Der grüne Krieg - Simone Schlindwein - E-Book

Der grüne Krieg E-Book

Simone Schlindwein

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Beschreibung

Weltweit werden immer mehr Naturräume unter Schutz gestellt. Das klingt nach einem wichtigen Beitrag zur Rettung des Planeten. Doch in diesen Gebieten leben Millionen Menschen. Im globalen Süden wird den Ärmsten ein Großteil ihres fruchtbaren Ackerlandes weggenommen. Geht Artenvielfalt auf Kosten von Menschenrechten?

Simone Schlindwein hat mehr als ein Jahr im Kongo und in Uganda recherchiert. Sie berichtet davon, wie Nationalparks zu Festungen ausgebaut werden und hochgerüstete Wildhüter immer häufiger Gewalt gegen Indigene und örtliche Bauern anwenden. Als Geldgeber sind darin westliche Länder wie Deutschland verstrickt, deren Rüstungskonzerne zugleich von der Militarisierung des Naturschutzes profitieren. Dabei gäbe es zu westlichen Schutzkonzepten durchaus afrikanische Alternativen. Ein aufrüttelndes Buch.

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Über das Buch

Weltweit werden immer mehr Naturräume unter Schutz gestellt. Das klingt nach einem wichtigen Beitrag zur Rettung des Planeten. Doch in diesen Gebieten leben Millionen Menschen. Im globalen Süden wird den Ärmsten ein Großteil ihres fruchtbaren Ackerlandes weggenommen. Geht Artenvielfalt auf Kosten von Menschenrechten?

Simone Schlindwein hat mehr als ein Jahr im Kongo und in Uganda recherchiert, nicht selten unter Lebensgefahr. Sie berichtet davon, wie Nationalparks zu Festungen ausgebaut werden und hochgerüstete Wildhüter immer häufiger Gewalt gegen Indigene und örtliche Bauern anwenden. Als Geldgeber sind darin westliche Länder wie Deutschland verstrickt, deren Rüstungskonzerne zugleich von der Militarisierung des Naturschutzes profitieren. Dabei gäbe es zu westlichen Schutzkonzepten durchaus afrikanische Alternativen.

Über Simone Schlindwein

Simone Schlindwein, Jahrgang 1980, lebt seit 2008 in Uganda und ist Korrespondentin der Tageszeitung (taz) für die Region der Großen Seen: DR Kongo, Ruanda, Burundi, Uganda, Zentralafrikanische Republik, Südsudan. Von 2006 bis 2008 war sie u.a. Moskau-Korrespondentin des Spiegel. Für ihre Arbeit wurde sie u.a. mit dem Journalistenpreis »Der lange Atem« sowie dem Otto-Brenner-Preis ausgezeichnet. Zuletzt veröffentlichte sie die Bücher »Diktatoren als Türsteher Europas« (mit Christian Jakob) und »Tatort Kongo« (mit Dominic Johnson und Bianca Schmolze).

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Simone Schlindwein

Der grüne Krieg

Wie in Afrika die Natur auf Kosten der Menschen geschützt wird - und was der Westen damit zu tun hat

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

Newsletter

Vorwort

Riskante Recherche

I: Die Idee von der unberührten Wildnis — »Wir müssen draußen bleiben«

Kahuzi-Biéga: Der deutsche Park in Afrika

Vom Kleinod zum Sündenfall

Morgenappell im Dschungel

»Das ist unser Park«

Mutmaßliche Verbrecher als Tierschützer

Rückblick: Kolonien in Afrika – menschenleere zoologische Gärten?

Nationalparks als Herrschaftsraum

Grzimeks Erbe: Das verklärte Afrikabild der Deutschen

Grzimeks langer Schatten

II: Das Finanzierungsdilemma — Zwischen Nachhaltigkeit und Kommodifizierung

Hintergrund: Was kostet Naturschutz?

Trophäenjagd und legaler Elfenbeinhandel

Tourismus – eine Milliardenindustrie?

»Wildlife ist das neue Öl«

Privatisierung der Parks: »Ein Geschäftsmodell für den Naturschutz«

Deutsch-kongolesische Partnerschaft: Zur Rettung des Planeten

Schwerpunkt: Wildereibekämpfung

Vom Spendenkonto zum Hedgefonds

Das Kongobecken: Lösungsländer?

III: Aufrüstung im Nationalpark — Panzerfäuste im Dschungel

Virunga: Ein Marshall-Plan für den Ostkongo

Afrikas schwarzes Gold: Kongos Holzkohlemafia

Die Deutschen und der Virunga: Paradies und Hölle

Bohrtürme und Bestechung

Coca-Cola für Rebellen und ein Marshall-Plan für den Kongo

Inseln der Instabilität

Der Krieg gegen die Wilderei:Wie aus Wilderern Terroristen wurden

Rückblick: »Das weiße Gold des Dschihad«

Im Auftrag des WWF: Söldner- und Sicherheitsfirmen

»Unhaltbare Annahmen«

Die Militarisierung des Naturschutzes

Naturschutz 2.0: Hochtechnologie in der Wildnis

»Jurassic Park«

IV: Zäune und Territorien — »Leben am Rande der Welt«

Queen-Elizabeth-Nationalpark: Der Elefant auf dem Kürbisacker

Prinz William sei schuld

Zäune und Grenzen

Schießbefehle

Festungsschutz: Die unabhängige Republik Virunga

Rückblick: Zoologen im Dschungel

Vitshumbi: Tiere besser geschützt als Menschen

Hoffnung: Strom, Jobs und Sicherheit?

Eine Frage der Verhältnismäßigkeit

V: Die Verantwortung der Geber — Einzelfall oder System?

Salonga: Die Vorwürfe gegen den WWF

»Alles wird in Frage gestellt«

Die Untersuchung in Berlin: Wer ist verantwortlich?

Hektische Betriebsamkeit

Die Aufklärung vor Ort

Verhärtete Fronten

Das Problem mit den Prämien

Virunga: Der Fall des Gorillaretters

»Er wollte mich töten«

»Beileid für die Verhaftung«

Kahuzi-Biéga: »Sonst werden sie mit Gewalt entfernt«

Eine neue Partnerschaft?

Die Deutschen wussten Bescheid

Selfies mit den Wildhütern

Gefährliche Aufarbeitung

Die »Vertuschungskommission«

»Völlig inakzeptabel«

Fazit: Afrikanische Ansätze — »Das Haus, in dem wir leben«

»Unser Land, unsere Natur«

Anhang

Abkürzungen

Anmerkungen

Vorwort

I Die Idee von der unberührten Wildnis – »Wir müssen draußen bleiben«

II Das Finanzierungsdilemma – Zwischen Nachhaltigkeit und Kommodifizierung

III Aufrüstung im Nationalpark – Panzerfäuste im Dschungel

IV Zäune und Territorien – »Leben am Rande der Welt« 

V Die Verantwortung der Geber – Einzelfall oder System?

Fazit: Afrikanische Ansätze – »Das Haus, in dem wir leben«

Weiterführende Literatur

Dank

Impressum

Vorwort

30 x 30 – so lautet die Formel, mit der die Welt gerettet werden soll. Bis zum Jahr 2030 sollen 30 Prozent der Erdoberfläche unter Naturschutz gestellt werden. Darauf einigte sich die Weltgemeinschaft auf der internationalen Biodiversitätskonferenz im kanadischen Montréal im Dezember 2022. Ein ehrgeiziger Plan zur Rettung des Planeten.

In der Praxis bedeutet dies, dass in den nächsten Jahren bestehende Naturschutzgebiete zügig ausgebaut und neue gegründet werden müssen. Betroffen sind davon nicht die Nationalparks im Schwarzwald oder der Sächsischen Schweiz, also in den Regionen, deren Gesellschaften maßgeblich für den Klimawandel und das Artensterben verantwortlich sind. Im Gegenteil, der Fokus liegt auf denjenigen Schutzgebieten in den tropischen Regenwäldern, wo es die meiste Artenvielfalt zu schützen gibt: dem Amazonasgebiet in Südamerika, dem Kongobecken in Afrika, den Wäldern und Küsten Indonesiens, also im Globalen Süden. Im dortigen Regenwald soll nun bewahrt werden, was die entwickelten Industriegesellschaften andernorts durch ihren Überkonsum zerstört haben. Die westlichen Länder, allen voran Deutschland, sind bereit, das zu bezahlen. Denn, so die Bundesregierung: »Der Erhalt der Wälder des Kongobeckens als globales Gut liegt im Interesse der gesamten Weltbevölkerung.«1

Während die 15.000 Konferenzteilnehmer aus fast 200 Staaten in Montréal das »historische Abkommen« feierten, regte sich überall in den Regenwäldern des Globalen Südens Widerstand. Denn dieser 30 x 30-Plan ist nicht unumstritten. Seit die Idee im Jahr 2019 zum ersten Mal von Wissenschaftlern und Aktivisten aufgebracht wurde, wehren sich Menschenrechtsorganisationen in den betroffenen Regionen dagegen. Sie bezeichnen dieses Vorhaben als »den größten Landraub der Geschichte«.2

Bis zu 300 Millionen Männer, Frauen und Kinder wären von diesem 30 x 30-Deal betroffen, viele von ihnen Angehörige indigener Völker, warnt eine Online-Petition, die zahlreiche Menschenrechtsorganisationen und Aktivisten aus Afrika und Asien im Vorfeld des Artenschutzgipfels unterzeichnet haben.3 Denn der Ausbau der Schutzgebiete bedeutet für die lokale Bevölkerung meist Vertreibung von ihrem Land. Naturschutzkonzepte, wie sie bisher diskutiert wurden, folgen vor allem einer Idee: die Menschen aus der zu schützenden Wildnis zu verbannen.

»Dieser zukünftige Landraub muss gestoppt werden«, forderte Ladislas Désiré Ndembet, Ökologe von der Umweltorganisation Synaparcam aus Kamerun am Rande des Gipfels: »30 Prozent des Territoriums, das unter Naturschutz gestellt werden soll, ist viel zu viel für arme oder sich entwickelnde Länder wie in Afrika«, erklärte er. »Dieses Projekt wird die schlechte Regierung, unter der wir bereits leiden, noch verstärken; es wird die Korruption erhöhen und die Armut vergrößern.«4

In Deutschland herrscht wiederum die Meinung vor, dass man mit Naturschutz nichts falsch machen kann. Im BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), welches die deutschen Naturschutzanstrengungen im Ausland umsetzt, ist man der Ansicht, dass Naturschutz eine positive Entwicklung für die Menschen automatisch im Schlepptau hat. Deswegen werden die Gelder, die nun im großen Stil für den Artenschutz bereitgestellt werden, aus dem Budget der Entwicklungszusammenarbeit beglichen.

Die Bundesregierung ist ein gewaltiges Kraftzentrum. Sie ist mittlerweile größter Geber für Natur- und Artenschutzprojekte weltweit und finanziert bereits jetzt Schutzgebiete von der sechsfachen Fläche der Bundesrepublik. Die Ampelregierung will in Zukunft jährlich bis zu 800 Millionen Euro für Artenschutz bereitstellen, wie sie in ihrem Haushaltsplan angekündigt hat. Dies wird innenpolitisch als Erfolg gewertet, noch bevor das Geld ausgegeben ist.

Während der zweiwöchigen Verhandlungen in Montréal haben sich die teilnehmenden Staaten auf eine Finanzierung von insgesamt 200 Milliarden Dollar jährlich für Artenschutzvorhaben geeinigt. Darunter fallen Transferzahlungen der reicheren Staaten an die Länder des Globalen Südens, private Investitionen sowie Gelder, die auf den Kapitalmärkten als Rendite großer Fonds eingespielt werden.

An vorderster Front im Kampf gegen den Klimawandel und das Artensterben stehen in Zukunft Staaten wie die Demokratische Republik Kongo. Das Kongobecken ist das zweitgrößte zusammenhängende Regenwaldgebiet der Erde nach dem Amazonas. Ein Großteil dieses Urwaldes liegt in der Demokratischen Republik Kongo, ein Land so groß wie Westeuropa. Es wird damit zum Schwergewicht in den Verhandlungen. Kongos Regierung hat weitreichende Zusagen gemacht, die Quadratmeterzahl der Naturschutzgebiete des Landes in den nächsten Jahren zu verdoppeln. Dies entspräche der Fläche Deutschlands, die dann im Kongo unter Schutz stünde – ein entscheidender Beitrag, das 30 x 30-Ziel zu erreichen.

Dies setzt Kongos Regierung nun gezielt ein und verlangt dafür Geld in großem Umfang. Fast hätte Kongos Verhandlungsführerin Ève Bazaiba in Montréal den Deal platzen lassen. Der Grund: »Wir können diese Anstrengungen nicht ohne mehr Finanzmittel akzeptieren.« Rückenwind bekam sie dafür von anderen afrikanischen Ländern. Kongos Naturschutzsektor wird schon von jeher fast vollständig aus dem Ausland bezuschusst. Hauptgeldgeber war bislang Deutschland. Seit über 30 Jahren finanziert die Bundesrepublik mit Geldern aus der wirtschaftlichen Zusammenarbeit Kongos Naturschutzbehörde. Dass die Gorillas die zahlreichen Kriege im Herzen Afrikas überlebt haben, das schreiben sich die Deutschen auf die Fahnen.

Doch den ärmsten Gemeinden der Welt einen Teil ihres fruchtbaren Ackerlandes wegzunehmen und es unter Naturschutz zu stellen, führt unweigerlich zu Konflikten. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung rund um die Parks rasant. Die von Jahrzehnten des Krieges gebeutelten Kongolesen haben immer weniger Ackerland für immer mehr hungrige Mägen zur Verfügung.

Sie zahlen nun den Preis, denn in den Augen westlicher Naturschutzorganisationen gelten diese Menschen als Bedrohung, seit Jahrzehnten gibt es enorme Probleme mit Wilderei auf dem Kontinent. Angeblich finanzieren sich afrikanische Terrormilizen durch den Handel mit Elfenbein. Tierschützer hatten vor zehn Jahren schon Alarm geschlagen, dass bald kein Elefant mehr auf dem Kontinent übrig sei, wenn nicht eine radikale Trendwende einsetzt. In Washington wurde daraufhin 2012 der Krieg gegen die Wilderei ausgerufen. Im Zuge des internationalen Kampfs gegen den Terror wurden die Wilderer zu Terroristen erklärt. Die Folge war, dass Afrikas Nationalparks hochgerüstet wurden und sich somit ein radikaler Paradigmenwechsel vollzog.

Kongo ging da mit bestem Beispiel voran: Die Wildhüter wurden von westlichen und israelischen Militärs im Kampf gegen Terroristen fit gemacht und mit Drohnen und satellitengestützter Überwachungstechnologie ausgestattet. In einigen Ländern sind die Parkwächter mittlerweile besser trainiert als die Soldaten der staatlichen Militärverbände. Sie werden zu neuen Macht- und Gewaltakteuren, die mitunter auch Menschenrechtsverbrechen begehen. Unterstützt werden sie von der westlichen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Deutschlands führende Rüstungsschmiede Rheinmetall entwarf dafür neue Konzepte, mit denen sie Afrikas Naturschutzbehörden und deren Parks als Kunden gewinnen will.

Gleichzeitig werden meterhohe, überwachte Zaunanlagen am Rande des Regenwalds über den Äckern der örtlichen Bauern errichtet, um die Tiere drinnen und die Menschen draußen zu halten. Der Virunga-Nationalpark im Ostkongo wurde mit europäischen Entwicklungsgeldern zur Festung ausgebaut. Geholfen hat dies alles wenig. Im Frühjahr 2022 überrannten erneut Rebellen den Park, die Parkverwaltung und die Wildhüter mussten fliehen. Dabei hatten die Sicherheitsmaßnahmen zuvor einen Großteil des von der EU bereitgestellten Budgets verschlungen, das eigentlich die lokale Bevölkerung am Rande des Parks unterstützen sollte.

Leidtragende sind neben den örtlichen Bauern, deren Äcker nun zum Schutzgebiet ausgebaut werden, die Indigenen wie die Batwa, deren ursprünglicher Lebensraum mit den darin liegenden Kultstätten für sie zur verbotenen Zone wird. In dem von Deutschland finanzierten Kahuzi-Biéga-Nationalpark unternahmen Parkwächter gezielt Terroroperationen gegen die Batwa, um sie endgültig aus dem Wald zu vertreiben. Sie brannten deren Dörfer nieder. Kinder starben in den Flammen, Frauen wurden vergewaltigt – von genau jenen Wildhütern, deren Gehälter mit deutschen Steuergeldern aufgestockt werden.

Die Bundesregierung bezeichnete diese Übergriffe zunächst als »tragische Einzelfälle« und wies jede Verantwortung weit von sich. Nach intensiven Recherchen, unter anderem von der tageszeitung, wurde die Finanzierung letztlich eingefroren, weil internationale Menschenrechtsstandards schlichtweg nicht eingehalten wurden. Das passiert, wenn man die Rettung des Planeten Staaten wie dem Kongo überlässt.

Riskante Recherche

Dieses Buch ist das Ergebnis jahrelanger, zum Teil lebensgefährlicher Recherchen rund um die Nationalparks in Uganda und der Demokratischen Republik Kongo sowie zahlreicher Gespräche und Interviews mit Akteuren im Natur- und Artenschutz weltweit, auch in Deutschland. Als in den Jahren 2017 und 2018 die ersten brutalen Übergriffe durch Wildhüter publik wurden, klangen diese Meldungen zunächst tatsächlich wie Einzelfälle. Gleichzeitig meldeten afrikanische Naturschutzbehörden und internationale NGOs immer mehr Erfolge in ihrem »Krieg gegen die Wilderei«, wie sie es nennen. Die Zahl der getöteten Elefanten auf dem Kontinent sank rapide, die Bestände gefährdeter Tiere, auch der Gorillas, erholten sich. In diesem Zusammenhang ließen sich die Übergriffe der Wildhüter gegen lokale Gemeinden als Kollateralschäden betrachten. Aber sie häuften sich. Und damit stellte sich die Frage, ob diese Vorfälle Folgen des militärischen Trainings der Wildhüter waren, die von westlichen Partnern und Naturschutzorganisationen durchgeführt und finanziert wurden. Handelte es sich vielleicht um ein strukturelles Problem?

Ausgestattet mit Stipendien des Netzwerks Recherche gemeinsam mit der gemeinnützigen Olin gGmbH und dem Kartografen-Stipendium vom Verein Fleiß und Mut e.V. sowie mit Reisekostenzuschüssen vom Auslandsrecherchefonds der tageszeitung bin ich von Januar 2019 bis März 2020 zum Teil wochenlang rund um die jeweiligen Parks von Dorf zu Dorf gefahren und marschiert, habe zahlreichen Gemeindevorstehern Formulare und Stifte ausgehändigt, um die Übergriffe der Wildhüter gegenüber der Bevölkerung zu protokollieren. Ich stand monatelang in Telefonkontakt mit den Dorfchefs und bin immer wieder vor Ort gewesen, um letztlich die Opfer aufzusuchen und deren Aussagen auch per Video zu dokumentieren.

Im Anschluss habe ich die jeweiligen Parkverwaltungen mit den Vorfällen konfrontiert und versucht, deren Aussagen mit aufzunehmen, ebenso die der Wildhüter. Dadurch wurde aus dramatischen Einzelfällen eine Serie, die im Gesamtzusammenhang eine erschreckende Systematik besitzt. Ein ugandischer Dorfvorsteher fragte sogar, ob die westlichen Militärtrainer den Wildhütern das Töten beigebracht hätten. Auch die Sponsoren dieser Parks, darunter die Bundesregierung sowie die Europäische Union (EU), aber auch private Stiftungen und NGOs habe ich mit den Menschenrechtsverletzungen konfrontiert. Sie zeigen sich zwar entrüstet und bedauern die Vorfälle zutiefst. Eine Verantwortung als Geber, selbst eine indirekte, weisen sie jedoch weit von sich.

Dieses Buch ist eine Bestandsaufnahme der derzeitigen Konfliktlage rund um die Nationalparks. Sie stellt die Basis dar für eine Debatte über die Frage, wie wir Natur- und Artenschutz in der Zukunft gestalten wollen.

Der erste Teil beschreibt die Hintergründe und Entstehung der menschenleeren Nationalparks in Afrika von der Kolonialzeit bis heute, auch den deutschen Beitrag dazu und dessen Folgen.

Im zweiten Teil wird die Finanzierungsproblematik dieser Schutzgebiete nach der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten skizziert. Dabei zeigt sich: Das finanzielle Engagement der westlichen Länder ist nicht neu im Inhalt, aber neu im Umfang. Die Bundesrepublik ist führend, milliardenschwere Fonds zur nachhaltigen Finanzierung von Schutzgebieten an den Kapitalmärkten aufzusetzen. Im Rahmen des Kartografen-Stipendiums hat die tageszeitung versucht, auf ihrem Schwerpunkt Die Grüne Armee einen Gesamtüberblick über alle deutschen Gelder der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich Natur- und Artenschutz für Afrika herzustellen (Stand: März 2020) und den Geldflüssen zu folgen. Doch, wie dieses Buch zeigt, sind die Wege dieser Transferzahlungen mitunter kaum nachvollziehbar.

Der dritte Teil geht auf die Militarisierung der Naturschutzbehörden ein und erklärt, wie es zum sogenannten Krieg gegen die Wilderei kam, der 2012 in Washington ausgerufen wurde. US-amerikanische und britische Militärs reisten nach Afrika, um die Wildhüter gegen Terroristen fit zu machen. Israelische Söldnerfirmen wurden von Naturschutzorganisationen angeheuert, in den Nationalparks aktiv gegen Milizen vorzugehen. Anhand der Beispiele des Kahuzi-Biéga- sowie des Virunga-Nationalparks im krisengeplagten Ostkongo und dem angrenzenden Queen-Elizabeth-Nationalpark in Uganda werden die Folgen dieser militärischen Herangehensweise aufgezeigt und wird der Frage nachgegangen, was dies für die tägliche Arbeit der Ranger bedeutet.

Der vierte Teil zeigt aus der Sicht der lokalen Bevölkerung rund um die Parks, welche gravierenden Konsequenzen diese Militarisierung der Wildhüter für die umliegenden Gemeinden hat, wenn plötzlich überwachte Zaunanlagen auf ihren Äckern errichtet sowie Fischer, Bauern und Bäuerinnen von bewaffneten Wildhütern festgenommen werden, weil sie angeblich in den Park eingedrungen seien. Einige Menschen werden, wie dieses Buch zeigt, sogar angeschossen oder getötet. Indigene Gemeinden wie die der Batwa werden systematisch zu Opfern militärischer Operationen zur gezielten Vertreibung aus den Parks, weil den Rangern beigebracht wurde, in ihnen Feinde zu sehen.

Im fünften und damit letzten Teil wird der Frage nachgegangen, wie die EU und die Bundesregierung und ihre Behörden mit diesen Vorfällen in Afrika umgehen und welche Verantwortung sie tragen. Denn ein Großteil der Gehälter für diese Wildhüter stammt aus deutschen und europäischen Steuergeldern. Die Bundesregierung finanzierte sogar eine Untersuchungskommission, die in den Dschungel reiste und dort die Batwa-Vorsteher einschüchterte – ein absoluter Skandal.

Ein kongolesischer Menschenrechtsanwalt fasste die Lage im Interview für dieses Buch so zusammen: »Wir sehen immer mehr, dass die Ranger die Menschen wie Tiere behandeln – und die Tiere im Kongo besser geschützt sind als wir Menschen.«

I

Die Idee von der unberührten Wildnis

»Wir müssen draußen bleiben«

Kahuzi-Biéga: Der deutsche Park in Afrika

Es war kurz nach Mitternacht, als eine Kugel das Vorhängeschloss an der Holztür sprengte. Dutzende Wildhüter und Soldaten stürmten die armselige Lehmhütte von Jean-Marie Kasula. Die bewaffneten Männer zerrten den Chef der Batwa aus dem Bett und legten ihm Handschellen an, seiner Frau ebenso. Barfuß wurden die beiden gemeinsam mit vier weiteren Dorfbewohnern abgeführt, erzählte Kasulas Schwägerin Jacqueline Zimire später: »Sie haben uns in Angst und Schrecken versetzt und die letzten Habseligkeiten geklaut.«1

Das Dorf Muyange liegt malerisch an einem dicht bewaldeten Berghang im Osten der Demokratischen Republik Kongo: rund ein Dutzend windschiefer Lehmhütten mit Strohdächern, eingeklemmt zwischen den Maisfeldern der örtlichen Bauern und dem Regenwald des Kahuzi-Biéga-Nationalparks in der Provinz Süd-Kivu. Zwischen den Hütten spielen barfüßige Kinder im Dreck, unterernährt und schmutzig.

Die indigene Volksgruppe der Batwa, auch Pygmäen genannt, besitzt kein Land. Ihre Angehörigen wohnten ursprünglich im Wald und lebten von dessen Früchten, Honig und der Jagd. Doch seitdem sie bei der Gründung des Parks in den 1970er-Jahren aus dem Wald ausquartiert wurden, verdingen sie sich auf den Feldern der benachbarten Bauern für umgerechnet nicht einmal einen Euro pro Tag. Die Batwa sind bei weitem die ärmste Bevölkerungsgruppe im Kongo.

Knapp eine Woche nach seiner Verhaftung Ende Januar 2020 begann unweit von Muyange der Prozess gegen den Batwa-Chef vor dem Kriegsgericht; ein Schauprozess unter freiem Himmel, nur knapp einen Kilometer vom Haupteingang des Kahuzi-Biéga-Nationalparks entfernt. Soldaten stellten Tische, Stühle und Sonnenschirme auf einer Straßenkreuzung auf. Dahinter prangte ein Werbeplakat mit einem Gorilla: »Willkommen im Kahuzi-Biéga«.

Ein Gerichtshelfer in Flecktarnuniform breitete Kongos himmelblaue Nationalflagge als Tischtuch auf der Richterbank aus und postierte darauf ein rostiges AK-47-Sturmgewehr mit der Registriernummer 9664 – das zentrale Beweisstück im Verfahren. Militärstaatsanwalt Julien Luemba brüllte seine Anklagepunkte ins Mikrofon: »Bildung einer bewaffneten Gruppe, illegaler Waffenbesitz und Zerstörung von Flora und Fauna.« Die Parkverwaltung hatte zusätzlich fünf zivile Anwälte als Kläger geschickt. Diese argumentierten: Der Klimawandel und das Artensterben seien eine weltweite Bedrohung. »Doch während die einen bereit sind, für den Schutz der Natur zu sterben, bedroht Kasula das Ökosystem.«

Die Anklage präsentierte anschließend das Opfer: Parkwächter Assani Bongabonga zeigte dem Militärrichter seine verwundete Hand, ein glatter Durchschuss. »Es war am 17. Juli 2019, als wir morgens um neun Uhr auf Patrouille durch Muyange kamen, nur 15 Meter vom Park entfernt«, stotterte er. »Wir trafen auf Leute, die Holzkohle herstellten, und wollten sie verhaften. Eine Kugel traf mich in die Hand.« Der Richter fragte den Wildhüter, ob er erkannt habe, wer geschossen habe. Da zeigte Bongabonga auf Kasula.

Die sechs angeklagten Batwa standen hinter einer erhöhten Holzbank in der prallen Sonne. Schweiß tropfte ihnen von der Stirn. Die kleinwüchsigen Männer und Frauen waren barfuß und trugen zerlumpte Häftlingskleidung. Nach einer Woche Gefängnis sahen sie verwahrlost und geschwächt aus. Einer zitterte so sehr, dass er sich setzen musste. Die Haftbedingungen im Kongo sind mit die schlimmsten weltweit.

Chef Kasula konnte dem Verfahren kaum folgen, denn der Dolmetscher neben ihm übersetzte nur das Nötigste. Und auch sein Pflichtverteidiger Serge Bufole wirkte sichtlich überfordert. Er sei erst eine Stunde vor Prozessbeginn aus dem Bett geklingelt worden, habe sich nicht vorbereiten können, gab er zu. »Der kongolesische Staat hat nicht nur die internationalen Konventionen des Naturschutzes, sondern auch der Menschenrechte unterzeichnet«, argumentierte er gegenüber den Richtern: »Der Park hat den Batwa Land versprochen, doch dies ist nie geschehen – jetzt sollen sie also im Gefängnis sterben?«

Vom Kleinod zum Sündenfall

Über 6000 Kilometer liegen zwischen dem Kahuzi-Biéga-Nationalpark und dem von deutscher Seite zuständigen BMZ mit den beiden Häusern in Bonn und Berlin. Doch beide trennen Welten. Der Kahuzi-Biéga ist das Kleinod der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit dem Kongo, quasi das Aushängeschild der deutschen Naturschutzanstrengungen im gesamten Kongobecken. Jeder deutsche Botschafter, der in den Kongo abgesandt wird, besucht in dem Park die gefährdeten Gorillas.

Allerdings hat der Kahuzi-Biéga wie so viele Nationalparks auf dem Kontinent eine gewaltsame Vergangenheit. Er wurde 1970 im Osten des damaligen Zaire von belgischen Naturschützern gegründet. Die Aktivisten der ehemaligen Kolonialmacht hatten den zairischen Diktator Mobutu Sese Seko, einen fanatischen Großwildjäger, der sich in Leopardenfelle kleidete, überzeugt, die großen Wildtiere wie die Gorillas unter Schutz zu stellen. 1976 wurde der Park auf 6000 Quadratkilometer erweitert – ausgerechnet in jenem Gebiet, wo die Batwa ihre rituellen Kultstätten im Wald eingerichtet haben, bei den Gräbern ihrer Vorfahren. Die Erweiterung führte letztlich zur Vertreibung von rund 13.000 Menschen, darunter 6000 Batwa.2

Bekannt ist der Kahuzi-Biéga heute als eines der weltweit letzten Reservate der Östlichen Flachlandgorillas, auch Grauergorillas genannt. Ihre Zahl wird auf rund 250 geschätzt.3 Diese sollen von Kongos Naturschutzbehörde ICCN (Institut Congolais pour la Conservation de la Nature) im Auftrag der Menschheit geschützt werden. 1980 hat die UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) den Park zum Weltkulturerbe erklärt.4 2019 wurde er auf der Berliner Tourismusmesse ITB ausgezeichnet als eine der Top-100-Touristenattraktionen.5

Seit 1986 ist die Bundesregierung der wichtigste Geldgeber des Parks. Selbst als in den 1990ern und den frühen Nullerjahren alle offiziellen Beziehungen eingestellt waren, weil das Land im Krieg versank und keine gewählte Regierung mehr hatte, hielt Deutschland die Finanzierung des Kahuzi-Biéga aufrecht. Im Auftrag der GTZ (Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit) hatte der Schweizer Carlos Schuler den Park jahrzehntelang unter Einsatz seines Lebens und mit großen Schwierigkeiten verwaltet, selbst als Rebellen das Gebiet erobert hatten.6 Ihm ist es zu verdanken, dass die Gorillas diese gewaltsame Zeit überlebten. Er ist mit der Tochter des belgischen Parkgründers Adrien Deschryver verheiratet und hat damals die ersten Batwa als Fährtenleser eingestellt. In Bonn und Berlin rühmt man sich, dass ohne die eigene Unterstützung die Gorillas den Krieg nicht überstanden hätten. Kongolesen in der Region nennen den Kahuzi-Biéga deswegen auch den »Deutschen Park«.

Doch diese Zusammenarbeit entpuppte sich in den vergangenen Jahren als Sündenfall. Der erste Übergriff ereignete sich im August 2017, als ein Batwa-Junge von einem Wildhüter erschossen wurde. Der Vater des Jungen wandte sich mit Hilfe von CAMV (Centre d’Accompagnement des Autochtones Pygmées et Minoritaires Vulnérables) per Brief direkt an die Entwicklungsbank KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) in Frankfurt, die für die Finanzierung zuständig ist. »Der Park ist unser traditioneller Lebensraum«, erklärte er in seinem Schreiben. »Unsere Vorfahren haben immer in Eintracht mit der Natur und den Tieren gelebt.« Doch dann seien sie gewaltsam vertrieben worden. »Und jetzt leiden wir auch noch unter den Angriffen.«7 Die Batwa heute seien nicht mehr bei so guter Gesundheit wie noch ihre Großeltern. Sie hätten nicht genügend zu essen und litten daher an Krankheiten, verursacht durch Unterernährung und Mangelerscheinungen. »Ein Teil unserer Kultur ist es, im Wald nach verschiedenen Heilpflanzen zu suchen, die der Behandlung dieser Krankheiten dienen.« Deswegen sei er im August 2017 mit seinem Sohn in den Park gegangen, denn dieser litt an Durchfall und Erbrechen. Dort sei er auf die Wildhüter gestoßen. Einer habe gerufen: »Schieß nicht auf den Jungen!« Der andere habe geantwortet: »Wir werden sie alle ausrotten.« Der Vater konnte davonlaufen, doch die Kugel habe den Sohn getroffen. »Er war gerade einmal 17 Jahre alt.«

Das Schreiben des verzweifelten Batwa-Vaters erzeugte in den deutschen Behörden Betriebsamkeit. Dies geht aus der internen Kommunikation zwischen der KfW in Frankfurt und dem BMZ in Bonn hervor, die die internationale Menschenrechtsorganisation Minority Rights über eine Akteneinsicht gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz erhalten hat. In ihrem Antwortschreiben an den Vater des toten Jungen versicherte die KfW, dass Menschenrechte sowie die Rechte der Indigenen »Schlüsseldirektiven« ihrer Arbeit seien.8 Mit dem Parkchef vereinbarten die Deutschen, dass eine »außergerichtliche Lösung« erzielt werden solle. »Der Schütze sei weiterhin in Bukavu in Haft und solle nach erfolgreicher Verhandlung mit der Familie freigelassen werden«, heißt es in einer internen E-Mail der KfW an das BMZ vom 16. April 2018.9

Eine deutsche Delegation machte sich auf den Weg in den Kongo.10 Nach der Rückkehr berichteten KfW-Vertreter an das Ministerium: »Wir haben sowohl das Hauptquartier des Parks selbst als auch mehrere Gemeinden in der Randzone besucht.« Erneut wurde versichert, dass der Parkchef auf einem guten Weg sei, eine Einigung mit der Batwa-Familie zu erzielen. »Über ICCN-interne Konsequenzen sollte nach der Entlassung entschieden werden.« Die Deutschen hätten Kongos Naturschutzbehörde ICCN, die für die Parks zuständig ist, »gebeten«, über den weiteren Verlauf informiert zu werden.11

Für die deutschen Behördenvertreter kam die Ermordung des Jungen zur Unzeit. Gerade hatte das BMZ weitere Naturschutzprojekte im Kongo geplant. Zu deren Finanzierung über die KfW war ein großer Naturschutzfonds eingerichtet worden – ein gigantisches Unternehmen mit deutschen Steuergeldern in Millionenhöhe. Die Bundesrepublik wollte im Kongo ihre ehrgeizigen Zusagen umsetzen, die sie auf internationalen Klima- und Artenschutzkonferenzen gemacht hatte. Der Vorfall im Kahuzi-Biéga drohte nun, diese Vorhaben in Frage zu stellen. In einem internen Schreiben der KfW wurde darauf hingewiesen, dass Presse und Opposition (Bundestagsfraktion Die Linke) bereits aufmerksam geworden seien.12 Der Abgeordnete Uwe Kekeritz von Bündnis 90/ Die Grünen plante eine Reise in den Kongo, auch in den Kahuzi-Biéga, um sich vor Ort selbst zu informieren.

Dringlichkeit war also angesagt, im Falle des toten Jungen eine Lösung zu erzielen. Schließlich spendierte die Parkverwaltung der betroffenen Batwa-Familie ein neues Holzhaus sowie »Zahlungen zum Aufbau einer kommerziellen Tätigkeit« im Wert von umgerechnet 5000 Euro.13 Der Schütze wurde verurteilt und landete im Gefängnis. Damit war das Problem, in den Augen der Geber ein »Einzelfall«, vorerst gelöst.14 Doch dann häuften sich in den darauffolgenden Jahren die Vorfälle, die in der Verhaftung von Batwa-Chef Kasula gipfelten.

Morgenappell im Dschungel

Anfang Februar 2020 hingen dunkle, schwere Wolken über den Baumkronen des Regenwaldes. Die hohen Gipfel der beiden erloschenen Vulkane Kahuzi und Biéga, die dem Nationalpark seinen Namen geben, sind selten klar auszumachen. Wer mit dem Auto 30 Minuten von Süd-Kivus Provinzhauptstadt Bukavu in den Dschungel hineinfährt, passiert neben dem Eingang zum Hauptquartier der Parkverwaltung ein handgemaltes, großes, bereits sehr altes Schild mit einer deutschen und einer kongolesischen Flagge: »Finanzkooperation« steht dort in roten und blauen Lettern.

Wie jeden Tag, so standen auch an diesem Morgen die Parkwächter stramm zum Morgenappell. Rund 100 Männer in grünen Uniformen, Gummistiefeln und mit Sturmgewehren salutierten auf dem zentralen Paradeplatz vor Parkchef De-Dieu Bya’ombe. »Wie steht es um eure Moral?«, fragte der Direktor seine Wildhüter. »Gut, Sir!«, antworteten die Ranger im Chor. Der Parkchef machte sich dennoch Sorgen. Seit 2008 bezahlte die Entwicklungsbank KfW den 225 Rangern einen monatlichen Bonus auf ihr geringes Staatsgehalt, um sie für die Arbeit zu motivieren. Doch dieses Geld sei seit fünf Monaten nicht ausbezahlt worden, klagte Bya’ombe. »Wir sind in Gesprächen mit den Deutschen und hoffen, dass ihr bald Geld auf eurem Konto habt«, versicherte er seinen Truppen und ließ sie abtreten. Die KfW gab auf Anfrage an, sie könne »aus vertragsrechtlichen Gründen« zu Zahlungen »keine Auskünfte« geben.15

Seit seiner Ernennung zum Parkdirektor Anfang 2018 kämpfte sich Bya’ombe durch eine lange Liste an Problemen, denn das Ausbleiben der deutschen Gelder bedeutete für den Park: keine Gehaltsprämien für die Wildhüter, kein Benzin in den Fahrzeugen, keine Lebensmittelpakete für seine Ranger, die täglich Dutzende von Kilometern durch das dichte Unterholz marschieren, zählte der Parkchef auf. »Und es gab Drohungen, sodass wir die Touristen nicht gut schützen können«, merkte er an. Es gibt bis heute zahlreiche bewaffnete Gruppen im Park, die sich um die Ausbeute aus den Coltan- und Gold-Minen im Dschungel streiten.16

Doch was viel schlimmer sei, so der Parkchef: »Das erste Mal in 50 Jahren ist der Park gefährdet durch Rodung.« Täglich konfiszierten seine Wildhüter Lastwagen, vollbeladen mit Holzkohle, die vom Park in die Provinzhauptstadt Bukavu fahren – ein Millionengeschäft, das in anderen Landesteilen von mafiösen Netzwerken aus bewaffneten Milizen, korrupten Staatsangestellten und Armeeoffizieren betrieben wird. Im Kahuzi-Biéga habe es noch nie Probleme mit der Holzkohlemafia gegeben. Jetzt sei jedoch Batwa-Chef Kasula für die Zerstörung von über 400.000 Hektar verantwortlich, so Bya’ombe. Dabei habe der Park mit den Batwa eigentlich ein gutes Verhältnis: 36 Batwa-Männer seien als Wildhüter und Fährtenleser angestellt. »Ein gefährlicher Job«, betonte der Parkchef. Bei Versuchen, die »Kasula-Bande« zu verhaften, seien ein Wildhüter getötet und fünf verletzt worden, zwei Waffen seien entwendet worden, berichtete er. Dies habe letztlich zur Entscheidung geführt, das Militär einzuschalten und Kasula zu verhaften.

Parkchef Bya’ombe wollte das Problem schnell lösen, denn er hat große Pläne: Er will den Nationalpark um ein Dutzend Hektar erweitern, um den Wildtieren im Tal zwischen den Vulkanen Migrationskorridore zu eröffnen – ausgerechnet in jener Region, wo die Batwa ihre Kultstätten im Wald haben. Die Korridore sind wiederum Teil eines größeren Vorhabens: Kongos Regierung hat auf internationalen Konferenzen zugesagt, sie wolle in den nächsten Jahren den Anteil des Waldes, der im Kongo unter internationalen Naturschutzrichtlinien steht, von acht Prozent auf 15 Prozent ausweiten.17 Das entspräche der Fläche der Bundesrepublik. Um das Vorhaben zu finanzieren, wurde von deutscher Seite bereits ein gut ausgestatteter Fonds aufgesetzt.

Doch bei der Umsetzung der Pläne ergeben sich vor allem in den dicht bevölkerten Landesteilen rund um die Nationalparks jede Menge Hürden, vor allem in den Parks im Osten des gewaltigen Landes, einer Region, die seit Jahrzehnten von Bürgerkriegen erschüttert wird. Der Parkchef selbst vermutete im Interview, dass mächtige Leute in der Politik die Fäden ziehen. Seit den Wahlen 2018 ist die Provinz Süd-Kivu Austragungsort zahlreicher nationaler Machtkämpfe, denn Vital Kamere, einst Oppositionsführer und später Kabinettschef von Präsident Felix Tshisekedi – bevor er verhaftet und ins Gefängnis gesperrt wurde –, stammt von hier. Und auch wichtige Leute aus dem Machtzirkel um Ex-Präsident Joseph Kabila in der 2000 Kilometer entfernten Hauptstadt Kinshasa haben rund um den Park wirtschaftliche Interessen. Kabilas Frau Olive besitzt dort Ländereien – Gebiete, die nun bei der geplanten Erweiterung der Parkgrenzen und Fragen der damit einhergehenden Kompensationszahlungen eine Rolle spielen.

Bya’ombe berichtete, dass der Park von mächtigen Landeigentümern bereits wegen »Landraub« verklagt worden sei. Kasula werde von diesen Akteuren für ihre Zwecke eingespannt, da sei er sich sicher. Denn klar sei, »Kasula hat mit der Holzkohle kein Geld gemacht. Es gibt andere, die sich in Bukavu davon große Häuser gebaut haben.« Doch wer diese Leute sind, darüber schwieg er sich aus. Er beschuldigte stattdessen lokale NGOs, die Batwa zu »manipulieren«, wie er es ausdrückte.

Vor allem meint er damit die Menschenrechtsorganisation CAMV in Bukavu, die bei internationalen und nationalen Verhandlungen die Batwa vertritt. CAMV-Direktor Pacifique Mukamba saß am Tag vor Prozessbeginn in seinem kleinen Büro in der nur 30 Kilometer vom Park entfernten Provinzhauptstadt Bukavu an einem Konferenztisch. Er klappte seinen Laptop auf und zeigte einen Ordner voller Dokumente: Gerichtsakten von zahlreichen Verfahren, Beschwerdebriefe an die Parkverwaltung und das ICCN in der Hauptstadt. Der Konflikt zwischen dem Park und den Batwa sei schon so alt wie der Park selbst, erklärte er. »Doch die Lage war noch nie so heiß wie jetzt.« Noch vor wenigen Tagen habe er mit dem Parkdirektor an diesem Tisch gesessen: »Wir haben friedlich diskutiert, wie wir das Problem lösen können«, so Mukamba. Von einem Verfahren vor dem Militärtribunal sei dabei keine Rede gewesen.

Mukamba öffnete ein Dokument auf dem Laptop: einen Bericht, der die komplexen Ereignisse aufdröseln soll, die zur Verhaftung von Kasula geführt haben. »Sieben Batwa sind seit 2017 von Parkwächtern getötet worden – und ein Wildhüter ist gestorben«, fasste er die Ergebnisse zusammen. »Es ist das erste Mal, seitdem der Park existiert, dass es Tote gibt – da fragt man sich doch: was ist hier los?«

Seiner Vermutung nach spielen im Hintergrund die weltweiten Diskussionen um die richtigen Ansätze für den Natur- und Artenschutz eine Rolle. International distanziert man sich mittlerweile von den Konzepten der menschenleeren Nationalparks und will der indigenen Bevölkerung in diesen Naturschutzgebieten mehr Mitsprachemöglichkeiten einräumen. Auch Kongos Regierung hat 2007 die UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker unterzeichnet.18 In nationales Recht überführt wurde diese Deklaration jedoch lange nicht. Erst 2021 ratifizierte das Parlament ein entsprechendes Gesetz, das im Mai 2022 vom Senat bestätigt und im Juni von Präsident Tshisekedi unterzeichnet wurde.19 Wegen der Verzögerungstaktik hätten sich die Fronten in den vergangenen Jahren allmählich verhärtet, erklärte Mukamba: »Wir verlangen von der Regierung, die neuen internationalen Leitlinien einzuhalten, die den indigenen Völkern ein Mitspracherecht im Naturschutz einräumen.« Die Batwa berufen sich insbesondere auf den 2014 aufgesetzten sogenannten Whakatane-Dialog. Der in Australien initiierte und von internationalen NGOs finanzierte Prozess zielt darauf ab, indigene Bevölkerungsgruppen in staatliche Naturschutzkonzepte und Institutionen einzubinden und ihnen den Zugang zum Park zu erlauben, damit sie ihrer traditionellen Lebensweise nachgehen können.

2014 führte Kongos Regierung jedoch zum Schutz der Gorillas ein Naturschutzgesetz ein, das jenseits des Tourismus keine Menschen innerhalb der Parkgrenzen zulässt.20 Jedes Eindringen in den Park, und sei es nur zum Feuerholzholen, kann mit hohen Strafen belegt werden. Auch den Batwa bleibt damit jeglicher Zugang zu ihren Kultstätten verboten. Verschiedene Menschenrechtsorganisationen, darunter CAMV, haben deswegen 2015 Klage gegen Kongos Regierung vor der Afrikanischen Kommission für Menschen- und Völkerrechte eingereicht. Daraufhin musste die Regierung Zugeständnisse machen: Entschädigungen in Form von Landrechten für die Batwa außerhalb des Parks, die Übernahme der Schulgebühren für die Batwa-Kinder, Gesundheitsversorgung, Beteiligung an den Einnahmen aus dem Tourismus.

Diese Zusagen hätten sich jedoch aus Sicht der Batwa nicht materialisiert, so Mukamba. Ackerland zum Beispiel sei in dieser Region überall knapp. Rund um den Park sei kaum mehr ein Quadratmeter unbenutzt verfügbar. 2018 wurden im Rahmen eines staatlichen Straßenbauprojektes, das von der Weltbank finanziert wurde, halbherzige Versuche unternommen, den Batwa zwei Hektar am Parkrand zu übertragen. Doch es kam zu Unstimmigkeiten und die elf Batwa-Familien, die sich dort niedergelassen hatten, wurden sofort wieder vertrieben. Daraufhin siedelten sie sich im Park an, bauten dort Hütten, gründeten ein kleines Dorf. Seitdem wurde der Streit auch mit Gewalt ausgetragen.21

Von Manipulation könne keine Rede sein, so Batwa-Anwalt Mukamba. Der Parkdirektor hatte ihm in einer WhatsApp-Gruppe, in der sonst Wildereiprobleme besprochen werden, vorgeworfen, er habe die Batwa angestachelt, in den Park einzudringen und ihn zu zerstören. Mukamba beteuerte jedoch, seinerzeit erst aus dem Radio von der Ansiedlung der Batwa im Park erfahren zu haben. »In diesem Konflikt gibt es Akteure, die den Streit für ihre eigenen Interessen entfachen«, seufzte der Anwalt. »Wir werden jetzt bedroht und mundtot gemacht.«22

Wenn man aus Mukambas Bürofenster blickt, sieht man direkt auf das Panorama-Hotel mit Sauna, Fitnessraum und Whirlpool. Dort hatte im September 2019 eine Gesprächsrunde stattgefunden, bezahlt mit deutschen Geldern: der sogenannte Bukavu-Dialog. Angereist waren die höchsten Vertreter der Naturschutzbehörde ICCN, der Vize-Gouverneur, NGOs sowie zahlreiche Batwa-Chefs. Es wurden Forderungen gestellt, Zugeständnisse gemacht. Die Parkverwaltung versicherte, einen Teil ihrer Gelder in lokale Gemeindeprojekte zu investieren, den Batwa Land zur Verfügung zu stellen. Die Batwa wiederum verpflichteten sich, innerhalb eines Monats den Park zu verlassen – als Vorbedingung.23

»Am ersten Abend haben sich die Batwa geweigert zu unterzeichnen«, erinnerte sich Mukamba. Deswegen sei am zweiten Tag noch mal nachverhandelt worden. »Was in dieser Nacht hinter den Kulissen passiert ist, warum sie dann doch unterschrieben haben, das müssen Sie die Leute schon selbst fragen.« Er zeigte auf die Unterschriftenliste der gemeinsamen Erklärung auf seinem PC-Monitor. Dort prangte neben der Signatur des Parkchefs nicht die Unterschrift von Batwa-Chef Kasula, sondern die von einem anderen Batwa-Vertreter.

»Das ist unser Park«

Gentil Mulimbis Gummistiefel waren lehmverschmiert, als er aus dem Park heraus in sein Dorf Muyange stapfte. Der drahtige Mann in Jeans und Regenjacke ist Kasulas jüngerer Bruder. Seit dessen Verhaftung versteckte sich Mulimbi im Unterholz, denn er fürchtete: »Sie werden uns jagen, bis wir alle tot sind.«24

Während nicht einmal einen Kilometer entfernt das Militärtribunal tagte, versuchte Mulimbi die Lage der Batwa zu erklären: »Wir sind 2018 in den Park eingedrungen, weil wir keine andere Wahl hatten«, seufzte er und setzte sich in einer strohgedeckten Hütte auf den Boden, um nicht gesehen zu werden. »Der Park hat uns Land versprochen, aber bis heute haben wir nichts zu essen, weil sie ihre Zusagen nicht einhalten.« Mit nervösen Augen suchte er die umliegenden Hügel nach patrouillierenden Wildhütern ab. Dem Mann waren Wut und Verzweiflung deutlich anzusehen. Nicht nur von der Parkverwaltung fühlte er sich betrogen, sondern auch von seinen eigenen Leuten.

Innerhalb der Batwa-Gemeinde gebe es seit Langem Zwist, sagte er. Dabei gehe es um die Vorteile, die sich aus der Zusammenarbeit mit der Parkbehörde erzielen lassen. Der Park hatte Kasula vor wenigen Jahren einen Mikrokredit gegeben, damit er ein Büro für seine Batwa-Organisation einrichten konnte. Und Kasula durfte unter seinen Leuten aussuchen, wer als Fährtenleser vom Park angestellt wird, wer eine Schulausbildung erhält. Diese einflussreiche Position wurde ihm von seinem Rivalen Cizungu Ntavuna aus dem Nachbardorf streitig gemacht, so Kasulas Bruder Mulimbi. Als Kasula sich dann im September 2019 im Panorama-Hotel geweigert habe, auf die Forderungen der Parkverwaltung einzugehen, sei der Machtkampf unter den Batwa offen ausgebrochen. »Ntavuna wurde bestochen und hat uns ausgeliefert«, war sich Mulimbi sicher. Es sei Ntavuna gewesen, der in jener Nacht die Soldaten und Wildhüter, die Kasula verhaften wollten, nach Muyange führte. »Er hat ihnen sogar gezeigt, wo wir die Waffe versteckt hielten, die wir zur Jagd benutzten.« Die rostige Kalaschnikow stamme von Deserteuren der Armee, mit denen Kasula Holzkohle-Geschäfte mache.

Er selbst sei in jener Nacht geflohen. Dass er im Park Bäume zu Holzkohle abfackelte, gab er offen zu. »Wir brauchen Geld zum Überleben«, sagte er. Er mache ja nur die Drecksarbeit für mächtige Männer, verdiene weniger als einen Dollar am Tag, oft nicht einmal das. »Die Soldatenfrauen kaufen uns die Holzkohle ab und bezahlen uns mit Munition, weil sie auch kein Geld haben«, erklärte er. Deswegen seien rund 70 Patronen bei Kasula gefunden worden, die neben der AK-47 im Prozess als Beweise dienten. »Es ist unser Recht, den Park zu zerstören, solange sie uns nicht geben, was sie uns versprochen haben«, zischte Mulimbi wütend. »Das ist unser Park!«.

Dann griff er nach seinem klingelnden Handy. Der Anrufer informierte ihn über die Verurteilung seines Bruders. Er müsse sich wieder im Wald verstecken, sagte er. Zum Abschluss wollte er noch eine Botschaft loswerden: »Sag den Deutschen, ich will auch jeden Monat Geld auf einem Bankkonto, sonst werden wir uns alle rächen.« Mulimbi spurtete sofort los.

Während sich Kasulas Bruder wieder in den Wald aufmachte, lungerte Erzrivale Ntavuna in der Zuschauermenge um den Gerichtsprozess herum. Der kleine Mann in neuen Turnschuhen, neuer Jacke und Hemd sah aus wie frisch aus dem Ei gepellt. Um ihn herum standen Batwa-Vertreter aus anderen Dörfern, die ihn nun mit »Chef« ansprachen. Ntavuna beobachtete die Anhörung genau. »Kasula hat mir vorgeworfen, der Park habe mich mit einem neuen Auto bestochen«, raunzte er. »Doch das ist nicht wahr.« Er gab allerdings zu, dass er jetzt vom Park als offizieller Chef der Batwa anerkannt werde. »Mein Job ist nun, die anderen zu überzeugen, den Park zu verlassen.« Alle bis auf Kasulas Leute hätten den Bedingungen des Parks zugestimmt. Deswegen habe er geholfen, Kasula dingfest zu machen. Dass er dafür belohnt wurde, gab Ntavuna offen zu: Der Park habe bereits acht junge Batwa aus seinem Dorf als Wildhüter rekrutiert, darunter seinen Bruder. »Ein Auto habe ich aber nicht bekommen«, beteuerte er.25

Mutmaßliche Verbrecher als Tierschützer

Wenn Parkchef De-Dieu Bya’ombe nach der Morgenparade in sein repräsentatives Büro nach Bukavu zurückkehrt, hat im Park sein Vize Innocent Mburanumwe das Sagen. Er war im Juli 2019 vom Virunga-Nationalpark in der benachbarten Provinz Nord-Kivu hierher versetzt worden, nachdem er zuvor zeitweilig wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung von Minderjährigen in Haft saß, bis er auf undurchsichtigem Wege freikam.26

Mburanumwe ist Kongos berühmtester Naturschützer. 2018 zeichnete ihn die EU für seine Arbeit im Virunga mit dem Schuman-Preis für Biodiversität aus. Nach seiner Versetzung in den Kahuzi-Biéga-Park wurde er dort Kommandant der Anti-Wilderei-Einheit und Vize-Direktor. Die KfW, die zeitweilig auch sein Gehalt mit Prämien aufstockte, erklärte später auf Anfrage, das Gericht habe Mburanumwe seinerzeit »für unschuldig befunden«, und für das ICCN bestehe daher »keine Handhabe, die damals verhängte Suspendierung von Herrn Mburanumwe aufrechtzuerhalten.«27

Mburanumwe übernahm während eines Besuchs im Februar 2020 die Führung durch das neu errichtete Kontrollzentrum im Hauptquartier des Nationalparks mit dem gigantischen Flachbildmonitor. Der kräftige Mann trug nach wie vor die Uniform mit dem Virunga-Logo an der Schulter. In seinem Gürtel steckte eine Pistole. Stolz demonstrierte er die Satellitentechnologie, die von der US-Organisation WCS