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Als eines Abends kurz nach Ladenschluss zwei Männer bei Simon Goldmann, einem erfolgreichen und angesehenen Juwelier aus Berlin, auftauchen, kann er nicht ahnen, dass nach diesem Besuch nichts mehr ist, wie es war. Kurz darauf überschlagen sich die Ereignisse und veranlassen das BKA Kriminalhauptkommissarin Antonia Berg auf diesen Fall anzusetzen.
Schnell findet sie heraus, dass hier gewissenlose Killer illegale Geschäfte mit Diamanten machen, weil jede Spur, die sie verfolgt, bei einem Toten endet. Sie räumen gnadenlos jeden aus dem Weg, der ihnen in die Quere kommt. Und es dauert nicht lange, da macht auch Antonia Berg die Bekanntschaft mit diesen Killern …
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Hans-Jürgen Raben
Der Glanz des Blutes
– Antonia Berg ermittelt –
Ein Berlin-Thriller
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Kathrin Peschel, 2022
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
Der Autor Hans-Jürgen Raben
Weitere Werke des Autors
Als eines Abends kurz nach Ladenschluss zwei Männer bei Simon Goldmann, einem erfolgreichen und angesehenen Juwelier aus Berlin, auftauchen, kann er nicht ahnen, dass nach diesem Besuch nichts mehr ist, wie es war. Kurz darauf überschlagen sich die Ereignisse und veranlassen das BKA Kriminalhauptkommissarin Antonia Berg auf diesen Fall anzusetzen.
Schnell findet sie heraus, dass hier gewissenlose Killer illegale Geschäfte mit Diamanten machen, weil jede Spur, die sie verfolgt, bei einem Toten endet. Sie räumen gnadenlos jeden aus dem Weg, der ihnen in die Quere kommt. Und es dauert nicht lange, da macht auch Antonia Berg die Bekanntschaft mit diesen Killern …
***
Wer glaubt, mit Antonia Berg ein leichtes Spiel zu haben, nur weil sie als Frau in der von Männern dominierten Welt der international agierenden Ermittler tätig ist, sollte sich »warm anziehen« und wer sie dennoch unterschätzt, wird die Konsequenzen tragen müssen …
(Egbert Vossler – Kriminaldirektor und Antonias Chef)
»Warten Sie hier!«
Pedro Oliveira blieb stehen, hinter ihm seine beiden Leibwächter, die sich unruhig umblickten, als witterten sie eine unsichtbare Gefahr. Ihre Hände befanden sich in der Nähe der Revolverholster an der Hüfte, ihre Unsicherheit war deutlich zu spüren.
Eigentlich sind es doch Profis, dachte Oliveira. Sie sollten mit solchen Situationen fertig werden. Dafür habe ich sie schließlich engagiert.
»Ihre Begleiter müssen hierbleiben«, erklärte ihm der hoch gewachsene Schwarze in recht passablem Englisch. »Tragen Sie eine Waffe?«
Oliveira schüttelte den Kopf.
»Das muss ich trotzdem überprüfen. Der Chief duldet keine Waffen in seiner Umgebung.«
Während er abgetastet wurde, musterte Oliveira den Mann. Der Schwarze trug eine Art Khaki-Uniform, auf deren Brust sich ein Aufnäher befand, auf dem ein unbeholfen gestickter Löwenkopf zu sehen war. Er hatte sich als Hassan vorgestellt und war offensichtlich die rechte Hand des Chiefs und dessen bunter Truppe. Er verfügte über schlanke, gepflegte Hände und machte einen durchaus gebildeten und intelligenten Eindruck. Ein gepflegter Bart ließ ihn älter aussehen, als er eigentlich war – vielleicht Mitte dreißig.
Es wäre wohl ratsam, Hassan nicht zu unterschätzen. Vor allem, weil an seinem Gürtel eine lederne Scheide mit einer Machete darin befestigt war. Der Griff sah aus, als wäre er schon häufig in einer Hand gehalten worden. Das ließ darauf schließen, dass die Waffe auch benutzt worden war.
Pedro Oliveira ließ die Untersuchung über sich ergehen, ohne sich zu rühren. Dabei hatte er Gelegenheit, sich die Umgebung einzuprägen.
Es sah ganz und gar nicht so aus, wie man sich dieses Land vielleicht vorstellte. Bei dem Wort Kongo entstand doch eher das Bild eines undurchdringlichen Dschungels, feucht-schwüler Luft und einer tief hängenden Wolkendecke, aus der immer wieder heftiger Regen prasselte.
Eine sanfte Hügellandschaft erstreckte sich hier jedoch nach allen Seiten, bewachsen mit zahllosen Büschen und unterschiedlich hohen Bäumen. Dazwischen waren tiefe schlammige Gruben zu sehen, in denen man Diamanten oder andere Bodenschätze gesucht hatte. Sie waren schon vor längerer Zeit aufgegeben worden, nachdem man alles umgegraben hatte.
Es war heiß, aber nicht unerträglich, der Himmel war leicht bewölkt.
Pedro Oliveira war schon mehrmals in der Demokratischen Republik Kongo gewesen, aber nur in der Hauptstadt Kinshasa, nicht jedoch hier im Nordosten des Landes, in dem es unermessliche Bodenschätze gab.
Die Zufahrt zu dem Gelände war mit einem Dornenverhau gesichert und schwer bewacht. Jugendliche in uniformähnlichen Anzügen trugen stolz ihre Kalaschnikows um den Hals und Patronengurte über der Brust.
»Öffnen Sie jetzt bitte Ihren Koffer«, befahl Hassan.
Nach kurzem Zögern hob Oliveira den Pilotenkoffer hoch, der zwischen seinen Beinen stand. Die Schlösser klickten, und der Deckel klappte hoch. Der Portugiese bemerkte das kurze Aufleuchten in den Augen seines Gegenübers, als der Inhalt des Koffers sichtbar wurde.
Hassan wollte schon hineinfassen, überlegte es sich jedoch anders, und seine Hand zuckte zurück, als hätte er im letzten Moment eine Schlange entdeckt.
»Das ist für den Chief«, sagte Oliveira warnend.
Er schloss den Koffer und stellte ihn wieder zwischen seine Beine.
Da er in der prallen Sonne stand, spürte er die Hitze durchaus. Die Luftfeuchtigkeit war jedoch nicht sehr hoch, und er hatte keine Schwierigkeit mit dem Atmen. Der bewölkte Himmel war wie immer trügerisch. Oliveira wusste, dass man an das Wetter in dieser Gegend der Welt besser keine Erwartungen stellen sollte: Es schlug sehr schnell um. Aus dem Mischwald stiegen an einigen Stellen Nebelfetzen. Falls es ein Gewitter gab, wäre es wie ein Weltuntergang, das wusste er aus eigener Erfahrung.
Oliveiras Eltern waren in Afrika geboren, in Angola, als das Land noch eine portugiesische Kolonie war. Nach der Unabhängigkeit waren sie in die alte Heimat Portugal zurückgekehrt und hatten sich in der Nähe von Lissabon mehr schlecht als recht mit einem kleinen Laden über Wasser gehalten. Als Pedro alt genug war, hielt es ihn nicht mehr in dem Land, in dem er keine Perspektive sah, und es zog ihn nach Afrika, wenn auch nicht nach Angola, sondern zunächst nach Südafrika.
Dort hatte er seine erste Berührung mit der Welt der Diamanten, und er lernte alles über die Förderung der wertvollen Steine und wie der Handel damit funktionierte. Die Faszination ihres Glanzes hatte ihn nicht mehr losgelassen.
Dies hier war jedoch der Kongo, das dunkle Herz Afrikas. Ein reiches Land, heruntergewirtschaftet von ewigen Bürgerkriegen und gierigen Warlords, genau das Richtige für jemanden, der schnell zu Geld kommen wollte.
»Sprechen Sie ihn mit Admiral an«, riet Hassan.
»Admiral? Hat er Schiffe unter seinem Kommando? Hier gibt es doch weit und breit kein Meer.«
Hassan lächelte nicht. »Er mag die englische Admiralsuniform am liebsten, er trägt sie heute, also machen Sie keinen Fehler. Folgen Sie mir!«
Sie schritten zwischen hohen Bäumen um eine Biegung des schmalen Weges und standen plötzlich auf einem Platz aus festgestampftem Lehmboden, der von zahlreichen Hütten im Halbrund umgeben wurde. Genau in der Mitte befand sich eine große Hütte, eher schon ein Haus, mit einer breiten Veranda an der Vorderfront, zu der einige Stufen hinaufführten.
Der Platz war von Einheimischen bevölkert, Männer, Frauen, und auch einige Kinder, die mit verschiedenen Tätigkeiten beschäftigt waren. Sie gingen durch die bunt gekleidete Menge, bis sie vor dem Gebäude standen.
So etwas hatte Pedro Oliveira in Afrika noch nie gesehen.
In der Mitte der Veranda erhob sich eine Art Thronsessel, geschmückt mit Leopardenfellen und Straußenfedern, Stoßzähne von Elefanten dienten als Armlehnen. Links und rechts standen zwei junge Männer mit Palmwedeln in den Händen, mit denen sie dem Mann auf dem Thron Luft zufächelten. An der Dachkante über dem Thron war ein handgemaltes Schild befestigt, das einen etwas verunglückten Löwenkopf zeigte, ähnlich dem, den Hassan an seinem Hemd trug. Eine Szene wie aus einem schlechten Hollywoodfilm, war Oliveiras erster Eindruck.
In einer Ecke der Veranda hockte ein Rudel Halbwüchsiger mit automatischen Waffen in den Händen. Sie beobachteten den Neuankömmling neugierig.
Der Mann auf dem Thron war sehr groß. Obwohl er saß, war das gut zu erkennen. Auf dem massigen Körper saß ein kugelrunder Kopf ohne einen sichtbaren Hals fast direkt auf den Schultern, bedeckt von einer Art Barett, das rundum mit seltsamen kleinen Gegenständen geschmückt war, die Oliveira aus der Entfernung nicht identifizieren konnte. In seinem schwarzen Gesicht blitzten weiße Zähne. Sein Blick richtete sich auf seinen Besucher, und Oliveira spürte trotz der Wärme ein leichtes Frösteln.
Der Mann mochte zwischen dreißig und vierzig Jahren alt sein, das war schwer zu schätzen. Das Bemerkenswerteste an ihm war die prächtige Uniform mit ihren goldenen Knöpfen und bestickten Epauletten – tatsächlich glich sie einer Marineuniform. Ob Englisch oder nicht, konnte der Portugiese nicht beurteilen. Jedenfalls war die Brust über und über mit Orden und Medaillen aller Art bestückt, die aussahen, als hätte sie jemand auf einem Flohmarkt zusammengekauft.
»Was hat er da an seiner Mütze?«, fragte Oliveira seinen Begleiter im Flüsterton.
Hassan warf ihm einen Blick zu, der schwer zu deuten war.
»Das sind Ohren. Mumifizierte menschliche Ohren. Er behauptet, alles in seiner Umgebung hören zu können, wenn er diese Kopfbedeckung trägt.«
»Glaubt das jemand?«
»Oh, ja.« Hassan nickte. »Seine Anhänger glauben es. Deshalb haben sie auch Angst vor ihm.«
Das war also Jean Tsibanga vom Volk der Bantu. Ehemaliger Sergeant der kongolesischen Armee, und jetzt Anführer einer Miliz von nicht mehr als hundert Leuten. Wie Oliveira gesehen hatte, handelte es sich dabei meist um Halbwüchsige, fast noch Kinder. Im Ernstfall waren das keine ernst zu nehmenden Gegner, auch wenn sie mit Drogen vollgepumpt waren und moderne Waffen trugen.
Der einzige Grund, weshalb der Portugiese diese verlassene Gegend in der Provinz Kivu aufgesucht hatte, war die Mine, über die Tsibanga verfügte. Eine Diamantenmine, um genau zu sein. Er ließ die wertvollen Steine fördern, wusste aber nicht, wie er weiter damit verfahren sollte. Die ursprünglichen Anlagen, die es hier seit den Zeiten der belgischen Kolonialherrschaft gab, waren schon lange verfallen und unbrauchbar geworden. Wie man sie reparierte, wusste hier kein Mensch, ganz davon abgesehen, wie man an die notwendigen Ersatzteile gelangen konnte.
Also saß Jean Tsibanga, selbst ernannter Admiral, auf einem Haufen Diamanten, die er dringend verkaufen wollte.
Deshalb war Pedro Oliveira hier.
»Kommen Sie näher!« Tsibanga beugte sich vor, seine Augen glitzerten. »Sie haben mir etwas mitgebracht?«
Seine englische Aussprache war schauerlich. Hassan schaute betont geradeaus.
Oliveira hob seinen Koffer vor die Brust.
»Lassen Sie sehen, was Sie haben!«
Der Admiralsdarsteller winkte einer jungen Frau, die bisher im Hintergrund gestanden hatte. Sie trug einen Stoffbeutel in der Hand, den sie jetzt vor Tsibanga auf den Boden legte. Vorsichtig schlug sie den Stoff zur Seite.
Oliveira machte zwei Schritte nach vorn. Er hatte in seinem Leben genügend Rohdiamanten gesehen und wusste mit einem Blick, dass er den Jackpot gewonnen hatte.
Er legte seinen Koffer neben die Steine und klappte den Deckel hoch.
Tsibanga beugte sich so weit vor, dass er fast von seinem Thron gefallen wäre. Seine Augen leuchteten, er leckte sich über die Lippen und griff nach einem der Dollarbündel. Genießerisch blätterte er durch die Scheine.
Oliveira knotete das Tuch wieder zusammen und nahm es hoch. Er spürte schon am Gewicht, dass er einen verdammt guten Tausch gemacht hatte, auch wenn die Steine nur von kleiner bis mittlerer Größe waren und ihr wahrer Wert erst nach dem Schliff sichtbar wurde. Darum würden sich die einheimischen Fachleute kümmern. Es war in diesem Fall kaum möglich, die Arbeiten in Antwerpen oder in einem anderen Zentrum der Edelsteinschleiferei durchführen zu lassen. Dafür hätte man einen einwandfreien Herkunftsnachweis gebraucht, und den bekam er für diese Steine nicht.
Der Kongolese beachtete ihn nicht weiter. Sein Interesse galt nur noch den grünen Scheinen.
»Gehen wir«, sagte Hassan leise. »So lange noch Zeit ist.«
Oliveira folgte ihm rasch.
»Wie meinen Sie das?«
»Ich bin sicher, dass Sie nicht verstehen müsse, was ich meine. Sehen Sie zu, dass Sie schnell wegkommen.«
Als sie seine beiden Leibwächter erreichten, drehte sich der Portugiese noch einmal zu Hassan um.
»Falls Sie eigene Pläne haben …«
Sein Blick schweifte zu dem jetzt hinter Bäumen verborgenen Dorf. »Ich kann Ihnen helfen.«
»Warum?«
»Ach, wissen Sie, Geschäfte mit psychopathischen Irren sind nicht so unser Ding!«
Hassan blickte dem wegfahrenden Wagen lange nach.
Die beiden Männer wirkten wie Zwillinge. Sie trugen beide leichte Baumwollhosen und darüber bunte Buschhemden. Fast gleichmäßig mahlten ihre Kiefer, in denen sie den Kaugummi von einer Ecke in die andere wälzten. Sie besaßen südafrikanische Pässe, mit denen sie aber nicht in ihr Heimatland einreisen konnten, da man sie sofort verhaften würde. Die Liste der Straftaten, die man ihnen dort zur Last legt, war ziemlich lang, und Mord stand ganz oben.
Einer wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es war heiß, und kein Lüftchen brachte Abkühlung. »Dieses Land bringt mich noch um«, murmelte er.
Sein Kumpan nickte, während seine Augen sorgfältig die Umgebung musterten. In einer halben Stunde würde es dunkel sein. In diesen Breiten wurde es schnell Nacht.
Der Saum des Waldes auf der anderen Seite des Maniokfeldes wirkte wie eine undurchdringliche grüne Wand, wie der Beginn eines riesigen Waldes. In Wirklichkeit begann kurz dahinter eine Mondlandschaft aus kahlen Hügeln, Wasserlöchern und verschlammten Wegen. Hier arbeiteten Dutzende von Kindern und Jugendlichen mit Schaufeln, Sieben und Spitzhacken daran, dem bereits durchwühlten Boden noch ein paar wertvolle Steine zu entreißen. Für diese harte Arbeit bekamen sie keine zwei Dollar am Tag. Doch es war die einzige Arbeit, die es hier gab.
Plötzlich hob einer der Männer den Arm. »Dort ist er.«
Gleichzeitig griffen sie unter ihre Hemden und zogen schwere Revolver hervor. Ohne sich zu verständigen, setzten sie sich in Bewegung. Die weiche rote Erde unter ihren Füßen gab schmatzende Geräusche von sich.
Zwischen einer Gruppe Mangobäume gab es eine Bewegung, ein dünner, sehr dunkelhäutiger Mann erhob sich aus seiner Kauerstellung und rannte quer über das Feld. Er trug nur Shorts und ein T-Shirt. Unter seinen nackten Füßen spritzte das Wasser aus den Pfützen, die vom letzten Regen übrig geblieben waren. Sein Ziel war eine Art Hütte am Rande des Waldes, gebaut aus Baumstämmen und Palmblättern.
Vermutlich erhoffte er sich dort Deckung zu finden, um anschließend den schützenden Waldrand zu erreichen. Er sah sich nicht um, nachdem er die beiden Männer entdeckt hatte, denn er wusste, was er von ihnen zu erwarten hatte. Sein Lauf wurde schneller, was auf dem Feld allerdings nicht sehr leicht war. Sie hörten sein Keuchen und das Trappeln seiner Schritte.
Die Südafrikaner hoben in einer fließenden, oft geübten Bewegung ihre Waffen. Die Schüsse krachten wie ein einziger Abschuss. Während das Echo sich an der grünen Pflanzenmauer brach, wurde der kleine Mann nach vorn geschleudert und fiel zwischen die sorgfältig gesetzten Pflanzen des Maniokfeldes.
Ohne Eile gingen die Männer auf den Niedergeschossenen zu. Sie wussten, dass sie ihr Ziel nicht verfehlt hatten. Sie besaßen Übung, und sie wurden dafür bezahlt. Über ihren Job, den sie hier noch nicht allzu lange ausübten, machten sie sich keine Gedanken. Man hatte sie angeheuert, um die Sicherheitslage in der Mine zu verbessern – so hatte man sich ausgedrückt. Sie wussten genau, was damit gemeint war. Es war nicht ihr erster Job dieser Art.
»Unser Informant hat recht gehabt«, sagte der Größere von ihnen befriedigt. »Sie versuchen immer wieder, einige Steine beiseitezuschaffen. Doch damit ist jetzt Schluss.«
»Mister Oliveira bezahlt uns auch gut«, entgegnete der andere. »Ich muss sagen, ich habe für einen so einfachen Job noch nie so viel verdient.«
»Er hat aber nicht gesagt, dass wir die Diebe umlegen sollen.«
»Wenn er mehr aus der Mine holen will als dieser Hohlkopf Tsibanga mit seinen vertrockneten Ohren am Hut, dann muss er auch Zeichen setzen und dafür hat er uns.«
Der Größere lachte. »Ich bin mir sicher, dass Tsibanga auch mit den zusätzlichen Ohren meinen Schuss nicht hören wird, wenn ich ihm eines Tages das bisschen Hirn rausblase.«
»Der Tag wird vielleicht schneller kommen als du denkst. Oliveira und dieser Hassan tuscheln für meinen Geschmack etwas zu oft miteinander. Ich sage dir, da ist was im Busch.«
Der kleine dünne Mann lebte noch, als sie ihn erreichten. Die beiden Südafrikaner sahen ungerührt zu, wie er versuchte, sich vorwärtszuziehen.
»Machen wir Schluss«, sagte der rechts stehende, spuckte seinen Kaugummi aus und feuerte einen einzelnen Schuss ab.
Danach lag der Mann still. Eine kleine, verkrümmte Gestalt im Grün und Schwarz des Feldes. Im Wald schrie ein unbekannter Vogel. Auch die anderen Geräusche, die bei dem letzten Schuss schlagartig verstummt waren, setzten wieder ein.
Der größere Mann bückte sich und zerrte ein schmutziges Tuch aus der zusammengeballten Hand des Toten. Er schlug den Fetzen auseinander und ließ den Inhalt auf seine Handfläche rollen. In den kleinen Steinen brach sich das Licht der untergehenden Sonne.
Er nickte befriedigt. »Das wird die Kerle lehren, uns zu beklauen.« Er stieß den Toten mit der Fußspitze an.
»Der nächste wird es sich zweimal überlegen, ob er ein paar unserer Steine mitgehen lässt.«
»Lassen wir ihn hier liegen?«
Der andere nickte schweigend, und sie machten sich auf den Rückmarsch. Am Rand eines staubigen Weges parkte ein schwarzer Range Rover. Als die Türen aufgingen, zeigte die Innenbeleuchtung einen hageren Schwarzen auf dem Rücksitz, der eine Art Turban um den Kopf geschlungen hatte.
»Wir haben ihn erwischt, Hassan«, sagte der Größere und schwang sich hinter das Steuer.
»Diese kleine Ratte wollte uns doch glatt übers Ohr hauen.« Seine Stimme wurde schärfer. »Sie sollten Ihre Leute besser unter Kontrolle halten, Hassan. Schließlich haben Sie die Verantwortung für die Mine. Wir helfen Ihnen gern dabei, aber unser Chef heißt Pedro Oliveira, und der schätzt es nicht, wenn die Mine nicht perfekt läuft.«
»Hat Oliveira Ihnen befohlen, meine Leute zu erschießen?«, fragte Hassan.
»Das entscheiden wir schon selbst. Oliveira ist schließlich nicht hier.«
Der zweite Südafrikaner hatte sich auf den Beifahrersitz geschwungen und drehte sich jetzt um.
»Sie sind nicht aus dieser Gegend, Hassan?«
Der Angesprochenen schüttelte den Kopf. »Nein, ich stamme ursprünglich aus dem Sudan, doch meine Familie ist schon vor langer Zeit in den Kongo eingewandert.«
»Und wie sind Sie an diesen Irren geraten, der sich für Simba hält, den Löwen persönlich?«
Hassans Miene wurde abweisend. »Das ist eine lange Geschichte.«
Schweigend fuhren sie weiter.
»Sie sollten die Wachmannschaft verstärken«, sagte der größere Südafrikaner nach einer Weile.
»Wir haben keine Lust, uns immer selbst um diese Angelegenheiten zu kümmern. Schließlich bezahlen wir euch gut für die Ausbeute der Mine.«
»Die Leute im Kongo sind arm«, sagte Hassan. »So ein Arbeiter verdient nicht viel am Tag.«
»Dann müsst ihr sie eben besser bezahlen«, sagte der Fahrer und legte einen höheren Gang ein, als der Weg besser wurde.
Der Sudanese schwieg und blickte aus dem Fenster. Seine Gedanken waren in diesem Augenblick nicht gerade freundlich. Er mochte diese Leute nicht, auch wenn sie gute Geschäftspartner waren. Hassan wusste schließlich, dass er es mit Gangstern zu tun hatte, die eigentlich noch schlimmer waren als sein Chef Tsibanga. Er selbst hatte sich immer schon am Rande der Legalität bewegt. Dass man gerade einen seiner Arbeiter erschossen hatte, berührte ihn auch nicht sonderlich. Wenn der Kerl sich erwischen ließ, war er selber schuld! Er ärgerte sich jedoch, dass sich diese Kerle aufführten, als würde ihnen die Mine gehören.
Der Beifahrer drehte den Kopf, sein Gesicht lag nun im Schatten. Die Sonne war fast untergegangen, daher fuhren sie bereits mit Licht. Nur wenige Fahrzeuge kamen ihnen entgegen.
»Wann ist die nächste Lieferung bereit?«, fragte der Mann.
Hassan zuckte mit den Schultern. »In vier, fünf Tagen. Wer weiß? Niemand kann sagen, wie hoch die Ausbeute sein wird. Wir haben in den letzten Wochen zwei neue Schächte gegraben, aber bis jetzt hält sich die Förderung in Grenzen. Unsere Gruben sind schon von den Belgiern ausgebeutet worden. Wir finden nur die kümmerlichen Reste.«
Der Fahrer lachte hämisch. »Unsere Kunden wissen noch nichts von ihrem Glück. Wir müssen ihnen noch beibringen, dass sie möglichst viele unserer schönen Steine kaufen. Wir haben erst mal genug beisammen, um die neuen Vertriebswege zu erschließen.«
Hassan antwortete nichts darauf, und es war ihm auch völlig egal, was weiter mit den Edelsteinen geschah, die diese Leute von ihnen kauften. Natürlich wurden sie illegal nach Europa oder in die Vereinigten Staaten gebracht, das war ihm klar, aber wie sie weiterverkauft wurden, wusste er nicht – jedenfalls nicht über die offiziellen Wege der legalen Händler.
Hassan sah zu dem vorbeigleitenden Dschungel. An das heiße und oft feuchte Klima war er schon lange gewöhnt. Die Südamerikaner schienen ziemlich darunter zu leiden. Dicke Schweißtropfen perlten über ihre Nacken, in ihrem Heimatland herrschte ein ganz anderes Klima.
Der Wagen besaß keine Klimaanlage, und trotz der heruntergedrehten Fenster herrschte im Innenraum eine stickige Hitze wie in einem Treibhaus, die Wolken hingen tief am dunklen Himmel.
Hassan seufzte, manchmal fragte er sich, ob es richtig von Tsibanga gewesen war, sich mit diesen Leuten einzulassen. Aber die Verlockung des großen Geldes war einfach zu groß gewesen. Oliveira hatte ihm garantiert, jede Menge abzunehmen, die sie liefern konnten. Hassan konnte den undurchsichtigen Portugiesen nicht einschätzen, aber er zahlte gut.
Er hatte Tsibanga gewarnt, Oliveira nicht zu sehr zu vertrauen, doch den Chief interessierten nur die schönen grünen Scheine.
Das Geschäft mit den Edelsteinen war ein wichtiger Wirtschaftszweig des Kongo. Das riesige Land verfügte über zahlreiche wertvolle Bodenschätze, doch Korruption, die Gier der zahllosen Warlords und ausländische Interessen sorgten dafür, dass die Bevölkerung davon kaum etwas abbekam.
»Wie lange werden wir noch bis zu unserem Ziel brauchen?«, erkundigte sich der Fahrer.
Hassan blickte auf seine wertvolle Uhr, die ihm Oliveira geschenkt hatte. »Nicht länger als zwei Stunden.«
Der Laden gehörte vielleicht nicht zur allerersten Garnitur, aber es gab ihn schon seit drei Generationen, und er besaß einen hervorragenden Ruf sowie eine kaufkräftige Kundschaft. Dafür sprach auch die Adresse am Kurfürstendamm in Berlin.
Das Juweliergeschäft besaß zwei Schaufenster, die mit schusssicherem Glas und einer hochwertigen Alarmanlage ausgestattet waren. Das Gleiche galt auch für die Tür in der Mitte. Das Messing der Beschläge war poliert und glänzte in der Sonne. Der Laden strahlte Eleganz aus.
Noch mehr galt das für den Inhalt seiner Schaufenster.