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Der Flug des römischen Adlers – Ein Leben im Dienst Roms, authentisch, bildgewaltig und fesselnd erzählt. Tauchen Sie ein in das bewegte Leben eines römischen Staatsmannes und erleben Sie die Geschichte des Imperiums aus einer einzigartig persönlichen Perspektive.
Klappentext: Claudius Paternus Clementianus – geboren im römischen Abodiacum, dem heutigen Epfach in Oberbayern – durchläuft eine außergewöhnliche Karriere im Römischen Reich: vom jungen Offizier bis hin zum kaiserlichen Statthalter. In tagebuchartiger Form blickt er auf seine Jugend, seine Stationen in entfernten Provinzen und seine Rückkehr in die Heimat zurück. Wie fühlt es sich an, Teil eines Weltreichs zu sein und doch tief mit den eigenen Wurzeln verbunden zu bleiben?
Alfred Platschka bringt als ausgewiesener Kenner der römischen Geschichte fundiertes Fachwissen in einen lebendig geschriebenen biografischen Roman ein. Basierend auf realen Inschriften und archäologischen Funden zeichnet er das eindrucksvolle Leben des Claudius Paternus Clementianus nach – mit historischer Genauigkeit und großer erzählerischer Tiefe. Der tagebuchartige Stil ermöglicht es dem Leser, unmittelbar in die Gedanken- und Gefühlswelt dieser faszinierenden Figur einzutauchen. Zahlreiche Originalabbildungen, ergänzt durch einen ausführlichen Anhang mit Informationen zu historischen Orten, Lebensstationen und Quellen, machen Der Flug des römischen Adlers nicht nur zu einem spannenden Leseerlebnis, sondern auch zu einem wertvollen Nachschlagewerk für alle, die sich intensiver mit der Römerzeit beschäftigen möchten.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Alfred Platschka
Der Flug des römischen Adlers
Ein biografischer Roman über Claudius Paternus Clementianus und seinen Aufstieg im Römischen Reich
EK-2 Publishing
Gewidmet dem Zeitgeist der Völkerverständigung und dem Willen zur Freiheit, Gerechtigkeit, und Gleichheit, sowie friedlicher Zusammenarbeit der menschlichen Kulturen. Damals wie heute …
Wenn wir das „Heute“ und unsere Gegenwart verstehen wollen, müssen wir uns mit dem „Gestern§ - der Geschichte unserer Vergangenheit und deren Menschen befassen, die sie durchlebten, die vor uns gingen und das Fundament für unser heutiges Verstehen und Leben legten.
Liebe Leser, liebe Leserinnen,
zunächst möchten wir uns herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie dieses Buch erworben haben. Wir sind ein Familienunternehmen aus Duisburg und jeder einzelne unserer Leser liegt uns am Herzen!
Mit unserem Verlag EK-2 Publishing möchten wir militärgeschichtliche und historische Themen sichtbarer machen und Leserinnen und Leser begeistern.
Vor allem aber möchten wir, dass jedes unserer Bücher Ihnen ein einzigartiges und erfreuliches Leseerlebnis bietet. Haben Sie Anmerkungen oder Kritik? Lassen Sie uns gerne wissen, was Ihnen besonders gefallen hat oder wo Sie sich Verbesserungen wünschen. Welche Bücher würden Sie gerne in unserem Katalog entdecken? Ihre Rückmeldung ist wertvoll für uns und unsere Autoren.
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Abbildung 1: Claudius Paternus Clementianus (Büste im Landesmuseum Klagenfurt/Österreich)
Lebensgroße, aus Marmor gearbeitet Büste im Stil „hadrianischer“ Zeit. Im seitlichen Blickwinkel, mit drapiertem Mantel an linker Schulter mit Scheibenfibel. Gesichtsportrait eines älteren, vornehmen Römers mit lockigem Haar und Bart. Charakteristisch hervortretende Backenknochen, tiefe Nasen-Wangen-Falten, schwere Brauenbögen, die Stirnpartie von zarten Falten durchzogen. Meisterleistung der Bildhauerkunst durch italienischen Künstler.
Fundort der Skulptur: Heiligtum der keltischen Noreia-Isis in Hohenstein/Kärnten, mit umfangreicher Bauinschrift und Namen des norischen Statthalters (125 n. Chr.) Claudius Paternus Clementianus
Auszug aus Orig.-Literatur: G. Piccottini, CSIR – Österreich II/I (1968), S.31.Nr. 48, Tafel 37. Bildrechte: Alfred Platschka
Abbildung 2: Autor /Laufbahn – Lebensstationen des Claudius Paternus Clementianus (* ca. 65 † um 135 n.Chr.)
Abbildung 3: Autor /Militärische und zivile Lebensstationen von C.P.C.
Schon seit langem trage ich mich mit dem Gedanken über diesen bedeutenden Sohn Claudius Paternus Clementianus aus dem damals kleinen keltisch/römischen Ort Abodiacum, gelegen im heutigen Epfach, Landkreis Landsberg/Lech in Bayern, zu schreiben. Angefangen hat dies mit meiner Kindheit. Gebürtig stamme ich aus Klagenfurt, der heutigen Landeshauptstadt Kärntens in Österreich. Ich erinnere mich noch deutlich, als wäre es gestern gewesen, als ich in meiner Kindheit einige Sommertage bei meiner Großmutter Frieda in der Ortschaft Töltschach (bei Maria Saal) in der Nähe von Klagenfurt verbrachte. Diese kleine Ortschaft liegt auf dem Gelände der ehemals römischen Provinzhauptstadt Virunum (bis 300 n.Chr.) Eine hügelige ländliche Ansiedlung, die sich hervorragend dazu eignete, die Gedanken und Erlebnisse meiner Jugend zu beflügeln, zumal meine Großmutter in den 30er bis 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts in einer ehemaligen Mühle, die zum Gutshof Töltschach (oberhalb des Hanges) gehörte, lebte. Wenn ich heute meine Heimat besuche, liebe ich es immer noch über diese sanften Hügel und Wiesen zu wandern, die meine Fantasie und mein geschichtliches Interesse bereits in jenen Jahren geweckt hatten, ohne dass mir dies so konkret bewusst war. Als Kinder spielten wir in den Wiesen, die damals wie heute als Weide für die Rinderzucht dienten, und gruben in unserem Eifer manchmal kleine Erdlöcher auf, in denen wir sonderbare Steine mit fremden Inschriften fanden. Damals wusste ich nur vage, dass dies geschichtlicher Boden von vor über 2.000 Jahren war. Erst später, als sich meine berufliche Laufbahn von Österreich nach Deutschland verlegte, begann sich mein Hobby – die Geschichte und Archäologie – zu festigen. Ich besuchte in meiner Freizeit solche geschichtlichen Plätze und begann dann ab 1995 aufgrund meines Interesses an Webdesign auch an einer Webseite mit der Thematik Geschichte & Archäologie zu arbeiten.
In jenen Zeitraum fällt auch das Ereignis, als ich das Buch in die Hände bekam, das Ausgrabungen eines römischen Amphitheaters zeigte, die Ende des 20. Jahrhunderts getätigt wurden. Die Luftaufnahme eines römischen Amphitheaters als Bild auf dem Buchdeckel faszinierte mich und kam mir sonderbar bekannt vor. Tatsächlich stellte sich heraus, dass dies das Gelände meiner Kindheit war, als ich öfter meine Großmutter besuchte. Nur damals in den frühen 60er-Jahren war mir davon nichts bekannt, außer dass man damals als Kind unbeschwert im Laufgalopp durch die Hügel und Wiesen streifte, am Ufer eines kleinen Waldweihers herumlief und Ritter mit den anderen Spielkameraden spielte. Wie ich später erfahren habe, hatte man in den Jahren 1998 bis 2001 mit einem Projekt der Universität und des Museums Klagenfurt Grabungsarbeiten auf diesem Gelände oberhalb der damaligen Mühle durchgeführt, als dieses für damalige römische Verhältnisse (100 x 40m) riesige Amphitheater ausgegraben wurde. Heute „dümpelt“ diese Grabungsstätte wegen finanziellen Engpässen etwas vor sich hin und ab und zu wird diese als Kulturstätte des örtlichen Vereins und ähnlicher Verbindungen genutzt. Bei meinen geschichtlichen Recherchen zur römischen Siedlung Abodiacum (Epfach/Landsberg am Lech in Bayern) stieß ich auf einen Namen, der mir schon länger bekannt war: Claudius Paternus Clementianus. Als Jugendlicher hatte ich bereits Ende der 60er-Jahre das Museum in Klagenfurt besucht, in dem eine Büste dieses Mannes bei Ausgrabungen eines ehemaligen Tempels am Zollfeld (Hohenheim bei Liebenfels) aufgefunden und der röm./keltischen Göttin Noreia gewidmet war. Dieser römische Staatsmann, geboren um ca. 65 n.Chr. in der römischen Provinz Raetien (Bayern), hatte für die damalige Zeit eine außergewöhnliche Karriere hingelegt. Seine Laufbahn kennen wir heute anhand dreier Gedenksteine, die Anfang des 19. Jahrhunderts bei Grabungsarbeiten in einer Umfassungsmauer des ehemaligen Römerkastells Abodiacum (Epfach) aufgefunden und dann dem Museum in Augsburg (Bayern) überstellt wurden, wo sie heute noch zu besichtigen sind.
Seine Laufbahn begann als militärischer Befehlshaber Ende des 1. Jahrhunderts n.Chr. in der damaligen Provinz Raetien. Danach diente er am Rhein in den Niederlanden, weiter in Pannonien (Ungarn), Dacia (Rumänien), Germania inferior (Niedergermanien), wechselte dann seine Laufbahn zu der eines politischen Beamten in Syria/Judäa (Syrien/Israel), danach in Sardinia (Sardinien), Africanum (Tunesien), bis hin zu seiner letzten offiziellen Wirkungsstätte als kaiserlicher Statthalter in Noricum/Virunum (Österreich). Mit Beginn seines offiziellen Ruhestandes kehrte er in seinen ehemaligen Geburtsort Abodiacum (Epfach) zurück, wo er seinen Lebensabend verbrachte. Davon zeugt noch ein Gedenkstein, den er seiner Mutter Clementia gewidmet hatte, der heute im römischen Museum von Augsburg zu besichtigen ist.
Aus dem geschichtlichen Schlaf gerissen wurde der Ort Abodiacum/Epfach zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als der Epfacher Landrichter Lorenz Boxler um 1830 erste Grabungen am Lorenzberg (ehem. röm. Kastell) veranlasst hatte. Hier wurden die heutigen vorhandenen Zeugnisse dieses bedeutenden, dem ehemaligen römischen Reiche dienenden Staatsbürgers im 19. Jahrhundert entdeckt und erforscht. In den nachfolgenden Jahrzehnten und dem folgenden 20. Jahrhundert wurde durch spätere Grabungen diese ehemalige römische Straßensiedlung intensiver erforscht. Funde, wie ein römischer Brunnen (Nymphäum), heute rekonstruiert am örtlichen Feuerwehrgebäude, sowie ein ehemaliges Badehaus, ergänzen die historischen Kenntnisse, die in dem kleinen Römermuseum Abodiacum, an der heutigen Dorfhauptstraße liegend (ehemals Via Claudia Augusta), zu besichtigen sind.
Wie so oft nagt der Zahn der Zeit an den vielen Geschehnissen in dieser Welt. Die Jahrhunderte verblassen das Kommen und Gehen der verschiedenen Völker und Kulturen. Eines aber bleibt: Die Erlebnisse dieses außergewöhnlichen Mannes, der vor fast 2.000 Jahren lebte und wirkte. Das wollte ich durch diese Geschichte würdigen und damit Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, näherbringen. Wie immer bleibt bei historischen Geschehnissen vieles der Fantasie des Autors überlassen. Wichtig jedoch sind die historisch belegten Stationen, die wir nach heutigem Stand durch die archäologische Wissenschaft vermittelt bekommen. Zusätzlich mit Hilfe der Fantasie ergänzt, habe ich als Autor versucht über das Leben, Lieben und Wirken dieses Mannes zu berichten. Man mag darüber spekulieren, ob sich dies so zugetragen hat. Eines jedoch war mir mit diesen Seiten wichtig, und zwar ihm ein Gesicht in der Geschichte für die Nachwelt zu geben. Mögen die Leserinnen und Leser dieses Buches es selbst beurteilen, ob mir dies mehr oder weniger gelungen ist. Eines jedoch soll uns immer in unserem heutigen Leben daran erinnern, „nicht wer oder was wir aufgrund von Geburt an sind“, sondern „was wir selbst durch unser Leben vollbringen“. Dies verbleibt in den Annalen der Geschichte. Dies gilt für jeden von uns. Dies wird lebendig durch die angesammelten Ereignisse eines Menschenlebens, damals wie heute!
Der Autor
Quod non est in actis, (id) non est in mundo.
Was nicht in den Akten steht, existiert nicht auf der Welt
(Schriftlichkeitsgrundsatz: Römisches Recht)
im 18. Regierungsjahr des Erhabenen Caesars Hadrianus
Mein Blick schweift von der Anhöhe von Abodiaco2, meinem Domizil, nach Nordosten hinüber auf den kleinen Hügel um den sich liebevoll eine Flussschleife des Licca (Lechfluß) nach Norden windet. Die Sonne brennt heiß vom Himmel, es ist die Zeit nach Mittag. In der Ferne hört man das Gebell eines Hundes. Von dort drüben in einer geschätzten Entfernung von 500 Ellen3 schweifen meine Gedanken nach hier, während ich vor meinem Hause sitze, das meine Eltern an der Kreuzung der römischen Nord-/Süd-Fernverbindungsstraße der Via Claudia Augusta4, sowie der West-/Ostverbindung von Brigantium5 nach Juvavum6, erbauten. Weit vor mir liegt meine Jugendzeit vor über 60 Jahren, als ich hier an diesem Orte aufwuchs. Meine Mutter war Claudia Clementia Induti, mein Vater Clementius Paternus, ein ehemaliger römischer Legionär, der sich hier in seinem Ruhestand als römischer Bürger und Kaufmann ansiedelte. Obwohl mein Großvater Indutus mütterlicherseits aus dem Volk der Kelten stammte, war meine Familie durch die Handelsgeschäfte meines Vaters, in seinem ehrenvollen Ruhestand nach dem Militärdienst, zu hohem Ansehen und Wohlstand in dieser Region gekommen. Hier lebte ich zusammen mit meinen Eltern und meinen zwei jüngeren Geschwistern, Aelius Domitianus und Lucia Clementia, ein beschauliches Leben. Ich ahnte nicht, dass der Strom der Zeit mich einmal aus diesem Orte fortreißen und zeitlebens als unruhiger Gast an vielen Orten dieses römischen Imperiums herumtreiben lassen würde, bis ich vor nunmehr zehn Jahren zu meinem wohlverdienten Ruhestand wieder in meine Heimat zurückkehren sollte.
Gemäß meinem oben gewählten angeführten lateinischen Motto, möchte ich mit diesen Zeilen die erlebte Zeit nicht dem Vergessen übergeben, sondern der Nachwelt die Geschehnisse vor Augen führen. Zum einen über die begangenen Fehler der vielen Regierungsoberhäupter seit unser geliebtes Rom vor über 8887 Jahren im Monat Aprilis8 durch unsere Vorväter Romulus und Remus gegründet wurde. Zum anderen aber auch über die vielen kulturellen Errungenschaften, die unser Reich so groß gemacht haben, das sich über so viele Länder der uns bekannten Welt erstreckt, und von dessen zahlreichen Städten ich während meines militärischen und danach zivilen Lebens viele kennenlernen, und zum Teil auch für unseren erhabenen Caesaris Augustii verwalten durfte.
Zur Zeit meiner Geburt regierte unser erhabener Caesar NERO Claudius Caesar Augustus Germanicus, ein Nachkomme aus dem Adelsgeschlecht der Julisch-Claudischen-Dynastie. Wie mir meine Eltern erzählten, war seine Regierungszeit eine Zeit des totalen politischen und wirtschaftlichen Umbruches, die mit seinem Tode im Jahre 821 ab urbe condita (A.D. 68) seinem opulenten Leben durch das Schwert zum Opfer fiel. Ihm folgten drei weitere Caesaren, die um die gegenseitige Macht im Staate rangen. Man nannte diese Periode auch das Drei-Kaiserjahr (Galba, Otho und Vitellius), bis dann unser erhabener Caesar Flavius Vespasian(us) seine Regierungsgeschäfte nach deren Tod übernahm.
im 9. Regierungsjahr des Erhabenen Caesars Vespasianus
In jener Zeit war ich noch mit Überschwang meines jugendlichen Lebens mit meinen Spielkameraden, die mit mir in diesem kleinen Orte aufwuchsen, auf den umliegenden Wiesen und in den Wäldern unterwegs. Wir träumten von Eroberungen, die wir im Laufe unseres Lebens machen würden und waren uns nicht bewusst, dass diese Träume manche von uns im Ernst des Lebens an den Strand heftiger Erlebnisse spülen sollten. Wie so oft in diesem Alter machten wir uns über die notwendigen Schritte zu diesen Träumen und darüber, welche Schwierigkeiten sich uns in den Weg stellen sollten, keine Gedanken. Manchmal lagen wir gemeinsam auf der Wiese, blickten in den Himmel, zählten die Wolken, die über uns hinwegzogen, und stellten uns dabei vor, wie wir mit den Legionen des römischen Reiches in ferne Provinzen zogen und dort in der Ferne interessante Gestade kennenlernten. Ich wuchs zwar hier mitten auf dem Lande in dieser neuen Provinz Raetia9 auf, hörte jedoch aus den vielen Gesprächen mit Soldaten im Kastell Abodiacum unten an der Flussschleife, welche Distanzen das römische Militär auf seinen vielen zu Lande errichteten Wegen und auch auf dem Mare Nostrum10 in diesem riesigen und fortschrittlichen Reich überwanden. Hier in unserer Ansiedlung dem Ort Abodiacum, gelegen an der zu Zeiten des Caesars Claudius erbauten und nach ihm benannten Straße der Via Claudia Augusta, durchzog auch der Fluss Licca11 die weiten Lande, der sich in den sanften Becken- und Hügellandschaften dieser Ebene weiter abwärts dahinzog. Von hier aus ca. 100 römische Meilen (ca. 60km) flussabwärts kam man zur Hauptstadt unserer Provinzregion Raetia, dem Municipium Augustorum Vindelicum und nochmals ca. 70 Meilen (ca. 40km) weiter, nahe dem Kastell Summuntorum12, mündete dieser Fluss in den Danuvius13, diesem großen Strom, der sich weiter nach Osten durch Pannonia14 und Moesia15 bis zum Pontus Euxinus16 erstreckte. Welch riesige Entfernungen nach Osten, Norden, Westen und Süden! Damals waren uns diese Entfernungen noch nicht so bewusst, später durchmaß ich diese Dimensionen z. T. persönlich. Es war schon enorm, wie riesig dieses Römische Reich und damit verbunden auch unsere Vorstellungen von Abenteuern und Eroberungen waren. Aber dazu später mehr.
In unserer bescheidenen Siedlung Abodiacum konnte man diese Entfernungen so noch nicht ermessen. Bescheiden war das Kastell an der Flussbiegung nur mit der Hälfte einer Zenturie17 besetzt (maximal an die 40), meist berittene Auxiliar18-Soldaten, und darum herum an der davorliegenden Anhöhe lagen an die 40 bis 50 Gehöfte mit ihren Einwohnern. Diese waren ehemaligen Legionsveteranen, Kaufleuten sowie teilweise der ursprünglichen Bevölkerung des keltischen Stammes der Licater19, dem auch die Familie meiner Großeltern mütterlicherseits entstammte. Indutus, meiner Mutter Vater, war ein keltischer Stammesfürst, der sich zur Zeit der römischen Besetzung des Gebietes der „Pax Romana20“ dem Römischen Adler zur Wahrung des Friedens frühzeitig unterordnete. Die Familie meines Vaters stammte aus dem Süden, aus Aquileja21 in der Provinz Venetia22, dem Gebiet vor der großen Alpenkette im Süden. Durch die ehrenvolle Entlassung meines Vaters aus dem geleisteten Militärdienst, seiner darin erworbenen Verdienste, sowie seine erfolgreichen Handelsgeschäfte am Orte dieser Niederlassung konnte unsere Familie, im Vergleich zu manch anderen Bewohnern, einen außerordentlichen Wohlstand erreichen.
Zusammen mit Indutus, dem Vater meiner Mutter Claudia Clementia und meinem Vater Clementius Paternus, lebten noch meiner Mutter Bruder Indutus Licatus, der eine Pferdezucht betreute, sowie seine Familie, seine Ehefrau Flavia Secunda und ihre beiden Söhne, Sicatus mj. und Marcus. Damit konnte auch unserer Verwandtschaft ein gutes ziviles Fundament in dieser Ansiedlung bereitet werden. Mit mir als ältestem Kind meiner Eltern lebten mein um vier Jahre jüngerer Bruder Aelius sowie meine um sieben Jahre jüngere Schwester Lucia Clementia.
Meine Kindheit empfand ich als unbeschwert und es ging uns als Familie wirtschaftlich recht gut, aber als ältester Sohn der Familie lagen auf mir auch gewisse Erwartungen, die sich nicht immer mit den Vorstellungen meiner Eltern deckten. Mein Vater hatte mir einen häuslichen Lehrer engagiert, der mir bereits in frühen Kinderjahren, neben den notwendigen mathematischen Kenntnissen, auch das Lesen und Schreiben des Latinums23 beibrachte, und mich mit den notwendigen Regeln des römischen Lebens vertraut machte. Durch seinen militärischen Werdegang legte mein Vater großen Wert darauf, dass ich als ältester Sohn bereits früh mit den Gepflogenheiten des römischen Lebens vertraut wurde. Ich sollte es einmal besser haben als er. Dies hörte ich immer wieder in seinen erzieherischen Maßnahmen. Meine Mutter Clementia Induti war eine liebevolle Frau, die ihre drei Kinder immer fürsorglich betreute und ihnen neben ihrer Liebe auch den notwendigen Freiheitsdrang zum Leben in verschiedener Weise einhauchte, was in unserem späteren Leben sehr unterschiedlich zum Ausdruck kommen sollte. Ich selbst konnte es kaum erwarten, bis ich nach dem absolvierten Unterricht unseres Hauslehrers hinaus ins Freie kam. So oft ich konnte, verbrachte ich meine Freizeit bei meinem Onkel Indutus Licatus, dessen Name auf seine ursprüngliche Herkunft aus dieser vormals keltischen Region hindeutete. Dieser hatte nämlich am oberen Hang des Hügels, wo die vorgelagerte Siedlung von Abodiacum lag, ein Pferdegestüt. Immer wieder bewunderte ich seine Fertigkeit mit diesen Tieren umzugehen und mit ihnen zu sprechen, wobei ich beobachten konnte, wie diese oftmals die Ohren spitzten, wenn er ihnen geduldig und beruhigend zuredete. Diese Tiere mit den sanften Augen, oftmals aber auch mit einem stürmischen Charakter und der rasanten Schnelligkeit, mit der sie vom Schritt, in den Galopp fielen, bewunderten mich immer wieder. Mein Onkel hatte die Fertigkeit von meinem Großvater Indutus sr. in seinem Charakter mitbekommen. Hatte doch die Urbevölkerung dieses Landstriches, die Vindeliker24 und vor allem der Stamm der Licater die hier an diesem oft reißenden Fluss lebten und siedelten, bereits damals eine zwar bäuerliche, aber doch einfache und zugleich erfolgreiche Lebenskultur aufgebaut, bevor die Römer über die Alpen kamen und das Gebiet besetzten.
Ich habe mir oftmals Gedanken gemacht, was wohl gewesen wäre, wenn die römische Besetzung dieser Region nicht stattgefunden hätte, da ich vielfach den Gesprächen der Älteren bei den abendlichen Treffen der urbanen Bevölkerung lauschte. „Früher war alles besser“, hörte ich sie oft sagen, dachte dabei aber insgeheim an die angenehmen Dinge, die die römische Kultur mit sich brachte. Badehäuser mit beheiztem Wasser, Häuser aus Stein, die römische Esskultur, viele Früchte, die sie aus dem fernen Süden aus ihren Provinzen mitbrachten, die Werkzeuge … alles Dinge, die unser Leben angenehmer machten. Nicht dass unsere keltische Bevölkerung keine Kultur gehabt hätte, aber oftmals waren auch die verschiedenen Stämme früher untereinander in Konflikte verstrickt, wie sie die Landwirtschaft mit sich brachte, insbesondere wenn es um territoriale Grenzen oder Besitzverhältnisse ging. Nun, viele Dinge hatte auch diese Kultur der Römer mit sich gebracht, die das Leben einfacher machten, was wohl auch vielerorts dazu beitrug, dass sich auch allmählich die Bevölkerung mit der neuen Kultur der Römer vermischte. Viele der Armeeveteranen, die nach 25 Dienstjahren ehrenhaft entlassen wurden und dafür Landbesitz erhielten, hatten auch während ihrer Dienstzeit in den verschiedenen Provinzen die Vorzüge der keltischen Frauen kennen und lieben gelernt. Diese hatten sich dann mit ihren Familien eine örtliche wohlhabende Existenz aufbauen können. Denke ich an meinen Vater Clementius, nachdem ich als ältester Sohn mit gleichem Namen gerufen wurde, hörte ich oftmals bei Schilderungen seiner Erlebnisse während seiner Dienstzeit in der römischen Armee in den verschiedenen Provinzen des Reiches zu.
Nicht immer hatte sich die urbane keltische Bevölkerung mit den neuen Herren abgefunden. Oftmals hatte auch der Freiheitsdrang, oder der persönliche Stolz der Einzelnen dazu beigetragen, dass die Vermischung der Kulturen sich nicht immer friedlich abgespielt hatte. Wie so oft, gab es immer auf beiden Seiten auch Hitzköpfe, die sich nie mit den „neuen Zeiten“ abfinden konnten und aufbegehrten, wodurch oftmals die Konflikte blutig niedergeschlagen wurden. Im Falle meiner Vorfahren hatte mein Vater das Glück, dass er seine letzten Dienstjahre hier in unserer Region im örtlichen Militärkastell einen meist friedlichen Dienst versah und auf den verschiedenen Erkundungsmärschen auch meine Mutter und deren Familie in der nahen Umgebung kennenlernte. Durch seine persönlichen Verdienste hatte er auch vom römischen Caesar durch den örtlichen Lagerkommandanten ein ordentlich großes Stück Land erhalten, das er jetzt seit Jahren zusammen mit seiner Familie sowie seinem Schwager, meinem Onkel Indutus Licatus, bewirtschaftete. Auch die finanziellen Mittel, die er sich im Laufe seiner Dienstzeit zusammensparen konnte, zusammen mit seinen Vierdiensten, die er während seiner militärischen Dienstzeit erhielt, ermöglichten uns Kindern einen angenehmen, wenn nicht sogar wohlhabenden Lebensstandard zu erleben.
Mein Großvater mütterlicherseits, Indutus sr., war in der Blüte seines Lebens ein bedeutender Stammesfürst der hiesigen Bevölkerung der Licater gewesen. Ihm ging es jedoch zumeist eher darum in Frieden und Wohlstand zu leben als wie mancherorts andere seiner Stammesgenossen, die sich mit der römischen Besatzung durch Widerstand im Konflikt befanden. So wechselte der hiesige Stamm bald nach Ankunft der römischen Besatzung vor über 60 Jahren sein Ansinnen und konzentrierte sich lieber auf die Zusammenarbeit, die vielen seines Volkes auch einen angenehmen Wohlstand durch diese Kooperation ermöglichte.
Nun, die Pferdezucht meines Onkels Indutus Licatus verhalf auch der örtlichen Kommandantur im Kastell unten am Fluss dazu, dass die berittene Truppe immer über frische Pferde verfügte. Auch die verschiedenen Stationen an der zentralen Verkehrsstraße der Via Claudia Augusta, benannt nach dem ersten Caesar des römischen Reiches (Augustus, ehem. Octavian) sowie einem seiner Nachfolger, Claudius, veranlassten vor über 40 Jahren diesen Verkehrsweg aus dem zentralen römischen Reich im Süden in die eroberten Provinzen im Norden auszubauen. Dies ermöglichte auch den vielen Kaufleuten ihre Waren auf ordentlichen Verkehrswegen sicher an die verschiedenen Wegstationen und vor allem zur ca. 100 Meilen im Norden liegenden Provinzhauptstadt Augusta Vindelica25 und darüber hinaus weiteren 70 Meilen im Norden an den großen Fluss Danuvius26 zu bringen. Unser Ort war in der glücklichen Situation durch die Kreuzung zweier bedeutender Handelswege, auch von der Ansiedlung Cambodunum27 über Abodiacum nach Osten in Richtung Juvavum28, viel von den auf diesen Straßenwegen erwirtschafteten Gütern und Dienstleistungen einen gewissen Wohlstand zu erwirtschaften. Oft dachte ich daran wo all diese Wege von Süd nach Nord und von West nach Ost wohl hinführten, zeigten sie doch Distanzen auf, von denen man früher nicht gedacht hätte, dass man sie einmal überwinden könnte. Und gerade dies brachte mich oftmals dazu von der Ferne der verschiedenen Wege zu träumen, die diese Möglichkeit des gewaltigen römischen Imperiums zu erreichen bat. Damals wusste ich noch nicht welchen Weg mein Leben nehmen würde, und dass ich all diese Entfernungen auch einmal persönlichen kennenlernen würde.
Nun zurück zum Pferdegestüt. Ich erinnere mich noch deutlich an eine Begebenheit, die so ereignisvoll in mein damaliges und auch späteres Leben eingreifen sollte. Als Jugendlicher war ich oft mit meinen Freunden aus unserer Siedlung und mit meinen beiden Cousins Sicatus und Marcus sowie meinem jüngeren Bruder Aelius Domitian auf den umliegenden Pferdekoppeln meines Onkels unterwegs. Oftmals, wenn wir unsere familiären Pflichten erfüllt hatten, lebten wir unseren jugendlichen Bewegungs- und Freiheitsdrang in den verschiedenen Spielen und Tagträumen aus. Besonders mein um drei Jahre älterer Cousin Sicatus war immer ein besonderer Draufgänger, denn besaß sein Vater Indutus Filius doch diese Pferdezucht. Und so kamen wir in diesem übermütigen Denken auch einmal auf die verrückte Idee mit einigen Pferden um die Wette zu reiten, allerdings ohne Sattel, da die jüngeren Tiere ja noch nicht gänzlich auf ihre Aufgabe als Reittiere vorbereitet waren. Besonders mein Cousin erwähnte immer wieder, was er doch für ein Naturtalent sei, dass er von seinem Vater diese Fähigkeit mitbekommen habe. Und so kamen wir auf die Idee uns einige dieser Tiere zu schnappen und eine bestimmte Strecke im Galopp zu reiten. Dabei fühlten wir uns dann doch wie eine römische Ala29 die ihre Erkundungsritte durch die Gegend führte.
Gesagt getan. Jeder von uns – wir waren insgesamt neun Jungs im Alter zwischen zehn und 16 Jahren – schnappte sich ein solches Reittier. Dann ging es los, im wilden Galopp auf ein nahes Wäldchen westlich der angrenzenden Pferdekoppel, ca. drei Meilen entfernt zu. Manche der Pferde waren noch nicht auf Reiter gewöhnt, andere wieder mehr, da sie diese Prozedur ansatzweise schon öfter erlebt hatten. So toll wir uns dies auch vorstellten, nicht jeder von uns hatte die nötige Erfahrung mit dem Ungestüm der Pferde umzugehen. So verlor manches Pferd bald seinen Reiter, der sich am Boden angekommen baldigst um seine blauen und schmerzenden Körperteile kümmern musste. Nur vier von uns waren noch auf dem Rücken der Pferde unterwegs, mein Cousin Sicatus, zwei weitere Freunde, und ich. Was wir in unserem jugendlichen Übermut nicht bedacht hatten, war, dass die Pferde ja auch zum Halten gebracht werden mussten, in welcher Form auch immer. Als die ersten Bäume des Wäldchens in unmittelbare Nähe kamen, die Pferde aber immer noch mit demselben Tempo unterwegs waren, kamen einigen von uns schon die Schweißperlen bei dem Gedanken, wie dieses Abenteuer wohl enden würde. Unsere beiden Freunde und ich bekamen unsere Pferde dann doch mit Mühe und gutem Zureden noch zum Stillstand. Nur mein Cousin Sicatus erreichte das vor dem Wäldchen liegende Buschwerk nicht auf dem Rücken seines Pferdes. Der unmittelbare Halt vor dem Hindernis dieses Buschwerks brachte zwar das Pferd zum Stehen, unterbrach jedoch nicht den Flug meines Cousins vor dem Hindernis, in das er mit lautem Schreckensgebrüll durch die Luft sauste, und wo sein Körper sich in dem Zweigwerk und Dornengebüsch einen unangenehmen Landeplatz verschaffte.
Aus war es mit dem Vertrauen, dass mein Cousin ein Naturtalent im Pferdereiten war, ebenso aber auch mit seinem vorlauten Mundwerk, das sowohl sein umliegendes Gesichtsfeld als auch einige seiner Körperflächen entscheidend ankratzte, und ihm tagelang schmerzende Glieder und blaue Flecken verschaffte. Ja so stark, dass er sich nicht selbst erheben konnte und wir ihn zusammen mit den anderen unter Mühen und Plagen zurück zum Ausgangspunkt unseres Abenteuerrittes und weiter zum Elternhaus schleppten, da er als Ältester von uns natürlich auch das meiste Gewicht hatte.
Zuhause angekommen wurde er von seiner Mutter Flavia Secunda mit entsetztem Gesicht empfangen, die sich sofort an die Pflege seines geschundenen Körpers und edlerer Teile machte. Mit Hilfe des in unmittelbarer Nähe arbeitenden Haussklaven Publius Negro sowie einem Nachbarn, der zu Besuch war, brachte man ihn in das nahe gelegene Gutshaus der Villa Rustica30, das die Familie meines Cousins bewohnte. Nach getaner Arbeit und Pflege des Unfallopfers kam dann der Besucher zu uns verbliebenen „Reitversuchsgesellen“, wobei wir alle ziemlich unser Fett, in Form von Ermahnungen, abbekamen, aber auch Lob und Dankbarkeit dafür, dass wir meinen Cousin in seinem Zustand nicht im Stich gelassen, und ihn mit Mühe nach Hause geschafft hatten. Auch dem damaligen Kommentar des Besuchers, namens Lucius Proximus31, der, wie sich später herausstellte, ein naher Bekannter meines Onkels und bedeutender Amtsträger in der entfernten Provinzhauptstatt Augusta Vindelica war, „Junge aus dir wird noch ein Wildfang, aber mit dem dienstbeflissenen Eifer sich um andere verantwortlich zu kümmern“, maß ich damals noch keine Bedeutung bei. Erst später erinnerte ich mich an diese Worte, als mein Leben sich nach vielen Jahren in entscheidender Weise vom zivilen Amtsweg abweichend zu einer militärischen Karriere neigte.
Davon aber später mehr. Auf alle Fälle war dieser Vorfall ein bedeutender Schritt zur Erkenntnis, dass zu einem gewissen gedanklichen Können vor allem viel praktische Übung und viel Lernen gehörte. Aber all dies war in unseren jugendlichen Köpfen noch nicht sonderlich ausgeprägt. Damit sollte ein Jeder noch im Laufe seines späteren Lebens seine eigenen Erfahrungen machen. Und so vergingen die Tage und Jahre unserer Jugend und wie man so sagt: „Der Ernst des Lebens“ beginnt früh genug mit vielen Erwartungen und weiteren Erlebnissen, die sich, wie einzelne Bausteine, zu unserem späteren Lebensweg formen sollten.
im 1. Regierungsjahr des Erhabenen Caesars Titus
Ein weiteres, zwar nicht unmittelbar direktes, aber dennoch einschneidendes Erlebnis, ließ uns Kinder ein Jahr später erschaudern. Jedoch hörten wir davon erst Wochen später durch einen Kurierreiter, der unterwegs nach Augusta Vindelica war.
Mein Vater Clemens Paternus hatte nach Abschied vom aktiven Militärdienst in verschiedenen Regionen von unserem Kaiser Claudius ein ansehnliches Gutslehen zur Bewirtschaftung übertragen bekommen. Hier hatte er auch in der letzten Station seines Militärdienstes vor 15 Jahren meine Mutter Claudia Clementia kennengelernt und später geheiratet. Dieser Umstand verhalf ihm nach Ende seines Militärdienstes sicherlich auch zu einer guten regionalen Bekanntheit und zahlreichen Kontakten. Abodiacum verdankte seine optimal gute wirtschaftliche Situation seiner Lage an einer gut gehenden Straßenstation an einer Kreuzung zweier wichtiger Straßen am Licca-Fluss. Die eine Straße führte von Cambodunum am Alpenrande zur römischen Provinzstadt Juvavum, die andere, die Via Claudia, verlief aus Richtung Foetibus32 kommend zur raetischen Provinzhauptstadt Augusta Vindelica. Exakt hier an diesem Kreuzungspunkt hatte sich, nachdem vor einem halben Jahrhundert unten am Fluss auf einem kleineren Hügel die erste Militärstation gegründet worden war, auf einem Hügelplateau oberhalb des Flusses eine kleine zivile Ansiedlung entwickelt, wo sich die Familien der stationierten Soldaten, aber auch Kaufleute und Bauern aus der umliegenden Gegend niederließen. Hier mitten in diesem Ort, direkt an der Durchgangsstraße, hatte mein Vater mit seiner Familie eine gutgehende vicus vehiculorum33 mit einer unmittelbar in der Nähe liegenden Villa Rustica errichtet, die immer gut von durchreisenden Militärs und Kaufleuten besucht war.
An einem der letzten Herbstabende des Jahres im späten Monat des Idus Novembres34 saßen wir Kinder am offenen Feuer und lauschten den Worten eines durchreisenden Nachrichtenkuriers namens Publius Rufus35,und seinen Erzählungen von dem, was er vor Beginn seiner Reise von Rom erlebt hatte. Dabei schweiften unsere Gedanken immer wieder in die Ferne, die tatsächlich so weit von uns weg lag, in unseren Vorstellungen jedoch immer so nahe war, dass wir begierig sämtliche Nachrichten aufschnappten, die auf diesen weiten Strecken ihre Runde machten. So erfuhren wir von der reichen Ansiedlung Pompeij36, die im Herzen des römischen Reiches, in der Nähe zur Hauptstadt Rom liegend, besser gesagt „lag“. Wir erfuhren damals von diesem am Mare Nostrum liegenden Ort, der oftmals von den römischen Caesaren als Sommersitz genutzt wurde. Publius Rufus erzählte uns nun seine Erlebnisse, da seine Familie aus dieser Ansiedlung stammte. Bevor er nach einem kurzen Heimataufenthalt seinen Dienst als Nachrichten- bzw. Meldereiter wieder antreten wollte, war er auch bei der Familie seines Bruders in Baijae37, einer unmittelbar vor Pompeji liegenden Ansiedlung an einer Meeresbucht liegend, zu Besuch. Rufus hatte dort einige wenige Tage bei seinem Bruder verlebt und wollte in zwei bis drei Tagen wieder nach Rom aufbrechen.
Es waren unruhige Zeiten in den voranliegenden Jahren. Nachdem vor zehn Jahren a.u.c.822 (A.D.69) der vorige Caesar Nero seinem ausschweifenden Leben ein Ende gesetzt hatte, versuchten gleich drei Caesaren (Galba, Otho, Vitellius) sich nacheinander die Herrschaft des Imperiums zuzueignen, scheiterten jedoch kläglich und kamen in den Wirren um. Sie wurden ermordet. Erst der nachfolgende Caesar Vespasian befriedete diese Unruhejahre während seiner zehnjährigen Herrschaft. Da dieser jedoch an den Kalenden des Junius im Jahre a.u.c.832 (A.D.79), während er in seiner Heimat Kampanien weilte, verstarb, folgte ihm sein Sohn Titus auf den Thron, in dem er alle Provinzen des römischen Imperiums den entsprechenden Kommandanten und Konsuln die neue Befehlsstruktur zukommen ließ. Imperator Titus war kein Unbekannter, hatte er doch schon unter seinem Vater Vespasian erfolgreich in der Armee gedient und sich in der militärischen Rangfolge des Reiches während des Jüdischen Feldzuges einen bedeutenden Namen gemacht.
In diesen Wochen nun nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Titus war Publius Rufus bei der Familie seines Bruders Quintus in Baijae auf Besuch. Unmittelbar, bevor er seinen dienstlichen Melderitt nach Rom und Germanien in die Alpenprovinz Raetia nach Augusta Vindelica unternehmen sollte, hatte ihm sein Bruder offenbart, dass er zu dem in der Nähe liegenden Ort Pompeji, wo er das neu restaurierte Kolosseum besuchen wollte. Darin war geplant einige Schaukämpfe von lokalen Gladiatorenschulen zum Höhepunkt abzuhalten.
„Der Hochsommer war vorbei und die Kalenden des Quintilis38, Sextilis39 und Septem40, mit der größten Hitze, neigten sich dem Ende zu. Der Idus (15.) des Octo41 war bereits zwei Tage vorbei und der XVII war angebrochen. Trotzdem brannte die Sonne noch immer kräftig, der Tag versprach noch heiß zu werden. Die Ernte war größtenteils schon eingebracht, nur restliche Obsthaine und Gemüsefelder wurden noch abgeerntet. Vor allem der Wein wuchs prall an den Rebstöcken – es versprach eine gute Ernte zu werden. Fischerboote berichteten von reichem Ertrag, prallgefüllten Netzen mit den verschiedenen Meeresfrüchten, schilderten aber auch, dass sich manchmal die Seewellen aufbäumten, wenn der nahe Vesuvius42 wieder einmal mit Grollen ankündigte, und Vulcanus43 der Gott der Schmiede eifrig in seiner unterirdischen Werkstatt rumhantierte. Dies war nichts Neues, denn waren doch schon Jahre zuvor ähnliche Phänomene beobachtet worden. Schäden, die daraus entstanden, wurden immer wieder ausgebessert, und man hatte sich mit den Launen der vulkanischen Götterboten arrangiert, denn sie schenkten einem doch reiche Ernte durch den vulkanischen Boden. Trotzdem war es eine eigenartige Stimmung, die an diesem Vormittag in der erwartungsvollen Zuschauermenge der angekündigten Spiele herrschte. Wir, mein Bruder und ich, wollten an unserem freien Tag die nahegelegene, im Nordosten der Bucht liegende Siedlung Pompeij besuchen. Alles war in großer Erwartung, da die angekündigten Spiele ja schon einige Tage vorher begonnen hatten und mit dem Armilustrium44 am 19. des Octobris ihren Höhepunkt mit einem großen Pferderennen enden sollten.
Die Menschenmenge strömte zum Teil aus dem knapp zwei Meilen (1,5km) entfernten Hafen vorbei an den Vorstadtthermen, die Porta Marina durchquerend. Hier hielten wir kurz am Forum liegenden Tempel des Vespasianus inne, um ein kurzes Räucheropfer für einen erfolgreichen, entspannten Tag zu vollziehen. Weiter ging es dann, der Hauptstraße folgend, an dem Ortsteil mit den Stabiaer Thermen und dem, nur einen Sprung dahinterliegenden, Vergnügungsviertel mit dem Lupanar45 vorbei, bis zur West-Ost-Verbindung der Via del Vesuvia. Hier mengten sich weitere Besucherströme von Westen der Porta Vesuvia, der Verlängerung in die Via-Stabiana, kommend am gleichnamigen Tor der Porta-Stabiana, mit weiteren Besuchern vom Osten her, die sich in die Menschenmenge mischten. Weiter der Hauptstraße folgend erstreckte sich danach zur rechten Hand das Handwerksviertel der Walkerei, das sich bis zur großen Palaestra, an der Porta-Nocera liegend, zog. Hier machten wir kurz Halt um uns an einer der zahlreichen, an beiden Straßenseiten liegenden Garküchen zu stärken. Dem Duft geräucherten Hühnchens, getaucht in den für uns Römer geliebten Garum – einer würzigen Fischsauce – konnten unsere knurrenden Mägen nicht widerstehen. Quintus grinste zufrieden von einem zum anderen Ohr, die letzten Reste des Hühnchens, samt Sauce, verschlingend. Nachdem wir uns ausgiebig gestärkt hatten, begaben wir uns anschließend auf das Gelände der Palaestra46 im Norden des Stadtendes, wo sich das Amphitheater befand. Alle fieberten in Erwartung auf die bevorstehenden Spiele, die sich in der Mittagssonne bis in die frühen Abendstunden hinziehen sollten. Für den wohlhabenden Adel, den Nobiles47, gleichsam auch der Allgemeinbevölkerung, bestehend aus uns Plebejer48, brachte es doch einen vergnüglichen Zeitvertreib neben den amtlichen, städtischen und bäuerlichen Pflichten, gleichwie den Patriziern, die sich mit großer Leidenschaft diesem, für viele ergötzenden, Schauspielen hingaben. Durch die abgehaltenen Wetten galt es doch auch das eigene Vermögen zu vermehren, wenn man auf das richtige Gladiatorenhaus und deren einzelnen Kämpfer setzte, und gewann. Dass dabei mancher Kämpfer sein Leben verlor, war zwar bedauernswert, für die Menge jedoch nicht mehr als ein Nervenkitzel, was ich selbst nicht immer gutheißen konnte. Dies bedeutete in dieser Gesellschaft allgemein wenig, solange dieses Leben nicht das eigene bedeutete.
Als das Amphitheater sich allmählich gefüllt hatte, wurden vorab einige Stücke aufgeführt, die aus der Geschichte des römischen Reiches nachgestellt wurden. Auch Tierschaustücke wurden präsentiert. Exotische Raubtiere wie Löwen, aber auch Tiger, die von den Grenzprovinzen des Reiches importiert, wurden gegeneinandergehetzt. Manchmal gesellte sich dazwischen auch ein unfreiwilliges menschliches Opfer, das durch die römische Gerichtsbarkeit zum Tode verurteilt wurde, nur um die Menge in sichtlichen Erregungszustand zu bringen, bis die eigentlichen Gladiatorenschaukämpfe begannen. Als Favorit galt natürlich Celadus, der in der Kampfart eines Thraex49 mit Krummschwert und Schild agierte. Auf ihn hatten viele gesetzt, galt er ja nicht nur als exzellenter Kämpfer, der seinem Gladiatorenhause von Puteolis aus der Nachbarstadt von Pompeij große Siege mit entsprechendem Kapital einbrachte. Auch war er im Allgemeinen bekannt als ,Frauenliebling‘, dessen Siege ihm nicht nur viele Sesterzen einbrachten, sondern auch viele Herzen der Damen zufliegen ließen. Seine Siege verhalfen vor allem aber auch dem Ansehen des Sponsors der Spiele, Paquius Proculus, einem aussichtsreichen politischen Anwärter für das Amt des Stadtpräfekten, dessen Abbild auf vielen der Häuser als Wahlplakat dem Volke entgegenblickte. Seine Villa lag unmittelbar an der Hauptstraße, die wir eben passiert hatten.
Manchmal war die Stimmung in der Arena so aufgeheizt, dass es auch zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen den Zuschauern kam, die sich für die eine oder andere Partei erhitzten. Vor ca. 20 Jahren musste sogar einer der vorherigen Caesaren Nero die Spiele in Pompeij für 10 Jahre aussetzen, da es zu massiven gewalttätigen Ausschreitungen zwischen rivalisierenden Besuchern kam.
Als wir inmitten der Zuschauer auf unseren zugewiesenen Plätzen saßen, und die Vorstellungen begannen, spürten wir kleine Bodenvibrationen, die jedoch keiner der Zuschauer relativ ernst nahm, da der im Norden der Stadt nahegelegenen Vesuvius immer mehr oder weniger in Bewegung war. Alles starrte gebannt auf die beiden Kämpfer, einem germanischen Gladiator sowie seinem Gegner, der ihn als Rhetiarius50 mit Speer und Netz umkreiste und seine Chance für einen erfolgreichen Vorstoß suchte. Erneut bewegte sich der Boden unter uns. Einige der umstehenden Säulenkapitäle begannen gefährlich zu schwanken. Mein Bruder meinte scherzhaft, dass der Gott Vulcanus heute wieder seinen Arbeitstag unter der Erde zu beginnen beabsichtigte. Doch der Satz blieb ihm im Mund stecken, als ein nahes Grollen die Aufmerksamkeit der Zuschauer von den in der Arena kämpfenden Gladiatoren auf den Mons Vesuvius lenkte. Eine feuerrote Fontäne bildete sich am Schlot des Berges und begann, begleitet von ohrenbetäubender Geräuschkulisse und dunkelgrauen bis schwarzen Wocken umrandet, sich langsam in die Höhe zu schieben. Begleitet von weiterem gewaltigen Getöse, setzten sich die umliegenden Sitzreihen in Bewegung und begannen sich aufzubäumen, was eine Panik der Zuschauer auslöste. Ringsum in der Kampfarena begannen die Zuschauer zu begreifen, dass es sich hier nicht wieder nur um geringfügige Störungen des Vesuvius handelte, sondern dass sich hier eine einsthafte Gefahr anbahnte. Die Menschenmenge versuchte sich panikartig auf die Ausgänge zuzubewegen, aber da dies zu viele zur gleichen Zeit versuchten, bildeten sich an den Ausgängen Menschenknäuel. Begleitet von gellenden Protest- und Schreckensschreien, versuchte jeder den Ausgang zu passieren, aber nicht jedem gelang es, da sich Steinsäulen, Sitzfragmente und Emporen durch die Wucht der Eruptionen mitten in die panische Menschenmenge stürzten und viele darunter begruben. Auch wir, mein Bruder Quintus und ich versuchten unser Heil in der Flucht. Es war ein Hauen und Stechen und Schreien, begleitet von den donnernden Geräuschen der Ausbrüche des Mons Vesuvius, dem prasselnden Regen der Lapilli51 und den tanzenden Flocken des Ascheregens, unter der die entsetzten panisch Flüchtenden versuchten ihre eigene Haut zu retten. Jeder war sich selbst der Nächste, egal ob man über Bimssteinbrocken oder auf gefallene Flüchtende trat, man versuchte nur möglichst schnell Abstand zu den niederprasselnden Eruptionsauswürfen zu gewinnen. Eine Lapilli-Kugel auf dem Rücken machte nur eine kleine Druckstelle, hunderte, die auf Rücken und Haut trommeln, schmerzhafte Stellen, tausende aber verhinderten das Weiterkommen in bereits knietiefen Niederschlägen, die sich mit einer zähen Masse bestehend aus Asche und Nässe um die Füße schlossen und sich schnell verhärteten. Dabei waren die Flüchtenden noch gesegnet, die von direkten ,Bomben52‘ erschlagen wurden, andere wateten durch die engen Gassen und versuchten durch die inzwischen knietiefen Lapilli-Niederschläge voranzukommen, begleitet von brennenden Gebäuden der niederstürzenden Häuser und Mauern, sowie ohrenbetäubendem Krachen der Häuserdächer, die die Last des Lapilliregens nicht mehr tragen konnten, und einstürzten und damit auch alle darunter sich befindlichen Menschen, die Schutz innerhalb der Hausmauern suchten unter sich begruben. Nach einiger Zeit, inmitten des Menschenknäuels, schafften wir es auf die offenen Gassen zu kommen, wo ein jeder panisch seinen Fluchtweg suchte. Begleitet vom donnernden Grollen des Berges, dessen Aschewolke durch die Eruptionen mehr und mehr in die Höhe schoss und sich zu einem gigantischen Rauch- und Aschepilz ausweitete, begann ein leiser flockiger Regen, der auf die Stadt herniederfiel. Da natürlich auch die Gassen nicht unbedingt breit waren versuchten die Menschen sich auf das Osttor (Stabiae) als auch auf das weiter entfernte Südtor (Seetor), wo die weiterführende Straße sich bis zur Hafenbucht hinzog, hinzubewegen. Häuserfronten wankten, Balkone stürzten auf die Gassen, was vielen Flüchtenden Verletzungen und auch den Tod brachte, wenn sie unter die stürzenden Mauerfragmente gerieten. Mit Mühe und Not sowie schlotternden Knien schafften wir es, zu guter Letzt durch das südwestlich gelegene Seetor zum naheliegenden Hafen zu gelangen. Da viele Flüchtende dieselbe Idee hatten war dieser bereits vollgefüllt. Viele kleine Boote versuchten von der Kaimauer abzulegen, um mit den darin befindlichen Passagieren aus der Gefahrenzone der flüchtenden Menschenmenge zu gelangen. Viele der Flüchtenden stürzten sich in die Fluten, nur um der Gefahr zu entrinnen, verursachten damit aber auch das Umkippen vieler Boote da sich zu viele an die hilfebietenden Boote klammerten.
,Schnell weiter runter an der westlichen Mole‘, schrie mein Bruder Rufus, der sich an die Hoffnung klammerte ein kleines Boot von einem seiner befreundeten Fischer zu erlangen. Nach einer Wegstrecke von 200 Ellen fanden wir dieses auch. Glücklicherweise war diese Ecke des Hafens aufgrund der winkeligen Steinfragmente noch nicht so überlaufen, dass wir ohne größere Probleme ins Boot steigen konnten. Plötzlich hörten wir flehentliches Rufen aus einer Mauerecke. Bei näherem Hinsehen sahen wir eine Frau mittleren Alters, die ein kleines Kind in den Händen hielt, und verzweifelt darum bat, mit uns ins Boot zu kommen, was wir ihr auch, wenn mit bedenklicher Miene meines Bruders Quintus, da das kleine Boot durch die Last der Insassen bedenklich hin und her schwankte, gewährten. Nach einigen kräftigen Ruderschlägen entfernte sich das Hafenufer. Wir sahen viele schwimmende Flüchtende, die versuchten sich unserem Boot zu nähern. Nur die kräftigen Ruderstöße meines Bruders brachten hier einigen Abstand, sodass wir gefahrlos weiter auf die offene Meeresbucht hinauskamen, begleitet von anderen Booten, die die Flucht in derselben Richtung suchten. Ein Blick zurück ließ uns erschaudern. Die Kuppe des Mons Vesuvius, die sich in Blickrichtung über Pompeij erhob, war gespalten. Eine gewaltige Seite der Bergflanke existierte nicht mehr. Flüssige Lava wälzte sich an seiner südwestlichen Seite in Richtung der naheliegenden Siedlungen von Pompeij und der etwas weiter westlich liegenden Siedlung Herculaneum. Eine riesige Aschewolke erhob sich über den Himmel, breitete sich beständig aus und begann, begleitet von düsteren Rauchschwaden, auch die Sonne zu verfinstern. Niederprasselnder Lapilliregen, begleitet von den in der Luft tanzenden Ascheflocken fand auch noch seinen Weg weit in die Meeresbucht, sodass das Wasser bedeckt wurde vom darauf tanzenden Schaum, der sich darauf wiegenden Bimssteinkugeln, die mit stetigem Klopfen an die vielen im Wasser befindlichen Boote schlugen. Etwas weiter entfernt auf offenem Meer sahen wir auch einige Biremen53 und Triremen54, die sich in Richtung Hafen bewegten, um noch mehr Flüchtende aus deren verzweifelter Lage zu retten. Wir ruderten in die südwestliche Richtung der Bucht, um uns nach Baijae dem Heimatort von Quintus durchzuschlagen, was uns nach einigen Stunden gelang. Es dämmerte bereits und der Himmel färbte sich neben dem nächtlichen Dunkel der hereinbrechenden Dämmerung in ein unnatürliches fahles Orangeockergelb, durchzogen von den in der Luft schwebendem Staub- und Ascheflocken. Quintus‘ Frau Priscilla dankte allen lokalen Göttern, dass ihr Mann sicher aus diesem Katastrophenort, und heil mit mir, ihrem Schwager zurückgefunden hatte, was vielen der bedauernswürdigen Opfer dieser Katastrophe wahrscheinlich wohl nicht mehr gelungen war. Erst viel später erfuhr ich, dass nach amtlichen Schätzungen der darauffolgenden Wochen an die 2.000 Opfer ihr Leben in dieser Katastrophenfalle ließen. Schilderungen eines Philosophen Plinius d. Jüngeren55 zufolge – sein Onkel Plinius d. Ältere56 kam bei dem Ausbruch ums Leben – dauerte dieser Ausbruch an die drei Tage. Am schlimmsten jedoch war es, als wir hörten, dass sich am zweiten Tage des Ausbruchs eine gewaltige Glut- und Aschewolke vom Berghang löste und die beiden Städte Pompeji und Herculaneum unter mehr als zum Teil 100 Ellen (50-60m) hohen Lava- und Ascheregen und Lapilligeröllmassen vernichtete, und damit auch noch sämtliches Leben an Menschen, die sich darunter noch im Schutze ihrer Häuser wähnten.
Diese Katastrophe wird sich wohl noch in den zukünftigen Generationen, ja auch Jahrhunderten in die Erzählungen von Menschen unseres Reiches durch viele Schilderungen hinziehen. Jupiter57 zum Dank, dass solches nicht alle Tage geschieht und die Menschen dadurch geplagt werden, obwohl ich hörte, dass trotz dem Untergang dieser beiden Stadtsiedlungen, sich bald wieder Menschen in der Nähe des Vulkans niederließen und neue Ansiedlungen errichteten. Aber so ist halt der Mensch. Katastrophen, wenn sie vergingen, verschwinden aus den Erinnerungen, was bleibt und entscheidend ist, ist welchen Nutzen der Mensch daraus ziehen kann, und dies scheint die Bevölkerung – zumindest so hörte ich – aufgrund der fruchtbaren, daraus neu entstehenden Erde für den Ackerbau, voll für sich in Anspruch genommen zu haben.
Den Göttern sei’s gedankt – ich war dem Unheil entronnen und konnte mich bald unmittelbar darauf in die Hauptstadt Rom zurückbewegen, wo ich meinen Meldedienst wieder antrat. Mit einer Sondermeldung sowie wichtigen amtlichen kaiserlichen Befehlen, ritt ich bald darauf für unseren erhabenen Caesar Titus in Richtung Norden, in die ferne Alpenprovinz Raetien nach dessen Hauptstadt Augusta Vindelica, und nun sehet, heute wo ich Euch diese Schilderungen am abendlichen Feuer zu diesen späten Kalenden des Novembres erzähle. Danket den Göttern, dass es Euch hier in diesem kleinen Ort Abodiacum nicht zu solchem Unheil geführt hatte, was diese Menschen im fernen Süden unseres Reiches erfahren mussten.“
Wir Kinder und Jugendliche, die den Erzählungen des durchreisenden Meldereiters Publius Rufus atemlos gelauscht hatten, konnten uns nur schwerlich von diesen bildlich geschilderten Erlebnissen lösen. Auch wenn dies alles weit entfernt geschehen war – für mich entbrannte eine unheimliche Sehnsucht, mehr von diesem römischen Imperium zu erleben als das, was ich bislang als Jugendlicher mit vierzehn Lebensjahren in diesem kleinen Orte Abodiacum erlebt habe. Die Welt begann sich in meinen Vorstellungen zu öffnen, und ich wollte ein Teil davon sein und mich mit ihr ebenso meinen Erlebnishorizont erweitern. Aber davon mehr in meinen nächsten Lebenserzählungen.
Abbildung 4: Joseph Rebell – Vesuvausbruch bei Nacht (Öl auf Leinwand 1822)
Beginn meiner beruflichen Laufbahn
im 4. Regierungsjahr des Erhabenen Caesars Domitian
Denke ich zurück an den Beginn meiner beruflichen Laufbahn, dann taucht vor meinem geistigen Auge immer eine Stadt auf. Augusta Vindelica, die Stadt benannt nach dem Gründer unseres Reiches, dem Nachfolger von Caesar, Augustus Imperatore, oder wie er auch vor seinem Regierungsantritt hieß, Octavian. Sah ich doch in seiner Regierungszeit die Verwirklichung der Pax Augusta Romanum58, einer Friedenszeit nach all den Wirren der Aufstände nach der Ermordung von Julius Caesar durch Senatsmitglieder, den nachfolgenden Bürgerkriegsumständen und den Auseinandersetzungen zwischen den Heeren des Octavian, dem Großneffen von Gajus Julius Caesar und Marcus Antonius.
Ihnen voraus ging ein 17jähriger Bürgerkrieg über die Vorherrschaft im Reich, die er im Jahre 726 a.u.c.(27 v.Chr.) abschloss. Obwohl nach außen hin eine intensive Expansionspolitik betrieben wurde, begründete er nach innen hin im Reich die Pax Augusta Romanum und schuf damit das Wachstum des Reiches im gesamten Bereich des Mare Nostrum.
In seinem 12. Regierungsjahr begann dann die Romanisierung des Alpenraumes, und damit verbunden auch die Assimilierung meiner Vorfahren, den Kelten, dem Volk meiner Mutter. Damals bezeichnete man dies unter der einheimischen Bevölkerung Eroberungsfeldzüge. Heute weiß ich, dass dies trotz all der kriegerischen Umstände, uns allen aber auch einen Bezug zu einer angenehmeren Lebenskultur brachte. Augusta Vindelicorum, das bald nach Gründung des römischen Heerlagers zur Hauptstadt der Region wurde, war nunmehr das Zentrum für jegliches römisches Leben in dieser Alpenprovinz. Wenn man etwas werden wollte, so war dies die Stadt, in der alles begann. So auch für mich, der ich nun zwanzig Jahre alt war, und meinem Vater nachzueifern begann. Die Welt war für mich zu klein geworden in meinem Geburtsort, nach all den Erzählungen, die ich von Durchreisenden nah und fern hörte, denen wir als Kinder immer ungläubig mit erstaunten Augen und Ohren gelauscht hatten. In mir herrschte bereits seit meiner Kindheit ein unbändiger Drang die Welt zu entdecken. Und dazu bot dieses römische Reich die Gelegenheit.
Hatte es doch mein Vater in seiner militärischen Dienstzeit nicht nur zu Ansehen und Akzeptanz gebracht: Durch seine Verdienste wurde ihm auch der Familienname Clemens mit dem Zunamen Claudius dem während seiner militärischen Dienstzeit herrschenden damaligen Imperator geehrt. Seine ehemaligen militärischen und späteren geschäftlichen Beziehungen, hatten ihm und seiner Familie nicht nur erheblichen Wohlstand in Form eines Vermögens, sondern seiner Familie und Nachkommen auch das Jus civile59 gebracht. Für mich stand fest: Ich wollte ihm nicht nur nacheifern, mich zog es weiter fort die Welt kennenzulernen, und dafür war diese Stadt Augusta Vindelica. Nur war mir noch nicht klar, ob ich mich in den zivilen Verwaltungs- oder militärischen Dienst einreihen sollte, um in meiner beruflichen Laufbahn vorwärts zu kommen.
Schweren Herzens akzeptierten mein Vater und meine Mutter meine Entscheidung, obwohl sie es lieber gesehen hätten, dass ich als Ältester den Besitz und die Bewirtschaftung unseres heimischen Anwesens in Abodiacum übernommen hätte. Ich tröstete sie mit dem Bewusstsein, dass für diese Aufgabe auch mein um vier Jahre jüngerer Bruder Aeilius bestens geeignet sei, und dass ich ja sowieso nur in Augusta Vindelica eine Tagesreise per Schiff flussabwärts stationiert sein würde. Damals erinnerte ich mich an die Worte eines Bekannten von meinem Onkel, als wir als Jugendliche zusammen mit meinen Cousins Sicatus und Marcus unsere ersten „Reiterfahrungen“ im Gestüt meines Onkels Indutus Licatus machten. Damals war auch Lucius Proximus anwesend, der in der Provinzhauptstadt bereits in einem einflussreichen Posten als städtischer Verwalter tätig war. Mit seiner Hilfe und Unterstützung begann ich in Augusta Vindelica meine ersten beruflichen Schritte und lernte das römische Verwaltungssystem von Grund auf kennen. Normalerweise hatte man es als ursprünglicher „Nicht-Römischer-Bürger“ nicht einfach eine senatorische Verwaltungslaufbahn ohne finanziellen Hintergrund zu beginnen, verfügte ich doch Dank meines Vaters über beides, das römische Bürgerrecht, sowie ein ansehnliches kleines Vermögen, das meine Eltern zusammengespart hatten, um mir diesen Schritt zu ermöglichen.
Trotzdem war es ein mühevoller Einstieg, wenngleich auch ein sehr trockener Lehr- und Lernprozess durch die Rechtsprinzipien der römischen Verwaltung, die mit der Übernahme von sämtlichen Provinzen, die erst militärisch erobert, romanisiert und dem Reich politisch eingegliedert wurden. Nach dem römischen Recht war man recht flexibel in der Auslebung der regionalen Gegebenheiten. Sei es religiöser, kultureller oder politischer Ansicht. Solange man den römischen Kaiser als das Oberhaupt und göttlichen Ursprunges anerkannte und seinen steuerlichen Verpflichtungen nachkam, konnte man auch andersartigen Glaubens sein. Ob man, wie meine eigenen Vorfahren, die Kelten, den einheimischen seit lang her regionalen Göttern in den eroberten Gebieten opferte, oder seinen persönlichen Lebensstil verwirklichen wollte: Das römische Reich akzeptierte die verschiedenartigen Götterwelten, solange dies in dessen Rahmen passte, und erklärte mitunter auch die verschiedenen Götter, trotz anderer Namensbezeichnungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsschichten als gleichwertig. Zum Beispiel „Jupiter“, oberster römischer Göttervater, Hauptfigur der römischen Staatsreligion, Herrscher des Himmels und des Donners, ihm gleichbedeutend dem keltischen „Taranis“ mit ähnlichen Eigenschaften. Oder „Mars“, römischer Gott des Krieges, mit dem keltischen Pendant „Teutates“, Gott aller Stämme, Kriegsgott und Erfinder aller Künste. Aber auch „Venus“, der Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit, ihr gleichbedeutend im keltischen, „Branwen“. So zog sich dies durch den ganzen Götterhimmel, wieviel da auch unter oder über dem großen Sternenzelt wohnen mochten. Dass es da vielleicht nur einen geben mochte, kam mir damals nicht in den Sinn. Mit solch ungewöhnlicher Auffassung sollte ich erst viel später in meiner Laufbahn konfrontiert werden. Vor allem die Liebe sollte mich in jungen Jahren in ihren Bann ziehen, nur hatte ich damals noch keine Vorstellung davon, was dies auch für Schwierigkeiten mit sich bringen konnte. Karriere und Liebe war selten in Einem zu vereinen, doch das sollte mir noch erst später zur Bedeutung werden.
Eines Tages, nachdem ich die ersten drei Verwaltungsdienstjahre absolviert hatte, trat mein Gönner Lucius Proximus an mich heran und fragte mich, ob ich ihn denn nicht zu seiner Verwandtschaft begleiten wollte, die ca. elf Meilen aufwärts an der Straßenverbindung der Via Claudia in einer Guts-Villa lebte. Nun, dieses Besuchsangebot schien mir ein wenig Abwechslung in den Alltag zu bringen und so willigte ich ein. Drei Tage später nahmen wir Platz in einem Pferdegespann und ab ging es in Richtung Süden. Was ich zu diesem Zeitpunkt aber nicht wusste war, dass mein Mentor Lucius Proximus anderes im Sinn hatte, denn liebäugelte er doch schon lange damit, dass seine Großnichte Flavia in ihrer aufblühenden weiblichen Schönheit mit zwanzig Lenzen immer noch nicht verheiratet war. Da kam ihm die Gelegenheit sicherlich recht seinen Schützling, der eine gute berufliche Position in der Provinzhauptstadt anstrebte, durch die Bande der „Venus“ aktiver an seine verwandte Familie zu schmieden. Aber dies alles wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Vorbei ging es an der ebenen Straße durch diese wunderschöne Flusslandschaft, und kurz bevor wir am Ziel des Gutshofes ankamen, sah ich eine Wegbiegung, deren Meilenstein rechts abgehend ca. zwölf Meilen weiter zu einer weiteren römischen Siedlung, Rapis60 genannt, hinwies. Die Siedlung war wie ich von Proximus hörte nicht unbedeutend, wurde dort doch auch eine bedeutende Werkstatt, in der das römische Porzellan aus dem dortigen Lössmaterial der berühmten „terra sigillata“ hergestellt wurde, das in jedem bedeutenderen römischen Haushalt gut und gerne seinen Absatz bei der Dame des Hauses fand.
Vor uns erstreckte sich jetzt am Reiseziel eine ansehnliche Villa, Flaviana61 genannt, wie mir Lucius erklärte. Blumen, Gärten sowie weiteren Hof und Wirtschaftsgebäuden umsäumt von brusthohen Mauern, die sich um das gesamte Areal zogen. Darum herum wogten in goldgelben Farben ergiebige Weizenfelder, die für die Versorgung des Gutshofes, als auch der naheliegenden Provinzhauptstadt dienten. Diese Gutshöfe, so erklärte mir Lucius Proximus, wären die Grundversorgungsadern des römischen Straßennetzes mit den umliegenden Siedlungen und militärischen Standorten und bei guter Betreuung könne ein Besitzer einen erheblichen finanziellen Vorteil erwirtschaften, sofern er diesen sorgsam bewirtschaftete. Aufmerksam geworden aufgrund des abrupten Halts des Kutschers unseres Reisewagens, trat eine ca. an die 40 Jahre alte Dame aus dem an einer Treppe liegenden erhöhten Hauseingang und begrüßte Lucius Proximus überaus freundlich. Ihr zur Seite gesellte sich nach einigen Minuten anscheinend auch der Hausherr sowie zwei Jugendliche im Alter von ca. 18 und 16 Jahren. Umso überraschter war ich, nachdem auch ich mich aus dem Reisewagen geschwungen hatte, als noch eine jüngere Dame, ca. an die 20 Jahre, aus dem Hauseingang trat. Ihr Haar leuchtete golden wie die Weizenähren, die ich auf den umliegenden Feldern am Wege hierhin schon bewundert hatte. Ihre Augen leuchteten in tiefstem saphirblau, die mich jemals angeblickt hatten, und der Körper, der dieses liebreizende Haupt trug, das ich jemals gesehen hatte, bewegte sich anmutig die Stufen des Hauses herunter auf den Hof. Ich war so beeindruckt, dass mir in den ersten Momenten der Atem fast stillstand. Ein seitlicher Blick von Lucius Proximus genügte, um zu erkennen, was sich hier abspielte. Sein gönnerhaftes Lächeln bewegte sich von mir weiter zum Hausherrenehepaar, um dann mit weitgeöffneten Armen diese überschwänglich zu begrüßen, das sich nach seiner Vorstellung als seinen Neffen Fulvius und seiner Frau Domitia herausstellte, sowie deren Söhne Linus und Decius. „Na, habe ich Euch zu viel versprochen, als ich euch meinen Zögling in den Verwaltungsdienst des kaiserlichen Legaten zum Besuch angekündigt habe?“ Erst da dämmerte es mir, dass dieser Besuch nicht nur zufällig zustande kam, sondern anscheinend schon seit längerer Zeit geplant war. Aber das war mir gleich, solange ich nur in dieses lächelnde Angesicht sehen durfte, das sich mit ihrem Namen als Flavia Domitilla vorstellte. „Kommt rein“, lud uns die Hausherrin freundlich auf. „Unsere Gäste können sich ja kurz erfrischen, und bis wir etwa in zwei Stunden essen, kann Flavia unserem jungen Gast das gesamte Anwesen zeigen“, dem ich natürlich mit freudestrahlendem Gesicht bejahend und gerne zusagte. Diese wunderschöne Venus hatte mir mein Gemüt vom ersten Augenblick an verzaubert, sodass ich meinen Anblick nicht von ihr lösen konnte, während sie mir den Gutshof zeigte. An die Wohngebäude anliegend schmiegten sich weitere Gebäude, einige Wirtschaftsgebäude sowie Unterkünfte der Bediensteten, die hier am Gutshof tätig waren. Etwa 50 Schritte einem sanften ansteigenden Hügel folgend lag auch ein römisches Badegebäude62 etwa mit einer Fläche von 80 Ellen im Quadrat. Darin liegend befanden sich mehrere Räumlichkeiten mit inliegendem Kalt- und Warmwasserbecken, Ruhe- und Umkleideraum, was sowohl den Bewohnern dieser Anlage, aber auch den Durchreisenden an der Via Claudia zur Verfügung stand. Umso erstaunlicher beeindruckte es mich, da nicht viele Straßenstationen mit einem solch wohlhabenden Komfort wie diesem Anwesen ausgestattet waren und von enormer Bedeutung zeugten. In einiger Entfernung lag noch ein Gebäude, das, wie mir Flavia Domitilla erklärte, einer Darre entsprach, worin die abgeernteten Landwirtschaftsgüter zur längeren Haltbarkeit getrocknet wurden, bevor man sie selbst nutzte oder zum Weitertransport in andere umliegende Siedlungen transportierte. Alles in allem war die Lage dieses Gutshofes wirklich ideal angelegt, und zwar auf einer Hochterrasse liegend in Richtung Osten sanft abfallend, wo sich der Licca-Fluss in ca. eineinhalb Meilen Entfernung durch die Auen zog.
Ein sonderbares Gebäude zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Es war ein niedriges, vielleicht etwa zwei-Mann hohes Steingebäude in der Nähe etwa an die 100 Ellen63 entfernt in südlicher Richtung liegend. Zwei Seitenmauern umgrenzten mit einem flachen Runddach und überdeckten das Gebäude, das wir auf meine Bitte hin betraten. Inmitten des Hauptraumes, etwa an die 50 Ellen im Quadrat, rechts und links umsäumt von steinernen Bänken, erhob sich ein Altar, mit einem bunten Relief ausgestattet. Dieses zeigte einen Stier mit einem über ihm liegenden Mannes, dessen Haupt mit einer runden Haubenmütze bedeckt war und in der rechten Hand ein Messer führend, das er dem Stier an seine Kehle hielt. Kerzenstummel umringten den Weihealtar, dazwischen blinkten einzelne Münzen, die Reisende hier wahrscheinlich geopfert hatten. Die Szene umsäumten noch zwei seiner Begleiter, mit Namen, Cautes und Cautopates, wie mir Flavia erklärte, sowie ein Sternenhimmel. Flavia Domitilla erklärte mir, dass dies ein römisches Heiligtum sei, dessen Darstellung einen Stiertöter und Weltenherrscher symbolisierte, der von Sternbildern umrahmt war. Dieser römische Kult war von römischen Legionären, die im Osten das Mare Nostrum stationiert waren, hier in diesen Kulturbereich mit deren Versetzung an die Grenzbefestigung des Limes in der Alpenregion, mitgebracht wurden. Der Kult war allerdings nur Männern vorbehalten. Nach sieben Weihestufen sollten die „Eingeweihten“ die geistige „Unsterblichkeit“ erhalten. Sowohl das „Heiligtum des Mithras64“, wie Flavia-Domitilla es nannte, als auch das naheliegende Badegebäude waren ein Bestandteil des Anwesens, das unmittelbar an der Fernverkehrsverbindung der Via Claudia lag und von jedem durchreisenden Händler, zivilen Reisenden oder auch militärischen Centurien, genutzt werden konnte. Dies umso mehr, da dieser Halt an der letzten Station vor der Provinzhauptstadt Augusta Vindelica lag und von Durchreisenden, die hier an diesem Orte hielten und übernachteten, gerne als Erholung von der beschwerlichen Reise auf der römischen Fernstraße genutzt werden konnte.
Mit solch ausführlichen Informationen ausgestattet kehrten wir ins Hauptgebäude zurück, wo man das Abendessen durch die Dienerschaft im Triclinium65 auf niedrigen Tischen zum Verzehr aufbereitet hatte. Die Hausherrin lud uns ein zuzugreifen, was uns alle nicht ein zweites Mal gesagt werden musste, da sich der Appetit an den servierten Speisen orientierte. Laut der Hausherrin bestand das abendliche Hauptmahl aus drei Gängen. Als Vorspeise gab es Gemüse, Salat, gekochte Eier und Fisch, gefolgt vom Hauptgang mit gebratenem Geflügel mit Gemüse und Hülsenfrüchten. Als Nachtisch wurde dann Obst und Gebäck serviert. Das hätte selbst „Licinius Lucullus66“, seines Zeichens bekannter Gourmet, zur Ehre gereicht. Solchermaßen gestärkt verbrachten wir den gemeinsamen Abend noch in gelöster Unterhaltung, so manchen Philosophen der Antike erläuternd, bis dass uns die Müdigkeit an die späte Stunde mahnte, die so schnell, ohne dass wir es gemerkt hatten, hereingebrochen war.
Den nächsten Tag verbrachten wir noch mit einigen gemeinsamen Gesprächen sowie Spaziergängen in der sommerlichen Idylle der Umgebung, bis dass uns Lucius Proximus zum Aufbruch zurück nach Augusta Vindelicorum gemahnte. Soviel sei gesagt: Es blieb nicht bei diesem einmaligen Besuch bei den freundlichen Gastgebern. Man sah uns oft und gerne als liebe Besucher, insbesondere mir, der die Gesellschaft von Flavia-Domitilla sichtlich genoss, und die Besuche zur Knüpfung der zarten Bande des Herzens miteinander nutzte. Der Wunsch der Gastgeber mich als ihren zukünftigen Schwiegersohn noch öfter empfangen zu können, erfüllte sich zu meinem und deren Leidwesen jedoch nicht. Es kam doch anders, als ich es mir selbst vorerst gewünscht hätte, aber davon mehr in meinen nächsten Erzählungen.
im 9. Regierungsjahr des Erhabenen Caesars Domitian
Ja, es waren stürmische Zeiten, die in unserem Reich heranbrachen. Meine ursprüngliche Absicht weiterhin eine politische Laufbahn in der Provinzhauptstadt Augusta Vindelicorum einzuschlagen, begann sich, aufgrund der hereinbrechenden Ereignisse, mehr und mehr zu ändern. Als ich vor vier Jahren meine zivile amtliche Dienstlaufbahn einschlug, mehrten sich die Meldungen, dass im Osten des Reiches ziemlicher Aufruhr unter der dortigen Bevölkerung herrschte. Dieses Gebiet bevölkerte eine bunte Schar von Volksstämmen, darunter die Jazygen, Costobocen, Quaden, Sarmaten und Roxolanen, um einige von ihnen zu nennen. Insbesondere ein Volksstamm, Daker67 genannt aus dem Raume am Pontus Euxinus68 entstammend, fielen mit ihren Kriegerhorden in das Grenzgebiet unserer errichteten Provinzen von Moesia-69 und Pannonia Inferior70