Der geplünderte Planet - Ugo Bardi - E-Book

Der geplünderte Planet E-Book

Ugo Bardi

4,9

Beschreibung

Ohne Öl keine erdumspannende Mobilität, ohne Seltene Erden keine Handys, ohne Phosphat kein billiger Dünger. Wie ein Junkie von seiner Droge ist unsere Zivilisation abhängig von den Schätzen, die die Erde birgt. Doch die Anzeichen mehren sich, dass die Zeit billiger Rohstoffe bald vorbei sein wird. Wie wird sich die Weltwirtschaft entwickeln, wenn sich die Fördermengen der wichtigsten Ressourcen nicht mehr steigern lassen? Welche Auswirkungen sind zu erwarten, wenn die Exploration auch vor sensiblen Regionen wie den Ozeanen und den Polen nicht Halt macht? Welchen Beitrag können Urban Mining und Recycling leisten und für welche Stoffe lässt sich kurzfristig adäquater Ersatz finden? Unterstützt von einem 15-köpfigen internationalen Expertengremium liefert der italienische Chemiker und Analyst Ugo Bardi eine umfassende Bestandsaufnahme der Rohstoffsituation unseres Planeten, und er zeigt auf, wie wir unseren Alltag, unsere Politik und unsere Art zu wirtschaften ändern müssen, wenn wir unseren Lebensstandard halten wollen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 578

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,9 (16 Bewertungen)
14
2
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ugo Bardi
Der geplünderte Planet
Die Zukunft des Menschen im Zeitalter schwindender Ressourcen
Aus dem Englischen von Eva Leipprand (Hauptteil) Hans Freundl, Thomas Pfeiffer, Werner Roller, Heike Schlatterer (Ausblicke)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2013 oekomGesellschaft für ökologische Kommunikation mbHWaltherstraße 29, 80337 München
Gestaltung und Satz: Reihs Satzstudio, LohmarUmschlagabbildung: © Regis Bossu/Sygma/CorbisUmschlaggestaltung: www.buero-jorge-schmidt.deLektorat: Martina Blum (Hauptteil),Christoph Hirsch/Torsten Merz (Ausblicke), alle oekom verlag
eBook: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt
Alle Rechte vorbehalten.ISBN 978-3-86581-536-1
Vorwort von Ernst Ulrich von Weizsäcker
Einführung:Die Grenzen des Wachstums rücken näher
Kapitel 1Gaias Gaben: die Herkunft der Bodenschätze
Die Geburt einer neuen Wissenschaft
Ein Planet wird geboren
Gaia: der lebende Planet
Erze: Gaias Gaben
Gaias Tod
Kapitel 2Der geplünderte Planet: die Geschichte des Bergbaus
Die lange Geschichte des Bergbaus
Die Entstehung des Bergbaus
Fossile Brennstoffe und die Geburt des modernen Bergbaus
Die kurze Periode der Atomenergie
Eine riesige Industrie in permanenter Entwicklung
Kapitel 3Auf Bodenschätze gegründete Weltreiche: Bergbau und Kriege
Eine Welt ohne Geld
Die Geburt der Münzwährung
Münzprägung als Kriegswaffe
Auf Mineralien gegründete Weltreiche
Globale Handelsimperien
Auf fossilen Brennstoffen gegründete Weltreiche
Kapitel 4Eine Universalmaschine für den Bergbau: Mineralien und Energie
Eine Universalmaschine für den Bergbau
Energie und Mineralgewinnung
Mineralabbau in den Ozeanen
Der Stein der Weisen
Mineralabbau im Sonnensystem
Ressourcenknappheit ist unausweichlich
Kapitel 5Die Glockenkurve: ein Modell der Knappheit
Brennstoff für Öllampen
Die Glockenkurve
Modelle für Knappheit
Die Tragik der Allmende im Bereich der Mineralien
Füchse und Hasen
Die Achillesferse der Mineralindustrie
Perspektiven der Mineralienknappheit
Kapitel 6Die dunkle Seite des Bergbaus: Umweltverschmutzung und Klimawandel
Wie ich dich Liebe, Mary!
Abfälle des Bergbaus
Abfall, Abfall überall!
Schwermetallabfall: Quecksilber und andere Giftstoffe
Abfall der Moderne: Treibhausgase
Das Anthropozän
Kapitel 7Die Red-Queen-Hypothese: die Zukunft der Zivilisation
Wettlauf nach den Regeln der Roten Königin
Substitution
Wiederverwertung und Wiederverwendung
Anpassung und Effizienz
Wie die Zukunft aussehen wird
SchlussbetrachtungEine mineralische Eschatologie
Danksagung
Anmerkungen
Ergänzende deutschsprachige Literatur
Bildnachweis Orts- und Sachregister
Ausblicke
Es werden keine Gefangenen gemacht: gegenwärtige Trends der Ausbeutung des Planeten
Karl Wagner
Erdöl: der wichtigste Rohstoff der globalen Ökonomie
Colin J. Campbell
Fruchtbarer Boden: eine Grundvoraussetzung für das Überleben der Menschheit
Toufic El Asmar
Das Ende des billigen Urans oder warum Atomenergie in die Sackgasse führt
Michael Dittmar
Money makes the world go around: Gold und Silber als Wertanlage und Zahlungsmittel
Luis de Sousa
Kupfer: geht eine lange Erfolgsgeschichte bald zu Ende?
Rui Namorado Rosa
Platinmetalle und ihre Verwendung in der Automobiltechnologie
Ugo Bardi & Stefano Caporali
Volle Fahrt voraus? Lithium und der Einstieg in die Elektromobilität
Emilia Suomalainen
Nickel und Zink: der stete Kampf gegen die Korrosion
Philippe Bihouix
Das Hubbert-Modell als Prognoseinstrument für die Entwicklung der Rohstoffreserven der Welt
Marco Pagani & Stefano Caporali
Phosphor: brauchen wir einen Paradigmenwechsel?
Patrick Déry
Peak Coal oder warum Kohle keine Lösung ist
Werner Zittel & Jörg Schindler
Erdgas und unkonventionelle Rohstoffe: können wir das Hubbert-Modell überlisten?
Ugo Bardi
Auf Kosten der Umwelt: mit Fracking die letzten Reserven erschließen
Ian T. Dunlop
Seltene Erden im Elektroschrott: die Nadel im Heuhaufen recyceln
Rolf Jakobi
Suffizienz und Wertstoffrückgewinnung statt Rohstoffverschwendung
Jutta Gutberlet

Vorwort

von Ernst Ulrich von Weizsäcker, Co-Präsident des Club of Rome
Ugo Bardi gibt einen faszinierenden Einblick in die geologische Geschichte unseres einzigartigen Planeten. Wir erschauern angesichts der Kräfte, die hier am Werk sind und die tektonischen Platten bewegen. Es ist diesem »Tanz der Platten« zu verdanken, dass sich bestimmte Stoffe in der Erdkruste anreichern, und es sind diese Bereiche, welche die Verfügbarkeit von Metallen, fossilen Brennstoffen und anderen chemischen Elementen und Verbindungen bestimmen.
Vor diesem geologischen Hintergrund müssen wir unseren Umgang mit den begrenzten Schätzen unseres Planeten betrachten. In der Frühzeit der Menschheitsgeschichte erschienen sie uns wohl noch endlos – limitiert waren eher die Möglichkeiten des Menschen, ihrer habhaft zu werden. Man kann unsere Geschichte auch als eine Geschichte der zunehmenden Fähigkeit der Ressourcenaneignung beschreiben, in deren Verlauf es dem Menschen gelungen ist, seinen Wohlstand stetig zu mehren.
Nach vielen Jahrhunderten der immer erfolgreicheren Suche und Ausbeutung sind wir nun an einem Punkt angelangt, an dem wir uns mäßigen müssen – denn die Ressourcen sind am Ende doch nicht unendlich.
Ein Meilenstein in dieser Debatte war der erste Bericht an den Club of Rome, Die Grenzen des Wachstums, aus dem Jahre 1972. Er präsentierte eine Reihe von Szenarien der Entwicklung der Menschheit bis zum Jahr 2100. Es war der erste Versuch, quantitative Aussagen darüber zu treffen, was eine Industriegesellschaft erwartet, wenn die Verfügbarkeit der mineralischen Ressourcen stetig abnimmt.
Bereits in den Grenzen des Wachstums wurde klar formuliert, dass uns die Mineralien und Stoffe in naher Zukunft nicht »ausgehen« werden; aber der Bericht erkannte auch, dass es mit immer höheren Kosten verbunden sein würde, sie zu gewinnen. Auch der Energiebedarf ist in den letzten Jahrzehnten drastisch angestiegen, seit wir gezwungen sind, Erze abzubauen, die immer niedrigere Stoffkonzentrationen aufweisen. Die Anzeichen verdichten sich, dass es letztlich wohl die Energie und ihre Verfügbarkeit sein wird, die uns Grenzen setzt.
Fossile Brennstoffe (Kohle, Erdöl und Erdgas) sind mineralische Ressourcen organischer Herkunft; in ihnen steckt Energie, die es uns wiederum erlaubt, anorganische Stoffe zu gewinnen. Die fossilen Energieträger waren in den letzten zwei Jahrhunderten unsere hauptsächliche Energiequelle; ihnen verdanken wir die Industrielle Revolution und den Aufstieg unserer modernen Gesellschaft.
Der gesunde Menschenverstand sagt uns nun, dass wir beginnen müssen, ein nachhaltiges Ressourcenmanagement zu etablieren. Hierzu gehört die Abkehr von den fossilen Energieträgern und der Einstieg in die »Erneuerbaren«, aber auch die Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch. Wir täten gut daran, uns vom aktuellen Hype um die Ausbeutung von Schiefergas, Schieferöl und Teersanden nicht blenden zu lassen. Diese unkonventionellen Energierohstoffe mögen uns einen Aufschub von vielleicht 30 Jahren gewähren, aber sie verschärfen das Problem des Klimawandels, zementieren den Status quo und machen es damit immer schwerer, uns von nicht nachhaltigen Strukturen und Verhaltensweisen zu lösen.
In diesem Bericht an den Club of Rome hat Ugo Bardi einen detaillierten Blick in die Geschichte, die Gegenwart und die Zukunft des Bergbaus und der Ressourcenaneignung geworfen. Er stellt klar heraus, dass uns keine der zahlreichen mineralischen Ressourcen, die wir tagtäglich aus der Erde holen und die für das Funktionieren unserer Gesellschaft unerlässlich sind, in absehbarer Zeit ausgehen wird. Aber er stellt ebenso deutlich heraus, dass die Zeit billiger Rohstoffe bald vorbei sein wird. Die Existenz großer, leicht ausbeutbarer Vorkommen gehört der Vergangenheit an; zurückgeblieben sind Lagerstätten mit geringen Gehalten an Metall, Öl oder Gas. Ihre Ausbeutung verursacht nicht nur höhere Kosten und verbraucht mehr Energie, sie produziert auch mehr Abraum und führt zu einer höheren Belastung der Umwelt.
In diesem Sinne verstehe ich das Buch als eine wichtige Fortschreibung der Grenzen des Wachstums; es mahnt uns, sie zu respektieren, und fordert uns auf, eine nachhaltige Gesellschaft zu etablieren.
Übertragen aus dem Englischen
Diese Publikation ist ein »Bericht an den Club of Rome«
Das Buch Der geplünderte Planet ist der 33. »Bericht an den Club of Rome«. Das Executive Committee des Club of Rome vergibt diese Auszeichnung, wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass eine Publikation einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der World Problematique liefert, den vielfach miteinander verwobenen Problemen, mit denen die Menschheit konfrontiert ist. Der erste Bericht an den Club wurde 1972 unter dem Titel Die Grenzen des Wachstums veröffentlicht.
Der Club of Rome wurde 1968 als ein Zusammenschluss unabhängiger Denker aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gegründet. Er hat derzeit etwa 150 Mitglieder, sein Hauptsitz ist in Winterthur, Schweiz; in mehr als 30 weiteren Ländern gibt es nationale Vertretungen. Eine wichtige Aufgabe dieser Vertretungen ist es, bei nationalen Agenda-Prozessen mitzuwirken.
Gemeinsam sind seinen Mitgliedern die Sorge um die Zukunft der Menschheit und ihres Planeten sowie die Benennung der Grundursachen der Systemkrise. Der Club of Rome setzt sich ein für einen umfassenden Wertewandel als Grundvoraussetzung für eine andere Art zu wirtschaften und eine Schonung der Ressourcen; für eine gerechtere Gesellschaft, die allen eine Chance auf Arbeit offeriert; für ein politisches System, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Ein solcher ganzheitlicher Ansatz ist heute nötiger denn je.
Der Club of Rome verfolgt seine Ziele durch wissenschaftliche Analyse, Kommunikation, die Bildung von Netzwerken sowie eine intensive Zusammenarbeit mit einer Vielzahl unterschiedlicher Partner. Er veröffentlicht Bücher, Diskussionspapiere und Dossiers und organisiert Konferenzen, Webinare, Vorträge sowie hochrangige Tagungen und Veranstaltungen. Entscheidungsträger im öffentlichen und privaten Sektor werden mit wichtigen Erkenntnissen konfrontiert, um Denkblockaden zu lösen und neue Wege zu gehen.
Mit Der geplünderte Planet präsentiert Ugo Bardi den momentanen Kenntnisstand über den Raubbau und die Erschöpfung der Ressourcen unseres Planeten; die facettenreiche und fundierte Darstellung wird die aktuelle Debatte bereichern und voranbringen. Der Bevölkerungsanstieg und die Ressourcennutzung innerhalb der Grenzen eines endlichen Planeten waren seit der Gründung des Club of Rome im Jahre 1968 immer zentrale Aspekte.
Zwei bedeutende Berichte der jüngeren Vergangenheit ergänzen diese wichtige Debatte: Faktor Fünf von Ernst Ulrich von Weizsäcker und Gunter Paulis Blue Economy. Faktor Fünf zeigt, wie sich die Ressourcenproduktivität in den kommenden Jahrzehnten durch gezielte Maßnahmen um 80 Prozent steigern lässt; Blue Economy präsentiert Geschäftsmodelle, mit deren Hilfe es möglich ist, aus dem Ideenreichtum der Natur nachhaltigen Wohlstand zu schaffen.
Für meinen Sohn Francesco,den Geologen
Einführung
Die Grenzen des Wachstumsrücken näher
Die große Geschichte des Bergbaus nahm ihren Anfang vor Zehntausenden von Jahren, als unsere fernen Vorfahren erstmals Löcher in die Erde gruben, um werkzeugtaugliche Steine zu finden. Das war der bescheidene Auftakt einer Revolution, aus der die moderne Bergbauindustrie hervorging, eine Industrie, die heute Milliarden von Tonnen Material abbaut und verarbeitet. Es ist dieser gigantische Zufluss an Mineralrohstoffen, der der weltweiten Industriewirtschaft die Energie und die lebenswichtigen Ressourcen liefert, die sie braucht, um auch weiterhin Güter und Dienstleistungen zu produzieren.
Doch während die Ausplünderung der Erde fortschreitet, ist immer häufiger die Befürchtung zu hören, die Bodenschätze könnten uns »ausgehen«. Ängste dieser Art wurden immer wieder als Kassandrarufe verlacht. Und doch dürfen wir nicht vergessen, dass die Erde ein endlicher Planet ist, und auch die Adern sind endlich, die Erze und die Flöze, aus denen wir die Mineralien gewinnen. Die Frage, wie lange diese Vorräte wohl noch reichen werden, ist also durchaus berechtigt. Und ebenso berechtigt ist die Frage, wie sich deren allmähliche Erschöpfung auf die Wirtschaft auswirken wird – und zwar schon lange bevor der jeweilige Stoff definitiv nicht mehr zur Verfügung steht. Und mit noch viel mehr Recht darf man fragen, welche Folgen es haben wird, wenn wir die abgebauten Rohstoffe über das ganze Ökosystem verteilen; es geht also um die Folgen dessen, was wir als »Umweltverschmutzung« definieren. Viele dieser Materialien sind für den Menschen giftig und der Abbau fossiler Kohlenwasserstoffe führt im letzten Ergebnis zu Kohlendioxid (CO2), das sich auf das gesamte Ökosystem negativ auswirkt und das Erdklima unwiderruflich verändert.
Eine der ersten Studien, die diese Probleme zu analysieren und zu quantifizieren versuchten, erschien 1972 unter dem Titel Grenzen des Wachstums1. Sie wurde vom Club of Rome gefördert, einer Denkfabrik von Intellektuellen, die sich über die Zukunft der Erde Gedanken machten. Durchgeführt wurde sie von einer Forschergruppe am Massachussetts Institute of Technology. Von Anfang an war die Studie mit dem Ziel konzipiert, ein Gesamtbild zu erstellen und nicht einfach nur die grob vereinfachende Vorstellung von den »zur Neige gehenden Ressourcen« zu behandeln. Da man die besten Computer der damaligen Zeit zur Verfügung hatte, konnte die Studie Grenzen des Wachstums die Interaktion verschiedener Parameter des Weltwirtschaftssystems berücksichtigen und Szenarien für die mögliche Entwicklung des Systems bis zum Ende des 21. Jahrhunderts entwerfen. Die steigenden Kosten bei der Ressourcenförderung und beim Kampf gegen die durch die industriellen Prozesse entstehende Umweltverschmutzung waren in der Studie einkalkuliert. Die Ergebnisse ließen für Optimismus wenig Raum. Die Kombination aus Ressourcenverknappung und Schäden, die aus der Umweltverschmutzung herrührten, würde irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft mit Sicherheit das Wirtschaftswachstum zum Stillstand bringen und einen unumkehrbaren Niedergang des industriellen wie auch des agrarwirtschaftlichen Systems bewirken. Das »Basisfall«-Szenario, das von den zuverlässigsten Daten ausging, die man seinerzeit zur Verfügung hatte, ließ den Beginn des Niedergangs zu einem Zeitpunkt in den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts erwarten. Weitere Szenarien, die auf anderen Einschätzungen der Eingabeparameter beruhten, errechneten den Niedergang für einen späteren Zeitpunkt; vermeidbar erschien er aber auch hier nicht. Allein ein radikaler Wandel in der Organisation der Weltwirtschaft könnte, so die Studie, den Niedergang verhindern und das Wirtschaftssystem langfristig stabilisieren. Um dieses Ziel zu erreichen, empfahlen die Autoren Maßnahmen wie die Begrenzung des industriellen Wachstums und des Abbaus von Mineralressourcen. Empfohlen wurden auch nachhaltige Verfahren in Industrie und Landwirtschaft sowie geeignete Maßnahmen zur Begrenzung des Bevölkerungswachstums.
Es ist unnötig zu erwähnen, dass keine dieser Maßnahmen je in die Praxis umgesetzt wurde. Die Geschichte der Grenzen des Wachstums ist nicht nur die Geschichte einer wissenschaftlichen Untersuchung; sie erzählt auch davon, wie schwer es unserer Gesellschaft fällt, Zukunftsplanungen zu entwickeln. Die Veröffentlichung des Buchs im Jahr 1972 trat eine hitzige Debatte los, die im Lauf der Jahre in eine regelrechte Schmutzkampagne ausartete. Dadurch wurden die Glaubwürdigkeit der Studie und der Ruf der Autoren unterminiert. Am Ende war die Öffentlichkeit überzeugt, dass die Studie Grenzen des Wachstums nichts weiter als eine Reihe falscher Vorhersagen war und ihre Verfasser eine Gruppe verblendeter, womöglich halbirrer Wissenschaftler, die geglaubt hatten, uns würden demnächst sämtliche Bodenschätze nicht mehr zur Verfügung stehen.
Das war aber nicht richtig. Keines der in der Studie Grenzen des Wachstums entwickelten Zukunftsszenarien sagte voraus, dass der Menschheit vor dem Ende des 21. Jahrhunderts irgendetwas »ausgehen« würde. Die Szenarien basierten vielmehr auf der einleuchtenden Überlegung, dass fortschreitende Verknappung zwangsläufig eine Erhöhung der Förderkosten bewirken müsse, während die Anhäufung von Abfällen die Kosten im Kampf gegen die Umweltverschmutzung in die Höhe treiben würde. Aus eben diesen Kostensteigerungen, und nicht aus der simplifizierenden Vorstellung vom »Ausgehen« der Bodenschätze, entwickeln die in der Studie verwendeten Modelle die »Grenzen des Wachstums«. Die Grenzen des Wachstums wie auch die Folgeberichte von 1982 und 2004 wurden durch spätere Studien2, 3 überprüft und bestätigt und man hat nachgewiesen, dass der Kurvenverlauf der weltwirtschaftlichen Parameter bis heute dem Basismodell doch recht eng gefolgt ist4.
Die Studie hatte sich nie zum Ziel gesetzt, den genauen Zeitpunkt für den Beginn des Niedergangs festzulegen. Deshalb geht es gar nicht um die Frage, ob eines der konkreten Szenarien diesen Punkt korrekt angesetzt hat. Es kann aber sehr wohl sein, dass das Basisszenarium der Studie in seiner Einschätzung richtig lag, dass nämlich die Kombination von Verschmutzung und Verknappung sich in den ersten beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts allmählich als Hemmschuh für das Wirtschaftswachstum erweisen würde. Das könnte eine Erklärung für die Verwerfungen sein, die wir heute in der Weltwirtschaft beobachten. Angesichts dieser Situation war es mit Sicherheit nicht besonders klug, die Durchführung systemischer Studien zur Entwicklung der globalen Industrie als eine Funktion der Ressourcenknappheit abzubrechen und aufzugeben, wie dies in der Welle des Optimismus der 1990er Jahre geschah, als die Mehrheit der Menschen vorübergehend überzeugt zu sein schien, das Internet werde uns eine immerwährende Ära unbegrenzten Wohlstands bringen.
Heute ist das Interesse am Thema Ressourcenknappheit neu erwacht; es sind zahlreiche einschlägige Bücher und Artikel erschienen5, 6, 7, 8, 9, 10, 11. Einige dieser Studien kommen zu dem Schluss, dass wir uns in der Tat einem Punkt nähern, an dem die fortschreitende Erschöpfung billiger Bodenschätze zu einem wichtigen Begrenzungsfaktor für das Wachstum der Wirtschaft geworden ist, ja die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Niveaus der Wirtschaftsleistung in Frage stellt. Das Problem der schwindenden Bodenschätze ist umso gravierender, als es parallel mit der beschleunigten Zerstörung der Ökosysteme auftritt, die sich derzeit vor allem in Form des Klimawandels zeigt. Die Temperaturen steigen weltweit an, dazu treten eine Menge weiterer Probleme auf, wie die Versauerung der Meere, Dürren, der Verlust an Biodiversität oder die Verschärfung von Extremwetterereignissen, um nur einige, hinlänglich bekannte Aspekte zu nennen. Bei diesen Phänomenen besteht das Problem nicht allein darin, dass uns etwas ausgeht oder dass wir die globale Erwärmung abmildern müssen. Diese Symptome sind nichts weiter als der sichtbare Ausdruck der vollständigen Umwandlung des gesamten Ökosystems Erde, verursacht durch das Eingreifen des Menschen. So wird der Aufruf zum Handeln, den die Studie Grenzen des Wachstums schon im Jahr 1972 an uns alle gerichtet hat, zunehmend dringlicher. Wir müssen der Zerstörung des Ökosystems und dem Schwinden der Mineralvorräte mit höherer Effizienz in allen Bereichen der Industrie begegnen – mit dem verstärkten Einsatz erneuerbarer Ressourcen und mit der Entwicklung effizienter Recyclingprozesse, um die Lebensdauer der verbleibenden Ressourcen zu verlängern (vgl. die Beiträge von Jakobi, S. 286 ff. und Gutberlet, S. 301 ff.). Will man diese Probleme wirksam bekämpfen, braucht man eine funktionierende Wirtschaft, die für den Ersatz von fossilen Brennstoffen durch nicht kohlenstoffbasierte Ressourcen, für Minderungsmaßnahmen und eventuell auch für gewisse, risikoarme Formen eines »Geo-Engineering« die notwendigen finanziellen Überschüsse zur Verfügung stellen kann. Nur so können wir uns der doppelten Herausforderung von Ressourcenverknappung und Klimawandel stellen, mit der sich die Menschheit in den kommenden Jahren auseinandersetzen muss.
Das vorliegende Buch gibt einen Überblick über die Idee des Rohstoffabbaus im Kontext der Erdsystemwissenschaft und im Zusammenhang mit ihren Auswirkungen auf Wirtschaft und Ökosystem. Es stützt sich auf die Sachkenntnis, die der Hauptautor, Ugo Bardi, mit seinem früheren Werk La Terra Svuotata (Editori Riuniti, 2011), das sich mit dem gleichen Thema befasst, gewonnen hat. Es handelt sich hier aber nicht um eine Übersetzung des ursprünglichen Buchs, sondern um einen neu verfassten Text, der beim Thema Mineralverknappung mehr in die Tiefe geht und die Verknüpfung von Mineralabbau mit Umweltverschmutzung und Klimawandel expliziter und detaillierter herausarbeitet.
Die Aufgabe des Buchs besteht nicht darin, für bestimmte Mineralressourcen detaillierte Vorhersagen zu treffen; vielmehr wird eine globale Sicht auf die vielen Fragen angestrebt, die mit dem Prinzip des Ressourcenabbaus und seiner Auswirkung auf das Ökosystem verbunden sind. Untersucht wird die große Periode des Bergbaus, die vor Zehntausenden von Jahren begann und heute Symptome aufweist, die auf einen Prozess des Niedergangs hindeuten. Das Buch erzählt die Geschichte des Bergbaus bis zum heutigen Tag und gibt einen Überblick über die Prozesse der Frühzeit, in deren Verlauf die Bodenschätze, die wir heute noch abbauen, entstanden sind. Es stellt die Frage, was uns denn überhaupt noch übrig bleibt für einen Abbau unter vernünftigen Bedingungen, und schildert die dynamischen Prozesse, die aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen werden, dass die Wirtschaft in Zukunft immer weniger Material zur Verfügung haben wird. Es umreißt die Konsequenzen für das Ökosystem, die sich aus der Verteilung von großen Mengen an Mineralien und Schutt aus dem Abbauprozess ergeben. Und schließlich versucht das Buch, eine Strategie zu entwerfen, zum Erhalt einer Gesellschaft, die, was den Energiefluss und erwirtschafteten Überschuss betrifft, mit der heutigen vergleichbar ist – wohl wissend, dass uns der bisher so selbstverständliche Vorrat an billigen Mineralrohstoffen dann nicht mehr zur Verfügung stehen wird.
Die Aufgabe, die Zukunft bestimmter Ressourcen zu untersuchen, wird von einer Gruppe von Experten in ihren Beiträgen übernommen. In diesen Ausblicken geht es darum, die Situation anhand einiger zentraler relevanter Rohstoffe zu beleuchten. Darüber liefern sie Einblicke in einige mit Ressourcenmanagement verknüpften Probleme, welche die Autorinnen und Autoren in der aktuellen Situation für besonders signifikant hielten. Bei der Konzeption wurde nicht der Versuch unternommen, alle die Mineralressourcen, die zurzeit in der Weltwirtschaft auf dem Markt sind, abzudecken. In einer jährlich aktualisierten Erhebung listet der United States Geological Survey 88 solche Ressourcen auf und es macht keinen Sinn, wenn es hier zwischen beiden Arbeiten zu Überschneidungen kommt. Stattdessen haben wir Themen ausgewählt, die von Relevanz zu sein scheinen, entweder was die besondere Bedeutung der untersuchten Ressourcen betraf (zum Beispiel der fossilen Brennstoffe) oder auch für den Zugang zu Themen, die für umfassende Veränderungen verantwortlich sind, welche sich gerade in der Weltwirtschaft vollziehen (zum Beispiel partizipatorische nachhaltige Abfallwirtschaft). Die Autorinnen und Autoren wurden also gebeten, sich um eine langfristige Perspektive zu bemühen und auf weltweite Trends zu konzentrieren, den Akzent also nicht auf kurzfristig schwankende Dinge wie etwa die Preise der wichtigsten Rohstoffe zu setzen. Dabei ist eine Reihe von sechzehn Ausblicken herausgekommen, die zu verschiedenen Aspekten der heutigen Mineralindustrie und zu den möglichen Zukunftstrends ein richtiges Bergwerk (um im Bild zu bleiben) an Informationen liefern. Vorhersagen sind immer schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Insofern sind die Ausblicke nicht als Prognosen zu betrachten, sondern als Hinweise auf das, was kommen wird.
Früher wurde die Unterwelt oft als ein Ort der Strafe und des Leidens interpretiert, wie hier in Dante Alighieris Vision aus der »Göttlichen Komödie« illustriert von Gustav Doré. Das Bild zeigt Cerberus, den Höllenhund.
Kapitel 1
Gaias Gaben:die Herkunft der Bodenschätze

Die Geburt einer neuen Wissenschaft

Für unsere fernen Vorfahren müssen die Tiefen der Erde eine Quelle großer Faszination gewesen sein. Da gab es Vulkane, Erdbeben, Geysire, heiße Quellen und anderes mehr und all dies war Ausdruck der im Untergrund herrschenden Mächte. Die Erde bewegte sich ganz offensichtlich, sie bebte und sie spuckte Gase und Dämpfe aus; irgendwie musste sie »lebendig« sein. Aber was genau war die Quelle dieser Macht? Da unsere Vorfahren keine Werkzeuge hatten, um bis in nennenswerte Tiefe zu graben, konnten sie sich von dieser Unterwelt überhaupt keine Vorstellung machen, mit Ausnahme dessen, was sie bei der Erkundung natürlicher Höhlen beobachteten. Diese Vorstöße ins Erdreich haben mit Sicherheit ihre Vorstellungskraft angeregt. Wie wir wissen, wurden seit dem Jungpaläolithikum Höhlen für Rituale genutzt und mit jenen Jagdszenen ausgeschmückt, die wir noch heute bewundern können.
Mit dem Aufkommen der Agrargesellschaften wurde die Unterwelt Teil des weltweiten mythologischen Pantheons der Götter. Oft vermuteten unsere Vorfahren dort den Sitz unermesslicher Kräfte. Man denke an die im Mittelmeerraum beheimatete Sage von der Chimäre12, einem mythischen feuerspeienden Monster, das die Gewalt eines Vulkans dargestellt haben soll. In Ermangelung von Fakten mussten die Menschen der damaligen Zeit ihre Vorstellungskraft zu Hilfe nehmen. Der erste schriftliche Bericht über eine Fantasiereise in die Unterwelt stammt aus dem dritten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung und erzählt die Geschichte, wie Inanna, die sumerische Gottheit der Fruchtbarkeit, einer dunklen, von Ungeheuern, Dämonen und feindseligen Gottheiten bevölkerten Höhlenwelt einen Besuch abstattete. In solchen Erzählungen begegnen wir häufig der Vorstellung, die Seele des Toten würde nach dem Begräbnis irgendwie überleben und auf immer und ewig durch die finsteren Landschaften der Tiefe wandeln. So lesen wir in einer frühen Geschichte aus Mesopotamien, wie die Toten drunten in der Tiefe hausen »und Ton essen und Staub trinken«13. In der Sage des Orpheus versucht der Held vergeblich, seine Geliebte aus der Unterwelt zurückzuholen – ein auch in vielen anderen Mythen wiederkehrendes Thema. Jahrtausende später – im 14. Jahrhundert – schilderte Dante Alighieri in seiner »Göttlichen Komödie« die Unterwelt immer noch als einen Ort, wo die Seelen der Toten hausen, zur ewigen Strafe für die Sünden, die sie im Leben begangen haben.
Von den Mythen abgesehen, gab es schon in den alten Zeiten ganz praktische Gründe dafür, dass man sich für die Unterwelt interessierte. Die Menschen der Steinzeit wussten sehr wohl, dass Stein nicht gleich Stein war; manche konnte man als Werkzeug verwenden, andere für die Malerei, wieder andere zum Feueranzünden und so weiter. Aber die Vielfalt der vorgefundenen Steine ging noch weit über den praktischen Gebrauch hinaus. Manche hatten die Gestalt von »Kristallen«, sie waren Gebilde von regelmäßiger geometrischer Form und spektakulärem Aussehen, oft durchscheinend und in leuchtenden Farben funkelnd. Einige unter ihnen wurden »Edelsteine« getauft, was ihren Wert gleichsam festschrieb. Manche kamen als glänzende Brocken – »Nuggets« – im Sand von Flussbetten zum Vorschein, wie Kupfer, Silber und Gold. Es dauert nicht lange und man fand heraus, dass man diese Metalle in unterschiedliche Formen bringen konnte, um Werkzeuge oder kunstvollen Schmuck herzustellen. Später entdeckte man, dass sich gewisse Steine durch Erhitzen bei hohen Temperaturen in etwas völlig anderes verwandeln ließen. Mit Sicherheit ergaben sich daraus Fragen zur Entstehung der Mineralien, doch brauchbare Antworten konnte man in der Frühzeit der Bergbaugeschichte noch keine finden.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!