirkungen verlieren konnten, die sein Leben ohnehin beendet hätten. Mittlerweile befand sich dieser leichte, unscheinbare Panzer, genau wie der Rucksack, unter einem Flickwerk aus Tierhäuten, Pelzen und vertrockneten Gräsern. Alles wurde von Nähten und ledernen und geflochtenen Schnüren zusammengehalten. Diese zusätzliche Hülle bot eine gute Tarnung, ohne seine Bewegungsfreiheit merklich einzuschränken; inzwischen registrierte er nicht einmal mehr den Gestank.

Gallard dachte nach. Kam die Kälte vielleicht nicht von außen, sondern aus seinem Inneren? Seine Füße waren in den Stiefeln so warm wie die Hände in den passgenauen Handschuhen. Und trotzdem war da der Eindruck, dass sich das Blut aus dem Rest seines Körpers zurückgezogen hatte, um in seiner Brust diesen eisigen Klumpen zu bilden.

Hatte er sich möglicherweise doch eine Krankheit zugezogen, obwohl er das Fleisch der Beutetiere stets über offenem Feuer mehr als ausreichend briet? Seine Verdauung war normal, er fühlte sich weder schwach noch wurde er von Muskelkrämpfen oder Schüttelfrost geplagt. Pflanzen und Früchte prüfte er mit dem handlichen Molekularscanner auf ihre Inhaltsstoffe; und Wasser sterilisierte er mit einer Zusatzfunktion des Geräts. Es konnte auch nicht an einem Nährstoffmangel liegen, denn seine Nahrung ergänzte er mit Langzeitkapseln, von denen ihn jede für drei Monate optimal mit allen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen versorgte. Über ihre Funktionsweise wusste er nur, dass sie sich mit der Darmwand verbanden, Nährstoffe abgaben und sich dabei langsam auflösten. Mit seinem Vorrat, der kaum Platz beanspruchte, konnte er theoretisch Jahrzehnte auskommen.

Gallard blieb stehen.

In einiger Entfernung mischten sich größere Trümmer mit deutlichen Bearbeitungsspuren unter die Gesteinsbrocken. Dahinter konnte er mächtige, rund 5 Meter dicke und zirka 40 Meter hohe Säulen ausmachen, manche intakt, andere in verschiedenen Stadien des Verfalls. Sie bildeten eine gut 20 Meter breite, gerade Allee, die in der Ferne mit dem Grau der Berge verschmolz.

Er marschierte weiter.

Irgendwann erreichte er eine etwa 200 Meter breite Kerbe in den Bergen, deren Gestein Wände bildete, steil und messerscharf zerklüftet von den Jahrtausenden. Die steinerne Allee verlief davon unbeeindruckt weiter, ohne die kleinste Abweichung von ihrer geraden Linie.

Gallard wandte sich um und ließ den Blick über die Ebene schweifen. Der Dunst in der Höhe hatte sich verzogen und die Wolken freigelegt, durch die sich an einigen Stellen das Licht der Sonne brannte. Goldene Strahlen zogen über die einsam daliegende Landschaft, die nun nicht mehr ganz so lebensfeindlich wirkte. Er war dankbar, die nächste Nacht etwas geschützter verbringen zu können als in einer flachen Mulde zwischen zwei Felsen, für die er stundenlang geschuftet hatte, nur um geringfügig mehr Schutz vor dem Wind zu haben. Bedeckt von Gras, Moos und Erde hatte er letztendlich kaum geschlafen. Kein Wunder, denn diese Zuflucht glich mehr einem Grab als einem Nachtlager.

Allmählich verlor sich der steinige Untergrund zwischen Moosen, Flechten, Ranken und einer Vielzahl von Gräsern, die in der Obhut der Kerbe wachsen konnten. Bald darauf lagen die Trümmer – durch ihr Gewicht teilweise im Erdreich versunken – unter sattem Grün und in den Schatten erster Bäume, die wiederum anderen Pflanzen die Möglichkeit boten, hier zu gedeihen.

So geschützt der Ort auch war, es handelte sich um einen strategischen Alptraum, denn eine Flucht wäre ihm so unmöglich wie ein sicherer Rückzug, genau wie draußen auf der Ebene. Deshalb behielt Gallard die Felsen, ihre Vorsprünge und die Schatten im Auge, denn hier gab es zu viele Winkel, in denen sich eine undefinierte Gefahr verbergen und ihm auflauern konnte.

Er drang weiter in die Kerbe vor. Dicke Wurzeln lagen wie verholzte Schlangen am Boden und umklammerten Gestein, das von Flechten und Moos bedeckt war. Zudem durchzogen dornige Ranken das Gras. Gallard schien es, als würden sie nach ihm greifen, um ihn von seinem Weg ins Unbekannte abzuhalten.

An geschützten Stellen tauchten vermehrt bunte Blumen auf. Aus den zunächst kleinen Grüppchen wurden ganze Teppiche mit niedrig wachsenden, lila Glockenblumen, dunkelblauem Mohn und kleinen Blumen, deren rote Blüten aus Hunderten von schillernden, feinen Härchen bestanden, die eine Kugel bildeten. Oranger Efeu bedeckte weite Bereiche des Bodens und rankte an den Bäumen so empor wie an den Säulen der Allee, die unaufhaltsam von der Vegetation verschlungen wurde.

Mit den Farben kamen auch die Insekten: blaue Hummeln, diverse Schmetterlingsarten, bunte Käfer und Raupen, deren Haut und Härchen wundersame Muster formten. Zudem stieg die Umgebungstemperatur merklich an, etwas, das Gallard zu schätzen wusste.

Bald verdeckten dichte Baumkronen den Himmel, während die Pflanzen in ihren Schatten die Sichtweite auf nur wenige Meter begrenzten; ein wahrer Urwald, ein Labyrinth aus Farben und Formen.

Unvermittelt brach Gallard aus dem Dickicht in das gleißende, alles vereinnahmende Leuchten dahinter, das so intensiv war, dass er die Augen zusammenkneifen musste.

Er befand sich am Rand einer großen Fläche, auf der es weitere Säulen gab und trockenes Laub, das den gesamten Boden bedeckte. Er hatte das Ende der Kerbe erreicht, einen Kessel. Die steilen Felswände, die mitunter Überhänge bildeten, ragten auf bis in den Nebel, der sich hier nach wie vor hielt und das Sonnenlicht auf eine Art streute, die Gallards Augen schmerzen ließ.

Die Hänge waren größtenteils überwuchert von Ranken, die ganze Vorhänge bildeten, von Moosteppichen, Büschen und Bäumen, deren Laub sich in einigen Winkeln mannshoch angesammelt hatte, um nur sehr langsam zersetzt zu werden. Es gab kleine Rinnsale und größere Wasserfälle, doch Gallard konnte hier unten nicht sehen, wohin das Wasser verschwand. Und dann waren da diese Treppen, die nach oben führten zu den steinernen Brücken und den eisernen Konstruktionen, welche diesen Ort durchzogen und an zahllosen Stellen wie bedrohliche Speere aus den Wänden ragten.

Die Säulen, die hier das Ende – oder den Beginn – der steinernen Allee markierten, bildeten einen riesigen Kreis, in dessen Mitte sich eine Säule befand, mindestens doppelt so hoch und dick wie jene, denen er seit Stunden gefolgt war. Und noch etwas unterschied sie: Ihre Segmente, obgleich von Moos und Flechten bedeckt und von der Zeit beeinflusst, zeigten halbplastisch gearbeitete Ranken, als wäre die Säule eine gigantische Pflanze, ein seltsamer Baum, der hier den unsichtbaren Himmel trug und diesen davon abhielt, herabzustürzen und alles unter sich zu begraben. Gallard musste unweigerlich an eine Stätte für Rituale denken, an einen Ort, an welchem zu den alten Göttern gesprochen wurde. Er stellte sich vor, wie man feierlich von der Ebene aus der steinernen Allee folgte, immer weiter hinein in die Kerbe, hinein bis zu diesem magischen Platz, der eine sonderbare Energie ausstrahlte, welche die Erde, die Pflanzen und die Felsen durchzog, die Gallard belebte und ihm eine Klarheit schenkte, die er längst vergessen hatte.

Er betrachtete die Wände: Dort oben konnte er seinen Durst stillen und den geschwundenen Wasservorrat auffrischen. Zudem bot ein geeigneter Schlafplatz in der Höhe mehr Sicherheit als der Boden. Binnen weniger Augenblicke fand er mehrere potenzielle Stellen, an denen er es sich in einer Nische bequem machen konnte.

Gallard atmete durch. Dann machte er sich auf den Weg, um dem Gesang der Vögel zu folgen.

I

– Kapitel 1 –

Kontakt

Gallard blieb stehen.

Der Moment glich einem Erwachen. Er wusste nicht, wo er war und was er tat. Sein Körper schmerzte. Er hielt das Strahlengewehr fest umklammert und einsatzbereit. Geduckt stand er in einem ausgetrockneten Bachbett. Alles um ihn herum war von einer dicken Schicht Laub bedeckt. Weitere Blätter tanzten aus der Höhe herab, gelöst vom Wind, der immer wieder kurz auffrischte und ein Raunen durch die Baumkronen sandte.

War er auf der Flucht? Oder verfolgte er jemanden? Jäger oder Beute?

Gallard lief schnell weiter bis zu einem umgestürzten Baum, der das Bachbett überspannte und etwas Schutz bot. Dort ging er in die Hocke und lauschte. Als er keine auffälligen Geräusche vernahm, schaute er kurz aus der Deckung hervor: Zwischen den licht stehenden, gerade aufragenden Bäumen der Gegend erspähte er nicht einen Feind, nur Bewegungen, die vom Wind verursacht wurden.

Scheinbar hatte ihn das Überlebensprogramm seines Unterbewusstseins an diesen Ort geführt. Nur weshalb? Und wo war er?

Die Sonne stand hoch am Himmel und warf ein Spiel aus Licht und Schatten auf den Waldboden. Es roch nach Pilzen und feuchter Erde.

Hörte er fremde Schritte, die sich unter das Rascheln der Blätter mischten?

Gallard warf einen Blick zurück in die Richtung, aus der er wahrscheinlich gekommen war. Hier, mitten in diesem Wald, konnten sich Verfolger praktisch von allen Seiten anschleichen. Deshalb musste er zu einer übersichtlicheren Stelle gelangen, um die Möglichkeiten zu begrenzen. Dass dafür eine Notwendigkeit bestand, sagte ihm seine aktuelle Situation.

Ohne weiter zu überlegen, zwängte er sich unter dem Baumstamm hindurch. Dabei blieb er mit dem Rucksack an einem Ast hängen. Er konnte sich schnell befreien. Dann folgte er dem Bachbett mit kurzen, schnellen Schritten, weiterhin in geduckter Haltung.

Ihm war in diesem Moment klar, dass er eine Tarnung benötigte, denn die Linien aus grünen, orangen und blauen Pastelltönen auf dem schwarzen Grundton seiner Kleidung machten ihn zu einer idealen Zielscheibe.

Nach einer Weile mündete der ausgetrocknete Bach in ein tiefes Flussbett, durch das sich lediglich ein schmales Rinnsal schlängelte. Die teils mannshohen Flussfindlinge, die seit unbekannten Zeiten die Stellung hielten, waren umgeben von Gräsern und blauen und violetten Blumen, deren Blütenblätter lange Trichter formten, die zur Sonne zeigten.

Gallard tastete sich bis an die Uferböschung vor und sah nach rechts, wo der Flusslauf hinter einer Biegung verschwand. Links konnte er über den dortigen Baumkronen die Spitzen von mächtigen Bergen in der Ferne ausmachen.

Er warf einen Blick zurück in den Wald und lauschte. Es gab nichts zu sehen oder zu hören und damit keinen Hinweis darauf, dass er verfolgt wurde. Dann betrachtete er das Flussbett und das andere Ufer. Insektenschwärme zeichneten sich schillernd in der Luft ab, während Vögel von hier nach da und Schmetterlinge von Blüte zu Blüte flogen. Hoch über der Szene kreisten zwei Greifvögel, schwarze Silhouetten im Blau des Himmels. Die Sonne wärmte Gallards Gesicht.

Die steile Uferböschung – bedeckt von Geröll und Kieselsteinen – ging ein paar Meter tiefer in das rund 50 Meter breite, unwegsame Flussbett über. Gallard suchte eine Route, die ihm zumindest teilweise Deckung vor möglichen Angriffen bot. Sollte er es überhaupt hier wagen? Oder wäre es geschickter, im Wald zu bleiben, dem Flussbett zu folgen und eine geeignetere Stelle zu suchen?

Die Fragen wanderten blitzschnell durch sein Bewusstsein, während er sich für einen Weg entschied, der von mehreren großen Flussfindlingen beschrieben wurde. Dann schulterte er das Strahlengewehr und machte sich an den Abstieg, um keine Zeit zu verlieren.

Der Boden gab unter seinem Gewicht weniger nach als vermutet, trotzdem musste er vorsichtig sein, um den Halt nicht zu verlieren. Als er unten ankam, brachte er noch einen Teil der Strecke hinter sich und ging an einem der Gesteinsbrocken in Deckung. Er konnte zwischen dem Gesang der Vögel und den Klängen des Waldes keinen rollenden Stein hören und kein Knacken von Zweigen. Er lief weiter, suchte erneut Deckung und wiederholte das Spiel, bis er die andere Seite des Flussbetts erreichte, wo er sich unverzüglich an den Aufstieg machte. Es folgte kein drohender Ruf, kein Schuss, nichts.

Gallard war außer Atem, als er die ebenfalls steinige Uferböschung bezwungen hatte. Sogleich tauchte er in das dortige Dickicht des Waldes ein und suchte eine geschützte Stelle, die er hinter Gebüsch an einem Baum fand. Er nahm das Strahlengewehr zur Hand, spähte in geduckter Haltung zum Flussbett und beobachtete die nähere Umgebung, soweit es die Sicht zuließ.

In den Tiefen des Waldes hinter ihm knackte es.

Gallard drehte sich schnell um, richtete das Strahlengewehr ins Unterholz und versuchte, die Augen überall zu haben. Er ging in die Hocke. Noch wollte er seine Deckung nicht aufgeben oder seine Position durch einen Schuss verraten.

Weitere Zweige und Äste brachen. Und dann war da ein Geräusch, ein Schnüffeln, kaum hörbar, während der Wind auffrischte und das Raunen der Baumkronen kurzzeitig selbst den Gesang der Vögel übertönte.

Plötzlich registrierte Gallard eine Bewegung im rechten Augenwinkel. Das Etwas stürmte nach links und ließ den Boden spürbar unter seinem Gewicht erbeben.

Gallard zielte grob in die entsprechende Richtung. Er hatte nicht einmal Details erkennen können, nur einen großen, grauen Schatten. Er feuerte mehrere Salven.

Der Wind rauschte und ließ einen wahren Blätterregen niedergehen. Nichts blieb ohne Regung.

Gallard richtete sich auf. Denkbar, dass es sich um ein Muttertier handelte, das lediglich seinen Nachwuchs schützen wollte.

Und dann war der graue Schatten erneut rechts und damit nicht dort, wo Gallard ihn vermutet hatte. Das Tier, das er noch immer nicht identifizieren konnte, bäumte sich auf und Gallard wich zurück – und genau das entpuppte sich als Fehler: Er wollte gerade feuern, als er über einen Ast stolperte und das Gleichgewicht verlor. Er taumelte durch das umliegende Gestrüpp ein paar Schritte nach hinten. Plötzlich trat er nicht auf festen Waldboden, sondern auf den Kies der Uferböschung. Er rutschte ab, verlor das Strahlengewehr beim Versuch, sich abzufangen, und schlug unsanft mit der Brust voran auf den Boden. Er fand keinen Halt, der Untergrund war zu locker. Dann blieb er mit dem Fuß an einer freiliegenden Wurzel hängen, was dazu führte, dass er sich überschlug und in die Tiefe stürzte, begleitet von einer Lawine aus Geröll. Letztendlich blieb er auf dem Rücken und dem Rucksack darunter im Flussbett liegen. Alles drehte sich.

Der graue Schatten schoss aus dem Unterholz, schlitterte und sprang im Zickzack kontrolliert die Böschung hinab und baute sich vor ihm auf: Die Kreatur war etwa so groß wie ein ausgewachsener Bulle, allerdings mit einer Körperform, die an eine Hyäne erinnerte, mit einem Panzer aus knöchernen Federn. Das Untier sprang mit einem gewaltigen Satz auf Gallard zu. Kiesel flogen beim Aufprall wie Geschosse durch die Luft.

Gallard drehte sich zur Seite und hielt schützend die Hände über den Kopf. Als er die Augen öffnete, war das Wesen fast über ihm und betrachtete ihn aus seinen winzigen, türkisfarbenen Augen. Die warme Luft, die aus den Nüstern strömte, roch nach Harz und Erde.

Gallard ging in diesem Moment kein Gedanke durch den Kopf. Er fühlte sich schwerelos, benommen von dem Sturz. Er hatte Mühe, das Wesen zu fixieren, während die Böschung und der Wald im Hintergrund zu verschwimmen begannen. Zusätzlich blendete ihn das Licht der Sonne.

Er lag nur da und wartete auf das Ende. Als jedoch nichts geschah, hob er die Hand, um seinen Augen etwas Schatten zu spenden und besser sehen zu können. Und als er das tat, bemerkte er rechts von der Kreatur eine Person. Körperhaltung und Statur verrieten, dass es ein alter Mann war. Leider konnte er nichts weiter erkennen als diesen dunklen Umriss, der neben dem Ungetüm winzig wirkte.

„Du kannst es nicht bezwingen“, sagte der Mann ruhig.

Kaum waren die Worte verklungen, sank Gallard in eine tiefe, stille Schwärze.

– Kapitel 2 –

Erwachen

Gallard öffnete die Augen. Daraufhin wurde die Schwärze von einem grünlichen Leuchten durchzogen, das in Form mehrerer unterschiedlich breiter, verzerrter Streifen regungslos in der Dunkelheit schwebte.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis er realisierte, dass er auf dem Rücken lag. Er wollte den Arm heben, um sich das Gesicht zu reiben, doch seine Hand stieß dabei auf eine unsichtbare Barriere. Die Verwunderung löste sich schnell auf, als die Erinnerung zurückkehrte: Er lag in einer Kälteschlafkammer.

Gallard berührte die leuchtende Bedienkonsole auf der rechten Seite, deren Schein an der Glaskuppel sichtbar war, woraufhin sich die Kälteschlafkammer lautlos öffnete. Zeitgleich begann die Innenbeleuchtung der Kammer damit, in sanften Schritten heller zu werden. Er richtete sich mühsam auf. Sein Kopf schmerzte und ihm war leicht übel. Deshalb blieb er einige Minuten sitzen, gähnte mehrfach und versuchte, sich etwas zu strecken.

Im Licht der Kälteschlafkammer erkannte Gallard, dass die zwei geschlossenen Kammern neben ihm leer waren. Er überlegte, ob dort jemand hätten liegen sollen, und wenn, wer, aber es wollte ihm nicht einfallen.

Langsam drehte er sich zur Seite und setzte die Füße auf den kalten Boden. Dabei ging die Beleuchtung des Raums an. Als er aufstand, fühlte er sich seltsam, wie nach jedem Kälteschlaf. Einerseits war er unsicher auf den Beinen, andererseits erfüllte ihn eine angenehme Leichtigkeit, die sein erwachendes Körperbewusstsein mit sich brachte. Er schien förmlich zu schweben.

Nachdem Gallard in einer der Zellen im Raum geduscht hatte, nahm er seine Kleidung aus dem Behälter vor der Kälteschlafkammer und zog sich an. Mittlerweile fühlte er sich besser und er spürte, dass er etwas trinken und essen musste. Er streckte sich nochmals, lief dann zur Tür und betätigte eine Taste am Bedienfeld.

Als sich die Tür nach oben bewegte, ertönte ein metallisches Kratzen von der anderen Seite. Im nächsten Augenblick kippte ein Regal aus dem Dunkel, das sich scheppernd in der Öffnung verkeilte.

Gallard, der erschrocken einen Sprung nach hinten gemacht hatte, um nicht getroffen zu werden, war irritiert. Mit etwas Mühe richtete das Regal nach außen hin wieder auf, wobei er aufpassen musste, sich nicht die Finger einzuklemmen. Durch seine Bewegung wurde die Beleuchtung auf dem Gang aktiviert. Was er dort erblickte, war ein riesiges Chaos: Diverse Gegenstände und Möbel standen und lagen herum, teils aufgetürmt wie Barrikaden. Er musste über einen Berg aus Unrat neben dem Regal steigen, um den Raum zu verlassen. Es herrschte ein heilloses Durcheinander, das ihn aus einer Stille heraus begrüßte, die Vorbote dessen war, was sich ihm in den nächsten Stunden offenbaren würde.

Es dauerte nicht lange und er fand die mumifizierte Leiche eines Mechanikers, dem jemand den Schädel eingeschlagen hatte. Auf dem Weg zur Brücke fand er drei weitere Körper, ebenfalls zu dürren, grotesk anmutenden Puppen geschrumpft, eine Auswirkung des konstanten, leichten Luftstroms, der mit Sauerstoff angereichert wurde. Dieser stammte aus Tanks, wo er blubbernd dem dicken Schlamm entwich, der für die Algen und Mikroorganismen Heim und Nährboden zugleich war. Ein von Gallard durchgeführter Scan ergab, dass er die einzige lebende Person auf dem Raumfrachter war.

Er betrachtete das Ergebnis auf dem Bildschirm.

Das, was er bisher gesehen hatte, deutete darauf hin, dass die Besatzungsmitglieder aufeinander losgegangen waren. Vermutlich hatte er nur überlebt, weil die Tür zu dem Raum mit seiner Kälteschlafkammer durch das umgestürzte Regal blockiert gewesen war, verborgen vor den Augen der anderen. Ein sonderbarer Zufall. Oder doch eher Schicksal?

Während er im Essbereich etwas Wasser trank und Nährgel aus einer Packung saugte, um den gröbsten Hunger zu stillen, war er dankbar, dass scheinbar alles intakt geblieben war. Die Sensoren reagierten auf seine Bewegungen, Türen ließen sich öffnen, es gab fließendes, sauberes Wasser, die Vorratskammern waren gut gefüllt und das Schiff in einem Zustand, der auf eine unbeschädigte Außenhülle hinwies – was die Sensoren bestätigten.

Gallard stand mitten im Raum, umgeben von dieser seltsamen Stille, und fragte sich, weshalb er erst jetzt erwacht war. Der Kälteschlaf in einer Kammer konnte auf vier Arten beendet werden: Von außen per Tastendruck, durch einen vorgegebenen Zeitpunkt, den man vor Antritt des Schlafs festlegen musste, oder durch ein unvorhergesehenes Ereignis. Bei einem technischen Problem, einem Defekt, Druckabfall oder selbst dem Öffnen einer Außenluke, wurde die gesamte Besatzung vom Kontrollsystem geweckt, ganz gleich, ob und wie viele Mitglieder bereits wach und auf dem Schiff aktiv waren. Traf keiner dieser Punkte zu, wurde der Kälteschlaf nach maximal 130 Jahren beendet, der effektiven Wirkungsdauer spezieller Langzeitkapseln, welche auf den Kälteschlaf abgestimmt waren und die man vor Antritt schlucken musste. Es wurde zwar empfohlen, alle 5 Jahre für etwa 2 Wochen zu erwachen, da dies – statistisch gesehen – das Risiko für spätere Herzkrankheiten und psychische Symptome senkte, aber die Praxis sah in der Regel anders aus. Mit aufsteigendem Dienstgrad verringerte sich zudem die Schlafdauer, eine Regel, die beliebter Gegenstand diverser Witze war.

Nachdem Gallard zur Stärkung Nudeln mit Fleischklößchen und zum Nachtisch einen Schokoriegel gegessen hatte, holte er aus der Waffenkammer eine Strahlenpistole und machte sich an einen längeren Kontrollgang, nur um sicherzugehen, dass die Sensoren keine falschen Informationen geliefert hatten und er wirklich allein war. Zudem nutzte er die Gelegenheit, um sich über das Ausmaß der Zerstörungen ein Bild zu machen und dabei bestmöglich zu rekonstruieren, was hier überhaupt vorgefallen war.

Es beruhigte ihn, die Daten der Sensoren und seinen ersten Eindruck bestätigt zu sehen: Alle lebensrelevanten Vorrichtungen funktionierten, der Gartenbereich war aufgrund der automatischen Bewässerung zu einem undurchdringlichen Dschungel geworden und die Tanks mit den Algen und Bakterien waren ebenfalls in einem perfekten Zustand, ebenso die Filter und Anlagen zur Säuberung von Luft und Wasser. Allerdings entdeckte er während des Rundgangs fünf weitere Leichen, mumifiziert und mit deutlichen Zeichen eines gewaltsamen Todes.

Ihm waren Geschichten bekannt, in denen Leute verrückt wurden, wahnsinnig durch die Isolation im All und die Tatsache, dass nur wenige Zentimeter zwischen sicherer Wärme und dem kalten Nichts lagen – und ein kleiner Fehler zwischen Leben und Tod. Da es aber allem Anschein nach keine mutwilligen Zerstörungen gab in dem Bestreben, die Besatzung kollektiv umzubringen, fragte er sich, was die Ursache für all das war.

Erfreut stellte Gallard fest, dass sein persönlicher Handcomputer, der etwa die Maße einer Schachtel Zigaretten hatte, während seines Kälteschlafs nicht kaputt gegangen war. Die Stromversorgung der integrierten Energiezelle per Induktion ermöglichte zudem den sofortigen Einsatz, weshalb er ohne Umschweife eine Liste anlegte, wen er wo vorgefunden hatte. Zusätzlich machte er mit dem Gerät Fotos von jeder Leiche und ihrem jeweiligen Fundort, um sich intensiver damit befassen zu können.

Als er den Kontrollraum passierte und auf die Brüstung in einer der gigantischen Lagerhallen trat, blieb er stehen und atmete die feuchtkalte Luft bewusst tief ein, während die Flutlichter wie Signalfeuer aufflammten. Sie waren zahlreich und doch nicht stark genug, um den riesigen Raum ganz zu erhellen. Irgendwo tropfte Wasser. Die mächtigen Trennwände, die Millionen Tonnen Erz fassten, bildeten eine Formation, die aus Gallards Perspektive an einen Irrgarten erinnerte, an ein Labyrinth der Riesen. Zudem war er erstaunt über die riesigen Teppiche aus Moos, das sich auf dem Metall ausgebreitet hatte, am Boden, an den Trennwänden und an allen anderen Konstruktionen; sogar das Geländer vor ihm war davon bedeckt.

Er wandte sich ab und verriegelte das Schott. Vor dem Kontrollraum blieb er stehen und betrachtete die Liste der Opfer, darunter der Kapitän, dessen Stellvertreter, die Ärztin, der Koch, drei der insgesamt fünf Mechaniker, der Steuermann und der Waffenoffizier. Den Schluss bildete aktuell Gallards direkter Arbeitskollege, mit dem er auf Kontrollgängen nach sicherheitskritischen Mängeln hatte Ausschau halten müssen. Demnach fehlten noch drei Personen: zwei Mechaniker und die Tochter der Ärztin. Diese hatte vornehmlich in der Küche geholfen und sich zudem um die Wäsche der Besatzung gekümmert. Sie war praktisch Mädchen für alles gewesen, ob nun Botengang oder Filmvorführung im Gemeinschaftsraum.

Gallard war mit fast jedem gut ausgekommen, mit Ausnahme von zwei Mechanikern, die sich stets für etwas Besseres hielten und ihn und seinen Kollegen entsprechend behandelten. Es hatte an Bord so wenig wahre Freundschaft gegeben wie größere Streitigkeiten. Jeder von ihnen war im Grunde genommen nur auf den Raumfrachter gekommen, um gutes Geld zu verdienen und zugleich dem Irrsinn der Kolonien zu entrinnen, der wahrscheinlich für alle das Todesurteil gewesen wäre. Und trotz dieser Gemeinsamkeit sprachen sich alle nur beim Nachnamen an, der auf ihrer Kleidung stand; Distanz auf kleinem Raum.

Gallard, der gedankenverloren durch die Korridore lief und sich weiter umsah, fast so, als würde er einen normalen Rundgang machen, fand zunächst einen Mechaniker auf dem Bauch liegend mit einem Messer seitlich im Hals. Diesem folgte der zweite Mechaniker, einer jener Kerle, die sich unentwegt hinter Gallards Rücken und in seinem Beisein über ihn lustig gemacht hatten. Jemand hatte dem Mann mit einer Strahlenwaffe ins Gesicht geschossen. Da die Strahlen nur auf lebendes Gewebe reagierten, dieses erhitzten und förmlich verdampften, war von dem Kopf nicht mehr viel übrig, nur noch ein trockener, ledriger Rest und etwas Asche am Boden.

Die Tochter der Ärztin fand Gallard in der Waschküche, nachdem er Mühe gehabt hatte, die Tür zu öffnen, die jemand mit Eisenkeilen von außen so präpariert hatte, dass beim Betätigen des Bedienfelds nichts geschah. Gallard vermutete, dass sich die junge Frau dort verbarrikadiert hatte und der Verfolger die Tür blockierte, anstatt zu versuchen, sich Zutritt zu verschaffen. Da es aus dem Raum keinen Fluchtweg gab, war sie wohl letztendlich verhungert. Auch von ihr war nichts weiter übrig als Knochen, die mit Haut überspannt waren. Gallard schätzte, dass er sie mit einer Hand hätte aufheben und am ausgestreckten Arm halten können, ohne sich anstrengen zu müssen. Er machte Fotos und ließ den Leichnam zurück. Als sich die Tür schloss, hatte es etwas von einer Gruft, die versiegelt wurde.

Anschließend lief er in die Küche, wo er sich einen Kaffee kochte und eine Pause gönnte. Er setzte sich in den Gemeinschaftsraum an seinen angestammten Platz und dachte über die nächsten Schritte nach, während er die erstellten Aufzeichnungen und Bilder durchging.

Gallard betrachtete das Datum auf seinem Handcomputer: 130 Jahre Kälteschlaf. Aber wie war es dazu gekommen? Weshalb hatte er nicht einfach den Tod gefunden, wie die anderen?

Es fehlte keines der Beiboote, die Außenschleusen waren dicht und selbst die Kaltfusionsreaktoren liefen problemlos; es gab nicht einmal einen nennenswerten Fehler in den automatisch erstellten Überwachungsprotokollen. Das alles bestätigte Gallards Meinung, dass es um etwas anderes gegangen war als um jemanden, der vom Kälteschlaf und der Einsamkeit des Weltalls zerfressen den Verstand verloren hatte.

Als sie mit dem beladenen Raumfrachter aufgebrochen waren, war zunächst ein Schlaf von 4 Jahren angedacht gewesen, und zwar für den Kapitän, dessen Stellvertreter, die Ärztin und den Steuermann, für alle anderen 8 Jahre. Die gesamte Reisedauer bis zur Kolonie sollte etwas mehr als 19 Jahre betragen. Folglich war in diesem Zeitfenster etwas vorgefallen, das die Dinge in ihre seltsamen, tödlichen Bahnen gelenkt hatte und zugleich nicht sicherheitsrelevant gewesen sein konnte, denn sonst wäre auch Gallard erwacht. Jemand musste die Einstellungen der Kälteschlafkammern geändert haben, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass in dieser Zeit etwas schiefgehen würde; 130 Jahre boten ausreichend Potenzial für Zwischenfälle und Katastrophen.

Er nahm einen Schluck Kaffee, der mittlerweile nur noch lauwarm war. Er blickte auf die Uhrzeit des Handcomputers. Er war bereits seit 14 Stunden wach, aber es fühlte sich nicht so lang an. Und er hatte sich doch erst vor ein paar Minuten mit dem heißen Kaffee an den Tisch gesetzt. Und nun war er fast kalt. Aber was war schon Zeit? Hier draußen ging man, sofern nicht krank, stets nach der Uhr ins Bett, man folgte Zeitplänen und Listen, um eine Routine zu erzwingen und eine Struktur zu haben.

Gallard schüttelte die Gedanken ab und lenkte seine Aufmerksamkeit zurück zu den Aufnahmen der Leichen. Die Besatzung war komplett. Zwar hatte er nur eine der Lagerhallen gesehen, aber hätten Piraten das Schiff überfallen und dabei keinen Alarm ausgelöst, wäre er tot, und selbst wenn nicht, hätten sie niemals so viel hochwertiges Erz zurückgelassen. Es wollte ihm nicht gelingen, den zeitlichen Ablauf zu rekonstruieren. Zudem stellte er sich die Frage, was er überhaupt damit bezweckte. Er hatte ja nicht einmal eine Ahnung, wo er sich aktuell befand.

Er hielt inne. All das Chaos und die Leichen hatten ihn ganz davon abgelenkt, die Route zu prüfen, auf welcher der Raumfrachter durch das All glitt. Er wusste, dass die Triebwerke abgestellt waren. Erstens lag die Information im System und zweitens hätte er sie in der Lagerhalle nicht nur gehört, sondern auch aufgrund der Vibrationen gespürt.

Ohne den restlichen Kaffee zu leeren, stand er auf und machte sich auf den Weg zur Brücke. Dabei schien die Stille, die nur vom Klang seiner Schritte unterbrochen wurde, dichter zu werden; eine Stille, welche die Außenhülle durchdringen und so ungehindert vom Weltall in den Raumfrachter gelangen konnte.

Und während er durch die Korridore lief, blitzte in seinem Hirn ein Gedanke auf, eine Information aus seinem Unterbewusstsein.

Gallard blieb stehen und holte den Handcomputer hervor. Er ging die Aufnahmen der Leichen durch, bis er die richtige fand: In der Szene lag der stellvertretende Kapitän mitten in der Krankenstation, umgeben von einer riesigen Fläche, hier rostbraun, dort nahezu schwarz.

Er machte kehrt, verwarf den Plan, zur Brücke zu gehen, und lief zur Krankenstation. Durch seine konstante Bewegung löschte das System keines der automatisch aktivierten Lichter in den Räumen und Gängen.

Gallard öffnete die Tür, betrat die Krankenstation und betrachtete den Körper: Der Mann – oder vielmehr dessen ausgetrocknete Hülle – lag auf dem Rücken, einen Arm von sich gestreckt. Die andere Hand ruhte auf dem Bauch, dem versiegten Quell des Blutes, das sich von dort ausgebreitet hatte.

Gallards Interesse galt allerdings der Hose, denn deren Vorderseite war fast bis zu den Knien vom Blut verfärbt. In Verbindung mit dem Zustand und der Lage der übrigen Leichen ließ das nur einen Schluss zu: Das hier war das einzige Besatzungsmitglied, das nicht an Ort und Stelle gestorben war. Von dieser Überzeugung brachte ihn auch nicht die Tatsache ab, dass er weder auf den Schuhen des Toten noch im Raum oder auf dem Gang vor der Krankenstation weitere Blutspuren finden konnte.

Der Knoten der Verwirrung lockerte sich.

Sogleich studierte Gallard aufmerksam die Bilder der anderen Opfer, bis er zur Leiche eines Mechanikers kam, der bei einer Werkbank lag. Neben dem Toten erkannte Gallard Werkzeug, darunter mehrere Schraubenzieher, die er nur kurze Zeit später aus der Nähe betrachtete. An einem davon haftete etwas, bei dem es sich laut Molekularscanner tatsächlich um die Überreste von Blut handelte – das Blut des stellvertretenden Kapitäns.

Gallard spürte, wie sich die Teile zu einem Bild zusammenzufügen begannen.

Es musste so abgelaufen sein: Der Mechaniker wurde vom stellvertretenden Kapitän angegriffen, wehrte sich und stach mit dem Schraubenzieher zu. Dann wurde er mit einer Strahlenwaffe getötet, was die Verletzungen belegten. Anschließend schleppte sich der stellvertretende Kapitän zur Krankenstation, um seine Wunde zu versorgen, brach dort zusammen und starb.

Da bis auf den stellvertretenden Kapitän jeder am Ort eines Angriffs gestorben war, schlussfolgerte Gallard, dass zum Zeitpunkt dieser letzten Auseinandersetzung bereits alle anderen tot gewesen sein mussten. Und das wiederum sagte ihm, dass einer dieser beiden Männer für all das hier verantwortlich war. Wäre ein anderes Besatzungsmitglied der gemeinsame Feind gewesen, hätte man nach dessen Tötung mit dem Wahnsinn aufgehört.

Gallard wusste, dass dieses Szenario durchaus Schwächen hatte, aber es erklärte die vorliegenden Fakten und ergab daher Sinn.

Von diesem Erfolg angetrieben begab er sich in das persönliche Quartier des Mechanikers. Er hoffte auf weitere Antworten, wurde jedoch enttäuscht.

In der Kabine des stellvertretenden Kapitäns fand er ebenfalls nichts, das seine Theorie untermauern oder widerlegen konnte. Gallard hatte zwar nicht mit einem niedergeschriebenen Plan gerechnet, sich jedoch zumindest eine kleine Information erhofft, mit welcher er der aktuellen Situation doch noch einen Sinn hätte abringen können.

In einem der drei Spinde, die nebeneinander in dem Quartier standen, fand er eine hölzerne, flache Schatulle aus dunklem Holz. Er nahm sie zur Hand, klappte sie auf und betrachtete die gewissenhaft angeordneten, auf Samt ruhenden Abzeichen. Und obwohl – oder gerade weil – er nur einige von ihnen kannte und andere lediglich im Laufe der Zeit gesehen hatte, ohne ihre Bedeutung zu kennen, stach eines besonders hervor: Ein silbernes, gleichschenkliges Dreieck mit matter Oberfläche und etwa zwei Zentimetern Kantenlänge. Er nahm das Stück heraus und betrachtete es genauer. Es gab keine Gravur auf der Rückseite und damit keinen Anhaltspunkt. Er legte das Dreieck zurück, klappte die Schatulle zu und verstaute sie an ihrem alten Platz.

Er sah noch eine Weile Schubladen und Bücher durch, alles ohne Erfolg. Hatte der Mann vielleicht einfach den Verstand verloren? Ab und zu waren die offensichtlichen und damit meist auch einfachen Erklärungen die, die der Wahrheit am nächsten kamen.

Gallard verließ das Quartier. Gewiss, keine Bestätigung, kein bewiesener Grund hätte etwas an den Tatsachen geändert, und doch spürte er, dass mehr an der Sache war, als Wahnsinn und ein Ausbruch von Gewalt. Und eben jener Eindruck bestätigte sich, als er ein paar Minuten später auf der Brücke stand und den Monitor betrachtete. Zu sehen war die aktuelle Position des Raumfrachters und damit das Ziel, das der stellvertretende Kapitän – laut seiner Signatur – in den Autopilot eingegeben hatte: Die Erde.

Die Erde. Man nannte sie den Blauen Planeten und von ihm war alles ausgegangen. Gallard wusste kaum etwas darüber, und das, was er wusste, hatte er nur irgendwo gehört. Die Erde wurde an den Schulen im Zuge des Geschichtsunterrichts lediglich am Rande erwähnt. Zudem war sie von den Kolonien und deren Bewohnern so weit entfernt, dass sie nur noch ein abstraktes Etwas darstellte, keine Mutter Erde. Seit der Mensch damit begonnen hatte, hinaus in die Schwärze zu reisen und neue Heimaten zu erschaffen, ob nun auf Planeten oder in riesigen, künstlichen Strukturen im Orbit von Sonnen und Gasriesen, seit Energie kein kritischer Faktor mehr war und der Kälteschlaf selbst Zeit ihrer Wichtigkeit beraubt hatte, gab es einfach keine Verbindung mehr zu diesem Ort, die über Geschichten und ein paar Traditionen hinausging. Die Erde war wie ein altes Reich, dessen Name sein Bestehen überdauerte.

Er hätte genauso gut in Birrghs Leere, Caleras Graben oder Idex‘ Klamm enden können, oder gar irgendwo abseits der Routen, mit defektem Antrieb, ohne ausreichend Sauerstoff und ohne Nahrung. Unter den gegebenen Umständen grenzte es ohnehin an ein Wunder, dass er überhaupt noch am Leben war.

Gallard ließ einen Scan laufen. Nach ein paar Sekunden stand fest, dass sich der Raumfrachter tatsächlich im Orbit der Erde befand.

Er rief das Protokoll auf und betrachtete die Daten. Hatte er in der Schule geschlafen und so den Stoff über die Evakuierung der Erde verpasst? Wenn nicht, wie kam es dann, dass er seit 37 Jahren zwischen der Erde und ihrem Mond trieb und weder aus der einen noch der anderen Richtung Besuch erhalten hatte?

Er wechselte zu den detaillierten Daten des Scans. Die Atmosphäre war intakt, die Luft bestand aus einem normalen Gemisch ohne gefährliche Stoffe und auch die Oberflächentemperatur bewegte sich in einem unauffälligen Bereich.

Gallard schaute sich auf der Brücke um und überlegte. Er war durchaus in der Lage, den Rückweg zu einer der Kolonien anzutreten. Zwar kannte er nur Bruchteile der nötigen Vorgänge, um einen solchen Frachter zu steuern, aber er hatte alle Zeit, um sich mit den Handbüchern zu befassen und das nötige Wissen zu erlangen. Auf der anderen Seite interessierte ihn eine brennende Frage: Weshalb wollte der stellvertretende Kapitän ausgerechnet zur Erde?

Er atmete durch und entschied, die Dinge erst einmal ruhen zu lassen, sich etwas Gutes zu kochen und anschließend ein paar Stunden zu schlafen. Ein frischer Geist und ein ausgeruhter Körper würden in dieser Situation hilfreich sein. Er durfte sein bisheriges Glück nicht mit einer leichtsinnigen Entscheidung zerstören.

Damit wandte sich Gallard ab und begab sich Richtung Küche.

– Kapitel 3 –

Vorbereitungen

Nachdem er fast neun Stunden geschlafen hatte, verließ Gallard sein Quartier, frühstückte und begann damit, sich auf den Weg zur Erde vorzubereiten. Er gestand sich ein, dass der Entschluss unterbewusst bereits am Vortag gefallen war und dass ihn die Fragen wie ein Schatten verfolgen würden, wenn er sich nicht zumindest kurz dort unten umsah. Er wusste, wie die Beiboote gesteuert und die nötigen Checks durchgeführt wurden, wie er ablegen und ankoppeln konnte und wie er startete und landete. Das änderte allerdings nichts an seiner Anspannung.

Hier oben war er sicher, hatte alles, was er benötigte, um zurück in sein altes Leben zu gelangen. Aber wollte er das? War das hier nicht eine seltene Chance? Er hatte zwar keine Ahnung wie, aber theoretisch konnte er den Frachter mitsamt der Ladung an einen der zwielichtigen Händler verkaufen, die es in jeder Kolonie und in jedem Außenposten gab. Allein die 18 Kälteschlafkammern an Bord waren ein Vermögen wert. In seiner Phantasie ließ er sich dann irgendwo in den Schatten eines bewaldeten Strandes nieder und beobachtete jeden Morgen drei oder mehr Sonnen bei ihrem Aufgang, bis er eines Tages die Augen nicht mehr öffnen würde. Nach den weit über 100 Jahren galten er, der Raumfrachter und der Rest der Besatzung ohnehin als verschollen.

Was gab es schon dort draußen? Einsamkeit, eine lange Reise und möglicherweise eine ungewollte Begegnung mit Piraten oder einen technischen Defekt, den er nicht beheben konnte. Falls es dort unten auf der Erde nichts gab, das ihn halten würde, konnte er sich noch immer einen Plan überlegen und aufbrechen. Allerdings gab es nicht einmal einen Grund, den Weg zu seiner Heimatkolonie anzutreten, weder Familie noch Freunde. Und die Bekannten, die er hatte, waren mittlerweile entweder tot oder weiterhin da draußen unterwegs, um ein Leben zu bestreiten, dessen Realität sie zermürbte. Auf eine gewisse Art war es ein Geschenk des Schicksals, dass er hier gestrandet war.

Für die meisten Menschen empfand er nichts als Abscheu, seit ein paar Diebe seine Eltern und seine ältere Schwester umgebracht hatten, und das für abgetragene Kleidung und ein paar Essensvorräte. Er selbst – damals 9 Jahre alt – kam nur davon, weil er zur fraglichen Zeit ein paar Gänge weiter auf der Toilette war. Die Sache muss binnen Minuten abgelaufen sein, denn es gab nirgends auch nur ein Geräusch, das einen Hinweis auf die Täter hätte geben können. Und er wusste, dass er von nun an auf sich allein gestellt war.

Gallard lebte die nächsten zwei Jahre in den feuchten, stickigen Gängen eines sehr armen Bezirks. Er schlief in Lüftungsschächten, in denen die Luft längst aufgehört hatte, zu zirkulieren, und lebte von den Resten, die andere übrig ließen und in den Müll warfen. Irgendwann wollte er sich vom Hunger getrieben in eine Wohnung schleichen, um etwas Essbares zu finden. Doch entgegen Gallards Erwartung war der Bewohner zuhause. Er prügelte Gallard halb zu Tode und zerrte ihn dann bis vor die Wachstation am Rande des Bezirks, wo er ihn auf den Boden schleuderte, wie ein Stück Abfall. Da sich die Polizisten nicht mit ihm beschäftigen wollten, informierten sie einen Sozialarbeiter und das wiederum führte dazu, dass sich Gallard in einem Kinderheim wiederfand. Doch auch dort gab es nichts als Elend und Tränen, und er wusste, dass es niemals enden würde.

Leider brachte kein Gebet Erlösung. Deshalb zog er sich immer weiter in sich selbst zurück und flüchtete sich in Traumvorstellungen von einem besseren Leben. Wenn er auf diese Art kreativ wurde, dann sprach er mit dem Architekten, denn sie waren beide auf Augenhöhe; zwei Schöpfer im Dialog. Und die Geschichten wurden sein Gebet.

So verging die Zeit, bis er letztendlich mit 15 Jahren einen älteren Jungen in einem Heim, in das er erst Tage vorher gekommen war, die Treppe hinabstieß und keine Stunde später an dessen Stelle auf einem Versorgungsraumschiff anheuerte, an Bord ging und nie wieder zurückblickte. Nun war er – zumindest theoretisch – 37 Jahre alt und in der Lage, ein Abenteuer zu bestreiten, das sich niemand hätte erträumen können – und ihm fiel es einfach in den Schoß.

Und was hatte er bisher schon geleistet? Gesehen hatte er einiges, von neu gegründeten Kolonien über widerliche Ghettos aus Krankheit und Stahl, in die seit 500 Jahren kein natürliches Licht fiel, bis hin zu Gebirgen aus blutrotem Kristall. Doch während dieser Zeit war er nur körperlich an diesen Orten gewesen, sein Geist hingegen stets unterwegs in seiner Phantasie, auf Reisen in noch entlegenere Regionen mit Geheimnissen, die nur für ihn bestimmt waren. Er galt bei anderen schnell als etwas naiv und einfach, als jemand, der mehr oder minder anspruchsvolle Arbeiten zuverlässig erledigte, ohne sich zu beschweren. Dass er sich für simple oder monotone Tätigkeiten nicht zu schade war, lag nicht am Mangel an Intelligenz, wie andere dachten, nein; er musste sich nur viel weniger kümmern, hatte geringere Verantwortung zu tragen und daher, selbst tagsüber während seiner Arbeit, mehr Zeit, neue Geschichten zu erfinden oder sich mittels seiner Gedanken in ein Abenteuer zu stürzen, von dem niemand wusste. Es unterhielt ihn, bereitete ihm Freude. Er hatte kein Problem damit, stundenlang auf dem Bett zu liegen, an die Decke zu starren und sich vorzustellen, wie er in einem selbstgebauten Unterseefahrzeug einen schwarzen Wassergiganten erforscht und 100 000 Kilometer in der Tiefe eine Zivilisation entdeckt, die sich fern von Licht und äußeren Einflüssen entwickeln konnte. Er war ein Entdecker der Gedanken, und wenn ihn andere für dumm hielten, so konnte das nur zu seinem Vorteil sein. Auf der anderen Seite ließ er sich aber nicht ausnutzen, etwas, das er in all den Heimen und in den Gassen und Korridoren der Städte gelernt hatte. Doch auch diese Erfahrungen konnte er in die Abenteuer flechten, womit er ihnen, gleich wie schmerzlich, einen Sinn gab: Er beraubte sie so ihrer Schrecken, bis diese keine Kontrolle mehr über ihn hatten; sie wurden Teil seiner Phantasie.

Gallard war im gleichen Atemzug jedoch bewusst, wie privilegiert er war, wenn er seine Zeit mit so etwas füllen und verbringen konnte. Er fühlte sich deshalb aber weder schlecht noch schuldig, denn er wusste: Hätte er nicht die Flucht nach vorn angetreten, um den Heimen und den Umständen zu entrinnen, wäre er vermutlich in den Ghettos gelandet und über kurz oder lang in einem der Hochöfen, in denen die Leichen der Armen verbrannt wurden.

Träumen war der Sinn, den ihm das Universum anvertraut hatte. Er durfte es nicht enttäuschen und dieses Geschenk ablehnen, dessen war er sich sicher. Diese eine Kraft, die alles durchzog und die niemand zu spüren schien, dem er bisher über den Weg gelaufen war, sie war es, der er folgen musste. Er hatte zu viele Leute gesehen, die sein wollten, was sie nicht waren, deshalb unglücklich wurden und damit ihr Leben ruinierten. Aber er nicht. Er gab sich dem Universum hin. Und weshalb sollte er sich irren? Er stand kurz davor, den Planeten zu besuchen, wo das seinen Anfang nahm, was ihn nun hierher geleitet hatte. Der Kreis schloss sich.

Der Oberflächen-Scan zeigte nur unbrauchbare elektromagnetische Wellen, einige kleine Regionen mit erhöhter Radioaktivität und kaum Orte mit einem auffälligen Temperaturunterschied im Vergleich zu seiner direkten Umgebung. Das bestätigte Gallards Vermutung, dass es auf der Erde schlichtweg niemanden gab, der ihn hätte entdecken können. Vielleicht hatte man vor 20 Jahren noch letzte Funksignale gesendet, wer weiß. Er wusste nicht, was dort unten passiert war und schon gar nicht, ob die Situation als ungewöhnlich eingestuft werden musste. Soweit er wusste, gab es selbst vor 130 Jahren keine regelmäßigen Handelsbeziehungen zwischen der Erde – und den übrigen bewohnten Planeten des Sonnensystems – und den Kolonien. Hätte es sie gegeben, wäre die Erde mehr als ein Bild mit ein paar Sätzen in den Schulbüchern. Er konnte es aber verstehen. Wenn es so viel Zeit, Energie und zahllose Opfer gekostet hatte, diesen Planeten zu verlassen und in die Weiten des Weltalls aufzubrechen, weshalb sollte man sich weiterhin daran binden?

Auf den Erkundungsflug bereitete er sich vor, indem er alles Nötige im Gemeinschaftsraum auf einem Tisch anordnete. Zunächst waren da ein Strahlengewehr und eine Strahlenpistole, da er nicht wusste, was ihn dort unten erwartete, ob nun irgendwelche angriffslustigen Stämme oder wilde, ausgehungerte Tiere. Hinzu kamen zwei passende Energiezellen, auch wenn diese theoretisch unnötig waren, denn um eine zu leeren, musste man etwa drei Wochen konstant Dauerfeuer geben. Es gab Waffen mit weitaus besseren Eigenschaften, aber diese waren den Schutzeinheiten vorbehalten und höchstens noch bei einigen Weltraumpiraten zu finden. Dann legte er sich noch den Molekularscanner nebst zwei Energiezellen zurecht, von denen eine für seinen Handcomputer bestimmt war, einen Rucksack, mehrere Schachteln mit Energieriegeln und ein paar Packungen mit Langzeitkapseln. Jedes Beiboot war zudem mit einem Notfallkoffer für Verletzungen ausgestattet, mit einem Vorrat an Langzeitkapseln und anderen Dingen. Er stellte noch ein paar gefüllte Wasserbehälter auf den Tisch und eine Maske mit Luftfilter und vier passenden Sauerstoffbehältern, die nicht größer waren als eine geballte Faust und jeweils Luft für 90 Stunden lieferten.

Er betrachtete die Zusammenstellung und fragte sich, ob er etwas Essenzielles vergessen hatte. Auf der anderen Seite ging es hier nur um einen Erkundungsflug. Falls es dort unten etwas Interessantes gab, konnte er jederzeit zurück zum Frachter und Nachschub holen. Es war sogar möglich, mittels Notfallsignal ein weiteres Beiboot anzufordern, welches dann computergesteuert zu seiner Position kommen würde.

Während Gallard die Ausrüstung im ausgewählten Beiboot verstaute, dachte er über den stellvertretenden Kapitän nach. Wenn es keine näheren Beziehungen und keinen regelmäßigen Austausch mit der Erde gab, was hatte den Mann dann an diesen Ort gelockt? War er einem geheimen Befehl gefolgt? Hatte er zufällig irgendwelche Informationen erhalten? Oder war er insgeheim ebenfalls ein Träumer gewesen, den es in die Ferne und damit zur Erde gezogen hatte? Der Raumfrachter bot mit all der Ausrüstung immerhin die passende Gelegenheit, einen Moment, den der Mann nicht einfach ungenutzt hatte verstreichen lassen können. Und selbst wenn die Wahrheit irgendwo zwischen diesen Möglichkeiten lag oder sogar anderswo, welcher Gedanke hatte ihn dazu getrieben, die Besatzung zu töten? Oder sah Gallard nur das, was er sehen wollte? Natürlich ließ sich nicht ausschließen, dass die Gewalt von einem anderen Besatzungsmitglied ausgegangen war; und Situationen konnten sich zuspitzen und eskalieren, das war nichts Neues, schon gar nicht, wenn man zu lange mit den gleichen Leuten im Rumpf eines Raumschiffs eingesperrt war.

Letztendlich spielte es aber keine Rolle, welches Szenario Wirklichkeit war und welches Phantasie, denn nichts änderte die Tatsache, dass der Autopilot den gigantischen Raumfrachter bis in den Orbit der Erde gesteuert hatte.

Was also war dort unten?

– Kapitel 4 –

Der Erkundungsflug

Der Eintritt in die Atmosphäre am Rand einer großen Landmasse, die im Sonnenlicht lag, verlief ohne Probleme. Gallard ließ sämtliche Scanner des Beiboots laufen. Es erstaunte ihn, wie grün alles war.

Er sah gigantische Kuppeln, beschädigt und zersetzt von Natur und Zeit, in denen riesige Urwälder wie in einem Treibhaus entstanden waren und die Städte darin verschluckt hatten. Freiliegende Ortschaften waren unter Pflanzen und Bäumen kaum noch auszumachen, während sich Schnellstraßen und Bahnstrecken zu Wegen für ziehende Tierherden entwickelt hatten.

Gallard blickte auf die Ergebnisse der Scans. Es gab nichts, das auf die Gegenwart von Menschen schließen ließ. Die perfekte Einsamkeit mit den Strukturen längst vergangener Tage, gebrochener Beton und Rost in einem grünen Kleid.

Er verringerte die Flughöhe schrittweise auf 3000 Meter, was noch immer genügend Abstand zwischen seinem Raumschiff und den höchsten Kuppeln bot, die wie zerbrochene Gefäße unter ihm vorüberzogen. Sie wirkten wie die Prototypen jener Kuppeln, die zahlreiche Kolonien überspannten, ob nun fix auf einem Planeten oder auf einer der Strukturen, die sich durch das All bewegten auf der Suche nach einem geeigneten Ort für eine neue Siedlung.

Gallard war fasziniert, denn er sah dort unten weite Wiesen mit Blumen in sämtlichen Farben, als wäre ein Regenbogen vom Himmel gefallen, wahre Meere aus lilafarbenen Blüten, Bäume mit weißen und blauen Blättern und rotes Gras.

Er ließ eine weitere Kuppel hinter sich, verringerte die Geschwindigkeit und landete auf einer freien Fläche in der Nähe eines Sees. Ein paar Wasservögel ergriffen aufgeschreckt die Flucht zur anderen Seite des Gewässers.

Gallard prüfte den Sitz der Strahlenpistole und scannte die Umgebung zur Sicherheit erneut, bevor er das Beiboot verließ und Fuß auf die Wiese setzte, wo es vor lauter Insekten nur so wimmelte. Er atmete tief ein und wurde beinahe benommen von der guten, klaren Luft, die nach Gras und süßen Blüten duftete, ein Geruch, der in diesem Augenblick vollkommen neu und unglaublich schön war.

Er hob den Blick zum Himmel, wo vereinzelte Wolken dahinzogen. Er hatte die Sonne im Rücken und spürte ihre Wärme auf der Kleidung. Am Horizont ragte ein mächtiges Gebirge auf und dahinter türmten sich noch mächtigere Wolkenberge, die er bereits bei seinem Anflug bewundert hatte. Dann lief er ein paar Meter und schaute sich nach allen Richtungen um. Er sah Wälder am Rand der Ebene, grüne Kuppeln und jene, die er zuletzt überflogen hatte, sowie eine weiße Linie in der Ferne, die auf Stützen ruhte und die Szene durchschnitt, vermutlich eine Bahnstrecke.

Er fühlte sich auf eine sonderbare Weise frei und unbeschwert, ein Gefühl, das er so nicht kannte und welches ihm kein Traum schenken konnte.

Er betrachtete die Blumen und die schillernden Schmetterlinge, während er zum See lief. Er marschierte über den steinigen Uferstreifen, zog den rechten Handschuh aus, ging am Wasser in die Hocke und hielt die Hand in das klare, kalte Nass. Es fühlte sich völlig anders an als das Wasser auf dem Raumfrachter oder in den Kolonien; es war lebendiger. Er sammelte etwas davon in der hohlen Hand und ließ es über die Finger zurück in den See laufen. Dann stand er wieder auf.

Die Oberfläche des Sees wurde vom Wind leicht gekräuselt. Die Wasservögel auf der anderen Seite ließen sich von Gallards Gegenwart nicht stören. Dieser sah zu den Bergen in der Ferne, ohne einen bestimmten Punkt zu fixieren, und fragte sich ein weiteres Mal, weshalb der Raumfrachter im Orbit der Erde war.

Eventuell hatte der stellvertretende Kapitän mit Weltraumpiraten eine Abmachung getroffen: Sie sollten den Frachter überfallen oder hier in Empfang nehmen. Möglicherweise war die Wahl einfach so auf die Erde gefallen, grundlos. Doch dann kam etwas dazwischen, ehe die Pläne in die Tat umgesetzt werden konnten.

Er wusste, dass das reine Spekulation war. Er wollte jedoch die Hintergründe verstehen, die zu dieser merkwürdigen Situation geführt hatten. Aber wie ließ sich das bewerkstelligen?

Gallard konnte sich noch so den Kopf zerbrechen, es schien, dass dieses Geheimnis sein letztes und größtes Siegel mit dem Tod des stellvertretenden Kapitäns erhalten hatte. Und vielleicht hatte dieser tatsächlich irgendwann zufällig von der Erde gelesen oder gehört und wollte einfach hierher, weil es nichts anderes gab, für das es sich noch zu leben lohnte. Gallard wusste, dass der Mann seine Frau und die zwei gemeinsamen Kinder bei einem Unfall auf einem Passagierfrachter verloren hatte. Durchaus ein Motiv für Entscheidungen, die sich einer Erklärung entzogen.

Und doch spürte Gallard, dass mehr hinter der Sache steckte, denn immerhin stand er nun an einem See mitten auf einem höchstwahrscheinlich entvölkerten Planeten, der verlassenen Wiege der Menschheit. Die Erde war so abgelegen von den meisten Kolonien, dass eine Aufrechterhaltung von Beziehungen nur mit Nostalgie zu begründen gewesen wäre. Im Weltall gab es praktisch unbegrenzte Mengen an Rohstoffen und durch die verfügbaren Technologien mehr Möglichkeiten, als es sie hier je gegeben hatte. Der Mensch war nicht in die Ferne aufgebrochen, um sich an sein Heim zu binden. Und wer weiß, wann die Entscheidung gefallen war, die Nabelschnur zu durchtrennen. Dort draußen war die Erde kein Thema alltäglicher Unterhaltungen. Sie war nichts weiter als ein Relikt der Vergangenheit, genau wie die ersten Kolonien, die ebenfalls verlassen waren und unter den zahlreichen Einflüssen verfielen. Geisterhafte Strukturen einer anderen Zeit.

Gallard sah zu einer der Kuppeln und versuchte sich vorzustellen, wie die Menschen früher zeitlich in einem kleineren Rahmen gelebt haben mussten, wohingegen es im All um Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte ging, stets mit einem größeren Bild vor Augen. Was zählte ein einzelnes Schicksal? Reisen von Jahrzehnten, nur um ein Rohstoffvorkommen zu erschließen, waren kein Problem, zumal die Lebenserwartung dank Zellverjüngung nun im Idealfall bei 300 bis 400 Jahren lag – sofern man sich diesen Luxus leisten konnte. Und selbst ohne erreichten viele ein Alter von durchschnittlich 150 Jahren. Ehe die Möglichkeit bestand, tatsächlich ins Weltall aufzubrechen, waren die Menschen auf diesem Planeten gefangen. Nun wurde einfach eine neue Kolonie gegründet, sobald die Bevölkerung eine kritische Zahl erreichte, um eine effektive Verteilung vorzunehmen und damit den Einflussradius der Menschheit zu vergrößern. Und doch war sich jeder bewusst, dass auch das nur ein Anfang war, genau wie damals die erste Reise in das schwarze Nichts.

Gallard nahm einen Stein, warf ihn ins Wasser und betrachtete die kreisförmigen Wellen, die gegen die vom Wind verursachte Unruhe auf der Oberfläche ankämpften und das Spiegelbild des Himmels noch weiter verzerrten. Er hob einen weiteren Stein auf und wiederholte das Spiel, eine einfache Handlung und doch etwas, das er nie getan hatte. Dass er nicht blass und krank in einem der finsteren Kanäle dahinvegetierte und jetzt hier stand, grenzte nicht nur an ein Wunder – es war eins.

Obwohl es in den Kolonien Tiere und Pflanzen gab, die von der Erde stammten, war für Gallard alles fremdartig. Das Erleben von blühender, lebendiger Natur war wenigen vorbehalten. Alle anderen mussten sich mit bewegten Bildern, Fotografien oder Zeichnungen begnügen, sofern sie überhaupt die Möglichkeit dazu hatten.

Die Wellen verloren sich langsam unter Gallards Blick.

Plötzlich schoss ein dunkles Objekt von links nach rechts durch das Spiegelbild, und zwar so gerade und schnell, dass es kein Vogel sein konnte.

Gallard schaute zum Himmel und konnte gerade noch erkennen, dass dieses Etwas länglich war. Es flog lautlos in die Ferne.

Ohne Zeit zu verlieren, rannte er zurück zum Raumschiff, ging an Bord, startete die Triebwerke und nahm die Verfolgung auf.

War das der Vorbote eines möglichen Angriffs? Gab es doch jemanden, der seine Gegenwart registriert hatte?

Nachdem er eine Weile Ausschau halten musste, um das fliegende Objekt zu finden, holte er es letztendlich ein, hielt sich oberhalb und flog schräg versetzt dahinter, während die Systeme Informationen sammelten.

Das etwa 2 Meter lange Objekt, das an eine Rakete erinnerte, sendete und empfing zwar elektromagnetische Wellen, aber offenbar nur, um die Flughöhe dem Untergrund anzupassen und diese bei rund 230 Metern zu halten. Innerhalb gab es definitiv keinen Platz für einen Piloten. Es flog mit 410 Stundenkilometern. Über die Art des Antriebs ließ sich per Scan nichts Genaueres feststellen.

Gallard folgte dem Flugobjekt eine Weile, ohne dass dieses auf seine Anwesenheit reagierte. Daher vermutete er, dass es sich um eine Überwachungsdrohne handelte, einen Vorläufer jener Exemplare, die er von den Kolonien her kannte. Sie überwachten beispielsweise den Verkehrsstrom und passten diesen an, sobald es zu einem Problem kam, wie etwa einem technischen Ausfall. Das würde erklären, weshalb die Drohne unbeirrt ihre Bahnen zog, auch ohne Gegenwart von Menschen, wahrscheinlich genährt vom Licht der Sonne und zufällig noch intakt. Aber wie sicher waren diese Vermutungen?

Er verfolgte die Drohne eine Zeit lang, verringerte dann aber die Geschwindigkeit und ließ sie davonziehen, denn es hatte keinen Sinn, sich mit einer einfachen Maschine zu befassen, die nichts tat als das, wofür man sie gebaut hatte.

Gallard ließ den Blick über das Gebiet schweifen, das sich vor ihm entfaltete. Grüne Wälder, ein paar Hügel und Flüsse, mehrere Kuppeln und verfallene Dörfer außerhalb, aber nirgends auch nur eine Rauchsäule oder eine Stelle, die herausstach, weil sie aktuell landwirtschaftlich oder anderweitig genutzt wurde.

Nach kurzer Überlegung entschied er sich für eine kleine Ortschaft, um sich dort in Ruhe umzusehen.

Während des Landeanflugs dachte er nach. Wenn sich der stellvertretende Kapitän sämtliche Informationen gemerkt und diese nicht festgehalten hatte, so würde es Gallard nie gelingen, dessen Ziel zu identifizieren. Zusammen mit dem Umstand, dass das System des Raumfrachters keinerlei Signale registriert und aufgezeichnet hatte, gab es nicht einen Anhaltspunkt, nicht eine Spur, die er hätte aufnehmen können.

Gallard sah seine Vermutung immer weiter bestätigt: Er war tatsächlich allein.

Er landete mit dem Beiboot auf den gebrochenen Resten einer breiten Straße, die durch Pflanzen, deren Wurzeln und den Zahn der Zeit fast vollständig verschwunden war. Er verließ das Raumschiff und blickte sich um. Der auffrischende Wind versetzte alles in Bewegung und ließ die Blätter der vereinzelten Bäume und Büsche in der Umgebung raunen. Gallard prüfte den Sitz seiner Strahlenpistole und lief los.

Bereits an den ersten Häusern sah er, dass diese nichts mit modernen und optimierten Konstruktionen zu tun hatten, sondern einfache Gebäude aus Stein, Zement und Holz waren. Überall hatte die Natur ungestört ihr Werk verrichten können: Es wuchsen Bäume aus Eingangsbereichen und Fenstern, Mauern waren von Wurzeln gesprengt worden und Dächer hatten dem Wirken von Moos, Nässe und Zeit nachgegeben. Rostige Fahrzeuge standen in Einfahrten und auf Höfen und die Überbleibsel von Gardinen und Vorhängen wehten im Luftzug gespenstisch aus dem Halbdunkel dahinter. Ungewöhnlich viele Fenster und Türen standen offen.