Der Himmel über dem Outback - Elizabeth Haran - E-Book
SONDERANGEBOT

Der Himmel über dem Outback E-Book

Elizabeth Haran

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 14,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Phillip Island/ Australien, 1886: Für Maggie ist Patrick Shanahan die Liebe ihres Lebens. Als Patrick ihr einen Heiratsantrag macht, scheint ihr Glück perfekt. Aber die Realität holt sie ein, als die Frischvermählten nach Melbourne zurückkehren. Denn während Maggies Familie arm ist, ist die von Patrick sehr vermögend und einflussreich und Patricks Vater ist entsetzt über die vermeintliche Mitgiftjägerin. Er erwirkt eine Annullierung der Ehe, indem er die Liebenden gegeneinander ausspielt. Zutiefst traurig verlässt Maggie Melbourne - nicht ahnend, dass sie ein Kind erwartet ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 664

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmung123456789101112131415161718192021222324252627282930313233343536373839404142

Über das Buch

Phillip Island/Australien, 1886: Für Maggie ist Patrick Shanahan die Liebe ihres Lebens. Als Patrick ihr einen Heiratsantrag macht, scheint ihr Glück perfekt. Aber die Realität holt sie ein, als die Frischvermählten nach Melbourne zurückkehren. Denn während Maggies Familie arm ist, ist die von Patrick sehr vermögend und einflussreich und Patricks Vater ist entsetzt über die vermeintliche Mitgiftjägerin. Er erwirkt eine Annullierung der Ehe, indem er die Liebenden gegeneinander ausspielt. Zutiefst traurig verlässt Maggie Melbourne – nicht ahnend, dass sie ein Kind erwartet …

Über die Autorin

Elizabeth Haran wurde in Simbabwe geboren. Schließlich zog ihre Familie nach England und wanderte von dort nach Australien aus. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen in einem Küstenvorort von Adelaide in Südaustralien. Ihre Leidenschaft für das Schreiben entdeckte sie mit Anfang dreißig, zuvor arbeitete sie als Model, besaß eine Gärtnerei und betreute lernbehinderte Kinder.

Elizabeth Haran

DER HIMMELÜBER DEMOUTBACK

Roman

Übersetzung aus dem australischen Englisch von Ulrike Werner-Richter

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Titel der australischen Originalausgabe:

»Beneath a Crimson Moon«

  

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2018 by Elizabeth Haran

Published by arrangement with Elizabeth Haran-Kowalski

  

Dieses Werk wurde vermittelt durch

die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.

  

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Marion Labonte, Labontext

Landkarte: Reinhard Borner

Umschlaggestaltung: Tanja Østlyngen

Einband-/Umschlagmotiv: © Daniela Constantinescu/shutterstock; Lee Avison/arcangel

eBook-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde

 

ISBN 978-3-7325-7208-3

www.luebbe.de

www.lesejury.de

 

Ich widme dieses Buch Vivian Smith, einer langjährigen, unglaublich großherzigen Freundin.

Wir kennen uns seit Teenagertagen und haben zusammen alle Erfahrungen durchgemacht, die das Leben zu bieten hat – meist mit Hilfe eines Glases Weißwein und einer großen Portion Humor.

Ein Hoch auf Vivian – dein großartiger Sinn für Humor wird immer die Oberhand behalten. Auf viele weitere Jahre unserer wunderbaren Freundschaft!

 

 

I would like to dedicate this book to Vivian Smith, a life-long friend with the biggest heart.

We met as teenagers and have supported each other through whatever life has thrown at us, as good friends do, but nothing a vibrant glass of white wine and a good laugh couldn’t fix.

Cheers Vivian, your great sense of humour will always prevail and here’s to many more years of beautiful friendship.

1

Victoria – 1886

Am sandigen Ufer von Summerland Beach auf Phillip Island hielt Patrick Shanahan die Hände von Maggie Cassidy nahezu flehentlich umklammert. In seinen haselnussbraunen Augen spiegelten sich sanft die Farben des Sonnenuntergangs, sein Blick war ernst, voller Liebe und Sehnsucht. Doch die Entschiedenheit, die er mit einem Mal an den Tag legte, verwirrte Maggie.

Die beiden hatten einen wunderbaren Tag zusammen verbracht, sie hatten viel gescherzt und gelacht, unberührte Strände erkundet und auf saftigen, grasgrünen Weiden gepicknickt, umgeben von Schafen und Ziegen. Gegen Abend hatte das junge Paar das Gästehaus im Dorf Newhaven zusammen mit anderen Urlaubern auf Phillip Island in einem Pferdewagen verlassen, um auf Summerland Beach das abendliche Ritual der Zwergpinguine zu verfolgen, die nach einem Tag auf hoher See zu ihren Höhlenbauten dort zurückkehrten. Sie hatten einige Minuten lang zugeschaut, wie die kleinen Tiere buchstäblich aus der Brandung emporschossen und über den Sand watschelten, bevor Patrick Maggie ein Stück von den anderen Touristen weggezogen hatte. Hier, so dicht beisammen, fühlte es sich an, als wären sie in einer eigenen Welt eingeschlossen. Den salzigen Duft des Seetangs, den fischigen Geruch der Pinguine und das halbe Dutzend der von den kleinen Kreaturen verzückten Menschen in der Nähe nahmen die beiden kaum noch wahr.

Der Tag war sommerlich warm gewesen, jetzt aber hatte Maggie einen Wollschal um ihre schlanken Schultern gehüllt, um sich vor dem beißenden Wind zu schützen, der von den stürmischen Gewässern der Bass Strait herüberwehte. Die Windstöße hoben den Saum ihres Kleides wie ein Segel und zauberten ein frisches Rot auf ihre Wangen.

»Patrick, was ist los?«, wollte sie wissen.

»Willst du mich heiraten, Maggie?«, gab er statt einer Antwort ernst zurück.

»Dich heiraten? Das ist doch verrückt!« Sie traute ihren Augen nicht, als Patrick direkt darauf vor ihr auf die Knie fiel. »Patrick! Was machst du denn da? Das ist nicht lustig!«, rief sie, fassungslos, dass er hier gerade um ihre Hand anhielt.

Als Patrick jedoch nicht lachte und seine Hände um ihre zu zittern begannen, wusste Maggie, dass es ihm ernst war. Sah er denn nicht die volle Tragweite seines Vorschlags?

»Ich möchte, dass du meine Frau wirst, Maggie. Ich liebe dich von ganzem Herzen. Bitte sag ja. Ich sterbe, wenn du es nicht tust«, flehte er dramatisch.

»Patrick … das ist verrückt«, wiederholte Maggie, während die Gedanken durch ihren Kopf rasten. Natürlich fühlte es sich so an, als hätten sich ihre Herzen ein Leben lang gekannt, aber in Wirklichkeit waren es gerade einmal drei Wochen. Die Idee, einander jetzt schon die Ehe zu versprechen, war nichts als Wahnsinn.

Maggie und Patrick hatten sich im Gästehaus Shangri-La kennengelernt, einem charmanten, weißen Holzhaus mit Blick auf das Meer, wo sie unabhängig voneinander Sommerfrische machten. Sie hatten sich sofort zueinander hingezogen gefühlt. Und Missus Freebairn, die Eigentümerin des Gästehauses, hatte ihren Teil dazu beigetragen, die Flammen ihrer Romanze zu schüren. Tagsüber schickte sie die beiden mit einem Picknickkorb voller Leckereien zu schönen, abgelegenen Plätzen auf der Insel. Abends platzierte sie sie gemeinsam in einer gemütlichen Ecke des Speisesaals zu einem Candle-Light-Dinner und spielte auf ihrem Grammophon romantische Melodien ab. Sie nutzte jede Gelegenheit, ihre Gäste daran zu erinnern, dass schon so manche im Shangri-La begonnene Romanze in einer Ehe gemündet hatte. »Bis jetzt sind es sechzehn«, erklärte sie stolz.

Und so hatten Maggie und Patrick drei Wochen lang kaum einen Moment getrennt verbracht – bis auf die wenigen Stunden, in denen sie schliefen. In Maggies Augen stellte der großgewachsene Patrick mit seinen breiten Schultern und den dunklen Haaren jeden anderen jungen Mann in den Schatten. Der Blick aus seinen zärtlichen braunen Augen und sein schiefes Lächeln hatten ihr Herz zum Schmelzen gebracht.

Obwohl Patrick frei war von jeglichem Dünkel, genoss er bei hübschen jungen Frauen ein hohes Ansehen. Zu diesen zählte Maggie durchaus, mit ihren rötlich blonden Locken, den großen blauen Augen und einer Haut wie Porzellan. Ihre Lebendigkeit und ihr perlendes Lachen bezauberten ihn, aber es waren ihre bodenständigen Qualitäten, ihre Aufrichtigkeit und ihre Unschuld, die sein Herz erobert hatten. Jeder Augenblick ohne sie erschien ihm eine Qual.

»Ich meine es todernst, Maggie. Ich kann mir eine Zukunft ohne dich nicht vorstellen.« Patrick blickte ihr tief in die Augen. »Ich kann mir nicht einmal vorstellen, für längere Zeit von dir getrennt zu sein.«

Maggie wurde von einer Woge der Liebe überwältigt. »Ich empfinde das Gleiche, aber wir dürfen den Kopf nicht verlieren. Wir kennen uns erst seit einundzwanzig Tagen.«

»Was spielt das für eine Rolle? Wenn du den Menschen findest, mit dem du dein Leben teilen willst, ist Zeit doch nicht wichtig. Für mich bist du dieser Mensch, Maggie. Du spürst das doch auch, nicht wahr?«

»Ja, das stimmt. Ich liebe dich von ganzem Herzen.« Schon lange fürchtete sie den Moment, ab dem sie wieder getrennte Wege gehen mussten.

»Dann versprich mir, dass du mich heiratest, Maggie.«

»Ja … ja, ich heirate dich«, stieß Maggie hervor, zutiefst erfüllt von diesem Augenblick.

Auf Patricks Gesicht breitete sich ein glückliches Lächeln aus. Er stand auf, zog Maggie in seine Arme und küsste sie so leidenschaftlich, dass ihr die Knie weich wurden, während um sie herum Jubel aufbrandete. Patricks Antrag hatte durchaus die Aufmerksamkeit der anderen Gäste erregt. Als ihre Lippen voneinander ließen, war Maggie glücklich und aufgeregt.

»Lass uns den Reverend fragen und sofort heiraten«, schlug Patrick vor.

»Dafür ist es heute zu spät«, neckte Maggie ihn, die seinen Vorschlag für einen Scherz hielt.

»Ich meine morgen, meine Süße«, entgegnete Patrick ernst.

Maggie starrte ihn an. Normalerweise war man doch erst einmal eine Weile verlobt, nicht zuletzt damit sich ihre Familien an die Idee gewöhnen konnten. »Wir können doch nicht einfach heiraten … Ich meine, so heimlich … Oder?«

»Warum nicht? Wir sind beide einundzwanzig, damit können wir rechtmäßig und ohne eine Erlaubnis einholen zu müssen heiraten. Und wir lieben einander. Warum also sollten wir nicht gleich mit unserem gemeinsamen Leben beginnen? Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht. Missus Freebairn kennt den Reverend der Insel persönlich. Sie kann sicher in die Wege leiten, dass er uns traut, und auch Trauzeugin sein, das hat sie schon mal gemacht. Nach unserer Rückkehr in die Stadt bleiben wir erst mal in einem Hotel und suchen von dort aus nach unseren eigenen vier Wänden. Wir werden nie wieder getrennt sein.«

Maggie dachte über seine Worte nach. Patrick schilderte ihr Leben in den herrlichsten Farben, sie aber hatte Bedenken. »Was werden unsere Eltern sagen? Sie werden ganz sicher nicht verstehen, dass wir so bald heiraten, und dann auch noch heimlich. Sie würden sicher gern bei der Trauung dabei sein.« Ihr war ein bisschen mulmig bei dem Gedanken an die Reaktion ihrer Eltern, auch wenn sie wusste, dass ihr Vater den Brautschmaus nicht bezahlen konnte. Er musste auch so schon sparen und knausern, um den Lebensunterhalt und die Miete für das Cottage der Familie aufzubringen.

»Sie werden vermutlich enttäuscht sein, nicht bei der Feier dabei zu sein, uns das aber nicht nachtragen.«

»Aber die kleine Kapelle auf der Insel ist kein katholisches Gotteshaus, oder? Meine Mutter würde mir nie verzeihen, wenn ich in der Kirche einer anderen Konfession heirate.«

»Sie muss ja nicht erfahren, dass die Kapelle nicht katholisch ist. Ich bin katholisch. Das wird sie freuen.«

»Nun … ja … vermutlich.«

»Wir sorgen dafür, dass unsere Kinder katholisch getauft werden. Versprochen«, fügte Patrick hinzu.

Maggie war überzeugt, dass ihre Eltern Patrick letztendlich lieb gewinnen würden. Ja, sie konnte sich sogar gut vorstellen, dass ihre Mutter ihr nach dem ersten Schock bestätigen würde, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Trotzdem nagten noch Zweifel an ihr. »Aber möchten deine Eltern die Frau, die ihr Sohn heiraten will, nicht vor der Hochzeit kennenlernen?« Patrick hatte bisher wenig von seiner Familie gesprochen, und wenn, dann recht liebevoll über seine jüngeren Geschwister Rebecca und Anthony, von seinen Eltern aber lediglich erwähnt, dass sie in Toorak lebten. Maggie kannte niemanden dort, wusste jedoch, dass die Gegend wohlhabend war. Sie hoffte, dass Patricks Eltern ihr gegenüber trotzdem aufgeschlossen waren und sie vielleicht sogar mit offenen Armen empfangen würden.

»Ich hatte das große Glück, die Frau meiner Träume zu finden, das muss mir niemand genehmigen, Maggie«, warf Patrick ein, als müsse er sich rechtfertigen. »Wir wissen, dass wir füreinander bestimmt sind. Das allein zählt. Du spürst das doch auch, nicht wahr? Würdest du mich auch dann heiraten, wenn deine Eltern nicht sofort mit mir einverstanden wären?«

»Ja, natürlich«, sagte Maggie ohne den geringsten Zweifel.

»Meine Eltern werden vielleicht finden, dass wir es etwas zu eilig hatten, aber sie werden sich an die Vorstellung gewöhnen. Du bist die Frau meiner Träume, und daran wird die Zeit nichts ändern. Und sobald wir rechtmäßig verheiratet sind, kann niemand mehr etwas dagegen unternehmen.«

Maggie kamen Erzählungen ihrer Mutter in den Sinn: Ihr Vater, Charlie Cassidy, hatte im Alter von fast einundzwanzig Jahren sechs Monate um die achtzehnjährige Doreen geworben, bevor sie endlich heiraten konnten. Während der gesamten Zeit hatten sie sich nur an Sonntagen sehen dürfen, immer nur für ungefähr eine Stunde nach der Kirche und immer in Begleitung. Damit hatten sie sich gerade einmal vierundzwanzig Mal getroffen, bevor sie Mann und Frau wurden.

Patrick strich sanft über die niedlichen kleinen Falten auf Maggies Stirn. »Lass uns nicht um das kümmern, was andere Leute denken, Liebling«, sagte er beruhigend. »Lass uns unserem Herzen folgen. Ich liebe dich, und du liebst mich. Für keinen von uns wird es je einen anderen Menschen geben. Also lass uns einfach heiraten und unser gemeinsames Leben beginnen.«

Maggie schlang die Arme um seinen Hals. »Okay, wir machen es.«

Als heillose Romantikerin war Freda Freebairn hocherfreut, die Hochzeit für das junge Paar auszurichten und in die Rolle der Trauzeugin zu schlüpfen, ebenso wie ihr Ehemann, der allerdings hauptsächlich um des häuslichen Friedens willen mitmachte. Maggie trug ihr schönstes Kleid. Freda Freebairn frisierte sie und band ihr einen kleinen Brautstrauß mit Blumen aus ihrem Garten. Die Zeremonie wurde um vier Uhr nachmittags von Reverend Michaels in der einzigen Kapelle der Insel durchgeführt. In feierlicher Atmosphäre steckten Patrick und Maggie sich gegenseitig die Ringe an, die sie von Missus Freebairn geliehen hatten. Eigene Ringe würden sie sofort nach ihrer Rückkehr in der Stadt besorgen. Im Anschluss öffnete Missus Freebairn eine Flasche preiswerten Sekt und lud zu einem einfachen Abendessen mit Aufschnitt und Salaten zusammen mit den anderen Gästen des Shangri-Las. Alles war perfekt, solange Maggie nicht gerade daran dachte, dass ihre Eltern nicht an ihrer Hochzeit und dem Brautschmaus teilnahmen.

Missus Freebairn verlegte die Jungvermählten in die sogenannte »Honeymoon Suite«, ein Doppelzimmer, das die schönste Aussicht über den Strand bot, und versäumte nicht zu bemerken, dass das Mondlicht über dem Meer geradezu zu Romantik inspiriere. Sie legte herzförmige Pralinen auf die Kissen, zündete im ganzen Zimmer Kerzen an und bot Maggie und Patrick an, am nächsten Morgen spät zu frühstücken, bevor sie nach Hause fuhren, um ihren Familien die Nachricht zu überbringen.

Für Maggie und Patrick fühlte sich alles an ihrer Liebe richtig an. Maggie genoss es, Missus Patrick Shanahan genannt zu werden, und Patrick strahlte vor Freude, wann immer sie ihn als »mein gutaussehender Ehemann« bezeichnete. Ihre Hochzeitsnacht war noch schöner, als Maggie sich erträumt hatte. Patrick war sanft und zärtlich, der perfekte Ehemann. Nachdem sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten, stellten sie sich eng umschlungen ans offene Fenster, betrachteten den Mond und die Sterne und lauschten dem beruhigenden Rhythmus der heranrollenden Wellen. Sie sprachen über ihr künftiges Leben – über die Kinder, die sie sich beide wünschten, und das Heim, das sie zusammen bauen würden.

Maggie wünschte, für immer in einem Kokon leben und so glücklich sein zu können wie in diesem Moment. Sie blickte in die warmen, braunen Augen ihres Mannes, die so beruhigend waren, dass alle Zweifel und Ängste dahinschmolzen, auch über die Reaktion ihrer Eltern auf die Hochzeit. Kurz vor Mitternacht liebten sie sich erneut, ehe sie eng umschlungen in einen tiefen Schlaf fielen. Der nächste Tag und alles, was er mit sich bringen würde, wurde von süßen Träumen überlagert.

»Mum, Dad, seid ihr zu Hause?«, rief Maggie beim Betreten des winzigen Holzhäuschens in der Belfast Street in Broadmeadows, einem Vorort von Melbourne. Ihre Nervosität spiegelte sich im Zittern ihrer Stimme, aber ihr vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden angetrauter Ehemann drückte beruhigend ihre Hand, als sie den schmalen Flur betraten. Sofort wurden sie von einem muffigen Geruch nach alten Möbeln, gepaart mit dem von Leber mit Zwiebeln, umhüllt. Sie standen auf einem fadenscheinigen Teppich, der die alten Dielen nur teilweise bedeckte. Maggie hätte sich ihres Elternhauses vielleicht geschämt, würde Patrick nicht pure Liebe und bedingungslose Unterstützung ausstrahlen.

»Wir sind hier drinnen, Maggie«, rief Doreen Cassidy aus dem Wohnzimmer, einem von vier kleinen Zimmern, darunter zwei Schlafräume und die Küche, die vom Flur ausgingen.

Maggie atmete tief durch und betrat das Wohnzimmer. Auch Patrick hinter ihr duckte sich durch die Türöffnung und trat ein.

Doreen saß in ihrem abgenutzten Sessel und besserte Kleider aus, die neu zu kaufen sie sich nicht leisten konnten. »Wie war dein Urlaub, Liebes?« Sie hob den Blick und verharrte beim Anblick eines fremden jungen Mannes hinter ihrer Tochter mitten in der Bewegung. »Und wen haben wir hier?«, fragte sie und legte ihre Nähsachen beiseite.

Charlie, der in seinem Sessel gedöst hatte, zuckte zusammen. Beim Anblick des unbekannten Mannes legte sich seine Stirn in Falten. »Hallo, Schätzchen«, begrüßte er seine Tochter, während er Patrick von oben bis unten musterte. Als er dann aufstand, nahm er fast den gesamten Raum in dem winzigen Zimmer ein, das gerade groß genug war für vier Sessel vor dem offenen Kamin, auf dessen Gitter Holzscheite mit zwischengesteckten Kugeln aus zerknüllten Zeitungen lagen. Jetzt, im November, war seit Monaten kein Feuer mehr angezündet worden, stattdessen beherbergten die Scheite einige Spinnen, Silberfischchen und, wie so häufig in alten Häusern, auch dann und wann eine Kakerlake.

Maggie schluckte. Sie erinnerte sich daran, wie sie mit ihren Eltern gestritten hatte, weil sie allein in die Sommerfrische fahren wollte, und wie die beiden sie ermahnt hatten, keine Dummheiten zu machen. Und was hatte sie getan? Sie hatte einen Mann geheiratet, den sie erst seit drei Wochen kannte!

»Mum, Dad, ich möchte euch Patrick Shanahan vorstellen«, brachte sie tapfer hervor. »Patrick, das ist meine Mutter Doreen. Und mein Vater, Charlie.«

Patrick trat an Maggie vorbei und reichte Charlie Cassidy die Hand, der Patrick beim Anblick der vornehmen Kleidung und glänzenden Schuhe insgeheim als feinen Pinkel abstempelte. Dann trat Patrick zu Doreen und nahm ihre Hand in seine. »Bitte, bleiben Sie sitzen, Missus Cassidy. Ich freue mich, Sie beide kennenzulernen«, sagte er höflich.

Maggie bewunderte seine Gelassenheit. Ihre eigenen Beine fühlten sich an wie Gelee.

Doreen musterte das gut geschnittene Gesicht und bemerkte die sauberen, gepflegten Fingernägel von Patricks rechter Hand, die gewiss keine Arbeiterhand war wie die von Charlie. Dann fiel ihr Blick auf den glänzenden Ehering an seiner Linken.

»Sie sind verheiratet«, stellte Doreen in der ihr eigenen direkten Art fest. »Was machen Sie hier mit meiner Maggie?«

Patrick blickte zu Maggie. Sie hatte eilig ihre linke Hand hinter ihrem Rücken versteckt und wirkte zutiefst erschrocken. Er schluckte den Kloß hinunter, der sich plötzlich in seiner Kehle gebildet hatte. »Ja, ich bin verheiratet, Missus Cassidy.« Er räusperte sich. »Maggie und ich haben gestern geheiratet.«

»Was? Sie haben meine Maggie geheiratet!« Doreen starrte ihn mit offenem Mund an, ebenso wie ihr Mann. Patrick ließ seinen Blick zwischen ihnen wandern, als er sagte: »Ich liebe Ihre Tochter von ganzem Herzen und werde sie glücklich machen.«

Maggie schaute auf ihre Mutter hinunter, deren Gesichtszüge so grau geworden waren wie der Sessel, in dem sie saß. Sie streckte ihre linke Hand vor, um ihrer Mutter den Ehering zu zeigen.

»Was soll das, einfach hier reinzustiefeln und zu behaupten, Sie hätten Maggie geheiratet?«, polterte Charlie. »Sie haben mich nicht um Erlaubnis gefragt.«

»Ich weiß, Sir«, gab Patrick sichtlich beeindruckt zu. »Ich weiß, es wäre höflicher gewesen …«

»Es wäre das einzig richtige Verhalten für einen anständigen Bewerber gewesen!«, stieß Charlie wütend hervor. Sein irischer Akzent war jetzt deutlich zu hören.

»Wir sind beide einundzwanzig, Sir«, erwiderte Patrick mutig. »Und wir lieben uns. Also haben wir uns entschlossen, auf Phillip Island zu heiraten. Natürlich mit Zeugen.«

»Habt ihr in einer Kirche geheiratet?«, fragte Doreen, verärgert darüber, dass sie die Trauung versäumt hatte.

»Ja, Mum«, antwortete Maggie kleinlaut.

»Hoffentlich sind Sie nicht Protestant!«

»Nein, ich bin katholisch«, versicherte Patrick.

»Warum hast du es denn so eilig?«, wandte Doreen sich an ihre Tochter. »Du bist doch nicht etwa in anderen Umständen, oder?«

»Nein, Mum, natürlich nicht!«, wehrte Maggie heftig ab und errötete bis an die Wurzeln ihrer rötlichen Haare. »Wir haben einfach nur beschlossen, ohne viel Aufhebens zu heiraten.«

»Mister und Missus Cassidy, wir sind sehr verliebt«, mischte Patrick sich ein. »Und ich kann Ihnen versichern, dass ich Ihrer Tochter ein gutes Leben bieten kann.«

»Ach, können Sie das?« Auf Charlies Schläfe pochte jetzt eine Ader.

»Ja. Ich arbeite im äußerst erfolgreichen Geschäft meines Vaters mit, plane aber, mich in naher Zukunft selbstständig zu machen, Mister Cassidy.«

»Was ist das für ein Geschäft?«, fragte Charlie unverblümt.

»Immobilien- und Grundstücksverwaltung, Sir«, antwortete Patrick stolz.

»Ich hatte nicht das Glück, eine Schule zu besuchen, würden Sie mir also bitte freundlicherweise erklären, was das bedeutet?«, forderte Charlie ihn auf.

Seine Frage zerriss Maggie das Herz. Ihr Vater hatte schon immer darunter gelitten, dass er Analphabet war, auch wenn überhaupt nur ein Viertel der in den 1800er-Jahren geborenen Iren lesen oder schreiben konnten.

Charlie hatte 1845, im Jahr der Kartoffelfäule, in der Grafschaft Clare das Licht der Welt erblickt. Er war eines von dreizehn Kindern der Familie, die auf einem gepachteten Grundstück in einer Lehmhütte mit nur einem Raum lebte, den sie mit den Hühnern und dem Schwein teilte. Wie so viele andere Katholiken waren sie angeblich Nachkommen irischer Grundbesitzer, die der englische Eroberer Oliver Cromwell enteignet hatte. Mehr als eine Million Menschen starben während der Kartoffel-Hungersnot, darunter viele Nachbarn der Cassidys und vier von Charlies Geschwistern. Das Leben war extrem hart, und für die Familie war Schulbildung weniger wichtig, als genügend Nahrung zum Überleben aufzutreiben.

Jahre später, nach dem Tod seiner Eltern, zog Charlie auf der Suche nach einem besseren Leben mit seiner Frau und seiner Tochter nach Australien, aber dort war es für einen Iren ohne Schulbildung nicht leicht, einen gut bezahlten Job zu finden.

»Sehr gerne, Sir«, sagte Patrick freundlich. »In der Regel kaufen wir heruntergekommene Immobilien, die dann abgerissen und neu aufgebaut werden. Ein Teil davon sind Wohnhäuser, andere Geschäftshäuser. Wir erwerben die Immobilien zu einem guten Preis, reißen sie ab, bauen ein neues Gebäude und vermieten es. Normalerweise machen wir dabei ordentlich Gewinn.«

»Klingt, als ob Sie vom Leid anderer Leute leben«, brummte Charlie, der an die Zeiten skrupelloser Landbesitzer zurückdachte. Er war versucht, Patrick zu fragen, ob er einen Cromwell im Stammbaum hatte, biss sich aber um Maggies willen auf die Zunge.

Patrick errötete. »Das sehe ich nicht so, Sir«, sagte er. »Unserer Meinung nach befinden sich die Grundstückspreise fast auf ihrem Höhepunkt, also erzielen auch die einen Gewinn, von denen wir die Immobilien kaufen.«

»Nun, dazu werden wir wohl nicht gehören. Wir zahlen ein Pfund Miete die Woche für dieses alte Haus, und das ist viel zu viel für den Zustand, in dem es ist. Ich nehme an, dass unser Vermieter es eines Tages an Leute wie Sie verkauft und wir dann rausgeschmissen werden.« Er funkelte Patrick an. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, junger Mann, ich möchte mit meiner Tochter reden. Allein«, erklärte er streng. Dann wandte er sich an Maggie. »In die Küche mit dir, Maggie.« Er war verwirrt und besorgt, dennoch konnte er nicht umhin zu bemerken, wie glücklich sie war.

»Es gibt keinen Grund, wütend zu sein, Dad«, sagte Maggie in der winzigen, tristen Küche. »Ich bin verliebt und glücklich, und das ist das Wichtigste. Außerdem wollte ich nicht, dass du dein hart verdientes Geld für den Brautschmaus ausgibst.«

»Mal abgesehen von der Tatsache, dass du deiner Mutter die Chance genommen hast, die Hochzeit ihrer einzigen Tochter mitzuerleben, gefällt mir das mit dir und diesem jungen Mann überhaupt nicht.«

»Warum? Patrick kann für mich aufkommen.«

»Darum geht es nicht. Versteh mich bitte nicht falsch, aber was macht ein solcher Mann mit einem Mädchen wie dir? Du bist schön und klug, natürlich, aber dir ist doch sehr wohl bewusst, dass er eine Klasse über uns steht. Kommt hier einfach reinmarschiert in seinen schicken Klamotten und glänzenden Schuhen und versucht, uns bloßzustellen. Seine Hände sind so weich wie deine, also hat er noch keinen einzigen Tag in seinem Leben hart gearbeitet. Einem Mann mit sanften Händen habe ich noch nie vertraut.«

»Er liebt mich, wie ich bin, Dad«, widersprach Maggie empört. »Ihm ist egal, wo ich herkomme. Das siehst du doch.«

»Du bist der Liebe eines jeden Mannes würdig, Maggie, aber so einfach ist das Leben manchmal nicht. Was haben seine Eltern denn dazu gesagt, dass du ihren Sohn geheiratet hast?«

»Wir sind zuerst zu euch gekommen.«

»Vielleicht sollte er zunächst allein hingehen«, schlug Charlie vor, weil er Angst hatte, der Besuch könnte Maggie verletzen.

»Nein, Dad, wir gehen zusammen. Wir sind jetzt Mann und Frau.«

Charlie runzelte die Stirn. »Ich habe mehr Erfahrung als du, mein Mädchen. Die feinen Pinkel heiraten nicht Leute wie uns. Glaub mir, seine Eltern werden sich furchtbar aufregen, wenn sie hören, dass ihr Sohn ein Mädchen aus Broadmeadows geheiratet hat. Sie werden dir keinerlei Beachtung schenken. Ich will nicht, dass sie dir das Herz brechen.«

»Ich bin mit Patrick verheiratet, nicht mit seiner Familie. Er wird mir beistehen«, insistierte Maggie.

»Bist du dir da ganz sicher? Blut ist dicker als Wasser. Deine Ehe kann gegen erbitterten Widerstand nicht bestehen, aber ich fürchte, genau darauf wirst du dort treffen.«

»Ich vertraue Patrick und seiner Liebe, Dad. Ich weiß, dass es Hürden geben wird, aber ich bin zuversichtlich, dass wir sie gemeinsam überwinden können.«

Charlies Blick wurde weicher. »Ach, Maggie, aus dir spricht noch die Unschuld der Jugend. Die harten Schläge des Lebens haben sie noch nicht vernichtet. Aber falls der junge Mann oder seine Familie dich verletzen, dann wird es ihnen leidtun, das verspreche ich dir.«

Die Drohung ihres Vaters erschreckte Maggie. »Gibst du uns deinen Segen, Dad?«

»Das tue ich, Maggie, mein Mädchen«, nickte Charlie tieftraurig.

»Ich weiß, dass mein Beitrag zu den Haushaltskosten hier sehr wichtig ist, Dad, obwohl es nie viel war.«

»Jeder Penny hilft uns, das will ich nicht leugnen, aber wir werden zurechtkommen. Du lebst jetzt dein eigenes Leben.«

Als Maggie die Arme um die Schultern ihres Vaters schlang, bemerkte sie erschrocken, wie dünn er geworden war. »Geht es dir gut, Dad?«

»Ja, es geht mir gut, ich bin nur müde. Und jetzt fort mit euch. Ihr müsst noch zu den Schwiegereltern. Und wehe, sie behandeln dich nicht gut!«

2

»Siehst du das Fenster mit der gestreiften Markise im obersten Stockwerk des Gebäudes, Maggie?« Patrick zeigte auf ein beeindruckendes vierstöckiges Haus in der Flinders Street im Geschäftsviertel Melbournes. Auf dem Bürgersteig tummelten sich Menschenmassen und Kinderwagen. Patrick bezahlte den Fahrer des Taxis, der sie hergebracht hatte, und griff nach Maggies Arm. »Das ist das Büro meines Vaters. Von dort oben hat er einen tollen Blick auf die Stadt und den Yarra River. Mein Büro ist auch da oben, es liegt aber auf der Rückseite.« Er lächelte bei dem Gedanken daran, dass auch er eines Tages sein Büro an der Vorderseite haben würde.

»Es muss herrlich sein, wenn man es sich leisten kann, dort oben Büroräume anzumieten«, sagte Maggie ehrfürchtig. Mit einem Mal beschlich sie angesichts des bevorstehenden Treffens mit Patricks Familie Angst. Sie hatte gedacht, dass er sie in sein Elternhaus führen würde, in einen privateren und zwangloser Rahmen, etwa in Form eines Nachmittagstees im Garten.

»Dad besitzt das ganze Gebäude, Maggie«, erklärte Patrick, gerührt von ihrer Naivität.

»Es gehört ihm!« Maggie traute ihren Ohren nicht. Sie überquerten die Straße, und Maggie hob rasch ihr Kleid an, um einem dampfenden Haufen Pferdeäpfel auszuweichen, während die vor einen Brauereiwagen gespannten Clydesdale-Pferde erleichtert weiterstampften.

»Nicht nur dieses Gebäude, sondern auch viele andere Häuser in Melbourne«, fügte Patrick hinzu.

Maggie blieb stehen und starrte ihn an. Sie hatte zwar gehört, was er ihrem Vater gesagt hatte, das Ausmaß aber nicht wirklich verstanden. Sie betrachtete ihr Kleid, und die Worte ihres Vaters klangen in ihren Ohren nach. Lange hatte sie überlegt, welchen Hut und welches Kleid sie tragen sollte, weil sie die Rolle als Patricks Frau unbedingt gut ausfüllen und ihn stolz machen wollte. Sie hatte sogar Spitzenhandschuhe übergestreift, falls ihre Hände vor Nervosität zu schwitzen beginnen sollten. Nach dem jedoch, was sie gerade erfahren hatte, war das alles reine Zeitverschwendung gewesen. »Du hast mir nicht gesagt, dass deine Familie so reich ist, Patrick.«

»Ich dachte nicht, dass es eine Rolle spielt«, sagte Patrick.

»Für mich bestimmt nicht, aber für deinen Vater könnte es von Bedeutung sein, dass ich …«, sie suchte nach den richtigen Worten, »… einer anderen Klasse entstamme. Sieh dir nur mein Kleid an. Was wird er nur von mir denken?«

Der Blick aus Patricks braunen Augen war weich. »Er wird denken, dass du einfach nur entzückend bist«, sagte er und zwinkerte ihr verschmitzt zu, bevor er sie durch eine Doppeltür in die Lobby des Gebäudes führte. Maggie schaute sich staunend um. Sie konnte schlicht nicht begreifen, dass Patricks Vater das gesamte Gebäude besaß. In ihr nagte das Gefühl, Patricks nicht würdig zu sein, aber das gestand sie ihm nicht.

Er hakte sie unter und führte sie zur Treppe.

»Dieses Gebäude war eines der ersten mit elektrischem Licht, und es wird das erste mit einem Personenaufzug sein«, berichtete Patrick stolz, während sie die Treppe hinaufstiegen. »Möglich wird dies durch eine zentrale Pumpstation in der Nähe des viktorianischen Docks, die gerade gebaut wird. Sobald sie betriebsbereit ist, können wir auch höhere Häuser bauen, vielleicht bis zu zwölf Stockwerke hoch. Stell dir das mal vor!«

Maggie wusste nicht, was sie sagen sollte. Patrick sprach über Dinge aus einer anderen Welt. Er schien ein anderer Mensch zu sein als der, den sie auf Phillip Island kennengelernt hatte.

Als sie den vierten Stock erreichten, drückte Patrick Maggies zitternde Hand. »Du musst nicht nervös sein, Missus Shanahan«, flüsterte er ihr zu. »Unsere Ehe mag meinen Vater überraschen, aber ich bin sicher, dass er begeistert sein wird.«

Maggie entspannte sich ein wenig. Patrick gelang es immer wieder, ihr das Gefühl zu vermitteln, sie wären als Paar unbesiegbar. Vielleicht war Patricks Vater ja ebenso reizend wie Patrick, ein bodenständiger Mann, der einfach nur zufällig reich war. Sie klammerte sich an den Gedanken, während Patrick sie zu einer lackierten Holztür führte, deren oberen Teil eine matte Glasscheibe mit der Aufschrift Jethro Shanahan zierte. Seitlich davor stand ein Schreibtisch, hinter dem eine junge Frau saß.

»Guten Tag, Silvia. Ist er da?« Patrick zeigte auf die Tür.

Silvia schenkte ihm ein warmes Lächeln. »Guten Tag, Mister Shanahan. Ja, Ihr Vater ist da, und er ist nach seinem Sieg beim Krocket gestern Nachmittag bester Laune.« Sie musterte Maggie aus dem Augenwinkel, zeigte aber abgesehen von einer leicht hochgezogenen perfekt gestylten Augenbraue keinerlei Reaktion.

»Wunderbar.« Patrick klopfte an die Tür, bevor er sie einen Spaltbreit öffnete und in das Büro spähte. »Hallo, Dad, bist du beschäftigt?«

»Patrick, du bist zurück«, dröhnte eine tiefe, warme Stimme. »Komm rein. Wir haben viel zu besprechen. Wir haben Fortschritte in Bezug auf den Vertrag für das alte Lagerhaus am Martin Place gemacht.«

Sein freundlicher Ton beruhigte Maggie ein wenig, obwohl Jethro Shanahan eigentlich ja nur übers Geschäft sprach.

»Das kann warten, Dad. Ich möchte dir jemanden vorstellen.« Patrick öffnete die Tür und führte Maggie in das Büro. Patricks Vater saß hinter einem großen, mit Papieren übersäten Mahagoni-Schreibtisch. Er war etwa Mitte bis Ende vierzig und makellos in einen braunen Tweedanzug, ein weißes Hemd und eine Seidenweste gekleidet. Maggie war sicher, dass sein Anzug mehr gekostet hatte, als sie in einem Jahr verdiente. Vor ihrem inneren Auge erschien das Bild ihres Vaters in dem abgenutzten, grauen Arbeitsanzug, den er in der Fabrik trug. Die beiden Männer hätten unterschiedlicher nicht sein können.

Der Raum war groß, kam ihr aber trotz der wunderbaren Aussicht über die Stadt und den Yarra River kalt vor, aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. Die beiden Sessel vor dem Schreibtisch sowie der Stuhl, auf dem Jethro Shanahan saß, waren aus üppigem, braunem Leder. Bücherregale säumten zwei der Wände vom Boden bis zur Decke und verliehen dem Büro eine strenge Note. Maggie konnte den Reichtum schier riechen. Für eine junge Frau aus Broadmeadows fühlte es sich falsch an, in diesem Büro zu stehen, und erst recht, in die Familie eingeheiratet zu haben. Der Weg von der Tür zum Schreibtisch schien nicht enden zu wollen, und die ganze Zeit klebte der Blick von Patricks Vater geradezu an ihr.

Maggie erkannte in seinen Gesichtszügen eine Ähnlichkeit mit seinem Sohn, doch er wirkte härter und sein Blick war kälter.

»Dad, ich möchte dir Maggie vorstellen«, sagte Patrick jetzt. »Maggie, das ist mein Vater, Jethro.«

Jethro Shanahan stand auf und beugte sich über den Schreibtisch vor, um Maggies ausgestreckte Hand zu schütteln. Für einen Moment drückte sein Gesicht Neugier aus, die jedoch rasch wieder verflog. Sein Lächeln wirkte reserviert. »Es ist mir ein Vergnügen … Miss …«

»Missus, bitte …« Maggie blickte beklommen zu Patrick.

»Maggie ist meine Frau, Dad«, sagte dieser selbstbewusst. »Wir haben gestern geheiratet. Es war eine schöne, kleine Feier auf Phillip Island.«

»Deine Frau!« Jethro straffte die Schultern und ließ seinen Blick mehrmals schockiert von Patrick zu Maggie wandern, bis er schließlich an Maggie hängenblieb. Dann lachte er. »Du beliebst natürlich zu scherzen. Und beinahe hättest du mich reingelegt. Sie sind bestimmt Patricks neue Sekretärin, nicht wahr, Maggie?«

»Ich scherze nicht, Dad.« Patrick wirkte verletzt. »Maggie ist wirklich meine Frau.«

Das Lächeln verschwand aus Jethros Gesicht. Er ging um den Schreibtisch herum und sah Maggie an wie eine ungeeignete Zuchtstute. Sie fühlte sich äußerst fehl am Platz in ihrem Hut und dem unansehnlichen Kleid, die er sicher für abgelegte Sachen hielt.

»Wir sind sehr verliebt«, fügte Patrick hinzu. Er legte schützend einen Arm um Maggies schlanke Taille, aber sie fühlte sich immer noch so hilflos wie ein verletzter Vogel, auf den eine Katze zuschlich.

Jethro sah seinen Sohn an. »Wie kann es sein, dass du mit jemandem verheiratet bist, von dem ich noch nie gehört habe?«, fragte er schroff.

»Wir haben uns auf Phillip Island kennengelernt, Dad. Wir haben uns ineinander verliebt, und ich habe Maggie gefragt, ob sie meine Frau werden will. Sie sagte ja, und so haben wir in einer malerischen Kapelle auf der Insel geheiratet.«

»Ihr habt euch … auf Phillip Island kennengelernt! Dann … kennt ihr euch also seit weniger als einem Monat.« Jethro spie die letzten Worte fast aus.

Patrich blickte lächelnd zu Maggie. »Es fühlt sich wie ein ganzes Leben an, nicht wahr, Liebling?«

»Ja«, sagte Maggie sehr leise. »Ich verspreche, Patrick sehr glücklich zu machen, Mister Shanahan.«

»Woher kommen Sie, Maggie?«, wollte Jethro wissen.

Sein Blick war jetzt tatsächlich noch kälter, wie Maggie bemerkte.

»Was spielt das für eine Rolle, Dad?«, schritt Patrick ein.

»Ich sollte doch sicher mehr als nur den Namen meiner neuen Schwiegertochter wissen, Patrick.«

»Ich bin in Irland geboren, Mister Shanahan«, sagte Maggie. »In einer Grafschaft im Westen, County Clare.«

»Ich meinte hier, in Victoria. Sie sind doch aus Victoria, nicht wahr?«

»Ja … aus Broadmeadows.« Maggies Herz raste. »Ich kam vor sieben Jahren mit meinen Eltern nach Australien.«

»Broadmeadows«, wiederholte Jethro mit einem bedeutungsvollen Blick in Richtung seines Sohnes. »Und welcher Art von Arbeit gehen Sie nach?«, fügte er dann verächtlich hinzu.

»Ich bin Bäckergehilfin … oder bin es zumindest die längste Zeit gewesen«, sagte Maggie mit einem Blick zu Patrick, der zu ihrer Erleichterung keine Spur von Verlegenheit zeigte. »Ich werde wohl kündigen, um all meine Zeit meinem Mann und unserem Heim widmen zu können.«

»Eine Bäckergehilfin«, wiederholte Jethro, wieder mit einem Seitenblick auf seinen Sohn. Seine Augen waren jetzt fast zusammengekniffen, die Lippen nur noch ein schmaler Strich.

»Sie haben ein schönes Büro«, sagte Maggie in der Hoffnung, ihn damit von seiner nächsten Frage ablenken zu können, die sie fürchtete: die nach dem Beruf ihres Vaters. Dabei schämte sie sich keineswegs für ihren Vater. Er war ein ehrlicher, hart arbeitender Fabrikarbeiter, aber nachdem Jethro Shanahan ihr mit nur zwei Fragen das Gefühl gegeben hatte, nichts wert zu sein, wollte sie nicht, dass er jetzt auch noch über ihren Vater sprach.

Jethro ignorierte sie schlicht und wandte sich stattdessen an Patrick. »Ich möchte mit dir reden … unter vier Augen«, stieß er in einem Tonfall hervor, der keinen Widerspruch duldete.

»Eigentlich wollte ich Maggie zu einem späten Mittagessen ausführen, Dad«, sagte Patrick.

»Das kann ein paar Minuten warten«, sagte Jethro. »Wenn Sie uns bitte entschuldigen würden, Maggie.«

»Ich habe keine Geheimnisse vor meiner Frau.« Patrick fühlte sich sichtlich unbehaglich.

Jethro starrte ihn an.

»Schon gut, Patrick«, sagte Maggie. »Ich warte draußen auf dich. Es war nett, Sie kennenzulernen, Mister Shanahan.«

Jethro antwortete nicht.

Patrick sah nicht glücklich aus, als sie ging.

Kaum hatte Maggie die Tür hinter sich geschlossen, da fuhr Jethro seinen Sohn an.

»Wie konntest du nur so einfältig sein, Patrick? Du bist einundzwanzig Jahre alt, hast dein ganzes Leben noch vor dir, und dann wirfst du es für eine Urlaubsliebe weg!«

»Maggie ist keine Urlaubsliebe!«, wandte Patrick ein. »Also mach das, was wir teilen, bitte nicht nieder.«

»Nein, sie ist Bäckergehilfin. Meine Güte, Patrick, Urlaubslieben sind nicht von Dauer. Und vor allem heiratet man sie nicht. Ich nehme an, du hast diesem Mädchen erzählt, dass du aus dem Geldadel stammst. Ach, was rede ich denn da? Natürlich hast du das getan.«

Draußen auf dem Flur konnte Maggie, wenn auch gedämpft, jedes seiner Worte hören. Sie zitterte am ganzen Körper, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie konnte Silvia nicht anschauen, spürte aber, dass die Sekretärin sich für sie schämte.

»Hör auf, Dad. Ich weiß, dass ich dir einen Schock versetzt habe, aber es gibt keinen Grund, gemein zu werden. Vielleicht ist es besser, wenn ich jetzt gehe, bevor wir beide etwas sagen, das wir nicht zurücknehmen können.« Patrick wandte sich zur Tür.

Jethro atmete tief durch, aber seine Wut ließ nicht nach. »Ich hatte Pläne mit dir, Patrick. Große Pläne! Ich kann nicht glauben, dass du etwas so … Überstürztes getan hast. Das passt überhaupt nicht zu dir.«

»Darüber solltest du mal nachdenken.«

»Das tue ich, Patrick. Und dabei ist mir klar geworden, dass du vollkommen blind bist, was die Beweggründe dieses Mädchens betrifft. Die Schlange ist ganz offensichtlich nur auf ein Vermögen aus und hat dich als Opfer ausgesucht.«

»Maggie ist nicht so«, protestierte Patrick entrüstet.

»Woher willst du wissen, wie sie ist? Du kennst sie nicht einmal einen Monat.«

»Ich kenne sie, Dad. Du musst mir vertrauen.«

Jethro trat ans Fenster und beobachtete eine Weile schweigend die Pferdekutschen unten auf der Straße. »Ich hatte gehofft, du würdest Caroline Spencer den Hof machen«, sagte er schließlich leise. »Sie hat Interesse an dir bekundet und wäre äußerst angemessen.«

Caroline war die jüngste Tochter des Bergbau-Magnaten Gerard Spencer. Sie war gerade in Melbournes Oberschicht eingeführt worden und hatte dabei große Aufmerksamkeit erregt. Sie war durchaus attraktiv, nicht zuletzt im Hinblick auf ihren steinreichen Vater im Hintergrund, aber Patrick fühlte sich nicht zu ihr hingezogen.

»Ich liebe Maggie, Dad. Außerdem sollte eine Hochzeit keine geschäftliche Vereinbarung sein«, sagte Patrick.

»Ich wüsste nicht, was dagegen spräche«, erwiderte Jethro. »Deine Mutter hat gut zu mir gepasst, weil unsere Väter geschäftlich miteinander zu tun hatten. Unsere Verbindung war also durchaus einträglich.«

Patrick hätte darauf hinweisen können, dass in der Ehe seiner Eltern keine wirkliche Zuneigung existierte, unterließ es aber. Er hatte es schon immer bedauert, dass seine Eltern einander nur wegen des sozialen Ansehens tolerierten.

»Hattest du vor, Maggie mit zu uns nach Hause zu nehmen?« Jethro hielt seinem Sohn noch immer den Rücken zugewandt.

»Ja, natürlich. Ich möchte, dass Mutter sie kennenlernt.«

»Wo wohnt ihr?«

»Ich habe noch kein Hotel gebucht, aber wir werden in den nächsten Tagen nach einem Haus für uns suchen.«

»Ihr könntet doch eine Weile bei uns wohnen … bis ihr eine geeignete Unterkunft findet«, sagte Jethro.

Patrick hob überrascht den Kopf.

»Aber du wirst Maggie freundlich behandeln, oder, Dad?«

»Ja, natürlich.« Jethro drehte sich um.

»Du wirst sie bestimmt ebenso lieb gewinnen wie ich, wenn du sie erst einmal kennenlernst.« Patrick klang jetzt glücklich. »Gib ihr einfach eine Chance.«

Jethro enthielt sich eines Kommentars. »Wir sehen uns heute Abend zum Essen«, sagte er lediglich.

Als Patrick aus dem Büro seines Vaters trat, lag ein Lächeln auf seinen Lippen. Maggie war überrascht. Wieso war er, nach all dem, was sie mit angehört hatte, nicht ungehalten?

»Wir wohnen bei meinen Eltern, bis wir unser eigenes Zuhause gefunden haben«, verkündete er, nahm ihren Arm und führte sie zur Treppe.

Maggie traute ihren Ohren nicht. Nie im Leben hätte sie erwartet, dass er den Vorschlag seines Vaters annehmen würde. »Wirklich?«, brachte sie hervor.

»Ich hoffe, das ist okay für dich. So können meine Eltern dich wenigstens kennenlernen, und bei uns ist genug Platz. Wir werden in einem separaten Flügel wohnen.«

Maggie nickte. Und hielt vorsichtshalber den Mund, weil sie befürchtete, dass sie das, was ihr durch den Kopf ging, tatsächlich laut aussprechen könnte.

3

Das aus roten Ziegeln erbaute georgianische Herrenhaus der Shanahans war so groß wie ein Hotel. Es befand sich in bester Lage auf einem halben Hektar Land in Toorak, am Ende einer Sackgasse zurückgesetzt von der Straße. Eine hohe, cremefarbene Backsteinmauer und verzierte Tore wahrten die Privatsphäre zur Straßenseite und schützten die Nutzer des Swimmingpools vor neugierigen Blicken. Zahlreiche andere Häuser in dieser wohlhabenden Vorstadt hatten üppige Gärten, weitläufige Rasenflächen, Pools, Tennisplätze, Remisen für ihre Kutschen und einige sogar Torwächterhäuschen, und doch stellten die Shanahans sie alle in den Schatten.

Nach dem Mittagessen und einem Einkaufsbummel kamen Maggie und Patrick um sechs Uhr abends an. Maggies Stimmung war nach einem schönen Nachmittag mit Patrick etwas besser, der Anblick des Hauses der Shanahans aber schüchterte sie ein.

Jethro, der kurz vor ihnen nach Hause gekommen war, hatte seiner Frau bereits von der nicht standesgemäßen Ehe ihres Sohnes berichtet. Er war noch dabei, seiner tiefen Bestürzung darüber vehement Ausdruck zu verleihen, als Patrick und Maggie die große Eingangshalle betraten. Jethro brach ab und schwieg, während Patrick Maggie seiner Mutter vorstellte.

Rosemary Shanahan hatte kaum Zeit gehabt, die Nachricht zu verdauen. Natürlich war sie zutiefst schockiert, dass Patrick so eilig geheiratet hatte, aber darüber hinaus war sie bitter enttäuscht, der Gelegenheit beraubt worden zu sein, sämtliche Feierlichkeiten zu organisieren, die der Hochzeit eines der reichsten und begehrtesten Junggesellen Melbournes – ihres erstgeborenen Sohnes – würdig gewesen wären. Sie liebte extravagante Anlässe, und als Mutter des Bräutigams hätte ihr das eine herausragende Position eingebracht.

Maggie verfügte normalerweise über eine gute Menschenkenntnis, aber Rosemarys wahre Gefühle in Bezug auf die Hochzeit ihres Sohnes konnte sie nicht ausmachen. Die Gesichtszüge der Frau waren durch jahrelanges Training so leblos wie eine Maske. Selbst Maggies in dieser Hinsicht ungeschultes Auge konnte sehen, dass die Frau bis ins Detail herausgeputzt, verschönert und geglättet und damit bestens geeignet war, die Dame des Hauses zu spielen. Aber Maggies erster Eindruck von ihrer neuen Schwiegermutter war, dass sie die Wärme eines Eisbergs ausstrahlte.

»Ich werde Sie Margaret nennen«, verkündete Rosemary nach der Vorstellung. »Ich besaß einmal eine bösartige Tigerkatze namens Maggie. Sie zerriss meine Vorhänge und kratzte mich jedes Mal, wenn ich versuchte, sie zu streicheln. Ich möchte nicht ständig an sie erinnert werden.«

Maggie war befremdet. »Ich bin keine Katze, und ich werde gerne Maggie genannt. Margaret klingt nicht annähernd so freundlich oder umgänglich, wenn ich das so sagen darf.«

Rosemary starrte sie erstaunt an. Maggie hatte es tatsächlich gewagt, sich ihr entgegenzustellen. »Und das ist nicht gut?«, protestierte sie. »Außerdem hat Margaret mehr Stil als Maggie.« Sie hielt inne und schürzte die Lippen. »Nun, vielleicht passt Margaret wirklich nicht zu Ihnen.«

Maggie war ziemlich sicher, dass sie gerade beleidigt worden war, beschloss aber, dass die Bemerkung nicht so gemeint gewesen war. »Nennt niemand Sie Rosie?«, fragte sie unschuldig, während sie zum Wohnzimmer geführt wurde.

»Ganz bestimmt nicht!«, erwiderte Rosemary entsetzt. »Das würde ich nie tolerieren!«

Und damit war das Thema für sie zweifelsohne beendet. Schon nach wenigen Minuten mit ihren neuen Schwiegereltern entschuldigten sich diese und gingen nach oben, um sich für das Abendessen fertig zu machen.

Das Abendessen an einem pompösen Esstisch mit zwölf Gedecken begann als recht gestelzte Angelegenheit. Patrick hatte am Nachmittag darauf bestanden, neue Kleider für Maggie zu kaufen, aber sie hatte darauf geachtet, dass er nicht zu viel dafür ausgab. Sie fühlte sich wohl, als sie in einem ihrer neuen Kleider den Speisesaal betrat. Es war zweifelsohne das schönste Kleid, das sie je besessen hatte. Doch als ihr Blick auf Rosemarys blaue Kreation aus fließender Seide und Chiffon fiel, erschien ihr hübsches, gelbes Kleid im Vergleich dazu wie ein Sack.

Patrick tat sein Bestes, die Konversation in Gang zu halten. Er erzählte seinen Eltern von den Pinguinen auf Phillip Island, den Pelzrobben am Nobbies Outcrop und von Missus Freebairn und dem Shangri-La-Gästehaus.

Aber Rosemary war mit ihren Gedanken woanders. Sie erinnerte sich an ihre Versuche, Patrick davon abzuhalten, seine Sommerfrische mit einfachen Leuten auf Phillip Island zu verbringen. Und siehe da, schon war es passiert: Er hatte eine von denen geheiratet! Sie war entsetzt.

Maggie hörte Patrick ebenfalls nur mit halbem Ohr zu, allerdings aus einem anderen Grund. Sie war voller Ehrfurcht angesichts des Speisesaals, der größer war als das Cottage ihrer Eltern. Noch nie hatte sie derart glänzendes Besteck und so feines Porzellan zu Gesicht bekommen. Sie fürchtete fast, etwas zu berühren, aus Angst, es könnte zerbrechen.

Mitten auf dem Tisch standen zwei prächtige fünfarmige Kandelaber. Das Licht der Kerzen ließ die Kristallkelche funkeln und verlieh dem Rotwein eine unbeschreiblich schöne rubinrote Farbe. Maggie wusste nichts über Kunst, aber sie bewunderte die Gemälde an den Wänden. Während Rosemary eines der Dienstmädchen wegen eines Fehlers bei der Faltung der Servietten abkanzelte, fragte sie Patrick nach einem der Werke.

»Hat einer deiner Eltern das entzückende Kunstwerk über dem Buffet gemalt?« Das Bild gefiel ihr ausgesprochen gut, und sie hätte ihnen gern ein Kompliment gemacht.

Patricks braune Augen funkelten vor Vergnügen. »Nein, Maggie, das Gemälde stammt von Pierre-Auguste Renoir. Mein Vater ist sicher, dass es eines Tages ein Vermögen wert sein wird.«

»Der Kauf hat mich ein Vermögen gekostet«, rief Jethro, der die Bemerkung gehört hatte.

»Was hat dich ein Vermögen gekostet?«, wollte Rosemary wissen, während das Dienstmädchen mit hochrotem Gesicht davonhuschte.

»Der Renoir. Margaret dachte, du oder ich hätten es gemalt.« Jethro rollte die Augen.

Rosemary blickte Maggie an, als wäre ihr ein zweiter Kopf gewachsen, und ließ sie deutlich spüren, dass sie einen Fehler gemacht hatte.

»Auguste Renoir ist ein bekannter französischer Impressionist, meine Liebe. Dieses Kunstwerk ist bekannt als Frühstück der Ruderer. Es ist ein romantisierendes Porträt von Renoirs Freunden, die einen Nachmittag auf einem Balkon über der Seine verbringen. Ein sehr wertvolles Werk.«

»Wenn Sie das sagen«, sagte Maggie, keinen Deut schlauer. Für sie war es einfach nur ein Gemälde, das ihr gefiel, ohne herausragende Eigenschaften.

»Das Gemälde soll den Wandel der französischen Gesellschaft als Folge der industriellen Revolution repräsentieren«, sagte Patrick. »Zum Beispiel öffneten sich plötzlich Restaurants für Leute aller Klassen. Das stimmt doch, Mutter?«, fügte er ausdrücklich hinzu.

»Vermutlich.« Rosemary freute sich, dass das Dienstmädchen in diesem Moment frische Austern servierte.

Maggie hatte noch nie zuvor Austern gegessen. Im Haushalt ihrer Eltern waren sie ein unbezahlbarer Luxus, aber das würde sie hier nicht preisgeben. Also beobachtete sie, wie Patrick das Fleisch mit einer winzigen Gabel aus den Schalen zupfte, und tat es ihm nach. Beim Geschmack des rohen Muschelfleischs in ihrem Mund hätte sie es am liebsten sofort ausgespuckt, aber sie schluckte in dem Versuch, möglichst welterfahren zu erscheinen.

»Wie schmecken Ihnen die Austern?«, fragte Rosemary. »Sie kommen frisch aus der Bucht.«

»Sie sind recht gut«, erklärte Maggie höflich, doch Rosemary bemerkte, dass sie wenig beeindruckt war.

»Bevorzugen Sie Garnelen oder Hummer?«, erkundigte sie sich, ohne sich um den verachtenden Blick ihres Sohnes zu kümmern.

»Das weiß ich nicht. Ich habe beides noch nie gegessen. Mein Vater geht manchmal in der Bucht Muscheln suchen. Wenn er genug mit nach Hause bringt, legt Mum sie ein«, sagte Maggie.

»Muscheln!« Rosemary verzog angewidert den Mund.

»Haben Sie die schon einmal gegessen? Ich bringe Ihnen gern einmal ein Glas von zu Hause mit«, bot Maggie an.

Rosemary schauderte. »Nicht nötig, meine Liebe.«

Patrick wechselte das Thema, indem er seinen Eltern von dem Angelabenteuer auf Phillip Island erzählte, bei dem Maggie mehrere Australische Heringe gefangen hatte, die Missus Freebairn anschließend zubereitet hatte.

»Das war aufregend, nicht wahr?«, wandte er sich an Maggie.

»Ja, das war es. Wir haben die Fische mit anderen Gästen des Shangri-Las geteilt.«

Rosemary und Jethro hatten bis dahin Patricks Urlaub oder die anschließende Hochzeit samt Feier nicht kommentiert, und auch dieses Mal schwiegen sie dazu. Stattdessen begannen sie ein Gespräch über ihre Freunde sowie Leute aus der Geschäftswelt. Maggie fühlte sich ausgeschlossen und konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies vonseiten ihrer Gastgeber beabsichtigt war. Die Shanahans ließen sie spüren, dass sie nicht in ihre Welt gehörte – sie war eine Außenseiterin. Sie hörte nur mit halbem Ohr zu, während sie überlegte, wie sie die Denkweise ihrer Schwiegereltern ändern könnte und ob das überhaupt möglich war.

Und sie hoffte, dass Patricks Geschwister sie herzlicher aufnehmen würden. Doch Maggies Erwartung, dass seine Eltern ein Treffen mit ihnen vorschlagen würden, möglicherweise ein gemeinsames Familienessen oder einen Nachmittagstee, wurde enttäuscht. Rosemary erwähnte zwar ihre Tochter, aber nur um zu sagen, dass Rebecca einen Börsenmakler geheiratet hatte und ihr zweites Kind erwartete. Und zu ihrem jüngsten Sohn Anthony bemerkte sie lediglich, dass es ihm an der Universität, wo er Jura studierte, gut ging. Maggie begann, Patrick zu bemitleiden, denn auch wenn seine Eltern keinerlei materielle Sorgen hatten, zeigten sie nicht die geringste Zuneigung, was ihre Kinder oder Enkelkinder betraf. Maggie bezweifelte nicht, dass sie sie liebten, aber wichtig schien nur zu sein, was sie erreicht hatten, und nicht, welch wunderbare Menschen aus ihnen geworden waren. Ihr Glück wurde nicht in die Rechnung einbezogen. Maggie war zutiefst beunruhigt.

Als das Dessert aufgetragen wurde, konnte Rosemary ihre Neugier in Bezug auf Maggie nicht länger zügeln, ihre Fragen jedoch richtete sie an Patrick.

»Hast du Maggies Eltern kennengelernt, Patrick?«

»Ja, heute früh.« Patrick schenkte Maggie ein beruhigendes Lächeln.

»Und wie haben sie auf deine überstürzte Heirat mit ihrer Tochter reagiert?«

Betroffen registrierte Maggie, dass Rosemary schauderte, als sie das Wort Heirat aussprach.

»Sie waren sicher begeistert«, stellte Jethro sarkastisch fest, ohne von seinem Nachtisch aufzublicken.

»Eigentlich waren sie eher schockiert, genau wie du und Mum«, sagte Patrick. »Sie wollen nur das Beste für ihre wundervolle Tochter.«

»Und das Beste haben sie bekommen«, konstatierte Rosemary fast empört. »Du bist ein guter Fang, der beste in Melbourne, aber woher sollten sie das wissen? Zahlreiche Herzen werden gebrochen werden, sobald durchsickert, dass du verheiratet bist.«

»Das stimmt … Ich hatte großes Glück, dass ich Patrick kennenlernen durfte und dass er sich in mich verliebt hat«, warf Maggie ein, um sich an diesem Gespräch zu beteiligen und nicht nur dessen Thema sein. »Aber die Reaktion meiner Eltern ist doch verständlich: Ich reiste als junges Fräulein in die Sommerfrische und kam kaum einen Monat später verheiratet zurück.«

»Ich freue mich, dass Ihnen klar ist, wie impulsiv das war«, sagte Rosemary. »Haben Sie Geschwister? Oder sollte ich fragen, wie viele Geschwister Sie haben? Schließlich stammen Sie aus einer irischen Familie.«

»Shanahan ist ein irischer Name«, betonte Maggie. Sie wollte nicht unverschämt sein, aber sie wollte etwas klarstellen.

»Das ist richtig, meine Liebe, das ist er. Aber ich bin Engländerin. Wir vermehren uns nicht wie die Kaninchen.«

»Und ich habe keine Geschwister.« Maggie war froh, ihr Paroli bieten zu können.

»Oh! Warum nicht?«

»Meine Mutter sagt, ich sei ein Geschenk Gottes, weil sie nach einem Unfall in ihrer Kindheit nicht damit rechnen konnte, überhaupt Kinder zu bekommen.« Maggie errötete. Weiter ins Detail wollte sie nicht gehen, das Thema war zu persönlich.

»Ich verstehe. Und wo wohnen Ihre Eltern?«, fragte Rosemary, entschlossen, Maggie an ihren rechtmäßigen Platz zu verweisen.

»In Broadmeadows.« Maggie blickte zu Jethro, der sie kalt anstarrte.

»Aha«, sagte Rosemary lediglich, als sei sie wenig überrascht. »Hat Ihr Vater Arbeit?«

Maggie war klar, dass sie der Frage zum Beruf ihres Vaters nicht ewig ausweichen konnte, aber es ärgerte sie, dass Rosemary annahm, er wäre arbeitslos. »Ja, natürlich. Er arbeitet bei Samuel und Hastings«, sagte sie so ruhig wie möglich.

»Ist das eine Fabrik?« Rosemarys Stimme troff vor Hochmut.

»Es ist eine Gießerei«, erklärte Maggie. »Dort werden Dinge aus Metall, Kamingarnituren und Fensterverkleidungen hergestellt. Vermutlich befindet sich auch in diesem Haus etwas von Samuel und Hastings.«

Rosemary blinzelte, sie war sichtlich entsetzt. »Das bezweifele ich, meine Liebe. Ich erwarte nicht, dass Ihnen der Unterschied bewusst ist, aber nahezu alles hier ist importiert.«

»Ihr Haus und die Einrichtung sind wirklich sehr schön, aber überlegen Sie doch mal, wie viel Geld Sie hätten sparen können, wenn Sie bei ortsansässigen Herstellern gekauft hätten«, sagte Maggie überzeugt.

Patrick hätte beinahe laut gelacht. »Maggie hat recht, Mutter«, brachte er schließlich hervor, ohne dem Blick seiner Mutter auszuweichen.

Jethro schüttelte ungläubig den Kopf.

»Ist Ihr Vater in der Leitung der Gießerei?«, fragte Rosemary, nachdem sie sich wieder gefangen hatte, mit der geringen Hoffnung, dass Maggie sie vielleicht doch noch überraschen könnte.

»Nein. Mein Vater gießt das geschmolzene Metall in Formen. Das erfordert großes Geschick«, sagte Maggie stolz.

»Sicher.« Es gelang Rosemary nicht, ihr Missfallen zu verbergen. »Bitte entschuldigen Sie mich. Ich habe Kopfschmerzen und möchte mich zurückziehen.« Sie erhob sich. »Gute Nacht, Maggie, Patrick«, fügte sie kalt hinzu. Mit einem abschließenden Blick auf ihren Mann verließ sie den Speisesaal, ihre Seidenröcke fegten im Gehen über den Parkettboden.

Maggie seufzte. Sie war froh, dass die »Inquisition« vorbei war. Dann meldete sich wieder das Gefühl der Herabwürdigung, als ihr aufging, dass ihre Schwiegereltern ihren Sohn nicht zu seiner Hochzeit mit ihr beglückwünscht hatten.

»Im Arbeitszimmer sind einige Papiere, die deiner sofortigen Aufmerksamkeit bedürfen, Patrick.« Jethro stand ebenfalls auf.

»Können die nicht bis morgen warten?«, fragte Patrick. Er drückte Maggies Hand voller Vorfreude darauf, mit ihr allein zu sein.

»Es dauert nur ein paar Minuten«, erwiderte Jethro.

»Geh ruhig, Patrick.« Maggie nickte. »Ich komme zurecht.«

Während Patrick und sein Vater sich auf den Weg ins Arbeitszimmer machten, trat Maggie ans Fenster und ließ ihren Blick über die terrassierten Gärten schweifen. Im Licht der Laternen waren sie wirklich wunderschön, die Baumwipfel und der Pool wirkten wie in Mondlicht getaucht. Wie schade, dachte sie, dass ein so schönes Haus keine netten Besitzer hat.

»Stellen Sie sich vor, dass das alles eines Tages Ihnen gehören wird?«

Maggie wirbelte herum und erblickte Jethro direkt hinter ihr. »Ganz bestimmt nicht«, stammelte sie überrascht über seine Anwesenheit. »Ihr Zuhause ist schön, aber ein kleines Cottage wäre für mich ausreichend.«

Seine Augen verengten sich. »Erwarten Sie, dass ich das glaube?«

»Es ist die Wahrheit«, verteidigte sich Maggie. »Sie können es glauben oder auch nicht. Ich möchte ein Haus dieser Größe nicht putzen müssen.«

»Können Sie sich ernsthaft vorstellen, dass meine Frau einen Mopp oder Staubwedel in die Hand nimmt?«, konterte Jethro herablassend. Es war eher eine Aussage als eine Frage – der Versuch, sie darauf hinzuweisen, wie lächerlich naiv sie war.

Maggie fragte sich, ob er ernsthaft eine Antwort erwartete. Sie hatte ihrer Mutter beim Saubermachen geholfen, seit sie ein kleines Mädchen war.

Jethro kam der Gedanke, dass er in den fünfundzwanzig Jahren ihrer Ehe noch nie gesehen hatte, dass Rosemary auch nur einen Finger im Haushalt rührte. »Ich muss zum Ausdruck bringen, dass ich verwirrt bin. Patrick hätte jede Frau haben können. Die Crème de la Crème der High Society. Warum hat er ausgerechnet Sie gewählt?«

Maggie zuckte innerlich zusammen. »Die Antwort ist einfach. Er hat sich in mich verliebt«, sagte sie ernst.

»Ich denke eher, er hat Sie begehrt«, sagte Jethro. »Sie haben sicher all Ihre weiblichen Reize benutzt, um ihn zu verführen.«

Schockiert trat Maggie einen Schritt zurück. »Ich kann Ihnen versichern, dass ich so etwas nie getan habe«, widersprach sie. »Wir sind gewandert, haben gepicknickt, abends bei Kerzenschein gespeist und haben uns ineinander verliebt. Verführung war dabei nicht im Spiel.«

Jethro blickte sie skeptisch an. »Das ist schwer zu glauben«, erklärte er unhöflich.

»Glauben Sie doch, was Sie wollen«, antwortete Maggie, die es satthatte, beleidigt zu werden.

»Ich denke, er hat Ihnen erzählt, dass er aus einer reichen Familie stammt, und Sie sahen eine Chance, Ihre Stellung im Leben zu verbessern.«

»An meinem Leben war überhaupt nichts auszusetzen; es brauchte keinerlei Verbesserung«, widersprach Maggie verärgert.

Jethro grinste und rollte die Augen. »Soll ich etwa glauben, dass es der Traum einer jeden jungen Frau ist, in Broadmeadows eine Familie zu gründen?«

Maggie war spätestens jetzt klar, dass sie Jethro Shanahan überhaupt nicht leiden konnte. »Patrick ist ein wunderbarer Mann. Deshalb liebe ich ihn. Ich liebe ihn so sehr, dass ich bereit bin, darüber hinwegzusehen, wie sehr Sie auf mich und meine Familie hinabschauen. Und ich bin sicher, dass wir unseren eigenen Weg finden und glücklich sein werden, all Ihrer Einwände zum Trotz.«

»Das bezweifele ich sehr.« Jethro war ärgerlich, dass sie den Mut hatte, ihm zu widersprechen, das trauten sich nur wenige Menschen. »Patrick arbeitet in meiner Firma, und er wird eines Tages ein Vermögen erben. Die Frau an seiner Seite sollte seiner würdig sein. Es ist völlig klar, dass seine Welt und Ihre Welt viel zu unterschiedlich sind, als dass Sie je in sein Leben passen könnten. Er hat einen großen Fehler gemacht, als er Sie heiratete. Sie sollten das Richtige für ihn tun und Ihre Ehe annullieren lassen.«

Maggie war fassungslos. Ihr Vater hatte tatsächlich recht gehabt mit seiner Einschätzung: Die »feinen Pinkel« wollten nicht, dass sie zu einem Teil ihres Lebens wurde, und das war demütigend. Sie kämpfte gegen die Tränen an, denn sie wollte unter keinen Umständen, dass er bemerkte, wie sehr er sie verletzt hatte. Diese Genugtuung gönnte sie ihm nicht. »Patrick liebt mich, und ich liebe ihn viel zu sehr, um ihm das Herz zu brechen«, sagte sie so ruhig wie möglich.

»Vielleicht ist er im Moment der Meinung, dass er Sie liebt, aber eines gar nicht so fernen Tages wird er merken, dass er einen großen Fehler gemacht hat. Wenn Sie ihn so sehr lieben, wie Sie behaupten, würden Sie ihn freigeben.«

Jethro drehte sich um und verließ den Speisesaal, gerade als ein Dienstmädchen mit einem Tablett hereinkam, um den Tisch abzuräumen. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie zumindest einen Teil des Gesprächs mitbekommen hatte.

»Kann ich Ihnen etwas bringen, Missus?«, fragte sie freundlich.

Maggie war so außer sich, dass sie kaum atmen konnte. Niemals zuvor war sie so furchtbar behandelt worden. »Nein, danke. Ich möchte mich zurückziehen.« Sie wollte jetzt unbedingt allein sein.

»Soll ich Ihnen vielleicht einen Kakao bringen, Missus?«

Maggie schüttelte den Kopf. Sie wagte nicht zu sprechen, weil sie dann in Tränen ausbrechen würde. Mit zittrigen Beinen machte sie sich auf den Weg in den Gästeflügel. Sie konnte nur hoffen, dass sie sich unterwegs nicht verirrte.

Das Gästezimmer war geräumig und elegant eingerichtet. Es wurde dominiert von einem Himmelbett mit Samtvorhängen und goldenen Quasten. Auf den polierten Dielen lagen Perserteppiche, und in einer Ecke stand ein mit Tapisserie bezogener Stuhl. In einer Nische gab es sogar eine Badewanne, aber Maggie war nicht in der Stimmung, diesen Luxus zu genießen. Sie fühlte sich zutiefst unglücklich. Sie liebte Patrick von ganzem Herzen, aber Jethro hatte Zweifel in ihr gesät. Würde Patrick auf lange Sicht glücklich mit ihr sein?

Maggie machte sich bereit für die Nacht, und als Patrick ins Bett kam, liebten sie sich. Danach lag Maggie in seinen Armen. Er bemerkte, dass sie sehr still sei, aber sie beruhigte ihn, sie sei nur müde.

»Du kannst morgen ausschlafen, Liebste. Ich muss früh ins Büro, bleibe aber nur kurz dort. Wenn ich nach Hause komme, machen wir eine Kutschfahrt durch die Royal Botanical Gardens. Danach essen wir irgendwo zu Mittag und beginnen dann mit der Suche nach einem eigenen Zuhause.«

»Das klingt wunderbar.« Maggie sehnte sich danach, dieses Haus zu verlassen und ihr eigenes Leben zu beginnen. »Wo wollen wir mit der Suche beginnen?«

»Warum nicht gleich hier in Toorak? Oder vielleicht in einem der benachbarten Vororte, wie Hawthorn oder Kooyong?«

Dass Patrick in der Nähe seiner Eltern leben wollte, bestürzte Maggie. »Wir sind frisch verheiratet, Patrick. Wie könnten wir es uns leisten, in Toorak zu wohnen?«

»Ich verdiene gut, mach dir darüber bitte keine Sorgen«, sagte Patrick.

Maggie runzelte die Stirn. »Finden wir denn hier in der Nähe ein gemütliches Cottage?« Denn das war immer noch ihr Traumhaus. Sie hoffte, dass er auch weiter wegziehen würde.

Patrick lachte. »In einem winzigen Häuschen können wir keine Empfänge veranstalten, Liebes.«

Maggie fühlte, wie ihr Traum ihr entglitt. »Ich würde mich in einem so großen Haus nicht wohlfühlen«, gab sie zu bedenken. Sie wollte sie selbst sein und nicht so tun, als wäre sie ein »feiner Pinkel«.

»So groß wie dieses hier muss es nicht sein, aber wir brauchen Platz für alle unsere Kinder.«

»Alle unsere Kinder? Wir hatten uns auf drei geeinigt.« Maggie stieß ihn spielerisch in die Rippen. »Gerade die richtige Anzahl für ein Häuschen mit vier Schlafzimmern, einem weißen Lattenzaun drum herum, einem Rosengarten und einer hübschen Küche, von der aus man auf einen Rasen blickt, auf dem die Kinder spielen.«