Der Faktor Vertrauen im Schulmanagement - Christian Bilan - E-Book

Der Faktor Vertrauen im Schulmanagement E-Book

Christian Bilan

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Beschreibung

Welche Bedeutung hat Vertrauen im Schulmanagement? Müssen Schulleitungen alles wissen? Was stärkt Vertrauen, was stärkt eher das Misstrauen? Der Faktor Vertrauen im Schulmanagement ist kaum im Blick der aktuellen Bildungsdebatten, obwohl Schulleitungen unisono sagen, dass man ohne Vertrauen nicht erfolgreich als Schulleiter/-in agieren kann. Christian Bilan fasst in prägnanter Form die aktuelle wissenschaftliche Diskussion zusammen und stellt eine qualitative Analyse ausgewählter Experten-Interviews in der schulischen Praxis vor: Die Auswertung der Aussagen erfahrener Schulleiter/-innen. Das Buch stellt Schulleitungen eine wertvolle Hilfe zur Reflexion der eigenen Praxis und für Coaches geeignetes Handwerkszeug bereit; ferner gibt der Autor Handlungsempfehlungen für neue schulische Führungskräfte.

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Seitenzahl: 63

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Wem ich vertraue, dessen Gewissheit seiner selbst, ist mir die Gewissheit meiner selbst.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 – 1831)

 

Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Theoretische Grundlagen

2.1 Vertrauen zur Reduktion sozialer Komplexität

2.2 Individuelles Vertrauen und Systemvertrauen

2.3 Vertrauen und Resilienz

2.4 Vertrauen als self-fulfilling prophecy

2.5 Reziprozität von Vertrauen

2.5.1 Vertrauen als Chance und Fessel

2.6 Vertrauen, Misstrauen und Kontrolle

3. Empirischer Teil

3.1 Methodische Entscheidungen

3.2 Entwicklung des Interviewleitfadens

3.3 Qualitative Inhaltsanalyse

3.3.1 Festlegung des Materials

3.3.2 Analyse der Entstehungssituation

3.3.3 Formale Charakteristika

3.3.4 Richtung der Analyse

3.3.5 Theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung

3.3.6 Bestimmung der Analysetechnik

3.4 Auswertung der Experteninterviews

3.4.1 Bedeutung von Vertrauen im Schulmanagement

3.4.2 Vertrauensbildende Maßnahmen

3.4.3 Vertrauen in das Leitungsteam

3.4.4 Entwicklungsperspektiven von Vertrauen

3.4.5 Beschädigung von Vertrauen

3.4.6 Grenzen der vertrauensvollen Zusammenarbeit

3.4.7 Vertrauensbildung in das System der Einzel-Schule

3.4.8 Vertrautheit vs. Vertrauen

4. Handlungsempfehlungen für Schulleitungen

5. Fazit und Ausblick

5.1 Fazit

5.2 Ausblick

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

1. Einführung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit professionellem Vertrauen im Schulmanagement einer Schulleiterin oder eines Schulleiters. Kindliches Vertrauen, Vertrauen in privaten Beziehungen oder ein theologisch fundiertes Vertrauen werden nicht thematisiert, auch wenn etymologisch die Konnotate des Begriffs „Vertrauen“ nicht getrennt werden können, sondern vielmehr enge Verbindungen aufzeigen.

Das Wort „trauen“ ist schon vor dem 9. Jh. belegt und verfügt über die Präfigierungen ver- und be- trauen. Im Mittelhochdeutschen lautet es trūwen, im Althochdeutschen (gi-)trūēn. Die Lautverhältnisse sind im Einzelnen nicht klar, es wird von der Verwandtschaft zu treu ausgegangen1. Es bedeutet „fest, sicher sein, vertrauen“ und auch „hoffen, glauben“, reflexiv auch „wagen“ und „heiraten“ als dem Sinn nach „an-ver-trauen“, als Abstraktum „Trauung“, als Partikelverb „zutrauen“. Bei grenzenlosem Vertrauen wird meist das Präpositionalobjekt anstelle des einfachen Dativobjekts gesetzt, so „vertraue ich dir“, aber „ich vertraue auf Gott“.

Das Wortfeld ist groß und hochfrequent. Der Duden2 listet als typische Verbindungen mit Adjektiven auf: blind, uneingeschränkt, vollkommen, hundertprozentig, absolut.

Das hohe Alter des Wortes und die häufige Verwendung im deutschen Textkorpus lassen auf die weitreichende Bedeutung schließen. Die Verwendung ist dabei linguistisch immer reziprok gedacht: vertrauenswürdig sein und jemandem vertrauen. Dabei wird aphoristisch auch eine Grenze sichtbar: Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser.3

In verschiedenen Abschnitten der Arbeit wird sich zeigen, dass trotz wissenschaftlich-analytischer Trennung des Feldes zentrale Eigenschaften Überschneidungen aufweisen.

Im theoretischen Teil dieser Arbeit wird die soziologische, wissenschaftliche Literatur zum Thema den größten Raum einnehmen, da im Bereich Schule die Arbeit an sozialen, pädagogischen Beziehungen besonders wichtig ist.

Aber:

„(...) Vertrauen ist kein ‚Harmoniekonzept‘ (...) sondern strukturell ambivalent: Vertrauen kann gezielt aufgebaut und dann ausgenutzt werden – sowohl in dyadischen Interaktionsverhältnissen (...) wie auch in professionellen Interaktionen.“ (Endreß in Maring 2010, S. 95)

Der Fokus liegt also insbesondere auf dem Faktor Vertrauen im Schulmanagement. Muss also die Schulleitung alles wissen? Welche Maßnahmen stärken das Vertrauen im Schulmanagement von Schulleitungen?

Der Begriff des Schulmanagements ist nicht so eindeutig definiert, denn „es gibt Führungskräfte, die managen, und es gibt Manager, die Personalführung betreiben“ (Röbken 2016, S. 29). Die Klärung ist im Rahmen dieser Arbeit nicht so entscheidend, denn auch wenn Leadership und Management verschiedene Prozesse beinhalten können, kulminieren doch viele dieser Aufgaben in der einen Schulleiterin oder dem einen Schulleiter, der nach den Schulgesetzen der Länder in der Regel auch allein die Gesamtverantwortung für die Schule trägt.

In der Arbeit wird davon ausgegangen, dass Schulen sich entwickeln können, auch wenn das bei sozialen Systemen oft schwierig ist.

„Die mangelnde Lenkbarkeit sozialer System beruht auf der Komplexität dieser Systeme, deren Elemente selber komplexe Systeme sind, die ihr Verhalten variieren können.“ (Horster 2011, S. 11)

In gewisser Weise setzt die Arbeit mit der Frage nach dem Vertrauen im Schulmanagement genau da an und nimmt die Komplexität sozialer Systeme auf – eben am Faktor Vertrauen.

Im empirischen Teil werden mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring fünf Experten-Interviews mit jeweils einer Schulleiterin oder einem Schulleiter ausgewertet, um die erarbeiteten theoretischen Aspekte des Faktors Vertrauen im Schulmanagement zu überprüfen.

Abschließend werden resultierende Handlungsempfehlungen für Schulleitungen vorgestellt, ein Fazit gezogen und ein Ausblick für mögliche, weitere Forschung gegeben.

 

1vgl. dazu Kluge, F.: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearbeitet von Elmar Seebold, 23. erw. Auflage 1999, S.833

2s. https://www.duden.de/rechtschreibung/vertrauen – 08.01.2023

3Wladimir Iljitsch Uljanow (Lenin) zugeschrieben

2. Theoretische Grundlagen

Endreß (2002, S. 68ff.) begründet den Begriff des „fungierenden Vertrauens“ und geht damit davon aus, dass ein Vertrauensverhältnis in der Regel nicht thematisiert wird, es sei denn, dieses Verhältnis ist bedroht, sodass es im Folgenden behandelt werden muss. Paradoxerweise wird also eher Misstrauen kommuniziert, während ein intakter, vertrauensvoller Bezugsrahmen ohne Explikation auskommt.

„In dieser seiner Kernbedeutung dient (fungiert) Vertrauen wesentlich als stillschweigend vorausgesetzter („tacit“) Bezugsrahmen alltäglichen Handelns bzw. wird als solcher wirksam.“ (Endreß in Maring 2010, S. 97)

Das fungierende Vertrauen hat einen impliziten Charakter und ist handlungswirksam, aber gerade nicht reflektiert, sondern konstitutiv prä-reflexiv. Endreß weist zu Recht auf die Problematik hin, dass diese Argumentation ausschließlich ex negativo geführt werden kann und verweist auf Kant, dass man mit Hilfe von Denken nicht „hinter“ das Denken gelangen kann (vgl. ebd. S. 98f.). Im Unterschied zu einer Reflexivität ex post, wie man es bei allen anderen Konzepten von Vertrauen findet, handelt es sich beim Konzept des fungierenden Vertrauens um eine konstitutive Reflexivität in praxi (vgl. ebd. S. 100).

Konsequenterweise kritisiert Endreß damit alle Konzepte, die Vertrauen als kalkulierendes, rational-reflektiertes Handeln entwerfen, da sie die zugrunde liegende Bedingung des Prä-Reflexiven ignorieren. Auch in Abgrenzung zum habitualisierten Vertrauenskonzept u.a. nach Schütz (1963, S. 187ff.), das zwar auch prä-reflexiv gedacht ist, aber nicht als primärer Modus, sondern aufgrund von Interaktionen. Endreß (ebd. S. 101) führt aus:

„Dieser Modus muss als konstitutive Form des menschlichen Weltverhältnisses verstanden werden, der habitualisiertes Vertrauen seinerseits erst ermöglicht.“

Reemtsma (2008, S. 34) argumentiert ähnlich, indem er sagt:

„Für Vertrauenswürdigkeit [ist] nicht allein von Belang, dass einer tut, was er sagt, sondern auch, dass er bestimmte Dinge nicht sagt und nicht tut. Nicht allein, dass wir wissen, was wir von ihm zu erwarten haben, sondern ebenso sehr, dass wir wissen, was wir von ihm nicht zu gewärtigen haben, zählt.“

Endreß führt weiter aus, dass Vertrauen konstitutiv reziprok ist, also nur relational als Konzept zu etablieren ist. Zuletzt hat Vertrauen ein Fundament durch eine Historie in konkreten Interaktionen – das wiederum gilt gleichermaßen für Misstrauen.

Endreß’ Begriffsverständnis ist konzeptionell besonders plausibel und geht hinter alle anderen bis jetzt vorhandenen Konzepte zurück. Grundlegender kann der Begriff „Vertrauen“ nicht verstanden werden.

Dennoch kann dieses Begriffsverständnis nur eingeschränkt für die Arbeit in einem professionellen Feld hilfreich sein, wenn es um die aktive, steuernde Gestaltung eines Vertrauensverhältnis’ geht. Hier greifen die pragmatischen Ansätze thematisch-reflexiven Vertrauens als kognitive Verhaltensdisposition und strategische Handlungsressource für Schulleitungen besser. Mit diesem pragmatischen Verständnis lässt sich eher die Frage beantworten, inwiefern Schulleitungen den Faktor Vertrauen im Schulmanagement beeinflussen können. Das vor-kognitive, „dahinterliegende“ Konzept des fungierenden Vertrauens scheint für die pragmatischen Belange dieser Arbeit zunächst kaum nutzbar, gerade dadurch, dass es prä-reflexiv und nicht habituell ist. Die Bedeutung zum Verständnis von Vertrauen ist dennoch ungetrübt.

Für die pragmatischen Belange dieser Arbeit ist die Annahme Luhmanns hilfreich: „Vertrauen ist eine Lösung für spezifische Risikoprobleme“ (Luhmann 2014, S. 144). Damit skizziert er eine system- und entscheidungstheoretische Grundlage im Rahmen einer Rational-Choice-Theorie. Personen handeln rational-reflexiv, indem sie ihr Risiko über zukünftige Handlungen anderer kalkulieren. Vertrauen ist hier eine zu kalkulierende und eben auch kalkulierbare soziale Beziehung.

Coleman (1990, S. 91, 99) zeigt auf, dass