Der Fall Emmy Noether (eBook) - Johannes Wilkes - E-Book

Der Fall Emmy Noether (eBook) E-Book

Johannes Wilkes

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Beschreibung

Der erste Kriminalroman um die berühmteste deutsche Mathematikerin Emmy NoetherEin neuer Fall für die Erlanger Ermittler Mütze und Karl-DieterUnerbittlich rollen die schweren Regalwände in den Kellern des Erlanger Stadtarchivs aufeinander zu – Nachtwächter Willi Wrontzky läuft vergebensum sein Leben. Ein Unfall? Oder Mord? Kommissar Mütze ermittelt und stößt auf mysteriöse Zusammenhänge. Die Spur führt in die Vergangenheit zu der berühmten Erlanger Mathematikerin Emmy Noether, die kurz nach ihrer Flucht vor den Nazis im amerikanischen Exil verstarb. Gibt es jemanden, der sich für Emmy Noethers Nachlass interessiert? Oder ist Willi Wrontzky einer tragischen Liebesgeschichte zum Opfer gefallen? Welche Rolle spielt sein zwielichtiger Chef? Und welche die Mathematiker der Erlanger Universität? Alle Fäden laufen an einem geheimnisvollen Ort zusammen ...

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Seitenzahl: 225

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Johannes Wilkes, Jahrgang 1961, wurde in Dortmund geboren und absolvierte ein Studium der Medizin in München. Seit über dreißig Jahren lebt er in Franken und führt in Erlangen eine sozialpsychiatrische Praxis. Neben populären Sachbüchern schreibt er auch belletristische Werke. So ermittelte Kommissar Mütze u. a. bereits in den Frankenkrimis »Der Fall Rückert« (2016), »Mord am Walberla« (2018), »Tod auf dem Poetenfest« (2019), »Der Fall Caruso« (2020), »Der Fall Wagner« (2021) und »Die Zustellerin« (2022).

Johannes Wilkes

Der Fall Emmy Noether

Frankenkrimi

ars vivendi

Originalausgabe

Vollständige eBook-Ausgabe

der im ars vivendi verlag erschienenen

Originalausgabe (erste Auflage Februar 2023)

© 2023 by ars vivendi verlag

GmbH & Co. KG, Bauhof 1,

90556 Cadolzburg

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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Umschlaggestaltung: FYFF, Nürnberg

Motivauswahl: ars vivendi

Umschlagfotos: © IanDagnall Computing/Alamy Stock Photo und Roman Mager/Unsplash

eISBN 978-3-7472-0476-4

Inhalt

Montag

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Dienstag

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Mittwoch

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Donnerstag

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Kapitel 72

Freitag

Kapitel 73

Kapitel 74

Kapitel 75

Kapitel 76

Kapitel 77

Kapitel 78

Kapitel 79

Kapitel 80

Kapitel 81

Kapitel 82

Kapitel 83

Kapitel 84

Kapitel 85

Kapitel 86

Kapitel 87

Kapitel 88

Kapitel 89

Nachwort

Montag

1

Augenblicklich spurtete er den Gang entlang. Er musste nicht lange überlegen, für solche Situationen war er trainiert. Zum ersten Mal wurde er als Sicherheitsmann herausgefordert, seine Instinkte aber funktionierten auf Anhieb. Eigentlich war an dieser Stelle gar kein Gang, schon das war verdächtig, verdächtiger aber noch war der Schatten, der hinten am anderen Ende der Regalschlucht abgetaucht war und dem er nun hinterherjagte. Die Schlucht war schmal und lang. Zu beiden Seiten erhoben sich mächtige Archivwände, die bis zur Decke des Kellergeschosses reichten. Mit seinem Handylicht den dunklen Weg ausleuchtend, lief Wilhelm Wrontzky weiter. Er mochte die Hälfte der Aktenschlucht erreicht haben, als er zu seinem Schrecken bemerkte, dass sich der schmale Gang noch weiter verschmälerte. Konnte das sein? Nein, er hatte sich nicht getäuscht, die Archivwände bewegten sich unaufhaltsam aufeinander zu, oder war es nur eine von ihnen, die sich bewegte? Egal, weiter, schnell weiter! Bald stieß er mit den Ellenbogen schmerzlich an, dann blieb er mit seiner Jacke an einer Kante hängen, geriet ins Straucheln, fiel hin, erhob sich wieder, was nur noch ging, indem er seine Schultern zur Seite drehte, versuchte, sich weiter vorwärtszukämpfen, doch die Wände, die verdammten Wände, sie hörten nicht auf, sie kamen immer näher. Seine Jacke war bereits aufgerissen, nur noch wenige Meter, dann hatte er es geschafft, dann hatte er das rettende Ende erreicht. Mühsam zwängte er sich weiter, zog den Bauch ein, machte sich so schmal es ging, vergebens, bald steckte er endgültig fest. Wie ein lästiges Insekt pressten ihn die Wände zusammen, unbarmherzig, sein Handy entglitt ihm und fiel zu Boden. Er wollte noch um Hilfe rufen, doch sein Schrei erstickte, ein hässliches Knacksen und Bersten war zu hören, ein letztes Ächzen der Hydraulik, dann wurde es still.

2

Es war kurz nach drei, als Mützes Handy losjodelte: »Olé, Be-Vau-Bee, olé, olé …« Sofort war der Kommissar hellwach und ging dran.

»Was sagst du, wo soll das sein?«, fragte er und warf sich so rücksichtsvoll er vermochte aus den Federn, um den schlafenden Karl-Dieter nicht zu stören. »Im Stadtarchiv? Ich komme.«

Keine Minute später schwang sich Mütze hinter das Steuer seines Mantas und brauste los. An den nächtlichen Karpfenteichen von Kosbach vorbei ging die Fahrt Richtung Büchenbach, am Europakanal entlang und weiter über den Dechsendorfer Damm zur Erlanger Nordstadt. An den Unigebäuden dreimal ums Eck, dann hatte Mütze die alte Gebbertfabrik erreicht, die sich das Medizintechnische Museum der Firma Siemens und das Stadtarchiv teilten. Vor dessen Eingang standen zwei Streifenwagen mit laufenden Motoren. Peer Brackelmann, ein junger Polizeianwärter, stand an der gläsernen Eingangstür, neben ihm ein Herr mit dem wachen Blick des ewig Suchenden.

»Jakobus André«, stellte er sich vor, »Leiter des Stadtarchivs. Kommissar Mütze, nicht wahr?«

Mütze nickte. Er glaubte, sich dunkel an das Gesicht des Archivars erinnern zu können. Hatte nicht vor einigen Wochen etwas in der Zeitung über ihn gestanden, ein Bericht über die Neuerwerbung irgendeines Briefkonvolutes?

»Wo ist der Tote?«

»Im Keller.«

»Bringen Sie mich hin.«

Tut er nur so oder ist er durch nichts zu erschüttern, fragte sich Mütze, als er dem Archivar die Treppe hinunterfolgte. Eine Leiche lag schließlich nicht jeden Tag bei einem rum.

»Was wissen wir bereits, Brackelmann?«, fragte Mütze den neben ihm laufenden Kollegen.

»Um halb zwei erhielten wir einen Anruf«, berichtete der junge Polizist eilfertig. »Eine Frauenstimme. Sie klang verzweifelt. Im Keller des Archivs sei jemand in Lebensgefahr, drohe zwischen den Akten zu ersticken. Die Frau legte gleich auf, und wir konnten nicht nachfragen. Drubel und ich gleich los zum Stadtarchiv. Die Tür steht offen, im Keller alles still, von der Anruferin keine Spur. Wir sehen uns um, dann entdecke ich das Blut, ein dünnes Rinnsal, das zwischen zwei Archivwänden herausläuft, zwischen den Wänden ein schmaler Spalt. Beim Hineinleuchten haben wir ihn entdeckt, konnten aber die Wände nicht auseinanderschieben. Geht nur elektrisch, haben den Schalter nicht gefunden. Zum Glück war Doktor André gleich zur Stelle.«

Sie hatten das Kellergeschoss erreicht. Die Stirnseite der sorgfältig beschrifteten Archivwände zog sich durch das ganze Gewölbe, Mütze schätzte die Anzahl der Regalwände auf sicher zwei Dutzend. Das Archiv hatte nichts Verstaubtes, im Gegenteil. Alles blitzte colgateweiß im Licht der LED-Deckenlampen. Das Einzige, das die Ordnung störte, war die Leiche des Wachmanns auf dem Boden. Mund und Nase waren blutverschmiert, und auch am rechten Ohr war eine verkrustete Blutspur zu sehen.

»Wirklich traurig«, sagte der Archivar und legte die Hände vor dem Bauch zusammen, »Willi war einer von der zuverlässigen Sorte, seit Jahren dreht er bei uns seine nächtlichen Runden.«

»Wie konnte das passieren?«, fragte Mütze und beugte sich zu dem Toten nieder.

Der Archivar zuckte mit den Schultern.

»Ein Unfall?«, hakte der Kommissar nach.

»Unwahrscheinlich. Willi hätte die Mechanik selbst in Gang setzen müssen, um sich dann in die sich schließende Lücke zu stürzen. Er war sicher nicht die hellste Kerze auf der Torte, so dumm aber war er nicht. Sehen Sie, Herr Kommissar, das hier ist das Bedienungspult, mit ihm lassen sich die Wände steuern. Die Dinger haben das Gewicht eines Elefanten, Stahlkonstruktionen voller Akten. Musste man früher mit Handkurbeln mühsam beiseiterollen, seit einiger Zeit erledigen Elektromotoren den Job. Kleine Demonstration gefällig?«

»Danke, später, erst muss die Spurensicherung ran.«

Mütze besah sich das Gesicht des Toten. In den aufgerissenen Augen spiegelte sich die blanke Panik. Der Kommissar erhob sich wieder. Wer konnte die Anruferin gewesen sein? Warum ist sie nicht im Archiv geblieben, warum hat sie nicht auf die Polizei gewartet? Was hatte sie mit der Sache zu tun?

»Ist der Nachtwächter einmal in Begleitung gesehen worden?«

Der Archivar schaute Mütze skeptisch an.

»Willi war die Zuverlässigkeit in Person, niemals hätte er eine unbekannte Person mit ins Archiv genommen.«

»Und eine bekannte?«

3

»Auszuschließen ist nichts«, sagte Mütze.

Big-Chip nickte und schnippte nach dem kleinen Clubfähnchen, das auf seinem Computer wehte – auf Halbmast, was nichts Gutes verhieß. Wer auch immer die unbekannte Frau gewesen sein mochte, sie war nicht nur eine wichtige Zeugin, sie war womöglich mehr. Aber ob sie gar als Mörderin des Nachtwächters in Betracht kam, wie Mütze mutmaßte?

»Eine Mörderin, die selbst die Polizei informiert?«

»Alles schon vorgekommen«, sagte Mütze, »erinnerst du dich noch an die Sache im Tierheim? Die Praktikantin? Nachdem sie ihren Peiniger in den Zwinger mit den Doggen gesperrt hatte, rief sie bei uns an – zu spät, die Kollegen konnten nichts mehr für ihn tun. Die Doggen hatten ganze Arbeit geleistet.«

Big-Chip nickte. Klar erinnerte er sich. Und doch, war so eine Geschichte nicht eine Rarität?

Big-Chip war Mützes engster Kollege. Wenn ein Mord geschah, was im friedlichen Erlangen zu Mützes nicht geringem Verdruss nur alle Jubeljahre vorkam, bildeten die beiden ein Team. Besonders dankbar war Mütze für die überragenden Computerkenntnisse seines Freunds und Kollegen. In einem kniffligen Fall hatte er sogar schon einen fremden PC gehackt, was natürlich streng geheim bleiben musste.

»Zu blöd, dass die Aufzeichnung versagt hat«, sagte Mütze und warf sich so schwungvoll in seinen Bürostuhl, dass er mit der Rückenlehne gegen die Heizung knallte.

Selbst Big-Chip war es nicht gelungen, den Anruf zu rekonstruieren, zu allem Überfluss hatte auch noch der Rekorder versagt. Wenn man schon die Handynummer nicht hatte, so wäre eine Stimmaufzeichnung der Frau von ungeheurem Wert gewesen. Die Stimme eines Menschen war charakteristisch wie sein Fingerabdruck. Wenn man bei den Ermittlungen nicht weiterkam, konnte man ihn der Öffentlichkeit vorspielen. Brackelmann, der den Anruf entgegengenommen hatte, meinte, die Frau habe leicht gefränkelt, aber wirklich nur diskret, worüber Mütze, die alte Ruhrpottnase, hatte grinsen müssen. Diskretes Fränkisch? Wie mochte sich das wohl anhören? Big-Chip aber hatte sein Big-Chip-Lachen angestimmt und gesagt, damit würden zumindest alle Oberfränkinnen nördlich des Mains ausscheiden.

»Jetzt mal ernsthaft, Big-Chip, fass noch mal zusammen. Was wissen wir über das Opfer?«

»Wilhelm Wrontzky, siebenunddreißig Jahre, verheiratet, kinderlos. Wohnt mit seiner Frau in einem Reihenhaus in Eltersdorf. Ehemaliger Zeitsoldat, arbeitet seit vielen Jahren bei der Nürnberger Sicherheitsfirma Securanto, die auch in Erlangen einige Objekt betreut.«

»Unter anderem das Stadtarchiv.«

»Unter anderem das Stadtarchiv.«

»Was ist mit dem Handy des Toten?«

»Hab’s noch nicht knacken können. Scheint mit einem besonderen Code gesichert. Ein seltenes Gerät, sehr robust, wie es auch beim Militär verwendet wird. Allem Anschein nach ein Diensthandy. Aber ich krieg’s schon hin.«

Mütze brummte und sah durchs Fenster. Der Morgen begann zu dämmern. Der Sommer war schon übers Dach gerollt, die Nächte aber waren noch kurz. Der »Bunker«, wie sie ihre Erlanger Polizeidirektion nannten, lag an der Bundesstraße 4, langsam setzte der Berufsverkehr ein. Mütze blickte auf das Zifferblatt seiner Pseudo-Rolex. Kurz vor sechs. Er musste los zur Ehefrau des Opfers. Die Überbringung von Todesnachrichten gehörte nicht unbedingt zu seinen Lieblingsaufgaben, aber was half’s? Watt mutt, datt mutt.

4

Wilhelm! Wer hieß schon noch Wilhelm? Zumindest kein Mann, der das Glück hatte, ein Altersheim noch von außen betrachten zu dürfen. Tragisch, dachte sich Mütze, als er auf den Frankenschnellweg Richtung Süden einfädelte. Vermutlich war mit dem Nachtwächter der jüngste Willi Deutschlands gestorben. Vornamen hatten ihre eigenen Jahresringe. Traf man einen Norbert, Rainer oder Jürgen, konnte man ziemlich sicher davon ausgehen, diesen auf Ü-60-Partys abtanzen zu sehen. Erst recht ein Karl-Dieter. – Karl-Dieter! Mütze fingerte nach seinem Handy, der Freund ging gleich ran.

»Morgen, Knuffi, na, schon deine Morgengymnastik gemacht? – Ne, ne, frühstück ohne mich, komm nicht dazu …, ja, genau, im Stadtarchiv ist jemand abgenippelt … erzähl ich dir später … alles klar, tschüssikowsky!«

5

Karl-Dieter schüttelte den Kopf. Mit seinem Ruhrpottslang, mit Wörtern wie abgenippelt oder tschüssikowsky verunstaltete Mütze die deutsche Sprache gewöhnlich nur, wenn er positiv unter Dampf stand. Mord, mindestens aber Totschlag, das vitalisierte Mütze. Musste er sich immer aufs Neue beweisen, was für ein toller Hecht er war? Konnte er die gleiche Freude nicht bei der Ermittlung von Fahrraddieben empfinden oder bei der Jagd nach einem Kosbacher Schwarzangler?

Karl-Dieter setzte sich an den Frühstückstisch, auf dem eine zerlesene Biografie von Emmy Noether lag. Die große Mathematikerin stammte aus Erlangen, in Kooperation mit dem Emmy-Noether-Gymnasium entstand ein Theaterstück, das in wenigen Wochen Premiere hatte. Zentral ging es darum, zu zeigen, wie sich eine Frau in einer männerdominierten Welt durchgesetzt hat, allen Widrigkeiten zum Trotz. Karl-Dieter hatte bereits hübsche Ideen bezüglich der Bühnenbilder, die Skizzen waren fertig, heute wollte er sie Bertie, dem Regisseur, und dem ganzen Team vorstellen. Zuerst aber wurde gefrühstückt. Karl-Dieter zündete die Lavendelkerze an und schenkte sich eine Tasse grünen Tee ein. Dazu gab es ein Vollkornbrötchen vom Bäcker Frank mit einem zarten Strich GeNuss. GeNuss war die fränkische Antwort auf Nutella, Haselnüsse aus regionalem Anbau, mindestens sechzig Prozent Nüsse tummelten sich in der cremigen Köstlichkeit. Kostete ein kleines Vermögen, dafür aber hatte eine Messerspitze so viel Geschmack wie ein ganzes Glas industriell gefertigter Nuss-Nougat-Creme. Bevor Karl-Dieter jedoch mit dem Frühstück begann, setzte er sich in Kutscherhaltung hin, um sein tägliches Morgenritual zu beginnen. Gut, dass Mütze unterwegs war. Der Freund mokierte sich stets aufs Neue darüber, »Müsli-Yoga« nannte er es spöttisch. Karl-Dieter atmete dreimal tief durch, um sich dann umzudrehen und nach dem leuchtendroten Apfel zu greifen, der auf einem filigranen Goldgestell auf der Anrichte ruhte. Mit beiden Händen umfasste er den Apfel zärtlich und schloss die Augen. Ein tiefes Glücksgefühl durchströmte ihn. Er war nie besonders religiös gewesen, jetzt aber wusste er mit Gewissheit, dass hinter dem großen Weltenvorhang jemand stand, der die Menschen und alles Leben segnete, wie immer man diesen Jemand auch nennen wollte. Karl-Dieter spürte, wie sich die Wärme seiner Hände auf die Schale des Apfels übertrug. Unglaublich, dass sein Lasse nun schon so groß sein sollte! Vor zwei Wochen war er doch erst zu Kiwigröße herangewachsen, und nun war er bereits groß wie ein Apfel! Karl-Dieter sammelte sich. Aus der Tiefe seiner Seele ließ er alle guten Gedanken aufsteigen und formte vor seinem inneren Auge einen schneeweißen Vogel daraus, den er über den Atlantik schickte. Drüben an der Ostküste von Amerika lebte eine junge Frau, in deren Bauch Lasse heranreifte. In knapp einem halben Jahr schon wird es so weit sein, dann wird er hinüberfliegen und das kleine Bündel in seine Arme nehmen, sein Kind, seinen Sohn. Noch einmal streichelte Karl-Dieter den Apfel zärtlich, dann legte er ihn zurück auf das Goldgestell und begann zu frühstücken.

Natürlich war es auch Mützes Kind, ganz klar, Lasse würde mit zwei Vätern aufwachsen. Und auch Mütze würde ein guter Vater werden, davon war Karl-Dieter trotz allem überzeugt, in den ersten Jahren aber würde er die Hauptaufgaben übernehmen und seinen Bühnenbildnerkittel für einige Zeit an den Nagel hängen. Das war so abgesprochen, auf eine andere Lösung hätte sich Mütze auch schwerlich eingelassen. Es war mühsam genug gewesen, ihn zu einem Kind zu überreden. »Blagen sind Quälgeister«, war seine ständige Rede gewesen. Warum sollte man sich freiwillig einen Quälgeist ins Haus holen? Ach, Mütze! Was war denn das Leben zu zweit, wenn es nicht durch ein drittes aufgemischt wurde? Durch einen kleinen Racker, der alles durcheinanderwirbelte, die ganze gepflegte Langeweile, die gewohnten immergleichen Abläufe der Erwachsenen, der einem deutlich machte, was wirklich zählte. Auch Mütze wird den Tag loben, an dem Lasse in ihr Leben tritt, davon war Karl-Dieter überzeugt. Spätestens, wenn Lasse einem Ball nachjagen konnte, wird auch Mütze sein Vater-Gen entdecken, sagte sich Karl-Dieter, und strich sich zur Feier des Tages gleich noch eine zweite GeNuss-Schnitte.

6

Eltersdorf lag jenseits der A 3 und damit in der Erlanger Peripherie. Das Reihenhaus des Tatopfers stand in unmittelbarer Nähe einer Mauer, wie sie auch Walter Ulbricht hätte bauen können: sehr hoch, sehr lang und sehr hässlich. Immerhin war der Zweck ein friedlicher, hielt das Monstrum doch den Lärm des Frankenschnellwegs von der Siedlung fern. Mütze verlangsamte seine Fahrt. Nach einem strahlend heißen August fing der Sommer an zu schwächeln. Kühl wehte der Septemberwind, aufkommende Regenschauer erinnerten daran, dass der Herbst vor der Tür stand, erste Bäume begannen bereits damit, ihre Blätter in die Freiheit zu entlassen.

»Jumpin’ Jack Flash, it’s a gas …«, schepperte es aus dem Kassettenrekorder. Zur Musik der Stones ließ Mütze den Manta auf dem Bürgersteig ausrollen, blieb jedoch noch einen Moment im Auto sitzen. Langsam begann die Lärmschutzwand hinter dem Regenvorhang zu verschwinden, der sich auf die Windschutzscheibe legte. Mütze sah zum Seitenfenster hinaus, hinüber zu den Reihenhäusern. Und wenn es doch ein Einbrecher war? Natürlich würden sie auch diese Hypothese prüfen. Was lag näher, als dass jemand, der auf frischer Tat ertappt worden war, den Mord begangen hatte? Kam ein Sicherheitsmann bei seiner Arbeit ums Leben, würde jeder Laie darauf tippen. Eines aber sprach dagegen. Der Chef des Archivs, der stoische Herr Doktor, meinte mit leichtem Bedauern in der Stimme, dass es im Archiv im Grunde nichts zu stehlen gab. Jedenfalls keine materiellen Werte.

»Das Stadtarchiv ist das Gedächtnis der Stadt, mit allen bewussten und unbewussten Anteilen«, hatte er gesagt, »wer aber klaut alte Briefe, Urkunden, Fotos oder andere Dokumente? Zumal das Archiv tagsüber jedem offen steht.«

»Warum dann ein Nachtwächter?«

»Reine Routine, macht man überall so. Vor Einbrechern fürchten wir uns weniger, der eigentliche Grund für die nächtlichen Kontrollgänge ist ein anderer.«

»Nämlich?«

»Schutz vor den wahren Feinden des Archivs.«

»Als da wären?«

»Feuer und Wasser.«

Mick Jagger hatte seinen Jumpin’ Jack austanzen lassen. Mütze drehte dem Rekorder den Saft ab und ließ mit einem Tastendruck die Kassette herausspringen. Es war Viertel nach sechs, brachte er es hinter sich! Um sechs endete die Dienstzeit Wrontzkys, seine Frau würde ihn schon erwarten. Mütze stieg aus und ging zum Reihenmittelhaus mit der Nummer 12, einem dieser schmalen 1970er-Jahre-Bauten, in dem ein Dackel, wenn überhaupt, nur senkrecht mit dem Schwanz wedeln konnte. Vor der Tür strich sich der Kommissar noch einmal durchs grauer werdende Haar und schellte.

7

Jenny Wrontzky war eine Frau Anfang dreißig, ihre schwarz getönten Haare standen in scharfem Kontrast zu ihrem hellen Teint und den knallroten Lippen. »Schneewittchen«, schoss es Mütze durch den Kopf. Erstaunt sah sie ihn an.

»Mütze, Kriminalpolizei. Frau Wrontzky, nehme ich an. Darf ich reinkommen?«

Es dauerte, bis sie zu begreifen schien. Sie hatte ihn in die Küche gebeten, wo er sich zu ihr an den Esstisch gesetzt hatte.

»Ihr Mann ist tot«, wiederholte Mütze.

Sie sah ihn an wie ein Kind, das darauf wartet, dass sein Gegenüber »April, April!« ruft. Mütze aber blieb stumm, wartete, dass seine Worte ankamen.

Verwirrt schob sie ihre Kaffeetasse hin und her. »Ja, also, dann ist er tot? Wirklich tot?«

»Wir konnten nichts mehr für ihn tun, er war schon tot, als wir ihn gefunden haben.«

Die junge Frau nickte unmerklich. Ob sie anfing zu begreifen?

»Es tut mir wirklich leid, Frau Wrontzky.«

Wieder nickte sie, etwas stärker als zuvor. »Wo ist Willi jetzt?«

»In der Pathologie.«

8

Mütze hatte versucht, es ihr ausreden, sie aber hatte darauf bestanden. Vielleicht war es ja auch besser so. Kai, ihr Polizeipsychologe, hatte ihnen bei der letzten Fortbildung erklärt, erst wenn ein Angehöriger den geliebten Toten mit eigenen Augen erblickt, würde die Endgültigkeit des Vorgefallenen, die Unumkehrbarkeit des Todes, tatsächlich in sein Bewusstsein dringen. Also waren sie zusammen losgefahren. Mütze wählte dieses Mal den Weg durch den Ortskern von Bruck, um zur Innenstadt zu gelangen, eine Strecke, die jeder echte Eltersdorfer mied wie der Teufel das Weihwasser. Jenny Wrontzky saß auf dem Beifahrersitz, blass und schweigend.

»Wann haben Sie Ihren Mann zuletzt gesehen?«, fragte Mütze.

»Gestern Abend, bevor er zur Arbeit ging. Wir hatten uns noch einen Burger gemacht, er isst doch so gerne Burger.«

»Ist Ihnen etwas an ihm aufgefallen?«

»Aufgefallen?«

»Ist etwas anders gewesen, ich meine, hat er vielleicht etwas erzählt, von seiner Arbeit vielleicht. Hat er etwas beobachtet, über das er sich Gedanken gemacht hat?«

»Nein, nichts.«

Während er in den Siemens-Ring einfädelte, sah Mütze verstohlen zur Seite. Immer noch keine Tränen, keine sichtbare Spur von Trauer oder gar Verzweiflung. Jenny Wrontzky wirkte wie versteinert. Das musste nichts heißen. Viele Menschen funktionierten nach einer Schocknachricht noch ein Weilchen, bevor der Zusammenbruch kam. Der Psychologe hatte es ihnen erklärt. Das habe die Natur schon dem Neandertaler in die Gene geschrieben, damit er sich noch aus der Reichweite des Säbelzahntigers schleppen konnte, bevor dieser endgültig zubiss. Von der anonymen Anruferin erzählte Mütze vorläufig nichts, der richtige Zeitpunkt schien ihm noch nicht gekommen.

9

Mütze schätzte Professor Krautwurst sehr. Der Erlanger Rechtsmediziner war eine echte Konifere, wie man im Ruhrpott zu sagen pflegte. Egal, wer in seinem gekachelten Sektionssaal lag, immer blieb Krautwurst angenehm ruhig, sachlich und beschränkte sich bei seinen Analysen auf das Wesentliche. Mit routinierter Hand, ja fast mit dem Schwung eines Toreros in der Arena, warf er das Laken von der Leiche.

»Tod durch Ersticken vermutlich«, stellte er mit sonorem Bass fest, »allerdings könnte auch die Gehirnquetschung ursächlich gewesen sein.«

Bei diesen Worten drückte er mit seinen grünen Handschuhhänden männlich entschlossen auf den Schädel des Toten, worauf sich der Kopf knirschend verformte. Mütze trat näher. Wrontzky trug noch seine schwarze Uniform. Unter der Nase und auch im rechten Mundwinkel war verschorftes Blut zu sehen.

»Typisch für einen Schädelbasisbruch«, sagte der Professor, als hätte er Mützes Gedanken erraten, »das Blut ist allerdings recht dunkel, die Sauerstoffsättigung gering, sodass ich eher auf einen Erstickungstod tippe. Aber das werden wir noch herausfinden.«

»Draußen wartet seine Frau, Herr Professor. Spricht was dagegen, dass ich sie reinhole?«

Krautwurst schüttelte den Kopf: »Nur zu! Muss eh zur Morgenbesprechung. Kommen Sie gerne am Abend wieder vorbei, dann wissen wir vielleicht schon mehr.«

Daraufhin öffnete er die schwere Tür, begrüßte die junge Witwe mit ein paar routinierten Worten und eilte mit wehendem Kittel davon.

Mütze blieb diskret neben der Stahltür stehen, während Jenny Wrontzky den Sektionssaal betrat, zögerlich und unsicher. Als sie den Seziertisch erreichte, fing ihr schmaler Körper an zu zucken, dann schlug sie sich gegen den Mund, als müsste sie einen Schrei unterdrücken. Nach einer Weile schien sie sich wieder etwas gefasst zu haben, langsam streckte sie die Hand aus, um das Gesicht ihres Mannes zu berühren. Kaum aber hatten ihre Finger seine Wange berührt, zog sie ihren Arm so hektisch wieder zurück, als hätte sie ein elektrischer Schlag getroffen. Abrupt drehte sie sich um und lief zur Tür.

»Soll ich Sie nach Hause fahren?«, fragte Mütze.

Statt zu antworten, sah sie mit verwirrtem Blick zurück zum Seziertisch. »Woran ist Willi gestorben?«

»Das werden wir noch herausfinden.«

In diesem Moment fing sein Handy an zu jubilieren: »Olé, Be-Vau-Bee, olé, olé …« Mütze fingerte es hastig aus seiner Schimanski-Jacke und trat etwas zur Seite. Es war Gößwein, der Leiter der Spurensicherung.

»Ich hab da was für dich.«

»Was denn?«

»Einen Schlüpfer.«

10

Mütze zog die Einmalhandschuhe an, um das Fundstück näher zu betrachten.

»Sexy, nicht wahr?«, grinste Gößwein.

Nachdem er Schneewittchen nach Hause gefahren hatte, war Mütze sofort zur Stadt zurück, zum Stadtarchiv. Mit beiden Händen zog er das schwarze Höschen in die Breite und rümpfte die Nase. Sexy? Nun, wenn Gößwein meinte … Mütze fand das Ding einfach nur unpraktisch. Klar, nicht nur Gößwein, auch Karl-Dieter würde der Schlüpfer gefallen, Mütze aber kratzte es schon beim Anschauen. Die überflüssigen Spitzen, die löchrige Netzstruktur und erst recht der winzige Strang für die rückwärtige Gesäßpartie. Wer sollte sich darin wohlfühlen? Mütze selbst trug am liebsten praktischen Doppelripp mit Eingriff. Aber egal, ohne Zweifel war das Wäschestück für ihre Ermittlungen wertvoll.

»Wo habt ihr das Höschen denn gefunden?«

»In der Herrentoilette, hinter der Kloschüssel.«

Die Toiletten befanden sich im Erdgeschoss. Mütze überlegte. Wenn der Schlüpfer tatsächlich von der unbekannten Anruferin stammte, wenn Willi Wrontzky mit ihr ein heimliches Verhältnis pflegte, könnte es möglich sein, dass er in der gestrigen Nacht während des Liebesspiels verdächtige Geräusche gehört und einen Einbrecher überrascht hatte.

»Darauf hat er die Verfolgung aufgenommen, seine Freundin hat sich hektisch in die Kleider geworfen, den Schlüpfer dabei vergessen oder auf die Schnelle nicht gefunden …«, ergänzte Gößwein Mützes Gedanken.

»… sie läuft Wrontzky nach, kommt zu spät, sieht noch, was mit ihm passiert, sieht die Archivwände zusammenrumpeln und ruft verzweifelt die Polizei an.«

»Um dann zu verschwinden.«

Mütze nickte. So könnte es gewesen sein. Dass sie nicht auf das Eintreffen der Kollegen warten wollte, war verständlich. Vielleicht lebte auch sie in einer Beziehung, wollte kein Aufsehen erregen. Warum sonst die Heimlichkeit?

»Vielleicht aber war es auch eine Professionelle, die ihren Job illegal betrieb«, meinte Gößwein.

Auch das war möglich. Mütze nahm den Schlüpfer noch mal zur Hand. Den Bund zierte ein goldenes Etikett, ein verschlungenes doppeltes L. Irgendeine Luxusmarke vermutlich, davon verstand Mütze nicht viel. Den Schlüpfer würde man jedenfalls genau untersuchen lassen, vielleicht fand sich ja ein Haar.

»Unwahrscheinlich«, lachte Gößwein, »die jungen Frauen sind heute doch alle rasiert.«

Mütze hob die buschigen Brauen. Was Gößwein nicht alles wusste!

11

Das Markgrafentheater war ein echtes Schmuckkästchen. Zwar konnte es nicht mit seiner größeren Schwester, dem markgräflichen Opernhaus in Bayreuth, konkurrieren, die Intimität der kleineren Bühne aber hatte auch ihren Reiz. Jetzt war das Haus leer, nur zwei Männer waren zu sehen, sie saßen in der ersten Reihe, Berthold Dorn, der Regisseur, und Karl-Dieter, der Bühnenbildner. Karl-Dieter hatte sein iPad auf den Knien liegen.

»Bin auf deine Meinung gespannt«, sagte Karl-Dieter.

Mit einer kurzen Berührung warf er den Beamer an und projizierte seinen Vorschlag für den ersten Akt auf eine bühnenfüllende Leinwand. Ein stilisiertes Schulgebäude erschien, dessen Fensterläden geschlossen waren. Bertie, der Regisseur, brummte etwas Unverständliches in seinen Rauschebart, man wusste nicht recht, ob es Zustimmung oder Ablehnung bedeuten sollte.

»Einen Augenblick«, rief Karl-Dieter und wischte über den Bildschirm.

Der Bühnenbildner hatte den Kopf voller Ideen für Emmy invariant, das geplante Musikstück über Emmy Noether. Ähnlich einer klassischen griechischen Tragödie würde es einen Chor geben, der das Geschehen kommentieren und emotional verstärken sollte. Der Chor bestand aus Schülern des Emmy-Noether-Gymnasiums. Die erste Szene spielte auf dem Schulhof von Erlangens Höherer-Töchter-Schule, es war das Jahr 1893. In dem Pausengewimmel aus blonden Köpfen fiel ein Mädchen mit schwarzen Zöpfen auf, Emmy Noether. Sie war Jüdin, was den Zuschauern dadurch deutlich gemacht wurde, dass sie alleine blieb, als sich zum Pausenende die blonden Mädchen zum Religionsunterricht aufstellten. Während sie sich bereit machten, das erste Lied anzustimmen, malte Emmy mit der Kreide versonnen geometrische Muster auf das Pflaster.

»Und nun singen die Mädchen von ihren Träumen«, sagte Karl-Dieter mit glühendem Kopf und öffnete per Powerpoint ein Fenster des Schulgebäudes nach dem anderen, wodurch die Namen der Wunschberufe erschienen: Ärztin, Anwältin, Ingenieurin, Architektin …

»Und zum Schluss, wenn Emmy ihr Lied über die Schönheit der Mathematik anstimmt, öffnet sich das letzte Fenster.« Karl-Dieter drückte ein weiteres Mal auf die Tastatur, das letzte Fenster öffnete sich, und das Wort Mathematikerin erschien.

12

Vom Theater zum Hugenottenplatz war es nur ein Zeigerstrich. Karl-Dieter hatte sich mit Mütze beim Beck zu einem kleinen Imbiss verabredet, war jedoch so in Gedanken versunken, dass er den Freund, der schon neben dem Eingang wartete, glatt übersah.

»Guten Tag, der Herr!«, brummte Mütze.