The Most Beautiful Girl - Kerstin Wagner - E-Book

The Most Beautiful Girl E-Book

Kerstin Wagner

0,0

Beschreibung

Ann-Marie Small und ihr 15 Jahre jüngerer Bruder Liam müssen sich seit vielen Jahren als Waisen allein durchs Leben schlagen. Ann-Marie, Annie genannt, hat Liam großgezogen, und sie hat für das tägliche Brot nicht nur einen Job, sondern sogar zwei. Damit ihr Bruder auf das harte Leben vorbereitet wird, hat sie die Idee ihn auf eine nahliegende Militärschule zu gehen. Dort hat Liam natürlich Vorgesetzte. Einer davon ist Brigadier Briggs.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 180

Veröffentlichungsjahr: 2025

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Zur Autorin:

Kerstin Wagner, geboren 1977, schreibt Geschichten seit sie gelernt hat zu schreiben. Von den ersten Anfängen bis heute hat sie Universen geplant, Länder und Städte geschaffen und Paare verliebt. Sie selbst ist Gütersloherin und lebt dort mit ihrem Mann und zwei Katern. Sie ist ein riesiger Jane-Austen- und Peter Ustinov-Fan.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Epilog

Kapitel 1

«Und Du rufst sofort an wenn was ist, klar?» Annie lehnte sich über den Beifahrersitz und starrte Liam an, der stirnrunzelnd aber munter am Auto stand. «Ja, Annie!»

«Und Du musst Dein Spray benutzen, ja?»

«Ja, Annie!»

«Und geh mir nicht zu spät ins Bett, Du musst morgens immer früh raus.»

«Ja, Annie.»

«Und Du hörst auf mich, und Du hörst auf mich zu verarschen, ist das klar?» Annie musste grinsen.

«Ich habe Dich auch lieb, Annie.»

«Hast Du genug Bargeld dabei?»

«Habe ich.»

«Wie viel?»

«200 Pfund.»

«Pass gut drauf auf!»

«Annie, ist gut jetzt. Ich bin keine zwölf mehr.»

«Dann mach‘s gut.» Annie seufzte schwer und fuhr davon. Liam schaute seiner Schwester hinterher und sah den Käfer um die Ecke biegen.

Annie seufzte erneut und hoffte inständig, dass Liam sich dort behaupten konnte. Er war noch nicht der stärkste Mann.

Liam war 18 Jahre alt, 15 Jahre jünger als Annie und der Nachzögling der Familie Small.

Er war leichter Asthmatiker und Annie sorgte sich ständig. Während sie darüber nachdachte, drehte sie die Musik im Radiosender lauter.

Als sie zu Hause angekommen war, ging sie wieder ins Bett.

Nat schaute Gregg skeptisch an. «Und Du bist Dir sicher, dass Bernstein Dich belogen hat?»

Gregg nickte.

Nat seufzte. «Oh man ... hm. Ich werde mit ihm sprechen, OK?»

Gregg nickte wieder. Dann bedankte er sich bei Nat für die Unterstützung und verließ Nats Büro.

Bernstein.

Oh je.

Du vermasselst Dir Dein Leben auch selbst. Ich muss mal mit ihm unter vier Augen sprechen.

Nat ließ sich in seinem Lederstuhl sinken, blickte kurz auf die Uhr und befand, dass es Zeit war nach Hause zu fahren.

Am Montag drauf erreichte er die Akademie um kurz vor sieben und musste feststellen, dass er nicht wie üblich der Erste auf dem Parkplatz war. Außer seinem alten Porsche stand nur ein froschgrüner, rostiger Käfer auf dem Parkplatz. Eine blonde Frau saß auf dem Fahrersitz und sprach mit einem jungen Mann in der Uniform der Akademie, aber der Mann kam Nat nicht bekannt vor.

Nat stieg aus, schlug die Porschetür zu, schloss das Auto ab und ging am Käfer vorbei. Beim Gehen blickte er zufällig in den Wagen und sah die junge Frau kurz näher. Sie hatte blonde, lange Haare und sah aus wie eine moppelige Fee. Aber recht sympathisch.

Da waren seine Beine aber schon vorbeigelaufen und er musste die Tür vom Eingangstor öffnen.

Ein Officer grüßte ihn salutierend, Nat salutierte zurück und zeigte seinen Ausweis.

Dann ging er schräg nach links ins Hauptgebäude, in dem sein Büro war.

Vier Stunden später setzte er sein Barrett auf verließ sein Büro.

Ein kurzer Blick auf seine Uhr sagte ihm, dass ihm noch exakt fünf Minuten bis zum Exerzierplatz blieben, denn heute musste er die Junioren begutachten, die letzte Woche neu angefangen hatten.

Die Männer sah er schon von weitem. Sie waren am Quatschen. Als sie Nat kommen sahen, brachen sie hastig ab und stellten sich in Reihen auf. Nat blieb vor ihnen stehen und blickte sie an.

Einen nach dem anderen. Mitten in der Gruppe sah er den jungen Mann von heute Morgen. Den vom Parkplatz. Dann begann Nat mit seiner üblichen Ansprache.

Als Nat genau eine Woche später morgens wieder auf den Parkplatz kam, stand zwar Greggs Wagen auch dort, aber eben auch erneut der Käfer. Der Neue stand wieder am Fenster des Wagens und redete mit der Frau. Als er Nat diesmal erkannte salutierte er höflich. Beim Weitergehen hörte er den Jungen sagen: «Das ist einer meiner Ausbilder, Brigadier Briggs.»

«Aha», hörte Nat die weibliche Stimme noch etwas spitz sagen. «Na, der kocht auch nur mit Wasser.»

Nat schmunzelte und ging davon.

Um elf Uhr stand wieder ein Training mit den Jüngsten auf dem Plan, und als Nat auf den Trupp hinzustieß, sah er wie der Junge von heute Morgen und letzter Woche einen Inhalator aus der Jackentasche nahm, sich etwas in den Mund sprayte, tief einatmete und den Inhalator wieder verschwinden ließ.

Nat vollzog das Training und beobachtete dann, wie die jungen Männer weggingen. Der Junge sprach interessiert mit einem Kommilitonen und es fielen die Worte «Star Trek» und «World of Warcraft».

Nat beschloss die Jungs zu überholen und sah im Vorbeigehen, dass der Junge von morgens ´Small` mit Nachnamen hieß. Irgendwie fand Nat den Jungen interessant.

Der junge Mann war ausgesprochen dürr, aber irgendwie drahtig, er hatte kaum Bartwuchs im Gesicht und irgendwie sah er in der Uniform verloren aus. Die kurzen blonden Haare waren zu stoppelig geschnitten und der Pony ein wenig hoch gegelt.

Als Nat wieder in seinem Büro war fuhr er seinen Laptop hoch, mit dem er nie so richtig hatte umgehen können, aber er erinnerte sich an Martins Kurzanleitung und fand tatsächlich in das Personalsystem.

Nat suchte nach dem Nachnamen Small und fand schnell drei Personen, die so hießen. Die Erste war eine Frau aus der Mensa, die zweite Person namens Small war ein KFZ-Mechaniker und die dritte Person war Liam Sebastian Small, seit zwei Wochen Army Reserve Officer Anwärter.

Small war 18, hatte das College beendet und ein Jahr in einer IT-Firma gearbeitet. Seine Noten waren bloß mittelmäßig, aber Nat fand immer, dass das nicht viel zu bedeuten hatte. Auf dem Foto im Computer sah Liam Sebastian Small stolz aus und Nat musste lächeln.

Er erinnerte sich noch, wie er selbst mit 18 der Army beigetreten war. Schüchtern und unwissend hatte er sich erst den Respekt seiner Kameraden erarbeiten müssen, was jahrelang gedauert hatte. Aber er hatte gute Freunde gefunden.

Freunde fürs Leben.

Christian Berger und Andras Garner.

Die besten Männer auf dieser Welt: Integer, humorvoll, stolz. Nats Freunde.

Christian war Bodyguard geworden und Andras war zurzeit arbeitslos. Er arbeitete nebenbei als Personal Trainer. Das wiederum lief so gut, dass er dabei war seine eigene Firma aufzumachen.

Nat starrte wieder auf das Foto von Liam Small. Was hatte er da für ein Spray gebraucht? Hoffentlich ist das keine illegale Substanz!

Nat griff zum Hörer und hatte sofort seinen Sekretär am Ohr. «Gregg, lass bitte Kadett Liam Small zu mir kommen.»

Keine zehn Minuten später klopfte es an Nats Tür.

«Herein.»

Die Tür ging auf und Smalls Kopf schob sich durch die Tür, dann der ganze Körper. Unsicher salutierte er vor Nat. Nat nickte höflich und sah Small aufmerksam an.

«Small, ich habe vorhin gesehen, dass Sie irgendein Spray benutzt haben. Zeigen Sie es mir.»

Der Junge fingerte nervös in seiner Jackentasche und zog einen blauen Plastikhalter aus der Tasche, den er Nat reichen wollte.

«Was ist das?», fragte Nat, ohne das Spray anzunehmen.

«Ich habe Asthma, Sir.»

Nat seufzte. «Wieso haben Sie das nicht gemeldet?»

«Hab ich doch.» Der Junge wurde rot. «Sir», setzte er noch höflich nach.

Nat seufzte wieder. Scheinbar hatten seine Leute wieder einmal vergessen, diese Tatsache in den Computer einzutragen. «Nun gut», sagte er deshalb. «Beeinträchtigt Sie das?»

«Nein, Sir.»

«Können Sie den Sport voll mitmachen?»

«Ja, Sir. Sport ist wichtig.»

«Gut. Dann erzählen Sie Ihren Kommilitonen, was Sie haben, damit im Notfall keine Überraschungen kommen. Ich werde alle Ausbilder informieren. Wegtreten!»

Small salutierte fahrig und verließ eilig das Zimmer.

Nat starrte erst noch einen Moment auf die Tür, dann auf den Computermonitor. Er klickte auf Ändern und schrieb in das Anmerkungsfeld: Asthmatiker, muss ständig Spray bei sich tragen.

Dann speicherte er das Geschriebene über den Save-Button ab und fuhr den Rechner wieder runter.

Am Montag darauf war Small schon in die Akademie gegangen, aber der Käfer stand immer noch auf dem Parkplatz. Wie Nat durch die Scheiben sehen konnte, schnallte sich die junge Frau gerade an. Nat zögerte kurz und trat dann auf das Auto zu, dessen Motor noch aus war.

Er beugte sich halb in die noch offene Beifahrerscheibe hinein. «Guten Morgen, Maam.»

Er sah in verdutzte, strahlend-grüne Augen.

«Guten Morgen», sagte die fast schon vertraute Stimme nun klarer und näher.

«Verzeihen Sie die Störung, Maam, aber ich möchte mich gerne mit einer Frage an Sie wenden.»

«Warten Sie.» Die Frau schnallte sich ab, ohne auf einen möglichen Widerspruch zu warten, und stieg aus dem Auto aus. Sie kam geschäftig um das Auto herum. «Was gibt es?»

Sie hat ganz volle, rosige Lippen. Irgendwie faszinierend, fand Nat. «Maam, ich bin Ausbilder Ihres…?»

«…Bruders?», vervollständigte die Frau Nat mit einem Stirnrunzeln.

«Bruders. Ok. Ich habe mitbekommen, dass er Asthmatiker ist, ist das korrekt?»

«Ja, das stimmt. Gibt es da irgendwelche Schwierigkeiten? Weil, beim Einstellungstest wurde uns gesagt, Asthma wäre grundsätzlich kein K.O-Kriterium.»

Nat winkte eilig ab. «Ist es auch nicht. Ihr Bruder wirkt auf mich nur noch nicht sehr gefestigt, und ich wollte mich bei Ihnen erkundigen, ob er die Krankheit im Griff hat.»

Die grünen Augen wurden durch leichtes, verwirrtes Zukneifen der Augenlider kurz verdeckt. «Im Prinzip schon. Liam gerät nur leicht in Panik, wenn das Spray alle wird. Ich sorge aber immer dafür, dass er genug Flaschen bei sich hat, und genug Bargeld, damit er sich im Notfall Spray nachkaufen kann.»

«Dann war meine Sorge unnötig, Maam.» Nat griff an seine Schirmmütze als Gruß. «Verzeihen Sie die Belästigung.»

Die Frau lachte nun leise. «Das einzig Belästigende war Ihr ständiges Maam.» Dann ließ sie Nat stehen und stieg ohne ein weiteres Wort wieder in das Auto und fuhr weg.

Nat starrte ihr verdutzt nach und fing aus reinem Verdutztsein erst an zu grinsen, als er nur noch das kleiner werdende Heck des Wagens sah.

Kapitel 2

Annie starrte Trudie entsetzt an. «Ich soll wohin mit?»

Trudie lachte belustigt auf. «Man, Du sollst nur mitkommen, Ann! Mehr nicht. Ich will mich nur anmelden.»

«In einem Fitnessstudio?» Annie hörte ihr Entsetzen in der

Stimme selbst und maßregelte sich.

«Ja, Ann, Fitness.»

«Au Backe!»

«Du wirst es überleben. Jetzt komm.»

Annie betrat hinter Trudie das Fitnessstudio «Tripple F – Fit for Fun.»

Trudie war schon auf den Empfangstresen zugegangen und sprach eine junge Frau an, die aussah wie eine Reinkarnation aus frisch und jung und fit.

Annie blickte sich um. In einer Ecke hörte sie ein paar Frauen lachen und zwei Männer kamen auf Annie zu, um an ihr vorbei zu den Duschen zu gehen.

Ein Mann stand neben einer Hantelbank und sagte zu dem Mann, der auf der Bank lag: «Morgen hat Andras frei, Nattie.»

«Ok, dann morgen», ächzte der andere Mann und hob die schwer bepackte Hantel spielend leicht hoch. Er stemmte sie ein paar Mal und der stehende Mann lachte. «Übertreib es nicht, Nattie!»

«Nee», ächzte der Mann, der lag, wieder. Schließlich hievte er die Hantel wieder zurück auf die Halterung und richtete sich nur mit seinen Bauchmuskeln auf.

Annie starrte verdutzt in das Gesicht von Liams Ausbilder. Dann sah sie den ganzen Mann an.

Der Mann war Sex auf zwei Beinen. Wandelnder Sex. Purer Sex. Männlichkeit in reinster Form. Der Kerl war um die 1 Meter 85 groß, er hatte dicke Oberarmmuskeln und einen umwerfenden Brustkorb, sein Oberkörper war fast vollständig tätowiert, und, wie die letzten zwei Wochen auch, trug er zu seiner Glatze einen wunderschön gepflegten, dunkelbraunen Vollbart. Annie erkannte auf seinem Brustkorb ein Drachensymbol und auf den Unterarmen standen irgendwelche Sprüche, die Annie von so weit weg nicht lesen konnte.

Der Ausbilder grinste seinen Freund mit blitzenden Zähnen an. «Ich will immer noch mehr, mein Alter.»

Was für ein Killerlächeln!, dachte Annie schaudernd.

Dann hob Liams Ausbilder plötzlich den Kopf und sah Annie an. Ihr stockte der Atem.

Liams Ausbilder beäugte Annie neugierig und ließ den Blick irgendwie nicht von ihr. Annie musste irgendetwas Höfliches tun. Lächeln oder nicken. Oder beides. Annie tat beides.

Liams Ausbilder begann zu grinsen und nickte ebenfalls. Dann stand er auf.

Er sagte etwas zu dem Freund und kam dann auf Annie zu. Annie merkte schnell, dass sie schmachtend aussah und riss sich zusammen.

«Nabend, Maam», sagte der Mann grinsend.

«Nabend, wie auch immer Sie noch mal heißen. Liam hat es mir eigentlich letzte Woche gesagt.» Annie atmete laut ein und roch Wärme.

«Nathan Briggs.»

Annie hielt ihm ihre rechte Hand hin. «Ich bin Annie. Annie Small.»

Ihre Hand wurde umschlossen von einer gigantischen Pranke. «Hallo, Annie Small.»

Annie sah in Briggs braune Augen und atmete tief erregt ein. «Wie soll ich Sie anreden?»

«Nennen Sie mich Briggs.»

«Warum?»

Nat war wieder einmal zu verblüfft, um vernünftig zu antworten. «Äh…, weil mich alle Briggs nennen, die mich nicht mit Sir anreden müssen und nicht meine engsten Freunde sind.»

Diese Annie lachte und zeigte zwei Reihen perlweißer, kleiner, hübscher Zähne. «Na schön, wenn ich so unhöflich sein soll.»

«Finden Sie den Nachnamen unhöflich?», erkundigte sich Nat interessiert.

Annie nickte sofort.

«Wie soll ich Sie denn anreden, Maam?», fragte Nat weiter.

«Na, Annie!»

«Heißen Sie wirklich nur Annie?»

Annie nickte. «Getauft bin ich auf Ann-Marie.»

Briggs Augen blitzten auf. «Das ist doch hübscher. Das nehme ich.»

«Na toll», entfuhr es Annie. «Dann weiß niemand, von wem Sie reden. Ich bin nur Annie. Für jeden.»

«Na schön, Annie-für-jeden.» Nat sah sich nach Trudie um. «Wollen Sie sich hier anmelden?»

Annie schüttelte entrüstet den Kopf. «Oh, bloß nicht. Bodybuilding oder so sind nichts für mich.»

Nat sah an Annies Körper hinab und schüttelte innerlich belustigt den Kopf. Annie war hübsch, aber sie war schon ziemlich moppelig. Jetzt gerade sah sie allerdings nicht so dick aus wie beim ersten Mal im Auto. Nach Bodybuilding oder Fitnessstudio sah sie aber auf keinen Fall aus.

«Was für Sport machen Sie denn?», fragte Nat.

«Ballett», sagte Annie hoheitsvoll.

«Na, das hätte ich ja gar nicht gedacht!»

Annies Mund wurde spitz. «Ich wette, Sie haben darauf gewartet, dass ich sage, dass ich gar keinen Sport mache.»

Nat merkte, dass der nächste Kommentar vorsichtig zu geben war. «Sie sind eher der Fahrradfahrertyp oder die Schwimmerin.»

Sofort merkte er, wie Annie ruhiger ausatmete. «Ich dachte schon.»

Nat wollte das Gespräch zwar nicht stoppen, aber er musste an die Zeit denken, die er hier heute noch hatte, er war um 20 Uhr mit seinen Jungs zum Grillen verabredet.

«Sorry, liebe Annie-für-jeden. Ich muss jetzt noch eine halbe Stunde aufs Laufband und dann duschen, weil ich noch verabredet bin. Wenn ich mich richtig erinnere, werden wir uns Montag früh auf dem Parkplatz wiedersehen?»

Annie grinste. «Das kann gut sein.» Da trat auch schon Trudie auf Annie zu und steckte gerade ihr Portemonnaie weg. «Ich bin so weit, Schatz.»

«Prima.» Annie sah Briggs an. «Hat mich gefreut, Mister Brigadier oder nur Brigadier Briggs.»

Dann verschwanden die beiden Frauen.

«Briggs reicht völlig», murmelte Nat noch amüsiert und ging dann endlich aufs Laufband.

«Wer war das denn?», fragte Trudie erschüttert und mit weit kugelrunden Augen. «Was für ein heißer Kerl!»

«Ich habe ihn hier zufällig getroffen. Er ist einer von Liams Ausbildern.»

«Wow!», rief Trudie entzückt. «Hast Du diese Pakete gesehen?»

«Ja, ich muss zugeben: Er ist fit.»

Trudie drückte auf den Knopf für ihre Autotür. «Wann hast Du denn mit ihm gesprochen? Früher schon?»

«Letztens auf dem Portland-Parkplatz. Er sprach mich an wegen Liams Asthma.»

«Warum?»

Annie schnallte sich an. «Asthma ist keine Krankheit, mit der man in so eine Ausbildung gehen sollte.»

«Ich muss Dir echt mal sagen, dass ich es gut fand, dass Du Liam überredet hast.»

«Er wollte da hin, Tru. Ich hatte nur irgendwann die Nase voll davon, dass er sich wieder nicht getraut hat. Dann habe ich ihm in den Hintern getreten.»

«Na, hoffentlich kriegt er wenigstens da ein Paar Cojones.»

Annie lachte.

«Matt will Dich heute besuchen, Ann.»

«Wann?»

Trudie zuckte mit den Schultern. «Weiß er noch nicht.»

«Ich finde das wie immer Scheiße, Tru, und Du weißt das.» Trudie nickte und bog in Annies Wohnsiedlung ein. «Ich weiß. Aber in Matts Truppe ist ein Junggesellenabschied.»

Annie seufzte nur resignierend.

Kapitel 3

Als Annie sich um kurz vor zehn in der gemütlichen Puppenstube, wie die Mädels die Umkleidekabine nannten, umzog, spürte sie wie die Aufregungen des Tages von ihr abfielen. Annie zog sich aus und blickte überlegend auf ihre Kleiderstange. Ihr Kopf schwirrte und sie kam kaum dazu, sich auf die Kleidung zu konzentrieren. Immer wieder hatte sie den nackten Oberkörper von Nat Briggs vor sich. Was für ein heißes Gerät! Und sie selbst war weit unter seiner Liga.

Annie schüttelte den Kopf um die Fantasien zu stoppen, drehte den Radiosender lauter und dachte nun wirklich angestrengt darüber nach, was sie anziehen wollte.

Plötzlich flog die Tür auf und Mimi Hawk stürzte «viel zu spät»-murmelnd in den Raum. Sie trug graue Schlabberjogginghosen und ein Tanktop. Ihre langen goldblonden Haare waren nass und in zwei lange Zöpfe geflochten. Mimi grinste Annie an. «Hi, Nase.»

«Hi, Mim. Zu spät, ja?»

Mimi nickte gestresst und zog sich in Windeseile aus.

«Meine Mutter!» Sie rollte die Augen.

Annie zog sich schwarze Lackshorts an und halterlose Strümpfe mit Stiefeletten. Und ihren schwarzen Lack-BH. Mimi grinste. «Ich wette, dass Du den BH spätestens um elf verloren hast.»

Annie nestelte am Träger. «Hm», brummte sie, «der rutscht ganz blöd. Sieht aber toll aus.»

Die Tür ging erneut auf und Reesha betrat breit grinsend und auf ihrem Handy herumtippend den Raum. «Hi, Mädels. Neuer Abend, hoffentlich wieder viel Spaß!»

Hinter Reesha tauchte Oscar auf. Oscar war der Manager vom Club und ein guter Freund der drei Frauen. «Meine Geliebten. Meine Grazien!», grüßte er mit überschwänglicher Stimme in den Raum.

«Hi, Oscar!», riefen alle Frauen unisono.

«Na, seid Ihr gut drauf?»

Mimi, Annie und Reesha nickten geschäftig und schminkten sich weiter.

Oscar streichelte sich über seine beachtliche Plauze, zog seine Hose wieder höher und sagte: «Ich mach schon mal auf. Nanette ist auch schon da und Didier auch. Bis gleich.»

Die drei Frauen könnten unterschiedlicher nicht sein: Reesha Palados war ein Mix ihrer Eltern. Ihre Mutter war weiße Südafrikanerin und ihr Vater ein Schwarzer aus Kenia. Annie liebte es Reesha zu betrachten. Die schöne Reesha war rank und schlank mit einem beachtlichen Po und wundervollen Brüsten. Annie mochte Reesha außerdem sehr gerne.

Mimi Hawk war Australierin und ein gertenschlankes Geschöpf und für Annie die schönste Frau der Welt. Annie mochte Mimi auch sehr gerne, konnte mit Reeshas Art aber besser umgehen.

Annie selbst war zwar schon 33, sie fand sich selbst käsig weiß und viel zu dick. Gewogen hatte sie sich schon länger nicht mehr, aber da ihr ihre Klamotten von vor zwei Jahren noch passten, hatte sie aber zumindest nicht zugenommen. Abnehmen tat sie allerdings auch nicht.

Annie fand Oscars Plan ziemlich gut: Reesha war für die Fans von dunkelhäutigen Frauen da, Mimi für die Liebhaber von Supermodels und sie selbst, Annie, war für die Fans von runden, fraulichen Frauen eingestellt worden.

Didier war der Wachschutz am Eingang, er war aus dem Benin und ein Kleiderschrank von Mann. Annie fand seinen französischen Akzent ziemlich unsexy, hütete sich aber das laut auszusprechen, weil Mimi Didier so toll fand. Außerdem gab es noch Nanette, sie war die niederländische Barfrau und außerdem Chefin einer Aushilfskellnerin.

Annie wusste gar nicht mehr, wie sie an den Job bei Oscar gekommen war, aber sie übte ihn ziemlich gerne aus.

Annie fand sich fertig nach einem weiteren Blick in den Spiegel und verließ die Puppenstube mit einem gemurmelten «Geh schon mal los.»

Beim Clubnamen «Bunker» hätte man davon ausgehen können, dass es sich bei der Lokalität um eine Diskothek handelte, aber so war das nicht. Der Bunker war ein Stripclub. Stadtbekannt und verschrien. Warum verschrien wusste allerdings keiner der sechs Mitarbeiter inklusive Chef.

Der gemütliche Oscar war, wie er selbst immer wieder gerne erzählte, in seinem früheren Leben ein Zuhälter im London des 19. Jahrhunderts gewesen und in seinem jetzigen Leben war er der stadtbekannte StriplokalBetreiber Oscar Onsrud.

Es waren noch keine Gäste da und Annie setzte sich zu Nanette an die Bar. Die hübsche Frau trug heute ein ZebraMinikleid und hatte ihre schwarzen Haare in einen strengen Pferdeschwanz gebunden. «Hi, Annie. Was möchtest Du?»

«Wasser. Mit viel Eis!»

«Mach ich sofort.»

Der Bunker war genau das, wonach er benannt worden war. Ein alter Bunker aus dem ersten Weltkrieg. Die Gäste mussten erst eine lange Treppe runtergehen und kamen schließlich in den niedrigen Clubräumen an. Es gab einen Raum, «die Puppenstube» genannt, einen Lagerraum für Getränke, Oscar hatte ein Büro und es gab noch einen Aufenthaltsraum für die Mitarbeiter, der aber kaum genutzt wurde.

Der Bunker war Annies Zuhause. Auch Liam wohnte irgendwie hier. Er hatte hier sogar schon gewohnt, als er noch minderjährig gewesen war. Didier hatte ihn immer rein gelassen. Heute Abend wollte sich Liam mit seinen neuen Portland-Kollegen im Kino treffen und Annie fand das sehr gut.

Seit ihre Eltern vor zehn Jahren gestorben waren, hatte Liam nicht sehr viele Freunde oder sehr viel Freude in seinem Leben gehabt, und Annie fand, Liam sollte das jetzt bloß genießen.

Der BH rutschte schon und Annie hatte nicht übel Lust, ihn einfach auszuziehen und oben ohne zu gehen. Sie überlegte, ob sie noch Nippel-Klebe-Sterne hatte. Waren die Goldenen noch da oder hatte Mimi die genommen?

Die ersten Männer kamen erst gegen halb elf in den Club. Noch hatte sie etwas Zeit.

Annie hatte die Nase voll und zog sich den BH aus. Sofort atmete sie erleichtert aus, weil dieses nervige Rutschen der Träger endlich aufgehört hatte. Nanette grinste. «Gib her, ich leg ihn hier hinter‘n Tresen.»