Der Große Ruhe-Nerv - Gerd Schnack - E-Book

Der Große Ruhe-Nerv E-Book

Gerd Schnack

0,0
7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Über einen bestimmten Nerv können wir durch sieben einfache Übungen sehr schnell eine tiefe Entspannung herbeiführen. Anhand zahlreicher Beispiele zeigt der Autor, wie wir dieses neue Mittel gegen Stress und zur Vorbeugung von Burnout einsetzen können - sei es bei Mittagsmüdigkeit am Arbeitspatz, bei Prüfungsangst, Platzangst, im Konfliktsituationen oder auch zur Tinnitus-Behandlung.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 193

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Prof. Dr. med. Gerd Schnack

Der Große Ruhe-Nerv

7Sofort-Hilfen gegen Stress und Burnout

Impressum

© KREUZ VERLAG

in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2012

Alle Rechte vorbehalten

www.kreuz-verlag.de

Umschlaggestaltung: agentur Idee

Umschlagmotiv: © Corbis

Zeichnungen im Innenteil von Francesco Iorio

ISBN (E-Book): 978-3-451-33945-5

ISBN (Buch): 978-3-451-61139-1

Inhaltsübersicht

Vorwort

Nichts ist mehr, wie es einmal war

Der Große Ruhe-Nerv – der Initiator der schnellen Tiefenentspannung

Glücksmomente im Stressalltag

Die Vagus-Meditation

Die Achtsamkeit des Augenblicks in der Vagus-Meditation

Stressmanagement durch Achtsamkeit

Meditation & More – das Jahrhundertmedikament im Stresszeitalter

Ausklang: Glücksgefühle kontra Stressängste

Anhang

Literatur

Anschriften im Internet

Präventivmedizinische Studien zu den Aussagen des Buches

Vorwort

Zeit ist kostbar, außerordentlich kostbar, gerade in unserer Gegenwart mit ihrer ständigen Beschleunigung. Der Alltag in unserer rasanten Online-Gesellschaft hat dramatisch an Fahrt zugenommen, einmal durch die ständig steigende Informationsflut, zum anderen durch eine Event-Kultur, in der man von einem Ereignis zum anderen jagt. In diesem Rennen durch die Zeit kommt der Mensch nicht mehr zur Ruhe. Zeit wird zu einem kostbaren Gut, nicht zuletzt, weil sie mit Anerkennung, Erfolg und Besitz gleichgesetzt wird, ganz nach dem Motto »Time is money«. Dabei ist die Entwicklung des Menschen durch die sogenannte »freie Marktwirtschaft« in ein gefährliches Fahrwasser geraten, sie treibt durch Stromschnellen, die einer ständig steigenden Gewinnmaximierung entgegenschießen. Schneller, höher, besser, komfortabler – ein Ende dieses hohen Anspruchsdenkens ist nicht in Sicht. Und eine Negativspirale nimmt ihren Lauf, in der der chronische Stress die Dramatik bestimmt, weil Phasen der Entspannung, der Erholung nicht in dieses Konzept passen, sie werden als reine Zeitverschwendung angesehen.

Geradezu prophetisch klingen heute die Worte Goethes in unseren Ohren, von ihm vor mehr als 200Jahren formuliert:

»Ich bin nur durch die Welt gerannt,

Ein jed’ Gelüst ergriff ich bei den Haaren,

Was nicht genügte, ließ ich fahren,

Was mir entwischte, ließ ich ziehn.

Ich habe nur begehrt und nur vollbracht

und abermals gewünscht und so mit Macht

Mein Leben durchgestürmt…«

Neben dem Stress im Berufsleben ist der Mensch auch einem zunehmenden Reisestress ausgesetzt. Im Zeitalter der Düsenjets und Billigflüge reist er nur noch, um anzukommen, während der eben zitierte Dichterfürst noch reiste, um unterwegs zu sein. Und Ähnliches gilt für die Freizeit überhaupt. Besonders an den Wochenenden jagt ein Ereignis das nächste, und unsere Aufmerksamkeit ist deutlich geteilt, denn in Gedanken sind wir oft schon längst bei der nächsten Veranstaltung. Hören Sie einmal die Veranstaltungstipps in den Radiosendern an einem Wochenende: Hier ein Stadtfest, dort ein Straßenfest, und während der Fete am Freitagabend ist man mit seinen Gedanken bereits beim Mega-Event am Samstag oder beim Brunch am Sonntag. Als hätte Goethe das geahnt, schreibt er:

»So tauml’ ich von Begierde zu Genuss

und im Genuss verschmacht ich nach Begierde«

So gesehen kann es gar nicht überraschen, dass das Thema Stress und Burnout uns in immer größeren Lettern aus allen Zeitungen in die Augen entgegenspringt. Bücher und Ratgeber dazu gibt es zuhauf, so dass ich mich hier kurz fassen kann, schließlich will ich Ihnen nicht noch mehr von Ihrer kostbaren Zeit stehlen.

Das Thema »Der Große Ruhe-Nerv« ist neu und vielversprechend zugleich, weil alle Welt darauf wartet, endlich ein Konzept in der Hand zu halten, das unmittelbar und ohne großen Zeitaufwand wirkungsvoll im schnellen Stressalltag praktiziert werden kann.

Der Große Ruhe-Nerv ist unser Lichtschalter, den wir jederzeit in der Dunkelheit des Ausgebranntseins im Burnout einschalten können, ein Lichtsignal, das sofort uns erleuchtet und erwärmt.

Obwohl Meditation augenblicklich in aller Munde ist, stellt die Tiefenentspannung für die Mehrzahl der Deutschen eine unbekannte Größe dar. Meditation, so das Klischee, das ist die Welt der Mönche in ihren abgelegenen Klöstern, eine Gegenwart, die nichts Vergleichbares zum schnellen Stressalltag aufzuweisen hat. Also fällt es uns schwer, diese besondere Lebenseinstellung zu verstehen oder sie in unseren Alltag zu integrieren. Meditation war die Sprache der Mystik, ein Sonderweg der Versenkung in einem persönlichen Glaubensleben, für den sogar ein Augustinus ins Gefängnis gehen musste. Und immer noch sehen viele Theologen eine ominöse Verbindung der Meditation zur Esoterik. Erstmalig stelle ich in diesem Buch die Vagus-Meditation als neuro-physiologische Grundlage der Tiefenentspannung dar – in ihrer Verbindung der drei Hirnnerven aus dem Gesichts-Halsbereich zum »emotionalen Gehirn«, der Schaltzentrale der Tiefenentspannung. Von hier aus leitet dann der zehnte Hirnnerv, der Vagus, die meditative Botschaft an das »Herz- und Bauchgehirn«.

Als Metapher hierfür möchte ich den Rettungsanker wählen, der einem Schiffbrüchigen in stürmischer See sofortige Hilfe garantieren kann und ihn vor dem Ertrinken bewahrt. Stress wirkt auf Menschen wie eine turbulente Brandung, in der sich die Wellen derart überschlagen, dass es kaum noch Hoffnung auf Rettung gibt.

Verstehen Sie also dieses Buch als ein Hoffnungssignal, das Ihnen Mut machen kann. Der Große Ruhe-Nerv in Ihnen wartet nur darauf, die Bühne betreten zu dürfen. Sein Verhalten gleicht dem eines Gentleman: Er will sich nicht in den Vordergrund drängen, allerdings wartet er nur darauf, von Ihnen aktiviert zu werden, um Sie zu stützen, Sie zu führen, damit Sie sicher das rettende Ufer erreichen. Der Große Ruhe-Nerv führt Sie in Ihre innere Schatzkammer im »emotionalen Gehirn«, in der sich gewaltige Energiereserven verbergen. So können Sie ohne Wenn und Aber den Stress annehmen, wie er nun einmal ist. »Die Wellen des Ozeans kannst du nicht verhindern, du kannst aber lernen, auf ihnen zu surfen.«

Der Stress unserer Gegenwart setzt auf Sturm, unruhige Zeiten sind angesagt, in denen sich die Menschen auf ihren Beinen kaum noch halten können. Doch wir sind es, die entscheiden, es kommt auf unser eigenes Verhalten an, damit wir dem prägenden Grundsatz lebendiger Prozesse gerecht werden, der allen Pflanzen, Tieren und auch dem Menschen mit auf den Weg gegeben wurde. Ich meine das Prinzip der Selbstorganisation im Sinne einer permanenten schöpferischen Evolution, dem jede Blume gehorcht, wenn sie an das energiespendende Sonnenlicht gelangen will. Die heilsame Medizin gegen Stress und Burnout ist die unvergängliche GLH-Botschaft unseres Herzens. Sie lautet »Glaube– Liebe – Hoffnung«, und sie zündet immer dann, wenn wirksame Rettungsanker in unserer Nähe sind – der stürmischen See zum Trotz. Ein Schiffbrüchiger befindet sich dann in der Gefahr des Ertrinkens, wenn er weder eine Insel noch irgendein Schiff mit Rettungsanker mehr sieht – er ertrinkt an Hoffnungslosigkeit. Ganz anders, wenn Hilfe in Sicht ist: Dann ist er in der Lage, alle Energiereserven zu mobilisieren, um noch eine Stunde schwimmend um sein Leben zu kämpfen. In diesem Buch biete ich Ihnen nicht nur einen, sondern gleich sieben Rettungsanker an, die Sie bei Stress einsetzen können.

Der Große Ruhe-Nerv, der Vagus, der wichtigste Nerv im Entspannungsnetz Parasympathikus, führt Sie an sein ursprüngliches Kerngebiet im Hirnstamm, der Übergangsregion vom Rückenmark zum Gehirn. Führende Psychologen (z.B.David Servan-Schreiber) bezeichnen diesen Bezirk als »emotionales Gehirn«, das uns bei Stress und Burnout aus der Krise führen kann. Mit diesem Buch möchte ich Ihre »emotionale Intelligenz« fördern, denn speziell aus dieser Gefühlszentrale heraus können Sie den Stress in Ihrem direkten Umfeld unter Kontrolle bringen. Erst in einem zweiten Schritt ist dann auch unser Durchsetzungsvermögen gefragt, das von unserer kognitiven Wissenszentrale im Stirnhirn (präfrontaler Kortex) gesteuert wird. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass ein hoher Intelligenzquotient nicht ausreicht, um Stress in unterschiedlichsten Facetten unter Kontrolle zu bringen. All unser Wissen und all unsere Erfahrungen reichen nicht aus, die notwendigen Hoffnungs- und Erfolgssignale zu setzen, damit das Leben trotz ständig steigender Stressbelastungen lebenswert bleibt. Die Grundeinstellung des Menschen geht weit über die betont körperlich-geistig-gesellschaftliche Dimension hinaus. Wichtig für jeden Einzelnen ist seine Zielorientiertheit (Intentionalität) in einem gelingenden Leben, in dem die Sinnerfüllung durch Werte an erster Stelle steht. Das Glücksgefühl im Zusammenhang mit der materiellen Absättigung unserer Bedürfnisse oder im Zusammenhang mit unterschiedlichen Wellness-Versprechen ist nur vorübergehend, dauerhaft empfinden wir das Leben erst dann als lebenswert, wenn eine Sinnverwirklichung durch Werte möglich ist, wenn wir Ziele realisieren, die uns wichtig sind.

Für den österreichischen Psychiater Viktor Frankl ist das Menschliche die Mitte unserer Seele, hier liegen unsere größten Energiereserven.

1.Kapitel Nichts ist mehr, wie es einmal war

Während früher der Bauer tagein, tagaus im schweren Boden hinter seinem Pflug herstapfte, wird in unserer Zeit körperliche Arbeit meist Maschinen überlassen. Die einstige Schwerstarbeit von Tagen erledigt mittlerweile ein Traktor im Handumdrehen. Und auch der Tagesrhythmus hat sich völlig gewandelt. Während früher der Wechsel zwischen Tag und Nacht dem Stand der Sonne folgte – mit den Hühnern suchte man am Abend sein Schlafzimmer auf, um morgens beim ersten Hahnenschrei wieder auf der Matte zu stehen–, hat sich mit dem Jahr 1879 alles geändert. Denn mit der Erfindung der Glühbirne hat der Mensch die Nacht zum Tag gemacht. Doch selbst die beginnende Industrialisierung kannte noch Pausen: Die ersten Dampfmaschinen waren noch auf hohe Wartungszeiten angewiesen. Wiederkehrende Ruhezeiten waren unumgänglich, in der die Technik kurz verweilen musste. Mit dem technischen Fortschritt schwanden diese Pausen jedoch. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte die Entfesselung der Arbeit schließlich mit der Erfindung des Computers und seinen schier unbegrenzten Möglichkeiten. Seither sind wir eingebunden in ein globales Netzwerk, das ein nachhaltiges Pausen- und Unterbrechungsverhalten nicht mehr zulässt. Das Berufsleben wurde unter der Bezeichnung »Entgrenzung von Arbeit« grundlegend verändert, dabei vollzog sich diese »stille Revolution« in vier Stufen:

Zum Überleben in grauer Vorzeit konnte der Mensch seinem bewährten Kampf- und Fluchtreflex vertrauen, der bei drohender Gefahr im Bruchteil einer Sekunde alle Energiereserven zündete. Seiner Stärke bewusst, erfolgte entweder der direkte Angriff nach vorn oder, im Falle einer Niederlage, die Flucht nach hinten. – Das war einmal.

Im Zeitalter des Computers hat sich vieles verändert. Hoher körperlicher Einsatz am Arbeitsplatz ist nicht mehr gefragt. Eine Erleichterung, möchte man meinen, doch der Schein trügt. Die Erregung des Zentralen Nervensystems durch den Kampf-Flucht-Reflex hat nicht ab-, sondern dramatisch zugenommen, hervorgerufen durch die hohe Stufe wechselnder Sinnesreize. Ein fehlerhafter Kreislauf ist die Folge, weil der Mensch plötzlich nicht nur endlosen Stressattacken schutzlos ausgesetzt ist, sondern ihm zugleich alle Fluchtkorridore verschlossen sind, so dass die Antriebshormone nicht mehr durch den notwendigen körperlichen Einsatz über die Aktivitäten großer Muskelgruppen (⅙ der gesamten Muskelkapazität) abgebaut werden können. Laufen, Kämpfen, Flüchten – jeder körperliche Einsatz ebnet uns den Weg in den Fluchtkorridor, um Stress abzubauen. Ein Ausweg, der uns am Computer-Arbeitsplatz verschlossen bleibt. Die hohe zentrale Erregungsstufe muss tatenlos im Sitzen verarbeitet werden. Man schluckt den Ärger hinunter, auch wenn das Herz bis in die Schläfen pocht.

In der Bedienung der leichtgängigen Computer-Tastatur sind nicht mehr grobe Kräfte erforderlich, gefragt sind lediglich die kleinen Muskeln der Hände und der Arme, deren Aktivität aber nicht ausreicht, um den notwendigen Stoffwechselausgleich im Körper zu erreichen. Bei ihrem Intensiveinsatz in monotoner Position sind Überlastungssyndrome an der Tagesordnung, die unter der Bezeichnung RSI (repetitive strain injurie) zusammengefasst werden. Ein prominentes Beispiel ist das »Mausklick-Syndrom«, eine Berufskrankheit, die heute unter einem großen Aufwand an Zeit, Geld und Material in Spezialkliniken operiert werden muss.

Mit Internet, Facebook, Twitter, Handy und TV sind wir einer permanenten Online-Präsenz ausgesetzt, die in bedenklicher Weise zu einer »Entgrenzung von Arbeit« geführt hat. Bereits auf dem Weg zur Arbeit ist der Mitarbeiter mit seinem Laptop gefordert, nicht einmal am Wochenende reißt der Kontakt zu wichtigen Entscheidungsträgern der Firma ab. Und danach eröffnet sich eine Freizeitkultur, in der ein Event das nächste jagt. Oft schnappt die Burnout-Falle im Urlaub zu, der vielfach teuer erkauft werden muss. Denn neben dem eigentlichen Preis sind auch Zugverspätungen, lange Staus auf der Autobahn oder mögliche Streiks der Fluglotsen zu berücksichtigen. Der Feierabend hat Feierabend, nach erholsamen Pausen in unserer schnellen, hellen und lauten Welt suchen wir vergebens.

Mit der Entgrenzung der Arbeit in der Online-Gesellschaft wird die Überstunde höher eingestuft als die erholsame Siesta. Nicht der Stress ist es, der uns krank macht, sondern die verlorene Pause.

Wir leben im Wohlstand und bewegen uns in gesicherten Grenzen, während die Generationen unserer Väter, Groß- und Urgroßväter ständig mit anderen Völkern auf unterschiedlichsten Kriegsschauplätzen in einer Dauerfehde lagen. Noch heute wecken die Bombennächte des Zweiten Weltkriegs, in denen nachts im Luftschutzkeller die feindlichen Flugzeuge über uns hinwegzogen, in mir die tiefsten Angstgefühle. Doch trotz der politischen Sicherheit unserer Zeit leidet gegenwärtig jeder siebte Europäer unter Angstzuständen, wie einer aktuellen Studie der Abteilung für Psychologie und Psychotherapie der TU Dresden unter Leitung von Hans-Ulrich Wittchen zu entnehmen ist. Beteiligt waren Hunderte von Forschern aus allen 27EU-Staaten einschließlich der Schweiz, Norwegen und Island. Eine erschreckende Entwicklung konnte aufgezeichnet werden: Mit 26Prozent stellen die psychischen Störungen inzwischen das häufigste Krankheitsbild. Damit sind die Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen erstmalig überholt. Die bereits bekannte WHO-Statistik wird nachdrücklich bestätigt: Laut WHO ist das Stress-Burnout-Syndrom inzwischen die weltweite Gesundheitsgefährdung Nr.1, häufiger anzutreffen als die bisher führenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Die aktuellen Studiendaten im Einzelnen:

165Millionen (38Prozent) der Europäer leiden einmal pro Jahr an einer psychosomatischen Störung. Angststörungen liegen europaweit mit 14Prozent an der Spitze aller Stressbelastungen. Die Depression liegt mit 7Prozent auf Platz 2, gleichauf mit Schlafstörungen.

Inzwischen hat sich gezeigt, dass Menschen mit chronischen Angststörungen eine um vier Jahre verminderte Lebenserwartung haben – genau wie Brustkrebspatienten. Die Betroffenen ziehen sich schutzsuchend in die Isolation zurück, was zu negative Folgen für ihre allgemeine Gesundheit führt. Denn in dieser Isolation wird jedwede Aktivität vernachlässigt. Den Betroffenen fehlt die Initiative für ein ausgleichendes Ausdauertraining, wodurch das allgemeine Herz-Kreislauf-Risiko, die Gefahr eines Herzinfarktes oder eines Schlaganfalles drastisch wächst. Die soziale Isolierung von der Gesellschaft bewirkt eine weitere Zunahme der Stressspannung, denn der Mensch ist ein soziales Wesen, die gesundheitlichen Einbrüche dringen bis in das Immunsystem vor.

Vor allem alte Menschen sind es, die von Ängsten und Depressionen betroffen sind. Sie erleben häufiger Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Multiple Sklerose, Parkinson oder Alzheimer, die in der Regel mit depressiven Stimmungslagen assoziiert sind. Was in der Dresdener Studie jedoch überrascht, ist die Tatsache, dass gerade Jugendliche und Erwachsene unter 25Jahren den höchsten Anstieg in der Häufigkeit der Depression aufzuweisen haben. Eine Entwicklung, die in den letzten 25Jahren stattfand, denn vor dieser Zeit war eine echte Depression bei jungen Menschen sehr selten. Inzwischen ist bei Jungen und Mädchen unter 18Jahren die Depression fünfmal häufiger anzutreffen als in früheren Epochen – und damit steigt automatisch das Risiko, im späteren Leben chronisch depressiv zu werden.

Jugendliche und junge Erwachsene weisen den höchsten Anstieg in der Häufigkeit der Depression auf.

Wo liegen die Gründe für diese eklatante Fehlentwicklung auf psychosomatischem Gebiet, die dazu führte, dass Stress und Burnout zu neuen Volkskrankheiten mutieren konnten, und die bewirkt, dass die moderne westliche Medizin bei der Behandlung der chronisch stressbedingten Erkrankungen häufig vor einem Rätsel steht? Das Problem besteht in vielen Fällen darin, dass sich die Menschen krank fühlen, ohne dass der Hausarzt in den Laborwerten und Röntgenaufnahmen etwas Greifbares nachweisen kann. Die chronisch stressbedingten Erkrankungen entziehen sich häufig modernsten Diagnoseverfahren, und dennoch ist der betroffene Patient schwer erkrankt. Gründe gibt es viele für die gesundheitliche Fehlentwicklung des Menschen im Stresszeitalter, hier die wichtigsten im Überblick:

Verlorener natürlicher Lebensrhythmus, Daueranspannung ohne ausgleichende Entspannung.

Dysbalance des vegetativen Nervensystems zwischen dem Anspannungsnerv (Sympathikus) und dem Entspannungsnerv (Parasympathikus). Der moderne Mensch ist permanent der Antriebspeitsche des Sympathikus ausgeliefert bei hoher Erregung des Zentralen Nervensystems.

In einer fehlenden Pausenkultur hat der Feierabend keine Bedeutung mehr.

Hohe Erwartungen ans Leben, die nicht immer erfüllt werden können.

Zukunftsängste, die durch negativen Medieninformationen gesteigert werden, Horrorvisionen beherrschen die Nachrichten.

Mit bis zu anderthalb Jahren Wartezeiten bei spezialisierten Psychologen oder Psychotherapeuten ist bei einer depressiven Erkrankung zu rechnen. Tritt in diesem Zeitraum keine Besserung ein, so ist häufig der Arbeitsplatz verloren und auch die persönliche Beziehung in Gefahr. Die westliche Medizin steckt immer noch in den alten Schuhen der symptomatischen Behandlung mit chemischen Mitteln, ohne den ursächlichen Therapieansatz über einen allgemeinen Spannungsabbau durch die Verhaltensänderung des Einzelnen in den Vordergrund zu stellen.

Stress wirkt dreidimensional

Wer kann sich heute noch auf ein natürliches Leben berufen, das unserer Grundbestimmung entspricht und in dem wir all unsere Begabungen ausspielen können? Dirigenten vielleicht oder Musiker oder freischaffende Bildhauer? Der ehemalige Traumberuf des Arztes jedenfalls ist im durchtechnisierten Alltag zu einer echten Herausforderung mit steigendem Burnout-Risiko geworden. Sicher, Nachtdienste gehören schon seit Generationen zur Routine der Kliniken. Doch mittlerweile ersticken viele Mediziner in Verwaltungs- und Organisationsaufgaben, die die Computertechnologie in den letzten Jahren überhaupt erst ermöglicht hat. All diese Veränderungen des Lebensstils und der Lebensbedingungen tragen dazu bei, dass das Stress-Burnout-Phänomen kontinuierlich ansteigt.

Chronischer Stress wirkt dreidimensional auf den menschlichen Körper

Allgemeine Stressfolgen auf das gesamte Herz-Kreislauf-System durch Bewegungsmangel: Die veränderte Stoffwechselsituation provoziert das gefährliche metabolische Syndrom mit seinem »tödlichen Quartett« (Adipositas, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes). Auf der Grundlage einer Arteriosklerose droht häufig ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall.

Prävention durch atemgesteuertes Ausdauertraining: möglichst bis zu 30Minuten täglich durch Spaziergänge, Jogging, Radfahren, Schwimmen, Tanzjogging auf dem häuslichen Minitrampolin. Grundsätzlich geht es um Ausdauertraining, das Sie mit Freude und Begeisterung praktizieren.

Periphere Stressfolgen des Stütz- und Bewegungsapparates durch monotone Bedienungsarbeit bevorzugt an computergesteuerten Arbeitsplätzen, an denen die Hände als verlängerte Hebel der Maschine missbraucht werden. Jede Bewegung ist auf den energiefördernden Gegenschwung angewiesen, der aber in dieser einseitigen Frontalposition nicht vorgesehen ist. Daher lautet die moderne Berufskrankheit RSI (repetitive strain injurie). R steht dabei für die einseitige Belastung besonders der Finger- und Armbeugemuskel, S für die hierdurch provozierte lokale Stressspannung und schließlich I für Verletzung bzw. Erkrankung, die speziell in den Armen, aber auch im Nacken, im Rücken und im gesamten Becken ausgelöst wird. Das bekannte »Mausklick-Syndrom« (Karpaltunnelsyndrom) bildet dabei nur die Spitze des Eisberges aller Berufskrankheiten.

Prävention durch Gegenschwung-Stretching über jeweils sieben Sekunden. Bei monotoner Arbeitsbelastung empfiehlt sich die Dehnung im Zwei-Stunden-Rhythmus, weil ein gedehnter Muskel bei fortgesetzter Arbeit nach etwa 90Minuten wieder in eine erneute Stressspannung gerät.

Zentrale Stressfolgen erfassen das Gehirn mit seinem Zentralen Nervensystem, ausgelöst durch eine hohe Dichte zentral zu verarbeitender Sinnesreize in betonter Online-Präsenz. Die Initialzündung bei zentralem Stress geht von Schlafstörungen mit gestörtem Biorhythmus aus. Negatives Denken in Verbindung mit Sorgen und Ängsten provoziert weitere Kreativitätsverluste, und über die Depression droht nicht selten das Burnout.

Prävention durch eine neue Pausenkultur, dabei ermöglicht die Vagus-Meditation eine direkte Anwendung der Tiefenentspannung in Sekunden im Stressalltag.

Im Grunde genommen ist Stress ein Geschenk: die Reaktion unseres Körpers auf die wechselnden Herausforderungen dieser Welt, die es zu überwinden gilt – heute, morgen, ein Leben lang. Und ohne dieses innere Feuer wären alle Forscher und Entdecker bereits in ihren Startlöchern hängen geblieben.

Die durch den Stress hervorgerufene Aktivierung in einzelnen Zügen:

Schlagzahlerhöhung des Herzens mit Blutdruckanstieg

Intensivierung der Atmung

Optimale Energieversorgung der Muskulatur

Drosselung der gesamten Magen-Darm-Passage

Verbesserte Blutgerinnung gegen mögliche Kampfverletzungen

Die Stressantwort wird vom Zentralen Nervensystem über eine Hormonkaskade gestartet. Das verbindende Hormon zwischen Kopf und Körper fließt über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse mit dem CRH (Corticotrope-releasing Hormon).

Dieses Hormon setzt das ACTH (Adrenocorticoprope Hormon) frei, das dann über die Nebennierenrinde Cortisol in die Blutbahn schleust. Parallel hierzu wird der Sympathikus des vegetativen Nervensystems aktiviert, der beidseits entlang der Wirbelsäule verläuft und alle Organsysteme, die Muskulatur und die Blutgefäße beeinflusst. Aus dem Nebennierenmark werden die Hormone und Neurotransmitter Adrenalin sowie Noradrenalin freigesetzt, die das Herz-Kreislauf-System und den Kohlenhydratstoffwechsel stimulieren.

Geradezu genial verläuft die Stressantwort des Körpers in Sekunden, eine Blitzreaktion des Körpers für die aufgerufene Leistungssteigerung, wenn sie denn nach Stress folgerichtig vollzogen wird.

Und genau an diesem Punkt beginnt das Problem der Neuzeit, denn in der Online-Gesellschaft mangelt es zum einen an körperlicher Bewegung, zum anderen an regelmäßiger Erholung. In diesem Zusammenhang wurde von Bruce McEwen für Dauerstress ohne Ausgleich der Begriff »Allostatic load« geprägt, der unbehandelt zu schweren körperlichen Erkrankungen führen muss.

Ohne Verhaltensänderung durch Entspannung und Bewegung führt chronischer Stress zu einem Blutdruckanstieg mit gesteigertem Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko. Auslöser ist eine Arteriosklerose auf der Grundlage einer Energiekrise, weil das Fett nicht ausreichend verstoffwechselt werden kann. Unter Stressbedingungen fehlt der hierfür notwendige Sauerstoff. Die ungenutzte Fettenergie wird an den Innenwänden der Arterien abgelagert (speziell als »böse« LDL-Partikel), bis die Arterien schließlich ganz verstopft sind. Über die Arteriosklerose sind dann dem Herzinfarkt, dem Schlaganfall und dem Typ-2-Diabetes Tür und Tor geöffnet. Bei chronischem Stress geht jedoch auch die Cortisolausschüttung zurück, ein Anstieg der entzündungsfördernden Cytokine ist die Folge, die vom Cortisol gesteuert werden.

Stress und Arteriosklerose! Gestörter Cholesterinstoffwechsel und Entzündung zugleich. Richtwerte des »bösen« LDL-Cholesterins nicht über 100mg/dl, Entzündungsmarker CRP (high sensitiv) nicht höher als 1.0mg/dl.

Für die Einleitung der Stressreaktion gibt es einen Gefahrenmelder, der im Hirnstamm an der Unterseite des Hippocampus angesiedelt ist, der Mandelkern (Amygdala). Er bewertet die Sinnesreize emotional und stimuliert in bedrohlichen Situationen die HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse). Auf der bereits geschilderten Hormonkaskade werden in der Nebenniere Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol gebildet, die in der Lage sind, den Stoffwechsel unmittelbar hochzufahren und alle Energiereserven auf den Plan zu rufen. Dieses angeborene Dopingsystem hat in Zeiten hoher körperlicher Arbeit hervorragend funktioniert. In dieser Zeit der primären Selbstbehauptung war die gesamte Aufmerksamkeit nach außen auf Verteidigung oder Angriff gerichtet, eigene Befindlichkeiten wurden an den Rand gerückt. War die Bedrohung abgewendet, war die existentielle Tagesarbeit für die Versorgung der eigenen Familie erfüllt, kehrte das ganze System zur Normalität, d.h. zur Ruhe und Entspannung zurück, die Stresshormone im Köper bildeten sich zurück. In dieser Zeit der Regeneration konnten die geleerten Energiedepots erneut aufgefüllt werden, der gesamte Organismus kehrt wieder in das Gleichgewicht der Homöostase zurück.

Bei hoher körperlicher Arbeit bleibt ein natürlicher Rhythmus dem Menschen erhalten. Im Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung kann der Körper in den ausgewogenen Zustand der Homöostase zurückkehren.

Das Problem begann mit dem Verlust des natürlichen Wechsels zwischen Stress und Entspannung, Belastung und Entlastung. In der Hektik des Alltags folgt Stressspannung auf Stressspannung, und das in kontinuierlicher Folge. Die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol bleiben erhöht – eine Daueranspannung, der kein Mensch gewachsen ist. Das Herz schlägt nicht nur unter Belastung zu schnell, schon in Ruhe ist der Puls zu hoch. Je schneller aber das Herz in Ruhe schlägt (mehr als 70Schläge pro Minute), umso weniger Sauerstoff kann es transportieren. Sogar der eigene Herzmuskel wird nur noch unzureichend mit Sauerstoff versorgt, weil nur in der Entspannungsphase (Diastole) sauerstoffreiches Blut in den Kranzgefäßen fließen kann. Je schneller das Herz in Ruhe schlägt (z.B. im untrainierten Zustand), umso kürzer fällt die Gesamtzeit der Entspannungsphase in der Diastole aus. Auch die oberflächliche, schnelle Atmung unter Stress ist nicht ökonomisch in der Sauerstoffversorgung, weil die Lunge nur noch oberflächlich beatmet wird.

Der chronisch erhöhte Blutdruck zerstört die Innenwände der Arterien, weiße Blutkörperchen docken an den Defektstellen an, und mit der Entzündung beginnt die gefährliche Arteriosklerose.

Muskelzellen sprechen schlechter auf Insulin an und können weniger Zucker aufnehmen, damit wird Muskeleiweiß verbraucht. Die Muskeln schrumpfen, sie verlieren an Leistung, Spannungskopfschmerzen und Rückenbeschwerden werden chronische Leiden.

Stresshormone, besonders aber das Noradrenalin, drosseln die Durchblutung des Magen-Darm-Traktes. Hierdurch werden Immunzellen gehindert und Entzündungen können sich ausbreiten, der Erreger der Magenschleimhautentzündung (Helicobacter pylori) hat leichtes Spiel. Im Gehirn können die Cytokine unter chronischem Stress Nervenzellen zerstören. Ein Überangebot an Cortisol behindert den Hippocampus, der unser Gedächtnis steuert.

Stress auf Dauer frisst Nervenzellen und lässt das Gedächtnis schrumpfen.

Und dennoch ist es nicht der zu viele Stress, der uns krank macht, sondern die fehlende Entspannung. Stress löst im Menschen offensichtlich ein regelrechtes Suchtpotenzial aus, denn nichts scheint schwerer zu ertragen als eine Reihe von ruhigen Tagen. Jugendliche können kaum noch still sitzen, ohne dass die Beine in zittriges Zucken versetzt werden. Stille wird mit Langeweile gleichgesetzt, dieses »Abseits von