Der Himmel ist ein Taschenspieler - Tanja Langer - E-Book

Der Himmel ist ein Taschenspieler E-Book

Tanja Langer

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Beschreibung

'Ich stehe und warte auf meinen Vater, den ich seit 21 Jahren nicht gesehen habe und von dem ich glaubte, er wäre tot. Hierher hat er mich bestellt, in dieses verrückte Land, aus dem ich komme und das ich nicht kenne.' Nach über zwanzig Jahren kehrt Mahboob aus Frankfurt nach Kabul zurück und trifft dort auf seinen Vater, den er seit der Flucht mit seiner Mutter 1979 nicht mehr gesehen hat. Fragen bedrängen den jungen Mathematiker: Wieso wurde die Familie getrennt? Und was geschah mit seiner Schwester Aziza? Nun sind die Taliban abgezogen, das Land ist zerstört, aber voller Hoffnung. Mahboob taucht immer tiefer ein in diese fremde und doch vertraute Welt. Er beginnt, um den Wiederaufbau seiner alten Schule zu kämpfen – und ist doch nur auf der Suche nach sich selbst: Wer bin ich? Wohin gehöre ich? Ein zutiefst berührender Familienroman, der uns ein überraschendes Afghanistan zeigt, jenseits von Burka und Bundeswehr. Auf der Suche nach einer dritten Identität: Ein gelungener Brückenschlag zwischen den Kulturen

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Seitenzahl: 569

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Den Roman widme ich meinem Vater Ghulam Sakhi Majed,

meiner Mutter Rahima Majed und meiner Frau Naomi.

DAVIDMAJED

Zum Andenken an Leila Majed (1962–1984)

Besuchen Sie uns im Internet unter

www.langen-mueller-verlag.de

© für die Originalausgabe und das eBook:

2014 LangenMüller in der

F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Wolfgang Heinzel

Schutzumschlagmotiv: Maisam Ali, Kabul

Satz und eBook-Produktion:

Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

www.Buch-Werkstatt.de

ISBN 978-3-7844-8189-0

Der Mond küsst jede Nacht

den, der die Sterne zählt.

Rumi, aus dem Diwan, um 1250

Same old song

Just a drop of water in an endless sea

All we do

Crumbles to the ground, though we refuse to see

(Aa aa aa)

Dust in the wind

All we are is dust in the wind

(Oh, ho, ho)

Now don’t hang on

Nothin’ lasts forever but the earth and sky

It slips away

And all your money won’t another minute buy

Song von Kansas,Dust in The Wind, 1977

Ein Augenblick der Hoffnung

Écoute la flute du roseau et sa plainte,

comme elle chante la séparation…

Hör die Rosenflöte, hör ihre Klage,

wie sie von der Trennung singt…

aus einem afghanischen Volkslied, gefunden in: Olivier Germain-Thomas, La Tentation des Indes

I.

Ankunft in Afghanistan, 2002

1

Er nannte seinen Namen.

Er sprach ihn so aus, wie seine Mutter ihn aussprach, nur zögerlicher. Der Grenzer starrte auf den Pass, murmelte vor sich hin, sah Martin in die Augen, runzelte die Stirn über den ersten Vornamen, der da stand, der nicht seinem Land entsprach wie der zweite. Was spielte er sich auf? Martin deutete auf den Namen und wiederholte ihn, die Hitze machte ihm zu schaffen, und die Buchstaben fingen an zu flattern wie Lider im Schlaf oder in einem aufgeregten Wachtraum, in dem er sich sitzen sah, in seinem Zimmer in Frankfurt, als er fünfzehn oder sechzehn war und seinen Namen suchte, seinen deutschen Vornamen, er notierte viele Namen, sprengte sie wieder, baute Silben um, versuchte Vokale, fügte die Buchstaben neu zusammen, während seine Mutter nebenan in der Küche mit den Töpfen klapperte und es nach Kardamom, Safran und Kumin roch. Der Duft des Essens zog durch den Spalt unter der Tür seines Zimmers herein, er flutete die Wohnung, Tag für Tag, Abend für Abend. Sie lüfteten, er kam wieder, wenn sie in schnellen Schlägen mit dem Messer auf dem Brett Zwiebeln hackte wie er die Buchstaben auf das Papier: Wann würde der Name erscheinen, der sein eigener, selbstgewählter sein sollte? Fern von dem Land, in dem er auf die Welt gekommen war?

»So«, sagte der Grenzer mit kehliger Stimme und kratzte sich die verschwitzte Stirn unter dem nachlässig gewickelten Turban, »Martin Mahboob Malik, ist das dein Name, ja?«

»Bale«. Ja. In dieser Sekunde war er Mahboob Malik, nicht Martin. Er riss dem Mann seinen Pass aus den Händen und sah ihn mit einem kurzen Nicken des Kopfes nach hinten an: Genug!

Martin, der in diesem Augenblick wieder Mahboob wurde, überquerte die Grenze von Pakistan nach Afghanistan im September 2002 mit dem weinroten Reisepass der Europäischen Union. Das Land fing gerade erst an, sich wieder zu öffnen; es war leichter, einen Flug von Frankfurt am Main nach Islamabad zu bekommen als nach Kabul. Von Islamabad aus konnte er über Peschawar den Landweg zur afghanischen Hauptstadt antreten, ein Weg, den viele Flüchtlinge in umgekehrter Richtung genommen hatten, vor zehn Jahren, vor zwanzig Jahren. Eine Tagesreise, über den Khyber-Pass, über zerstörte Brücken, kaputte Straßen, von blühenden Wiesen hinauf in ungewohnte Höhen, durch das gigantische Gebirge, den Hindukusch, aufgeworfene Felswände, schroff, abweisend, atemberaubend, in einem bunt bemalten, schaukelnden, ruckelnden und völlig überfüllten Bus, vollgestopft noch dazu mit Taschen und Körben, Ziegen und Hühnern.

Und dann lag sie vor ihnen, hellgrün schimmernd, hellgrau schimmernd, die offene, weite Landschaft, endlos und phantastisch. Und mittendrin, im Nirgendwo: die Grenze. Auf der staubigen, steinigen Straße das einfache, schief aufgestellte Schild, staubig über dem Weiß, leuchtend blau umrandet, in der Mitte ebenso leuchtend blau der arabische Schriftzug, darunter in schwarzen Lettern auf Dari und schließlich, in lateinischen Buchstaben, dreimal dieselbe Begrüßung: Welcom in Afghanistan. Das e in der englischen Version fehlte. Mahboob las es dreimal, sein Herz schlug ihm dreimal bis in die Schläfen hinauf, es hämmerte dort vor Freude und Rührung, und er musste sich kurz über die Augen wischen.

Das Leben hatte ihn nach rechts gewürfelt und nach links, so nannte er es für sich, und es war immer weiter gegangen, und nun hatte er eine Entscheidung getroffen und war hierher gekommen, nach über zwanzig Jahren. Er wollte sehen, ob es mit dem Würfeln ein Ende nähme, denn oft kam er sich so hilflos vor, so dumm, in seinem eigenen Leben. Er wollte sehen, wo er herkam, er wollte vor allem seinen Vater wiedersehen, er hatte Angst, nach so langer Zeit, ob er ihn wiedererkennen würde, ob er überhaupt das Gefühl »Vater« finden würde, von dem er im Grunde nicht viel verstand, seit er mit neun Jahren von ihm getrennt worden war wie von dem Land, in dem er auf die Welt gewürfelt worden war, und das nun in seiner spröden Schönheit vor ihm lag, unbekannt und überraschend, durch das der Bus ihn trug zu der Stadt, in der er seine ersten Schritte gemacht und seine ersten Buchstaben zu schreiben gelernt hatte, ganz andere als die, mit denen er später las und schrieb und seinen neuen Namen kritzelte. Er wollte die Sträucher sehen, in dem Garten, in dem er als Junge gespielt hatte, die große Tanne hinter dem Haus, in deren Ästen er sich versteckt hatte, an die er sich erinnerte, er wollte die Gerüche wiederfinden, die er vergessen hatte und die doch irgendwo in ihm verborgen waren. Es war über ihn gekommen, er hatte gar nicht erst versucht zu verstehen, warum und wieso, ein paar Wochen, nachdem der Brief seines Vaters ihn erreicht hatte. War es nicht selbstverständlich, Würfel links, Würfel rechts? Ich muss hin, ich muss ihn sehen, vielleicht– wird dann alles gut.

Dies alles überkam ihn jetzt, beim Übertreten dieser Grenze, die so aussah, als wäre sie gar nicht echt.

Das Leben hat wirklich etwas für mich übrig, dachte er, von einem leisen Lachkrampf geschüttelt, kaum dass er die Tränen fortgewischt hatte, mit seinemTiming. Auf dem Flughafen in Frankfurt, als ich am wenigsten damit rechne, renne ich in diese junge Frau hinein, remple sie an, dichte Wimpern, ihre Augen irgendwas Grünes oder Blaues, sehr helle Haut zu unerwartet dunklen Haaren, zarte Sommersprossen, schräge Brauen, ein verrutschtes Lächeln, und ich bleibe stehen, fange ein Gespräch an, verbringe drei Stunden mit ihr, weil das verdammte Flugzeug Verspätung hat.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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