Der Funken Liebe - Kerstin Wagner - E-Book

Der Funken Liebe E-Book

Kerstin Wagner

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Beschreibung

Die Grafikdesignerin Abi Audrun lebt mit ihrem besten Freund und Kollegen Wilks in einer umgebauten Londoner Tischlerei zusammen und hat zusätzlich zu ihrer harten Arbeit einen ungeahnt populären Roman geschrieben. In eben jenem Roman kommt der bekannte Schauspieler Michael Huffner nicht gut weg, wofür Abi von Fans und der Presse vernichtet wird. Über Wilks lernt sie Mick dann persönlich kennen und ist sich bald nicht mehr ganz sicher, dass dieser wirklich so ein eingebildeter Lackaffe ist, wie Abi bisher dachte.

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Seitenzahl: 338

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Kerstin Wagner

Der Funken Liebe

...der das Fass zum Überlaufen bringt...

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Was vor einigen Monaten geschehen war…..

Der heutige Tag

Kaputter Käfer

Wilks und Rosie

Abi hat Geburtstag

Das erste Wiedersehen

An der Südküste Englands

Brighton

Die erste gemeinsame Nacht

Ruby

Abi und ihr Date

Der nächte Geburtstag folgt sogleich

Abis heimliches Stalken

Sir Louis

Micks gestohlene Zeit

Irgendwann muss Mick ja auch mal arbeiten

Ziel: Rosie eine Freude machen

Treffen an der Brompton/Ecke Hans

Von Abi, Bath und Waschmaschinen

Fotos bringen’s einfach nicht richtig

Die Globes

Wahre Freundin

Die Oscars

Back to the roots

Alles ist anders

Der erste Morgen vom Rest des Lebens

Von Abi, Krokos und Archäologen

Epilog

Impressum neobooks

Was vor einigen Monaten geschehen war…..

Abigail Audrun saß vor dem Fernseher im Wohnzimmer des Lagerhauses und hatte sich unter ihrer Bettdecke eingemuckelt. Der Stress der Arbeit fiel gerade von ihr ab.

Im Fernseher lief gerade eine Übertragung einer Talkshow mit dem US-amerikanischen Star-Moderator Daniel Hollander, einem schönen Mann Mitte 40 mit dichtem schwarzem Haar.

Während Abi ihr Schüsselchen Vanilleeis wegmümmelte zeigte der Moderator auf dem Bildschirm hinter sich angeblich aktuelle Fotos von dem erfolgreichen Irischen Schauspieler Michael Huffner und einer sehr hübschen Frau.

Daniel und Michael sprachen über das Thema Beziehung, nämlich über Michael Huffners neueste Eroberung, eben diese Profibasketballspielerin/ das Supermodel Emma Kimbell.

Leicht mürrisch sah sich Abi die umwerfend hübsche Emma Kimbell an. Natürlich war sie die Idealvorstellung einer Freundin: schlank, grazil, groß aber süß, und da Huffner gerade erzählt hatte, sie habe Wirtschaft an der Columbia studiert, war sie wohl auch noch ziemlich clever. Abis Hoffnung, dass Emma Kimbell nur schlank und süß war und aber dann doch bitte geistig talentfrei war dahin.

Abi musterte Michael Huffner. Sie konnte ihn nicht so ganz einordnen. So richtig, richtig schön war er nicht. Aber irgendwie… er hatte was an sich. Er war sehr charismatisch mit diesem Strahlelächeln, das sein ganzes Gesicht einnahm.

Dieser blöde Lackaffe meint wohl auch, dass er jede Perle kriegen kann, was? Diese Kerle meinten wohl, sie bräuchten nur lächeln und jede Frau wäre hin und weg! Manno, ich gönne ihm so, dass mal eine „Nein“ sagt.

Aus einem plötzlichen Impuls heraus holte sich Abi ihren heißgeliebten Laptop aus ihrem Zimmer und schlug ihn auf. Dann begann sie zu schreiben.

Der heutige Tag

Die Gästesessel im Saal waren so gestellt, dass die Zuschauer ungenierten, voyeuristischen Blick auf die Frontalansicht der Gäste hatten. Abi durfte als Erste in den Saal, und fragte sich, wer wohl der zweite Gast in dieser Chatshow war, den Frankly ihr vorhin so großartig mysteriös angekündigt hatte.

Sie hörte Frankly sagen: „Sie ist schlau, sie ist einfallsreich und vor allem ist sie die großartigste Schriftstellerin der letzten Jahre. Bitte begrüßt mit mir: Miss Abigail Audrun, meine Lieben!“

Applaus setzte ein, Abi ein Lächeln auf und sie betrat den Saal.

Frankly erwartete sie. Vorhin hatte er sie gebeten ihn beim Vornamen zu nennen und so gab sie ihm erneut und offiziell die Hand und ließ ihre herzlich schütteln. Küsschen links, Küsschen rechts und dann wurde sie mit einer Hand auf dem Rücken zum ersten Sessel am Moderatenpult geführt.

Abi bemühte sich weiterhin zu lächeln, obwohl sie total aufgeregt war. Ihre erste Fernsehshow!

„Willkommen, willkommen, willkommen, Abigail!“, grinste Victor fröhlich. „Kaffee?“

Abi nickte. Ihr Blick fiel auf ihr eigenes Buch, das vor Victor auf dem Tisch lag. Gespickt mit lauter bunten Mini-Post-its als Lesezeichen.

Victor goss ihr, wie es in seiner Sendung üblich war, erst einmal einen Kaffee ein und schob ihr die Tasse mit seinem Konterfei darauf zu. Die Tasse durfte man nachher behalten.

„Mir wurde geflüstert, dass dies Deine erste Talkshow ist, ist das richtig?“

Abi nickte charmant. „Ja, das ist mein erstes Mal!“

Victor und die Zuschauer lachten. „Und dann sofort vor so großem Publikum!“

„Ich gehe meist mit viel Tamtam durch mein Leben.“

Wieder lachte das Publikum.

„Schreibst Du eigentlich schon wieder an einem neuen Roman?“

Abi trank einen Schluck. „Derzeit noch nicht. Aber ich habe schon eine Idee.“

„Worum geht’s?“

Abi stellte ihre Tasse wieder auf seinem Tisch ab und legte den Kopf schief. „Das verrate ich Dir doch jetzt noch nicht!“

Das Publikum raunte enttäuscht auf. Victor grinste sie einen Moment lang verdutzt an, beließ es aber dabei. „Ich nehme das mal so hin. Nun ja. Mit Deinem Erstlingswerk hast Du ja für viel Furore gesorgt!“

Abi blickte gespielt-beschämt zu Boden.

Victor fuhr ungerührt fort: „Seit 16 Wochen bist Du auf Platz 1 der New York Times Bestseller-Liste, meine Liebe. Was hast Du dazu zu sagen?“

„Was ich dazu sage?“ Abi grinste. „Jippiie!“

Das Publikum lachte laut.

Victor nahm das Buch in die Hand und schlug es auf. „Nun, Dein Buch hat für viel Furore gesorgt in der Damenwelt. Es hat die Lager in zwei Teile gespalten. Die, die Michael Huffner bis aufs Blut verteidigt haben und die, die Dir Applaus gespendet haben. Moment mal, ich les die Stelle mal einfach vor, damit auch die Zuschauer, die das Buch leider noch nicht gelesen haben wissen, worum es in der Presse ging.“

Victor hatte eine Seite rausgesucht und las laut vor: „Chloe blickte Amber an und runzelte die Stirn. „Schatz, auch wenn Quasimodo mich schwängern würde wäre mir das immer noch lieber als Michael Huffner. Er ist androgyn und absolut unerotisch. Wer will das schon! Du spinnst wohl!“ Amber lachte. „Oh, Chloe, das ist nicht Dein Ernst! Michael Huffner ist doch unglaublich anziehend.“ Aber Chloe schüttelte traurig den Kopf. „Mein Fall ist er überhaupt nicht.““

Victor schloss das Buch wieder und legte seine Hand darauf. Erwartungsvoll sah er Abi nun an. „Also, Du bist jetzt in der Presse die Buhfrau, weil Du es als einzige Frau auf diesem Planeten gewagt hast, laut auszusprechen, dass es Frauen geben könnte, die KEIN Kind von Michael Huffner haben wollen würden. Und dann schreibst Du noch, dass Michael unerotisch ist.“ Gespielt entsetzt fuhr er fort: „Bist Du verrückt, Abigail? Du kannst doch so was nicht schreiben! Der Kerl ist ja wohl heiß! Und ich weiß was wovon ich spreche!“

Das Publikum lachte und klatschte sich zu Tode.

Abi aber lächelte bloß. Diese Sorte von Gespräch hatte sie in den letzten Wochen schon zu Genüge geführt. Mit zahllosen Damen in ihrem Verlag, mit ihrer Mom, mit ihrer Lieblingskollegin Amanda, einer 45-jährigen zweifachen Mutter und Hausfrau aus Ealing, sowie mit vielen weiblichen Interviewerinnen.

Victor tat, als müsse er Abi wie eine 5-Jährige auf diesen Fehler hinweisen. „Abigail, man schreibt nicht, dass man mit Michael Huffner keinen Sex haben möchte geschweige denn kein Kind haben wollen würde, ja? Der Kerl ist ein Gott.“ Die Frauen im Publikum stimmten ihm mit Füßetrampeln und wildem Klatschen zu. Victor grinste sie kurz an und wandte sich dann wieder Abi zu. „Du hast Dich da echt mit dem kompletten weiblichen Teil der Weltbevölkerung angelegt, Du!“

Abi lächelte geduldig. „Da gehen die Meinungen wirklich auseinander. Ich habe schon Frauen kennengelernt, die mir beigepflichtet haben.“

„Ja, bestimmt“, sagte Victor sarkastisch. „Lesben.“

„Sehr witzig, Victor“, bemühte sich Abi freundlich zu bleiben.

Victor schien das zu merken, denn er änderte das Thema. „Abi, für was für Dinge, außer Schreiben, bist Du noch empfänglich?“

Abi grinste. „Ich zeichne sehr gerne und ich liebe Handtaschen.“

„Nein!“

„Doch.“ Und sie fügte gespielt gen Himmel hinzu. „Was hat die Natur mir nur angetan?!“

Das Publikum klatschte tobend. Victor ließ es toben und sagte nach einer Weile: „Ok, dann holen wir mal unseren zweiten Gast dazu.“

Er stand auf. „Er ist hier. Heute und frisch und gut gelaunt, wie ich eben schon hinter der Bühne feststellen durfte. Der Meister des großen Kinos, der frisch gekührte Golden-Globe-Gewinner Michael Huffner, meine Lieben!“

Die Frauen im Publikum pfiffen, grölten und klatschten sich die Hände wund.

Abi sah den Schauspieler durch die gleiche Tür eintreten durch die sie selbst auch reingekommen war. Ihr wurde unwillkürlich flau im Magen und sie bekam etwas Angst vor Konfrontation. Michael Huffner ging aber auf Victor zu und gab ihm herzlich die Hand. Er trug ein weißes Oberhemd mit offenem Kragen, blaue, enge Jeans und ein schwarzes Jackett. Es stand ihm gut, befand Abi.

Abi fand ihn nun live betrachtet recht attraktiv, aber er war bestimmt ein Lackaffe, der wusste, dass er sich auf sein Aussehen was einbilden konnte.

Huffner betrat das Podest auf dem der Tisch und die Gästesessel standen, gab Abi die Hand ohne sie wirklich anzusehen und setzte sich rechts neben sie.

Victor begann. „Michael, schön, dass Du da bist.“

„Ich freu mich auch hier zu sein“, sagte Huffner mit einer rauen, bedächtigen Stimme, die Abis Herzschlag beschleunigte.

„Du kommst gerade aus Deutschland, nicht?“

Huffner nickte. „Ja, von einem Dreh.“

„Wieso Deutschland?“, erkundigte sich Victor interessiert. „Ist das Drehen da so billig?“

Das Publikum lachte und Huffner schmunzelte. „Nein. Darum ging es nicht. Der Film spielt im Mittelalter und Deutschland hat sehr schöne alte Städte und außerdem sehr großzügige Ordnungsämter, die unsere Drehanfragen ohne mit der Wimper zu zucken genehmigt haben.“

„Du bist auch halber Deutscher, nicht?“

„In der Tat. Mein Vater kommt aus Hannover.“

„Ich kenn nur die Pferde.“

Das Publikum lachte und Huffner antwortete galant: „Ja, daher heißen sie so.“

„Worum geht es in dem Film? Erklär es uns.“

„Krieg ich erst eine Tasse Kaffee?“

Victor lachte und zückte die Kaffeekanne. „Na klar. Aber nur, wenn Du schon mal anfängst.“

„In Ordnung. Ich spiele einen Arzt, der heiraten will, sich aber dann mit Syphilis ansteckt, weil er seiner Verlobten fremdgegangen ist.“

Victor goss zu Ende ein und schob Huffner dann ernst die Tasse zu. „Du spielst oft solche Rollen wo Du entweder nackt bist oder eine Geschlechtskrankheit hast, nicht?“

Das Publikum kicherte.

Huffner schnappte sich die Tasse und trank vorsichtig. „Oder beides.“

Abi musste nun selbst leise lachen und erntete dafür einen verdutzten Seitenblick des Schauspielers neben sich.

Auch Victor wurde wieder auf Abi aufmerksam.

„Abigail, schreib doch mal einen Roman ohne Nacktheit und Geschlechtskrankheiten und schick ihn an Michael, ja?“

Nun hörte Abi Huffner neben sich lachen. „Das wäre mal eine Idee!“

Abi blickte Victor an und zeigte mit ihrem Daumen nach rechts auf Huffner. „Am besten also einen Film aus der Zukunft. Wo es keine Geschlechtskrankheiten mehr gibt und Nacktheit endgültig verboten ist.“

Victor trank grinsend aus seiner üblichen Duffy-Duck-Tasse. „Es klingt so, als hättest du nichts gegen Nacktheit.“

„Nein, habe ich auch nicht.“

„Apropos. Michael“, fuhr Victor dann fort, „gibt eigentlich einen Grund für die arg kurzen Sexszenen in „Forbidden“?“

Abi sah Victor missbilligend an, und ehe Michael Huffner antworten konnte sagte sie: „Ich schätze mal, dass die Szenen den Zuschauern nicht auch noch zum Spaßhaben dienen sollten.“

Sie spürte zwei Paar Augen auf sich. Von rechts und von links und fuhr ungerührt ehrlich fort: „Ich finde es außerdem herzlich unnütz, sich über Schauspieler zu echauffieren, die in Filmen nur das normale Leben darstellen wollen. Ich würde die Meckerer gerne mal fragen, ob sie immer vollständig angezogen sind wenn sie Sex haben oder sie es sich im Bett selbst machen.“

Das Publikum brauchte einen Moment um zu überlegen, ob es lachen sollte oder nicht. Es lachte.

Victor stimmte ein. „Oh je, bei Dir bekomme ich also keine Schnitte mehr. Na gut, ich gestehe hier und jetzt, dass ich beim Sex auch nackt bin.“

Das Publikum grölte vor Lachen. Er fuhr fort: „Und ich werde nie wieder was über Michaels Filme sagen.“

„Und meine Idee zum neuen Buch steht ja auch eh schon.“

„Exakt. Michael, was sagst Du nun über die Tatsache, dass Du in Abis Buch so schlecht wegkommst?“

Michael Huffner sah Abi an. Abi fand, dass er amüsiert aussah. „Wenn sie meint.“

Aus dem Publikum kam ein aufgewühltes Geraune wegen dem großzügigen Verzeihen.

„Macht Dir das nichts aus?“, hinterfragte Victor.

„Nein. Einige Menschen mögen mich, und die Frau in Abigails Buch eben nicht.“ Er zuckte mit den Schultern. „Das ist wohl dann so.“

Die Frauen im Publikum klatschten über so viel Großmut.

Victor blickte ins Publikum. „Der öffentlich gekränkte Michael Huffner verzeiht Abigail Audrun das, meine Damen und Herren. Was sagen Sie DAZU?“

Die besagten Damen und Herren applaudierten. Victor drehte seinen Stuhl wieder in Richtung Michael Huffner. „Was ich Dich noch fragen wollte. Du kommst ja aus einer Schauspielerfamilie, nicht?“

„Genau. Meine Mutter war früher im Westend am Theater.“

„Hättest du mal Lust was fürs Theater zu schreiben, Abigail?“

Abi brauchte nicht lange überlegen. „Warum nicht?!“

Victor goss ihr ungebeten Kaffee nach. „Wie kommen die Ideen eigentlich in Deinen Kopf?“

Abi dachte nach und überlegte wie sie es erklären sollte. „Naja… es fängt mit einer Vision an. Eine bestimmte Szene in einem bestimmten Raum. Dann stelle ich mir dazu die Personen vor, die die Szene miterleben. Und wenn alles gut läuft, habe ich idealerweise in dem Moment mein Notebook in der Nähe.“

„Erklär mir das mal genauer.“ Victor schob ihr den Kaffeebecher zu.

Abi blickte nun das erste Mal ins Publikum. „Es ist eine Vision, die plötzlich vor meinem inneren Auge hochpoppt. Sagen wir mal: Ein Bild von zum Beispiel einem Mann. Wie er aussieht. Sein Lächeln. Dann die Frau dazu...wie groß sie ist... Ich stelle mir das dann als Gesamtbild oder als Film vor und beginne das sofort aufzuschreiben, weil ich es sonst schnell vergessen habe. Wenn ich einmal angefangen habe, kann die Handlung als Film immer wieder in meinen Kopf zurückkehren.“

„Der Protagonist aus „Im Wandel der Zeit“ ist ja auch ein wahres Schmuckstück“, merkte der schwule Victor breit lächelnd an.

„Ich mag nicht 300 Seiten über einen in meinen Augen unattraktiven Menschen schreiben.“

Das Publikum lachte wieder.

„Deine Charaktere haben auch im Gegensatz zu Dir keine Tätowierungen, oder?“

Abi blickte verblüfft auf ihren linken Arm. „Nein.“

„Was bedeutet Deine Tätowierung?“

Abi drehte ihren Arm um und zeigte auf den Stern auf ihrem Oberarm. „Das ist nur ein Stern mit lauter Wörtern, die das Leben meines Erachtens lebenswert machen.“

Victor las vor: „Liebe, Glaube, Freundschaft, Respekt, Zärtlichkeit...und das letzte Wort heißt…Moment, es ist schon abgeschnitten…In...Inte...“

„Integrität.“

„Ist witzig gemacht. Hast du noch mehr?“

„Ja“, lächelte Abi.

„Wo?“

„Sag ich Dir nicht!“

Das Publikum lachte.

„Was muss ich tun, damit Du mir das verrätst?“

„Gar nichts. Sie sind extra dort, wo sie sind, damit sie nicht jeder sofort sieht.“

„Sie? Das heißt es sind mehrere?“

„Der Stern und noch zwei andere.“

Victor lachte. „Kann ich sie sehen, wenn wir mal gemeinsam schwimmen gehen würden?“

Abi lachte ebenfalls und nickte ergeben. „Ja.“

„Warum das Piercing?“ Victor nickte in Richtung Abis Mundwinkel.

„Weil es mir steht.“

Das Publikum lachte wieder und Victor schüttelte aus gespielter Verzweiflung den Kopf. „Du bist mir eine!“

„Welche?“, schoss Abi die Frage belustigt zurück.

„Eine total Nette!“

„Danke“, sagte Abi geschmeichelt, weil sie spürte, dass Victor das ernst meinte.

„Hast Du irgendwelche Tätowierungen oder Piercings, Michael?“

„Die hättest Du doch spätestens in „Forbidden“ gesehen, oder?“

Das Publikum lachte und Victor kicherte. „Du sagst es. Aber vielleicht hattest Du ja nur eine gute Maskenbildnerin.“

Mit einem Seitenblick auf Abi sagte Michael: „Nein, ich habe weder das eine noch das andere.“

„Du bist derzeit Single, Michael, nicht?“

„Jepp.“

Das Publikum, der weibliche Teil, tobte vor Begeisterung und Huffner grinste schief, wie Abi sehen konnte. „Na, ich find das nicht so toll“, sagte er zum Publikum.

„Michael, gefällt es Dir, wenn eine Frau gepierct oder tätowiert ist?“

Michael trank noch einen Schluck Kaffee bevor er antwortete: „Warum nicht? Wenn es ansprechend ästhetisch aussieht.“

Victor zeigte ihm Abis Arm. „Wie gefällt Dir Abigails Tattoo?“

„Gut.“

„Und was glaubst Du, was für zwei andere Tattoos sie hat?“

Plötzlich blickte Victor auf ein Schild neben einer der Kameras und unterbrach die Runde in dem er in eine andere Kamera sah. „Diese Frage beantwortet Michael Huffner uns gleich – nach der Werbung.“

Das Licht über den Kameras ging aus und Abi atmete erst einmal durch.

„Alles ok soweit?“, fragte Victor sie nett.

Abi nickte und blickte prüfend auf ihre glitzernden Fingernägel. Nein, kein Dreck, dachte sie erleichtert.

„Es ist sehr warm hier drin“, sagte Huffner neben ihr zu Victor, stand auf und zog sich sein Jackett aus. Vorher nahm er den Clip mit dem Mikro ab und klemmte ihn auf seine Hemdknopfreihe um. Eine Assistentin mit einem Mikro am Ohr kam und nahm ihm das Jackett ab.

Im Publikum begannen ein paar anspornende Rufe. Huffner sah sie gespielt entsetzt aber charmant grinsend an. „Oh bitte! DAS wollt Ihr nicht wirklich!“ Ein paar Frauen lachten dreckig.

„In 60 Sekunden geht es weiter“, informierte die Regieassistentin Victor. Sie war zu ihm gegangen und nestelte an seinem Jackett herum.

Michael Huffner setzte sich wieder und Abi ließ ihre Fingernägel los und leckte sich über die Lippen.

Dann gab die Regie die Ansage: „Und zurück – in 5 – 4 – 3 – 2 – 1. Go.“

Victor grinste dümmlich in die Kamera und trommelte gespielt-gewitzt auf dem Tisch herum. „Wir sind wieder da. Heute zu Gast haben wir Michel Huffner, Ihr Lieben da draußen. Und außerdem die wunderbare Bestsellerautorin Abigail Audrun.“

Er wandte sich an Michael. „Wie ich sehe, hast Du Dich schon ausgezogen, Michael!“

„Ja, denn hier ist verdammt viel Östrogen im Saal. Ganz schön heiß!“

Ein paar Frauen im Publikum lachten wieder.

„Da haben wir Frauen es besser“, mischte sich Abi ein, „wir brauchen nicht in Oberhemd und Jackett rumlaufen um schick auszusehen.“

Victor gab ihr recht. „Abigail, bist Du eigentlich in festen Händen?“

„Nein.“

„Du wohnst hier in London, richtig?“

Abi nickte. „Ja, ist nicht weit. Bin mit dem Fahrrad da.“

Einige Leute im Publikum lachten und Abi blickte sie verdutzt an. „Wieso? Parkplätze gibt es doch eh nie welche, wenn man sie braucht und die U-Bahn stinkt.“

Sie hörte Huffner neben sich leise lachen und sah zu ihm rüber. Abi blickte direkt in leuchtend grüne Augen. Aber sie konnte ihn trotzdem nicht leiden. Auch wenn Ihr Herz wieder etwas wild schlug. Außerdem hatte er etwas Androgynes an sich, von dem Abi nicht wusste ob das sexy war oder einfach nur ekelig. Aber scheinbar standen Frauen ja reihenweise auf ihn.

Abi hatte was verpasst, was Victor gesagt hatte, denn sie hörte Huffner neben sich laut auflachen.

Seine Zähne waren weiß und gerade, aber, das war doch…. Ihre Mutter war Zahnärztin – natürlich konnte Abi eine Krone erkennen! Und mit Verblüffung stellte sie fest, dass sie sich über diesen Makel an ihm diebisch freute.

„Sag mal, Abigail, Du bist auch eine begeisterte Leserin, nicht?“

„Woher hast du das denn, Victor?“

„Ich habe eine gute Redaktion.“

„Nun, das stimmt. Ich lese unheimlich gerne.“

„Was liest du?“

„Henry James, Jane Austen, Biographien und für Inspiration ab und zu Frauenromane.“

Victor grinste. „Wollen wir Michael mal dazu bringen eine Passage aus einem Jane Austen Roman zu lesen?“

„Aus welchem denn?“, fragte Huffner Victor.

Abi antwortete prompt. „Stolz und Vorurteil.“

„Welche Passage?“

„Den Korb von Elizabeth an Darcy.“

„Aber dann musst Du mitlesen, Abigail“, gab Victor zu bedenken.

Aber Abi hatte Spaß. „Natürlich.“

Victor entfuhr ein Lacher. „Na schön. Abigail liest Elizabeth Bennet und Michael Mr. Darcy. So, Ihr beiden. Hier sind die Zettel mit Euren Texten.“ Er nahm die beiden Blätter von seinem Tisch, die die Regieassistentin gerade hingelegt hatte.

Abi blickte auf ihren Zettel und wunderte sich, wie die Leutchen vom Sender das so schnell hingekriegt hatten. Huffner musste anfangen und da Abi den Text eh fast auswendig kannte, drehte sie sich zu ihm um.

Huffner begann.

Scheinbar war er sich auch recht sicher im Text, denn meist wandte er sich ihr auch beim Sprechen zu.

Das Publikum war gebannt und gab keinen Mucks von sich. Victor auch nicht.

Michael Huffner wäre ein phantastischer Mr. Darcy, fand Abi gerührt. Er hatte dieses Elegante, Hochgewachsene, Gelassene, das Mr. Darcy auch hatte.

Huffner blickte ihr beim Sprechen direkt in die Augen und Abi sah Neugier darin. Aber worauf?

Beide bekamen zum Schluss tosenden Applaus und Victor deutete eine Verbeugung an. „Ein würdiger Mr. Darcy bist Du, Michael.“

„Und eine großartige Miss Bennet“, fügte Huffner hinzu und applaudierte Abi leicht.

Victor wurde durch die Regie aufgefordert die Show zu beenden. Das tat er.

Er reichte Abi die Hand und sie bekam ein Wangenküsschen rechts und links.

Huffner und Victor reichten sich die Hand und klopften sich kumpelhaft auf die Schultern und mit dem Klatschen des Publikums war die Sendung zu Ende.

Abi blickte auf ihre Armbanduhr, hatte plötzlich tierischen Hunger und befand, dass sie heim wollte. Wilks war bestimmt auch schon zu Hause und wartete mit dem Essen auf sie.

So nahm sie sich das Mikro ab und drückte es einer jungen, dunkelhäutigen Frau in die offene Hand, auf deren Silberarmspange „Monice“ stand.

Huffner entschuldigte sich bei Victor und verschwand in Richtung Make-up. Abi war entlassen.

Sie schnappte sich ihre Umhängetasche von der Garderobe und verließ das Studio.

Auf einem gesicherten Parkplatz vom Sender stand ihr altes, grünes, schäbiges Fahrrad gegen eine Wand gelehnt, weil es keinen Ständer mehr hatte.

Abi fuhr heim.

Auf dem Weg durch die abendlichen Straßen Londons dachte sie über die Show nach. Blamiert habe ich mich nicht. Glaub ich. Oder?

Hab ich irgendwas Peinliches gesagt?

Huffner ist aber auch wirklich ein Schönling vor dem Herrn! Und er ist zu dünn.

Victor aber war nett. Auffällig schwul, ja. Und total nett!

So kreisten Abis Gedankengänge um den Abend als sie das Schiebetor zur Garage ihrer Wohnung öffnete.

Sie schob ihr Fahrrad in den Fahrradständer und hörte Wilks schon in der Küche laut „Eye of the Tiger“ singen. War ja klar. Abi grinste breit.

In der Küchentür angekommen sah sie, dass Wilks sie nicht bemerkte. Er war am Kochen und sang und tanzte etwas weibisch herum. Sie stieg in den Gesang mit ein. Da drehte er sich um.

Jedes Mal wenn Abi Wilks ansah ging es ihr einfach gut und sie betrachtete liebevoll den verstrubbelten Mann mit der großen Nase und den blauen, großen Augen vor sich.

„Wie wars?“, fragte er während er sich die Hände am Trockentuch abwischte.

„Beim Essen.“ Abi lief schon wieder aus der Küche raus. „Ich muss erst aufs Klo!“, brüllte sie noch. Dann fiel die Badezimmertür ins Schloss.

Wilks hatte Fisch gebraten und Reis gekocht und Abi aß genüsslich. Dabei starrte sie auf den absolut gerechtfertigten Pokal auf dem Küchenregal, den sie Wilks mal geschenkt hatte. The worlds best cook.

„So, jetzt erzähl mal“, drängte Wilks.

„Es war ganz interessant. So’n Fernsehstudio ist echt nicht groß. Die Regieassistentin hat mir gesagt, es würden 600 Zuschauer reinpassen.“

„Das ist doch groß.“

„Naja. Das Studio sah aus wie ein Würfel. Total hoch. Victor Frankly ist auch groß, obwohl er so winzig aussieht im Fernsehen.“

Wilks lachte. „Tja Abs, ist ja auch Fernsehen. Da sehen Leute kleiner drin aus.“

„Witzig.“

„Und wer war der andere Gast?“

„Michael Huffner.“

Wilks lachte laut auf. „Oh nee, oder?“

„Oh doch!“

„Oh je. Und wie war er so?“

„Ganz ok.“

Wilks lachte auf. „Und sonst?“

„Er hat Zahnkronen.“

„Aber er war nett soweit?“

„Hm. Soweit. Er hat schon Falten auf der Stirn, obwohl er nur ein paar Jahre älter ist als wir.“

„Ich habe auch schon Falten. Schau!“

Abi blickte Wilks ins Gesicht und suchte. „Wo?“

„Um die Augen.“

Abi winkte mit der Gabel ab. „Das macht Männer eigentlich eher sexy.“

„Werds mir merken. Wollen wir uns die Sendung gleich im Fernsehen angucken?“

Abi nickte. „Gern.“

Nach dem Essen räumte Wilks das Geschirr in den Spüler während Abi sich bei offnener Zimmertür rasch umzog.

Wilks strahlte als er Abi sah. „Das mag ich so an Dir, Abs.“

„Was denn?“

Er zeigte auf ihre Jogginghose und das Shirt. „Du siehst total schmuddelig aus und absolut stilvoll.“

„Danke. Ich hol den Wein, Du die Gläser.“

Die beiden setzten sich vor den Fernseher und sahen sich noch eine Weile Micky-Maus-Filmchen auf dem Kinderkanal an bevor Wilks umschaltete auf BBC One.

Nun sah Abi sich das erste Mal selbst. Und war total erschrocken und dann tief traurig.

„Ich bin eine fette Kuh“, weinte sie leise.

Wilks tätschelte ihren Oberschenkel. „Du bist keine fette Kuh. Du wiegst nur etwas zu viel.“

„20 Kilo.“

Wilks lächelte milde. Abi zeigte tragisch auf den Fernseher. „Schau mich doch nur an, Wilks. Neben Huffner sehe ich echt jubba-the-hut-artig aus.“

Wilks wusste, dass er das Kommentieren jetzt sein lassen musste um den Abend nicht zu vermiesen und so änderte er das Thema. „Dass die den eingeladen haben! Aber er hat ja ganz cool reagiert, nicht?“ Er wischte ihr die Tränen mit seinem Ärmel ab.

Abi war dankbar für den Themenwechsel und nickte. „Ja, das war schon ok. Aber ganz ehrlich hatte ich auch nichts anderes erwartet.“

„Warum hast Du das eigentlich geschrieben, Absi?“

Abi zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Ich war beim Schreiben an dem Tag ein wenig anti-alles. Ich habe mir nur vorgestellt, wie es sich schreibt, dass mal eine Frau ihn nicht haben wollen würde. Und das ist es dann geworden.“

Wilks lachte. „Naja, das hat auf jeden Fall die Verkaufszahlen in unbekannte Höhen getrieben.“

Victor unterhielt sich grad mit Huffner über dessen Geburtsort Hannover. Wilks lachte. „Da war ich auch schon mal.“

„Echt?“

„Hm. Moms Schwester Desiree wohnt da. Das ist die, die mit diesem Versicherungsfritzen Boris verheiratet ist.“

Abi fiel es wieder ein, sie nickte und blickte wieder auf den Fernseher. Sie sah Michael Huffner an. Er war in der Tat sehr hübsch. Das kam aber erst durch den Fernseher. In Wirklichkeit war er fast nur ein normaler Kerl. So von Nahem.

Ein Kerl mit horizontalen Falten auf der Stirn, einer Krone im Mund und einer länglichen Narbe auf dem linken Handrücken.

Abi fand es sehr unhöflich, dass Huffner sich nach der Sendung nicht mehr von ihr verabschiedet hatte. Aber sie war sich auch sicher, dass sie nicht der Typ Frau war, die es in seinen Augen überhaupt verdiente Höflichkeit von ihm zu bekommen. Der Mann ging mit Supermodels aus!

„Woran denkst Du?“, fragte Wilks neben ihr.

Sie sagte es ihm.

„Naja…tja…wirklich höflich war das nicht“, gab Wilks zu. „Er hätte sich ja höflichkeitshalber noch verabschieden können.“

An einem anderen Ende der Stadt fuhr Michael Huffner mit seinem BMW in die Tiefgarage des Hauses in dem er sein Appartment hatte.

Er stellte das Auto auf dem Parkplatz ab, an dessen Kopfwand ein Schild mit einer „31“ montiert war und sah, dass neben seinem Auto der Fiat von Rosie stand. Sie war also zu Hause.

Der Lift fuhr ihn in den 14. Stock wobei die Aufzugtür als Wohnungstür diente. Im Flur brannte Licht und aus Rosies Schlafzimmer drang eine Stimme. Mick legte seine Schlüssel in die Schale neben der Eingangstür. Er öffnete Rosies angelehnte Zimmertür nachdem er geklopft hatte.

Rosie lag telefonierend auf ihrem Bett. Als sie ihn sah, freute sie sich und winkte leicht. „Mom“, deutete sie mit ihren Lippen an. Michael verstand. Er verließ sie wieder und hörte noch beim Weggehen „Die Tischsets waren aber braun und nicht grün, Mom“.

Mick grinste und zog sich um.

Als er fertig war hatten Rosie und ihre Mutter tatsächlich schon aufgelegt und Rosie kam ihm in Slip und Unterhemdchen entgegen. „Essen kochen oder bestellen?“, fragte sie und umarmte ihn kurz.

„Bestellen“, brummte Mick und ließ sich in seinen Sessel fallen.

„War’s gut?“

Irritiert blickte Mick seine beste Freundin an. „Ja“, entgegnete er. Aber es hatte schon zu lange gedauert um Rosie davon abzuhalten weitere Fragen zu stellen.

„War der Frankly doof zu Dir?“

„Nein. Der ist in Ordnung.“

„Was war es dann? Ach, wer war übrigens Dein Nebengast?“

„Abigail Audrun.“

Rosie lachte. „Oh je!“ Sie holte eine Dose Handcreme zu sich. „Und?“

„Sie war nett.“

„Hat also Frankly sich mehr über das Buch aufgeregt als sie.“

„Sie hat sich gar nicht über mich aufgeregt. War ganz lässig.“

Rosie zückte einen kleinen Stapel Bestellflyer aus der Küchenschublade. „War sie also nett, ja?“

Michael sah sie nachdenklich an. „Ja, sie war nett.“

Irgendwas musste in seinem Ton gewesen sein, denn Rosie fragte nicht mehr nach.

Dann bestellten sie beim Mexikaner.

Als das Essen da war und beide in ihren Sesseln im Schneidersitz saßen und futterten, fragte Rosie aber doch noch mal nach. „Worüber habt ihr gesprochen?“

Michael stach in eine rote Bohne und blickte Rosie an. „Er hat sich ein bißchen lustig gemacht über „Forbidden“ und hat mich nach dem neuen Film befragt…ehm… und wir haben über Deutschland gesprochen…“

Rosie lachte. „Schon wieder?“

Michael nickte. „Ja, als ob was dabei wäre, dass ich da geboren wurde.“ Er nahm die Bohne in den Mund und kaute. „Und dann mussten Abigail und ich noch eine Szene aus Stolz und Vorurteil vorlesen.“

„Warum?“

„Weil sie das Buch scheinbar mag.“

„Ich mag das Buch auch. Mr. Darcy ist eine Vision eines perfekten Mannes.“ Rosie sah gedankenverloren auf den schwarzen Fernsehbildschirm. „Gucken wir gleich mal in die Show rein?“

„Na klar.“ Michael lachte. „Und ich glaube, ich habe 5 Mal nach gefühlt, ob der Reißverschluss der Hose zu war.“

Rosie grinste. „Kauf Dir endlich eine Neue.“

„Ich liebe diese Hose!“

„Du sollst sie ja auch nicht sofort wegschmeißen!“

Beide grinsten sich zufrieden an und fühlten sich einfach pudelwohl.

Nach dem Essen warf Rosie die Styroporverpackungen in den Müll und dann setzten sich beide vor den Fernseher. Mick hatte einen gigantischen Fernseher haben wollen obwohl Rosie das unnütz gefunden hatte, und so hatte Mick den Fernseher eben alleine bezahlt.

Die Einspielmusik lief schon als Mick auf den Sender schaltete. Victor begrüßte das Publikum und erzählte ein paar Witzchen um die Stimmung aufzuheitern. Dann begrüßte er Abigail Audrun.

Rosie sah eine junge Frau hereinkommen und musste unwillkürlich lächeln. Die war so süß! Sie hatte weißblonde, strohig geföhnte Haare mit einem witzigen, schnurgeraden Pony, extrem dick geschminkte schwarze Augen und einen Piercingring im linken Mundwinkel. Es sah toll aus. Ihre blauen, engen, aufgekrempelten Jeans, die roten Chucks und das Ringelshirt machten sie sehr jung. In der Nahaufnahme sah Rosie allerdings, dass Abigail Audrun aber nicht mehr ganz jung war. Besonders spannend fand Rosie aber die aufmerksamen, blass-grünen Augen der Frau.

Mit Verlauf der Sendung musste Rosie ein paar Mal herzlich über Abigail Audruns trockenen Humor lachen. „Sie ist witzig.“

„Ja, ich fand ihren Humor auch klasse.“

„Hast aber nicht gelacht!“

Plötzlich sah Michael sich im Fernsehen lachen. „Siehst Du?“

„Was hat sie da gesagt?“

„Sie sagte, sie wäre mit dem Rad gekommen weil es eh nie Parkplätze gäbe wenn man sie braucht und die U-Bahn stinken würde.“

Rosie grinste breit. „Wo sie recht hat….“

Kaputter Käfer

3 Wochen später fuhr Wilkens van Dongen mit seinem alten, blauen VW Käfer durch Ealing als der Motor stotterte und schließlich ausging. Wilks kannte das aber schon. Er drehte innerlich absolut tiefenentspannt den Zündschlüssel zurück und versuchte den Motor wieder neu zu starten.

Nichts passierte und so zückte er sein Handy und rief Morris Peabody an, einen Kumpel aus Kindertagen. Zum Glück ging der sofort ans Telefon.

„Mein Auto ist tot“, sagte Wilks tonlos.

Morris lachte belustigt auf. „Wo soll ich Dich abholen?“

„Ruislip Road am Hundefrisörladen.“

„Ich bin gleich da.“

Wilks drückte auf die Rote-Hörer-Taste, legte sein Telefon auf den Beifahrersitz und ließ sich erleichtert ins Polster sinken. Ein dreifaches Hoch auf Morris, der schon mehr als einmal Wilks‘ Abschleppdienst gewesen war. Jetzt hieß es warten bis der Onkel Auto-Doktor kam.

Nach etwa 20 Minuten näherte sich ein Abschleppwagen. Aber es stieg nicht der schmale, blonde Morris aus der Fahrerkabine aus, sondern eine umwerfend hübsche Frau mit einem schwarzen, lockigen Pferdeschwanz.

Sie grinste Wilks an als er aus dem Auto stieg. „Morris schickt mich. Er ist verhindert.“

„Ich bin Wilks“, stellte sich Wilks beeindruckt vor und gab ihr die Hand.

Die junge Frau reichte ihm ihre und sagte. „Ich bin Rosie und schlepp Dich jetzt ab.“

Wilks lachte. „Na, das ist ja mal eine Vorstellung. Ich bin Wilks, der Abgeschleppte.“

„Dann zieht mal die Handbremse an und leg einen Gang ein, Wilks, wenn das geht.“

„Er ist nur mal wieder ausgegangen und geht nicht mehr an.“ Wilks kletterte wieder auf den Fahrersitz und tat was Rosie ihm aufgetragen hatte.

Schließlich stand er wieder neben Rosie, die das Auto professionell auf ihre Laderampe zog. „Warum konnte Morris nicht?“, fragte Wilks währenddessen.

„Just als Ihr aufgelegt hattet kam ein Kunde rein, mit dem wir sehr viel Geld verdienen und dann gab Morris mir die Anweisung Dich abzuschleppen.“

„Ich muss gestehen, dass ich auch lieber von Dir abgeschleppt werde als von Morris. Aber sag ihm das nicht.“

Rosie lachte. „Keine Sorge.“

Das Auto stand auf der Laderampe und Wilks und Rosie setzten sich in die Fahrerkabine. Rosie fuhr los.

„Ich habe Dich nie in der Werkstatt gesehen“, bemerkte Wilks.

„Ich war in einer anderen Filiale in Chiswick. Bin erst seit 2 Monaten bei Morris.“

„Und Du bist ehrlich Automachanikerin?“, fragte Wilks verblüfft.

Rosie nickte. „Ja, an Autos basteln ist mein Hobby und mein Beruf.“

„Ich kenne mich mit Autos nicht aus“, gab Wilks freimütig zu. „Ich wüsste nicht mal wo ich Wischwasser nachfüllen müsste.“

Rosie lächelte. „Da bist Du nicht der einzige Mann. Mein Mitbewohner ist auch total unwissend und unfähig, wenn es um Autos geht. Ein Mal musste ich ihn von der M25 holen, weil der Wagen nicht einen Tropfen Öl mehr hatte.“

Wilks lachte. „Tja, das klingt nach mir.“ Währenddessen kramte er in seiner Umhängetasche nach dem Fahrzeugschein. Rosie blickte ihm beim Fahren nebenbei dabei zu. Sie lachte. „Was ist das denn?“ Und nickte zu einem bunten Etwas hin, das Wilks mit aus der Tasche befördert hatte.

Wilks schmunzelte. „Das sind bloß Filzstifte. Meine Mitbewohnerin hat sich den Arm gebrochen. Ich kann recht gut zeichnen und soll ihren Gips verschönern.“

„Uh, den Arm gebrochen? Hoffentlich nicht schlimm.“

„Nein“, erwiderte Wilks, „sie wäre mit dem Fahrrad fast mit einem LKW zusammengerauscht und ist über den Lenker abgestiegen. Ich war glücklicherweise mit ihr unterwegs. Sie ist danach sofort aufgestanden und war stocksauer.“ Wilks lachte liebevoll beim Gedanken an Abi.

Rosie erkannte seinen Gesichtsausdruck und war enttäuscht. „Du liebst sie sehr, hm?“

„Ja. Wie die tollste Schwester der Welt. Sie ist eine grandiose Frau.“

Rosie strahlte wieder.

Während sie weiterfuhren dachte Rosie an Mick. Mick war im Gegenzug der grandioseste Mann, den sie kannte. In ihren Augen absolut asexuell aber für die restliche Frauenwelt ein Leckerli.

Hm, ja, ok. Er sieht wirklich gut aus. Aber …ihh… Mick als Kerl? Neeeee. Bloß nicht. Rosie lachte innerlich. Mick war ihr zu… was war er ihr eigentlich?

Er sang außergewöhnlich schlecht beim Duschen, er ließ alle Tuben offen, klappte die Klobrille nie wieder runter und ließ ständig seine benutzten Socken eingeknüllt in den Sesselritzen stecken.

Dafür war es ein schöner Anblick ihm beim Duschen zuzusehen, denn Micks Eltern hatten echt ein beeindruckendes Meisterwerk der Baukunst erschaffen! Eine elegante Vereinigung aus roher Männlichkeit und Nestbautriebbefriediger. Mit seinen 1 Meter 85 war Mick nicht nur schön groß, sondern er war sehr sehnig und schlank. Ein bißchen zu käsig für Rosie. Typisch irisch eben.

Sie hatte so geschmunzelt als sie „Forbidden“ geguckt hatte, mit ein paar Freundinnen im Kino, und heimlich, weil sie Mick versprochen hatte sich den Film lieber nicht anzusehen. Sie hatte es doch getan und Mick bei einer sehr deftigen Sexszene zu sehen, war nicht nur total lustig gewesen sondern auch echt irritierend. Asexuell eben. Und echt käsig wie gesagt.

„Bist Du die einzige Frau in der Werkstatt?“, wurde sie von Wilks aus den Gedanken gerissen.

Sie nickte. „In der Werkstatt ja, aber am Empfang sitzt noch Jenny.“

„Die kenn ich auch.“

Wilks starrte amüsiert auf Rosies linke Seite. Ihr Handrücken war total dreckig, aber ihre Fingernägel kurz und sauber. Sie hatte schöne Hände. Wilks achtete bei Frauen darauf. Rosie bemerkte, dass Wilks ihr auf die Hand sah. „Was ist da?“

„Ich habe mir Deine KFZ-Mechanikerinnen-Hände angesehen.“

Rosie schnaubte. „Mach das nicht. Die sind superdreckig.“

„Du brauchst Dich nicht entschuldigen. Wer arbeitet darf auch dreckig sein.“

Sie waren bei der Werkstatt angekommen und Wilks sah schon Morris auf sich zukommen. Wilks stieg aus und ließ sich von Morris herzlich drücken.

„Hat sie Dich ordentlich abgeschleppt?“, fragte Morris belustigt.

„Hat sie.“

Morris winkte mit seinen Händen den Käfer vom Abschleppwagen. „Rosie, hol doch bitte den Käfer von der Pritsche. Ich bringe Wilks grad nach Hause.“

Das Auto stand schließlich auf dem Werkshof und Morris drückte Rosie den Fahrzeugschein von Wilks in die Hand. „Kannst ja schon mal unter die Haube gucken. Meist ist es der Anlasser. Ich komme gleich wieder.“ Dann fuhr Morris Wilks nach Hause.

Dort fand Wilks die einhändige Abi vor dem Computer wieder. Sie zeichnete eine Graphik für die Arbeit.

„Geht das einhändig?“

Sie fuhr erschrocken herum. „Man!! Lass das! Schleich Dich nicht immer so an!“

Er lächelte, ging zu ihr und küsste sie auf den Kopf. „Hab die Stifte gekauft.“

„Super. Jetzt sofort?“

„Von mir aus.“

Wilks zeichnete aus freier Hand einen großen Matrosen auf Abis Gipsarm, dazu noch ein Schiff und eine Meerjungfrau, Fische, Möwen, einen Seehund und einen Anker. Schließlich war der ganze Gips kunterbunt bemalt und Abi küsste Wilks überwältigt kichernd ab. „Ganz toll, ehrlich, ganz toll. Du bist der beste Zeichner der Welt.“

Wilks sah Abi tadelnd an. „Ich bin nicht der Beste.“

„Doch.“

Wilks lachte. „Ok.“

Abi besah sich ihren Gipsarm. „Ich war damals froh, dass Du das Zeichnen nicht aufgegeben hast, Wil. Und du verdienst doch wirklich gut damit!“

Das stimmte, denn Wilks hatte drei Berufe gleichzeitig: Er unterrichtete am Institute of Art der Uni London Interessierte im Zeichnen und Malen, war nebenbei Graphikdesigner, obwohl er bemängelte, dass das heute alles nur noch mit Computer ging, und zusätzlich zeichnete er Portraits für Geld.

Abi stand auf und ging zum Küchenschrank. Sie entnahm ihm eine große Plastiktüte und ein Gummi für ein Einmachglas und begann die Tüte über den Gips zu ziehen. „Ich geh jetzt duschen.“

Während er ihr half das Gummiband zu befestigten meinte Wilks: „Das Auto ist kaputt.“

Abi sah ihn entgeistert an. „Was ist es denn jetzt schon wieder?“

„Keine Ahnung. Morris hat ihn.“

„Hat er Dich wieder einfangen müssen?“

„Ja.“ Wilks grinste. „Das heißt nein. Eine Rosie hat mich mit dem Abschleppwagen abgeholt.“

Abi grinste. „Rosie, hm?“

„Ja. Sie heißt Rosie und ist neu bei Morris in der Truppe.“

„Sie ist KFZ-Mechanikerin?“

„Ja. Und wirklich sehr hübsch.“

Nun wusste Abi, wie Rosie aussehen musste, da Wilks einen ganz besonderen Geschmack hatte was Frauen anging: Schlank, Knutschmündchen und dunkle, lange Haare. Wahrscheinlich Locken.

„Wann ist der Wagen fertig?“, fragte Abi.

„Rosie sieht ihn sich grad an. Und Morris klingelt dann durch.“

„Wir müssen nämlich bald einkaufen. Ich kann das schlecht mit dem Fahrrad machen.“

„Dann fahr ich mit dem Fahrrad los. Was brauchen wir?“

„Hab ich Dir schon per SMS geschrieben.“

Wilks ließ das Küchengummi an den Gips knallen. „Okidoki.“

2 Stunden später rief Morris an als Wilks einkaufen war.

„Hi Abi!“, grüßte der nette Werkstattchef am Telefon. „Wo ist Wilks denn?“

„Einkaufen. Was macht das Auto?“

„Eine Zündspule ist kaputt.“

„Also wird es nicht zu teuer und geht schnell?“

„Genau. Ihr könnt den Wagen in einer Stunde wieder haben.“

„Super.“

Da die Werkstatt in der Nähe eines Einkaufszentrums lag fuhren Wilks und Abi mit dem Bus zum Einkaufszentrum und bummelten noch eine halbe Stunde durch die Läden. Abi ergatterte einen wunderschönen cremefarbenen Haarreif mit einer Feder und Glitzerschmuck als Dekoration darauf. Sie steckte ihn sich sofort in die Haare. Wilks lächelte. „Der steht Dir gut.“

„Ich weiß!“

Dafür wurde sie genasestupst.

„Holen wir jetzt das Auto ab?“

„Das machen wir.“

Abi und Wilks schlenderten gemeinsam zur Werkstatt. Der Käfer stand bereits auf dem Hof, aber von Morris sah man nichts. Die beiden betraten den Vorraum und suchten ihn, aber Jenny kam ihnen mit einer vollen Tasse Kaffee entgegen, begrüßte sie herzlich und verwies sie auf die Werkstatt.

Morris stand mit einem Klemmbrett und einer Menge Zetteln in den Händen vor einem alten Alfa Romeo und schrieb sich etwas auf. Er blickte hoch.

„Absi“, grüßte er und nahm Abi in den Arm.

„Na, Morris, hat Wilks mal wieder die Karre kaputt gekriegt!“

Wilks war empört, aber Morris lachte. „Ich glaube nicht, dass Wilks diesmal Schuld war.“

Abi sah Wilks belustigt von der Seite an. „Na, dann bist Du ja diesmal fein raus.“

Die Tür ging auf und Rosie kam herein.

„Wilks“, sagte sie erfreut. „Du holst den Käfer ab!“

Wilks nickte. Er sah Abi an und dann Rosie. „Darf ich vorstellen, meine Mitbewohnerin Abs. Abs, das ist Rosie. Meine Abschlepperin.“

Morris reichte Wilks eine Rechnung. „Wieder mit Kreditkarte?“

Wilks nickte. Dann gingen die beiden Männer weg.

Abi grinste Rosie an. „Ich finds cool, dass Du Autos reparierst.“

„Meine große Leidenschaft.“

„Ich bewundere Frauen, wenn sie einen typischen Männerberuf haben.“

„Und was machst Du?“, erkundigte sich Rosie neugierig.

„Ich bin Creative Director bei Helmet&Lynch.“

„Das macht doch bestimmt auch viel Spaß.“ Rosie blickte auf Abis bunten Gips. „War das Wilks?“

Abi nickte. „Ja. Er ist der tollste Künstler, den ich kenne.“