Der Esposo - Marcel von Arx - E-Book

Der Esposo E-Book

Marcel von Arx

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Beschreibung

Eigentlich fühlt er sich in seinem Leben zu Höherem berufen, findet sich aber, nachdem er einen Wettbewerb gegen seine (frisch verheiratete) Frau verloren hatte, als Ehemann/Esposo in Quito wieder. In Ecuador fällt der gelernte Rechtsanwalt und Notar als Hausmann ohne eigentliches Portefeuille prompt in eine existentielle Krise. Nur zögerlich beginnt er seine Freiheiten - immerhin hat er ein Haus, ein Auto, eine Kreditkarte und ein Handy - zu nutzen und mit alten Mustern zu brechen. Ob es ihm gelingt?

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EPUB
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Seitenzahl: 100

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Marcel von Arx

Der ESPOSO

Ein Ehemann in Quito

© 2025 Marcel von Arx, Neuauflage

Website: marcelvonarx.com

Cover: Oswaldo Guyasamín, Obra

gráfica numerada, 91/175

ISBN

Softcover

978-3-384-51238-3

Hardcover

978-3-384-57535-7

e-Book

978-3-384-51239-0

Druck und Distribution im Auftrag des Autors: tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: Marcel von Arx, Gebhartstrasse 15, 3097 Liebefeld, Schweiz.

Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Kapitel 1 – Im Kongo

Kapitel 2 – Der Concours

Kapitel 3 – Mariscal Sucre

Kapitel 4 – Im Laufgitter

Kapitel 5 – Miravalle

Kapitel 6 – Am Rockzipfel

Kapitel 7 – Gegen die Uhr

Kapitel 8 – Amo la Casa

Kapitel 9 – Das Réduit

Kapitel 10 – Hinter Gittern

Kapitel 11 – La Clínica

Kapitel 12 – Cotopaxi

Kapitel 13 – Santa Catalina

Kapitel 14 – Nanegalito

Kapitel 15 – Carishina

Glossar

Autor

Der Esposo

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Kapitel 1 – Im Kongo

Autor

Der Esposo

Cover

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Die autofiktionale Erzählung spielt in Quito von Februar bis Dezember 2001.

Ohne Lilian gäbe es keinen Esposo - danke.

Kapitel 1 – Im Kongo

Was für eine miefige Schuhschachtel, rebellierte er. An der Wand hing ein trostloses Bild, die Tulpe in der Vase war verwelkt, der Boden glanzlos.

Dringend müsste er seinen Bildschirm putzen. Stockte er deshalb mitten in seinem Nebensatz? Genervt vom Komma, das offensichtlich falsch war, stand er auf und öffnete den Schrank, aus dem der Staubsauger ihn anstarrte, wie ein Götze.

9:03 Uhr, er wies den (noch) Ehegatten und der Zeugin ihre Plätze im Saal zu. Die Atmosphäre war angespannt, als der Richter die Verhandlung eröffnete. Der Anwalt ordnete seine Akten, die Zeugin räusperte sich, ihn drückte der Knopf seiner Krawatte. Trotzdem notierte er die Personalien, schrieb das Protokoll und zahlte gemäss dem kantonalen Gebührentarif das Zeugengeld aus. In der Urteilsberatung meldete er sich zu Wort, doch hörte ihm niemand zu.

Zurück in seinem Büro war sein Plastikbecher leer, doch blieb ihm der Kaffeesatz darin so rätselhaft wie die Plädoyers im Saal. Er beugte sich über sein Dossier und addierte die Alimente für das Essen, die Miete, die Krankenkasse, das Auto und die Kinderkrippe, als würde er Brosamen verteilen. Vor Feierabend wollte der Richter die Verfügung erlassen, weshalb er Artikel 143 Absatz 4 noch einmal überflog. Öfters schielte er dabei auf das Telefon, drehte mit seinem Stuhl im Kreis und rollte durch den Raum, einfach so.

15:43 Uhr, er schob den Vorhang weg, schaute auf den Parkplatz und ertappte eine Kollegin dabei, wie sie überfällige Rappen in die Parkuhr warf und so knapp einer Busse entging, während er lustlos an seinem stumpfen Bleistift knabberte.

Lebendig im Raum war einzig die digitale Uhr auf seinem rechten, oberen Bildschirmrand, die sich alle sechzig Sekunden, im Schneckentempo bemerkbar machte. Als er die 625 Franken in die Verfügung eingetippt hatte, trennten ihn noch 27 Minuten von der Stempeluhr.

Mein Job ist trist, die Paragrafen sind penibel und das Gericht ist eine Bühne, auf der ich eine Neben-, eine Statistenrolle spiele, wenn überhaupt. Frisch patentiert kann ich ab sofort den Platz des Anwalts übernehmen und für andere, vielleicht sogar für die Gerechtigkeit streiten. Oder ich kann Richter werden und nicht mehr am Rand, dafür ganz oben, in der Mitte auf dem Stuhl sitzend das Recht sprechen. Will ich aber ein Teil des Systems, eine Schraube einer Fabrik werden, die Urteile ausspuckt wie auf einem Fliessband? Ich weiss nicht, ob ich zu Höherem, doch hoffentlich bin ich zu Anderem im Leben berufen.

Aus dem Nichts klingelte das Telefon, das eigentlich immer stumm blieb. Sollte er trotzdem antworten? «Bonjour», grüsste ihn eine Stimme weltmännisch. Bern, kam sie rasch zur Sache, suche einen Experten für den Kongo, eine Hilfe für den Vertreter des UNO-Generalsekretärs, eine neue Kraft in Kinshasa. Ja, wurde der Diplomat persönlich, sein Profil passe und es sei dringend. «Vous êtes intéressé?»

Ob dieser Anfrage, die einer Sensation gleichkam, schlug er fast einen Purzelbaum. Bastelte er, der Schreiber, gerade an seiner allerletzten Verfügung? Ja, der Kongo ist mein Sinn, wollte er in die Ziffer fünf eintippen, mit Ausrufezeichen, was am Gericht unüblich, noch nie dagewesen war. Mit einem Paukenschlag würde er seinen Computer hinunterfahren und bald nur noch auf dem internationalen Parkett wirken, jubilierte er verzückt.

Ohne Verzug wollte Bern dem Kongo seine guten Dienste anbieten. Seit dem Sturz von Mobutu Sese Seko tobte ein Bürgerkrieg im Land. Dieser tauchte zwar nur sporadisch in den Schlagzeilen auf, war deshalb aber nicht weniger grausam, hatte der Aspirant im Internet herausgefunden. Selbstbewusst war er aber überzeugt, für jede noch so heikle humanitäre Aufgabe gerüstet zu sein. Was genau würde er im Kongo machen? In der Rue Voltaire wollte er mehr darüber erfahren.

Im Empfang der Residenz hing ein Gemälde, das einen Krieger mit Turban auf einem Elefanten zeigte. War das ein Vorfahre seines Chefs? An der Wand tickte eine Uhr, der Geruch war parfümiert, die hellblauen Vorhänge mondän, vielleicht etwas altmodisch. Nur der Krach der Kaffeemaschine störte die Idylle, als der Gesandte ihn lächelnd grüsste und meinte: «Ah, der Kongo, was für eine Tragödie!» Dazu liess er Getränke und Biskuits auftragen. Nach einem flüchtigen Tour d’Horizon verabredeten die beiden, bald in Kinshasa ein belgisches Bier zu trinken und gemeinsam das UNO-Mandat zu erfüllen. «Ah, für den Frieden und die Menschenrechte werden wir da sein und du wirst mein Mann in Goma sein», stellte er ihm in Aussicht, während eine Angestellte mit weissem Häubchen und Schürze das Geschirr abräumte.

«Ich hab’s geschafft, der Tunesier ist genial!», jubelte er vor der Residenz im Genfer Abendrot am Handy: «Nächste Woche reise ich ab in den Kongo. Kommst du mit?» – «Oh» zögerte Lilian und versprach, ihm wenigstens beim Kofferpacken zu helfen.

Hochmotiviert bereitete er sich mit dem Klassiker DAS HERZ DER FINSTERNIS auf seine Mission vor: furchtbar, ja grauenhaft und brutal schilderte Conrad ihm seine künftige Heimat. Bei der Vorstellung, von Kannibalen umzingelt, von der Malaria geplagt und mitten in einem Bürgerkrieg die Menschenrechte und die UNO-Charta verteidigen zu müssen, kriegte er eine Gänsehaut. Weil die Verbindung zu seinem Gesandten, der zurück im Dschungel war, nicht funktionierte, blieb die aktuelle Situation für ihn jedoch unklar. In der Kaffeepause im Gericht aber nannte sein Richter ihn nur noch «unseren Kongolesen».

Wachte er beim Gesang der Vögel auf, fragte er sich, was das Ganze überhaupt sollte. Beim Cappuccino auf der Veranda schimpfte er über den Kongo. Strich ihm schliesslich Leopold, der Nachbarskater um die Beine, hatte er bereits Heimweh. So kam es ihm gelegen, dass der Berner Diplomat im EDA (Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten) weiterhin nichts über seinen Ausreisetermin wusste, ihn aber damit vertröstete, inzwischen befasse der UNO-Sicherheitsrat sich mit seinem Fall.

Lilian gegenüber genoss er das Privileg des Provisoriums. Weil jeder Tag der letzte sein konnte, erlebte das Paar jede Stunde intensiv. Allerdings traute er dem kongolesischen Frieden nicht und wollte, für alle Fälle, noch einmal eine tiefe Brise heimatliche, helvetische Luft einatmen. In Basel tranken sie auf einer Dachterrasse mit Freunden, von denen er traurig Abschied nahm, Prosecco. Dann fuhren sie mit ihren Fahrrädern aus der Stadt und picknickten in einem Park voller Blumen. Und beim Sonnenuntergang hörten sie auf einer Burg bei Bratwurst und Wein fröhlichen, mittelalterlichen Musikerinnen zu, die die Walpurgisnacht besangen.

Am nächsten Morgen fuhren sie durch idyllische Dörfer, rochen den Duft von Kirschblüten, winkten Bauern zu und radelten flussabwärts. Noch nie in seinem Leben war er so glücklich gewesen, als Peng!, ein Knall ihn aus seinem Garten Eden riss. Er zuckte zusammen, duckte sich und rief «in Deckung!». Weil er unmittelbar einen zweiten Schuss erwartete, bremste er viel zu spät und rammte um ein Haar Lilian. «Mein Gott, was ist passiert?» – «Mein Reifen ist geplatzt», klärte sie ihn am Strassenrand auf. Seine Erleichterung über den an sich günstigen Bescheid dauerte nur kurz, bis er nämlich bemerkte, dass sie kein Werkzeug auf sich hatten.

Wie würde er in einer so brenzligen Situation im Kongo handeln? Seine Conrad-Lektüre half ihm nichts, doch spornte er wenigstens Lilian an, zu Fuss zurück in die Zivilisation zu marschieren.

Um den Mut nicht zu verlieren, begann er von einer Safari mit Giraffen, Gorillas und Zebras zu fabulieren. «Wäre es nicht viel schöner, wenn wir als ein verheiratetes Paar im Kongo unterwegs wären?», ereiferte er sich. Ihr Fahrrad stossend staunte Lilian über die ausufernde Fantasie ihres Gerichtsschreibers, als eine Autofahrerin stoppte, sie mitnahm und in Delsberg in einer Werkstatt ablud. Mit einem Kleber flickte der Mechaniker den Reifen der Umworbenen, während er vorerst ohne Antwort auf sein Werben blieb.

Trotzdem, vierzehn Tage später war er verheiratet.

Mit der einen Hand halte ich Lilian, mit der anderen einen Schirm. Ich will im Takt tanzen, kenne aber den Schritt nicht und bin bereits zweimal auf den Fuss meiner Ehefrau getreten. Gestresst spüre ich einen Schweisstropfen auf meiner Stirn. 80 Gäste stehen um uns herum, jemand klatscht, Konfetti fliegen durch die Luft und der Schirm wird wegen der bunten Bänder, die ihn schmücken, schwer. Egal, sie tarnen mich, als wäre ich im Kongo in einem Gebüsch versteckt, rede ich mir ein. Blamiere ich mich gerade? Als die Familie erfährt, dass Lilian ihren Nachnamen behalten hat, sind alle überzeugt, dass sie in der Ehe das Sagen hat.

Kurz vor Mitternacht, beim Schneiden der Hochzeitstorte, äussert sie den Verdacht, der Kongo sei nichts anderes als eine Finte, ein Trick gewesen. Mit dem Messer in der Hand zwinkere ich ihr zu.

Kapitel 2 – Der Concours

Kurz nach ihrer Hochzeit machte Lilians Firma Green Money for the Blue Planet Konkurs. Als Pionierin hatte sie Geld nach ökologisch-ethischen Vorgaben in Firmen investiert, was den Bankern in Zürich ein Dorn im Auge gewesen war. Solidarisch kündigte er seinen Job ebenfalls – ins Blaue hinein. Wie ein Kongolese amüsierte er sich, als er das Gesicht seines verblüfften Richters sah. Zufrieden stieg er, nachdem er um 17:07 Uhr ausgestempelt hatte, auf sein Fahrrad. Dabei fühlte er sich wie eine Feder im Wind, ohne zu wissen, wohin dieser ihn tragen würde.