Der Huf des Teufels - Bent Ohle - E-Book

Der Huf des Teufels E-Book

Bent Ohle

4,4

Beschreibung

TV-Star Shelly Kutscher, Detektivin in der texanischen Serie "Marshall-Stone", will dem Showbusiness entfliehen. Sie übernimmt den Hof ihres Urgroßvaters und freundet sich mit dem benachbarten Gestütsbesitzer Simon Langensalza an. Doch schon bald wird diese Freundschaft einer Prüfung unterzogen: Betrug und Erpressung, eine heimliche Liebschaft und ein Mord trüben die ländliche Idylle. Simon gerät unter Verdacht, und Shelly muss ihre "Marshall-Stone"-Qualitäten auch im wahren Leben unter Beweis stellen. Sie kommt den Tätern auf die Schliche, aber damit wird sie selbst zur Zielscheibe des Teufels...

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Seitenzahl: 447

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Bent Ohle studierte Dramaturgie und Drehbuch an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Für seine veröffentlichten Kurzgeschichten und Romane ist er mit Preisen ausgezeichnet worden. Er arbeitet heute als freier Autor und lebt mit seiner Familie in Braunschweig.

Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig. Die Zitate aus »Max und Moritz« stammen aus »Das farbige Wilhelm Busch Hausbuch«, erschienen 1976 im Lingen-Verlag, Köln.  

© 2013 Hermann-Josef Emons Verlag Alle Rechte vorbehalten Umschlagmotive: iStockphoto.com/Elnur, fotolia.com/moleskostudio, sxc.hu/Billy Alexander Umschlaggestaltung: Franziska Emons/Tobias Doetsch eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, LeckISBN 978-3-86358-293-7 Landkrimi Originalausgabe

Für Susi, Cussi und Lisei

Ach, was muß man oft von bösen

Kindern hören oder lesen!!

Wie zum Beispiel hier von diesen,

Welche Max und Moritz hießen (…)

Menschen necken, Tiere quälen,

Äpfel, Birnen, Zwetschen stehlen (…)

Aber wehe, wehe, wehe!

Wenn ich auf das Ende sehe!!

Wilhelm Busch, »Max und Moritz«

Erster Streich

Max und Moritz dachten nun:

Was ist hier jetzt wohl zu tun?

Eins

Der Flügel schnitt durch die graue, scheinbar schwerelose Masse vor dem Fenster. Als das Flugzeug aus der Wolke heraustrat, tauchte es in einen mit weißen Schneeflocken gefüllten Luftraum.

Shelly sah aus ihrem kleinen, an den Rändern beschlagenen Fenster. Durch das dichte Treiben des Schnees hindurch erkannte sie unter sich ein paar vereinzelte Lichter. Sie hörte das Sirren des Fahrwerks, das wie der Bohrer eines Zahnarztes klang, und dann ein abschließendes Rumpeln. Das Flugzeug schwankte etwas, und sie legte beide Hände an ihren Gurt. Nur noch wenige Minuten, und es war geschafft. Der Vogel, der sie in das neue Land gebracht hatte, wäre gelandet.

Sie nahm ihre Sonnenbrille vom Kopf, schob sie wie ein Visier vor ihre Augen und spürte dabei den Blick ihres Nachbarn, ignorierte ihn jedoch. Sie hatten nicht ein Wort miteinander gewechselt auf dem neunstündigen Flug. Shelly hatte einige unmissverständliche Signale ausgesandt, die deutlich machten, dass sie einer Unterhaltung – welcher Art auch immer – abgeneigt war. Der Mann schob die FAZ, die er während der letzten zwei Stunden gelesen hatte, zurück in das kleine Netz im Sitz vor ihm und richtete seine Krawatte, die er irgendwo über dem Atlantik geöffnet hatte, neu. Er war Vielflieger und ohne großes Gepäck, nur mit einem kleinen schwarzen Rollkoffer und einem Kaschmirmantel unterwegs. Auf seinem iPad hatte er während des Fluges irgendwelche Statistiken durchgearbeitet, aber das hatte Shelly nicht wirklich interessiert. Sie war auf sich selbst konzentriert gewesen, hatte ihre Entscheidung im Kopf immer wieder hin- und hergedreht und -gewendet. Sie dachte an jede mögliche Konsequenz, die daraus folgen könnte. Ihr Handy hatte sie aus Vorsicht erst gar nicht angeguckt.

Die dicken Schneeflocken hatten sich inzwischen in grieselige kleine Partikel verwandelt, die kreuz und quer durch die Luft stoben. Jetzt konnte man auch die Landebahn erkennen, und kurze Zeit später setzten sie mit einem zweifachen Quietschen auf. Der Pilot lenkte die Boing in einer Linkskurve in Richtung Terminal. Sie hielten an, der Schlauch der Gangway saugte sich wie ein riesiger Wurm an den Rumpf des Flugzeugs, und dann ging die Hektik los. Alle sprangen auf, nachdem man das hundertfache Klicken der Gurte vernehmen konnte, machten sich über die Gepäckablagen her und verpackten sich umständlich in der Enge in ihre Jacken und Mäntel. Shelly hatte nur eine warm gefütterte Steppjacke dabei, die sie bis unters Kinn zuzog. Dann setzte sie eine abgewetzte Baseballkappe auf, die sie schon seit über zwanzig Jahren besaß. Auf ihrer Stirn prangte nun der Stern von Texas.

Bis Shelly an der freundlich grüßenden Stewardess vorbei nach draußen trat, hatte es aufgehört zu schneien. Durch die kleinen Fenster des schwarzen Schlauchs, in dem sie nun stand, sah Shelly, dass der Himmel teilweise aufriss und ungleichmäßige türkisblaue Felder zwischen den grauen Wolken freilegte. Die feine Schneedecke auf dem Boden hielt sich noch, wurde von einem böigen Wind aber ständig verweht. Den Frühlingsanfang in Deutschland hatte Shelly sich etwas anders vorgestellt.

Sie ging die Gangway hinunter und wurde dabei von den meisten Passagieren überholt. In der Gepäckhalle wollte sie die Frachtpapiere aus ihrer hellen Rindsledertasche, die sie über der Schulter trug, herauskramen, doch sie konnte die verdammten Unterlagen einfach nicht finden. Das Gepäckband war von den Reisenden umringt, die aufgeregt ihre Koffer, Taschen und Beutel suchten, nur Shelly stand etwas abseits und wühlte in ihren wenigen Habseligkeiten herum. Genervt steckte sie ihre Sonnenbrille auf den Mützenschirm und suchte weiter. Kaugummi, Lippenstift, Konzertkarten, Taschentücher, eine Rohrschelle, ein Stimmgerät, zwei gerissene Gitarrensaiten, eine kaputte Armbanduhr, eine Zahnpastatube, ein USB-Stick, zwei Ringe und am Boden etwas texanischer Sand. Mehr nicht. Ihr Koffer war inzwischen auf dem Gepäckband gelandet und zog immer einsamer seine Kreise. Shellys Sitznachbar verließ die Halle in Richtung Ausgang und warf ihr einen letzten prüfenden Blick zu. Verzweifelt ließ sie ihre Tasche sinken, atmete frustriert aus und ging zur Gepäckausgabe. Als ihr Koffer sich an ihr vorbeischob, griff sie zu, verlor dabei allerdings ihre Sonnenbrille, die auf das Band fiel und langsam davonglitt. Shelly fluchte, stellte ihren Koffer auf und zog den Teleskopgriff heraus. Da tippte ihr jemand auf die Schulter.

»Entschuldigung?«

Shelly fuhr erschrocken herum und sah sich ihrem Sitznachbarn gegenüber, der noch einmal zurückgekommen war.

»Das ist Ihnen eben aus der Tasche gefallen«, sagte er und hielt Shelly zwei gefaltete Blätter hin.

»Oh my gosh«, sagte sie erleichtert und nahm sie entgegen. »Vielen Dank, die hab ich schon überall gesucht.«

Der Mann lächelte. »Sie sollten so was nicht einfach in der Gesäßtasche aufbewahren.«

»Sie haben recht.«

Er verabschiedete sich freundlich, und Shellys schlechtes Gewissen meldete sich lautstark. Sie hätte ihn nicht so auf Distanz halten dürfen. Zurückzukommen, um ihr die Papiere zu geben, war nett von ihm, ganz besonders nachdem sie neun Stunden lang die Unansprechbare gespielt hatte. Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Kaum dass der Kaschmirmantel verschwunden war, fuhr ihre Sonnenbrille wieder bei ihr vorbei. Shelly setzte sie auf, warf ihre Tasche über die Schulter, nahm ihren Koffer und machte sich auf die Suche nach dem Frachtschalter.

»Was ist denn ein Pinto?«, fragte die Mitarbeiterin hinter dem Tresen stirnrunzelnd. »Ein Auto?«

»Ein Pferd.«

»Ein Pferd?«, wiederholte sie laut und lachte ungläubig.

Shelly verzog keine Miene, und ihre Brillengläser spiegelten nur die Neonröhren in dem kleinen Raum wider. Der Mitarbeiterin verging das Lachen.

»Ja, also, Tiere kommen zunächst in die Frachthalle, wo sie auch untersucht werden.«

»Wie komme ich da hin?«

Die Dame griff unter den Tresen und holte einen Lageplan des Flughafens hervor. Sie markierte den Weg mit einem Rotstift. »Dort melden Sie sich dann bitte mit den Papieren«, sagte sie abschließend.

»Wo finde ich denn die Autovermietung?«

»Die befindet sich hier den Gang runter in Terminal A.«

»Gut, danke.«

Shelly spazierte hinaus und begab sich zum Sixt-Schalter. Obwohl Flughäfen so etwas wie einen uniformen Look hatten, war hier alles fremd für sie. Die Sprache zu sprechen, erleichterte ihr das Ankommen jedoch erheblich.

Hinter dem orangefarbenen Schalter mit der schwarzen Aufschrift blickte ein junger Mann in einem schwarzen Sakko vom Bildschirm auf. Er trug ein Namensschild auf der Brust. Herr Tiesberg, stand dort zu lesen. In den USA hätte auf dem Schild sein Vorname gestanden, dachte Shelly.

»Was kann ich für Sie tun?«

»Mein Name ist Kutscher. Ich hatte ein Auto und einen Pferdeanhänger reserviert.«

»Einen was?«

»Einen Pferdeanhänger.«

»Moment bitte«, sagte er und vertiefte sich in den Bildschirm, während er mit flinken Fingern die Tastatur bediente. »Kutscher, sagten Sie?«

»Ja, richtig. Wie die Kutsche.«

»Ah, da habe ich ihre Reservierung. Stellplatz 81.«

Er blickte auf und schien zu überlegen, ob er sie attraktiv genug fand, um sich selbst darum zu kümmern. Shelly war zweiundvierzig, sah aber gut zehn Jahre jünger aus. Sie hatte braun gebrannte Haut vom Leben und Arbeiten unter der heißen texanischen Sonne, lange wildhonigfarbene Haare und blendend weiße Zähne, wie sie nur Amerikaner hatten.

»Ich bringe Sie hin«, sagte er freudestrahlend und kam hinter seinem Schalter hervor. »Darf ich Ihnen den Koffer abnehmen?«

Shelly ließ den Griff los und folgte ihm hinaus auf den Parkplatz. Sie erreichten einen schwarzen Jeep Cherokee. An der Anhängerkupplung hing ein kleiner, mit zwei Rädern untersetzter Blechkasten.

»Da sind wir«, verkündete der junge Mann stolz.

Shelly blieb entkräftet stehen.

»Was ist das?«

»Ihr Wagen.«

»Und wie klein, glauben Sie, muss das Pferd sein, das ich damit transportiere?«

»Ich … nun ja …«

»Transportieren Sie Pferde in Deutschland üblicherweise mit so etwas?«, fragte Shelly und machte dabei einen Schritt auf ihn zu.

»Nein … ich denke nicht.«

»Sehen Sie, das denke ich auch. Wir beide haben nun folgendes Problem: Ich habe ein Pferd. Und Sie haben einen Anhänger, der gerade groß genug für einen Schimpansen ist. Was machen wir also?«

»Ich verstehe das auch nicht. Am besten sehe ich noch mal im Computer nach.«

»Wenn Sie meinen, dass das hilft.«

Zurück am Schalter zitterten seine Finger ein wenig, als er die Daten eingab.

»Tja, hier steht: Jeep Cherokee und ein Pferdeanhänger.«

»Nur wissen wir jetzt, dass es keiner ist.«

»Ja«, sagte der junge Mann.

»Ich hatte aber einen reserviert. Besorgen Sie mir also bitte so schnell wie möglich einen Pferdeanhänger. Mein Pferd wartet in der Frachthalle darauf, abgeholt zu werden.«

Wieder begann er zu tippen, doch ihm brach nur der Schweiß aus bei dem, was der Computer ausspuckte. Er entschuldigte sich für einen Moment und ging zu seinem Kollegen am Schalter nebenan. Sie flüsterten miteinander und warfen Shelly verstohlene Blicke zu. Dann nahm er sein Handy und telefonierte. Vorsichtshalber blieb er in gebührlichem Abstand zu ihr stehen.

»Es tut mir furchtbar leid, aber es muss hier ein Missverständnis vorliegen«, sagte er schließlich. »Wir haben keinen Pferdeanhänger.«

»Das ist schlecht.«

»Ja, ich habe deswegen auch schon mit der Zentrale telefoniert, und wir möchten Ihnen anbieten, den Jeep für nur die Hälfte des Preises zu mieten.« Er zeigte sein schönstes Lächeln.

»Das ist nett. Und mein Pferd mache ich dann am Außenspiegel fest oder wie?«

Er lachte verlegen. Shelly überlegte, ob sie ihre Anonymität aufgeben und sich zu erkennen geben sollte. Das hatte schon in so manchen Fällen geholfen. Als Promi standen einem alle Türen offen, doch der junge Mann konnte sicherlich keinen Anhänger herzaubern. Stattdessen holte sie ihr Handy heraus und rief Sebastian Renter an, ihren Grundstücksverwalter hier in Deutschland.

»Herr Renter, hier spricht Shelly Kutscher. Ich bin gerade in Hannover angekommen und brauche dringend einen Pferdeanhänger. Meine Autovermietung hat mich hängen lassen. Hätten Sie vielleicht eine Möglichkeit, mir weiterzuhelfen?«

»Frau Kutscher! Herzlich willkommen erst mal. Ja, also Pferdeanhänger habe ich jetzt nicht. Aber … warten Sie, eventuell könnte ich einen Bekannten fragen. Darf ich Sie gleich zurückrufen?«

»Das wäre nett.«

Sie legten auf. Fünf Minuten später erklärte Renter, dass er den Besitzer eines Gestüts in Shellys Nähe kontaktiert habe, und der würde einen Anhänger für sie bereitstellen. Renter stellte sich seinerseits zur Verfügung, sie abzuholen.

»Super, vielen Dank«, sagte sie in den Hörer und wandte sich dann wieder an den Sixt-Mitarbeiter: »Behalten Sie den Jeep und die Schimpansenwanne.«

* * *

»Hey, Jungs, führt ihr ihn erst mal ein bisschen rum, damit er sich hier akklimatisieren kann, und reitet ihn anschließend warm? Sara kommt dann gleich dazu. Wir gehen vorher nur noch kurz zur Turnierleitung rauf, ja?« Simon Langensalza hielt Fürst Metternich, den großen Hannoveraner Hengst, am Halfter. Das Pferd streckte seinen Kopf über Simons Schulter und wurde von ihm beiläufig an den Nüstern gestreichelt. Leif und Lasse, die beiden jungen Männer, mit denen er sprach, waren Auszubildende auf seinem Gestüt und würden bald ihren Abschluss zum Pferdewirt bei ihm machen. Sie übernahmen das Tier von Simon. Sara, Langensalzas Tochter und Fürst Metternichs Reiterin, zurrte ihr Haarband fester und gab dem Tier einen Klaps auf den Hinterlauf.

»Bis gleich, Großer.«

Das Springreiten fand auf dem Landgestüt Celle statt, eine traditionsreiche Veranstaltung, die Reiter und Zuschauer aus ganz Deutschland und Europa anlockte.

»Sollen wir ihn …«, begann Leif, als jemand hinter ihnen hupte. Leif griff in die Trense des Hengstes und zog ihn etwas zur Seite, damit der riesige schwarze Sportwagen passieren konnte.

»Oh, da kommt der große Favorit! Spielt sich auf wie’n verdammter Weltstar, dieser Hofstätter«, sagte Simon und sah wie alle anderen Leute um sie herum zu, wie Hofstätter seinen Porsche Panamera über den Parkplatz lenkte.

»Der hat sein Pferd vergessen«, spottete Leif und kniff die Augen zusammen.

»Nee, Aladdin hat er hier im Stall stehen. Ein absolutes Spitzenpferd«, meinte Simon.

»Blöder Fatzke«, sagte Lasse.

»Pass auf, dass er dich nicht hört. Der Typ ist ziemlich aufbrausend und kann ganz gut austeilen. Hab ihn mal wütend gesehen. Der Kerl, der ihn angemacht hat, lag danach im Krankenhaus«, sagte Simon.

»Mir doch egal, soll er mal kommen.«

»Reg dich ab. Bei mir in der Ausbildung lernt ihr, wie man sich auf dem Reitplatz zu verhalten hat. Ich mag ihn auch nicht, aber hier wird alles sportlich entschieden, verstanden? Sarah gewinnt nachher einfach gegen ihn. Das trifft ihn am meisten.« Er umarmte seine Tochter und zog sie weiter. »Ihr macht das schon, Jungs. Und bleibt cool.«

Leif und Lasse sahen sich nur kurz an und blickten dann wieder dem Sportwagen hinterher.

Eine halbe Stunde später ritt Leif Fürst Metternich auf dem Abreitplatz ein. In den Pfützen lagen zersplitterte Eiskrusten, die sich im Frost der vergangenen Nacht gebildet hatten. Weißer Dampf stieg den Tieren aus den Nüstern. Lasse stand etwas abseits und tippte konzentriert auf seinem iPhone herum. Er wählte eine Nummer, ließ es dreimal klingeln und legte dann auf. Entspannt lehnte er sich an ein Gatter, und nach kaum zehn Minuten entdeckten seine Augen Herrn Berger. Er trug Jeans und schwarze Aigle-Gummistiefel zu einer schwarzen Steppjacke, die seinen Bauchansatz nicht mehr verstecken konnte. Seine Zeit als Reiter war längst abgelaufen, fand Lasse. Aber als Geschäftspartner wollte er ihn nicht missen. Berger blickte einige Sekunden über den Platz, nahm alles in Augenschein und kam schließlich mit gesenktem Kopf zu Lasse herübergestapft. Seine Hände hatte er in den Jackentaschen vergraben. An irgendetwas fingerte er dort herum, während er leise mit Lasse sprach.

»Was hast du für mich?«

»Hab vorhin Hofstätter gesehen. Hätte kotzen können.«

»Tja, an den kommt keiner ran heute.«

»Ich denke doch. Der Teppichflieger wird nicht antreten, das garantiere ich.«

Berger sah ihn verwundert und abschätzend zugleich an, so als zweifelte er an Lasses Zurechnungsfähigkeit.

»Doch, doch. Aladdin wird aus dem Turnier ausscheiden. Hundertprozentig. Sie können vorne liegen, wenn Sie wollen.«

»Wie viel?«

»Für den Teppichflieger … fünftausend.«

»Fünf? Nun mal schön langsam, Junge.«

»Nein, nein. Fünf, oder es gibt kein Geschäft.«

Sie sahen sich in die Augen. Berger konnte kaum glauben, wie abgebrüht dieser Kerl war. So abgebrüht, dass er eine Gänsehaut bekam. Der Junge war ihm unheimlich. Aber nützlich.

»In Ordnung. Wenn’s nicht klappt, gibt’s kein Geld.«

»Wie gesagt, ich garantiere es.«

Berger nickte. Er drehte sich um und ging. Aus dem Augenwinkel prüfte er, ob ihn jemand gesehen hatte. Aber das war nicht der Fall. Trotzdem stellten sich seine Nackenhaare auf, als er Lasse den Rücken zuwandte.

»Macht’n Augenblick Pause, Jungs«, sagte Simon eine halbe Stunde später zu Leif und Lasse, während er seiner Tochter beim Einreiten zusah. Die beiden ließen sich das nicht zweimal sagen und gingen. Simons Handy begann zu vibrieren. Er zog es aus seiner Brusttasche und blickte auf das Display. Dort stand: »Herr Renter ruft an.«

Simon runzelte die Stirn und nahm das Gespräch entgegen.

»Hallo?«

»Hallo, Herr Langensalza? Hier spricht Renter, von Immobilien Renter. Ich verwalte …«

»Ja, ja, ich weiß schon, Herr Renter. Ich bin gerade bei einem Turnier, und es ist wirklich ungünstig. Worum geht es?«

»Entschuldigen Sie, aber es ist gewissermaßen ein Notfall. Eine Kundin von mir steht mit einem Pferd in Hannover am Flughafen und hat keine Transportmöglichkeit. Sie kommt gerade aus Übersee. Ich dachte, vielleicht hätten Sie einen Anhänger, den ich …«

»Ja, sicher. Gehen Sie zu Herrn Jülich, der wird Ihnen weiterhelfen. Ich rufe ihn gleich an.«

»Oh, das ist wirklich nett, tausend Dank. Frau Kutscher wird sich sehr freuen. Über das Finanzielle können wir ja dann reden.«

»Ja, ja, ich muss jetzt Schluss machen.«

»Alles klar, Wiederhören.«

Simon legte auf und rief sofort seinen Stallmeister Jülich an. Sarah kam zu ihm geritten. Fürst Metternich schnaubte, an seinen Barthaaren hingen kleine Kondenstropfen.

»Wie geht er?«

»Ich weiß nicht, die Hinterhand rechts gefällt mir nicht richtig. Ist ein bisschen fest irgendwie.«

»In Ordnung. Wir lassen Katja gleich mal draufgucken. Sie muss jeden Moment da sein.«

Nach einem kurzen Gang über den Platz erreichten Leif und Lasse eine der Würstchenbuden. Eine hagere Frau mit aufgekrempelten Ärmeln und einem Drachentattoo bediente sie.

»Ich hätte gern eine Bratwurst und ein Malzbier«, sagte Lasse. »Was willst du?«

»Nur’n Wasser.«

Die Dame kümmerte sich um die Bestellung.

»Malzbier?«, fragte Leif argwöhnisch.

»Ja, ich hab da eine Idee.«

»Aha.«

»Erzähl ich dir gleich, erst mal will ich was essen.«

Sie setzten sich in die Sonne, die inzwischen genug Kraft hatte zu wärmen, und Lasse biss heißhungrig von der Bratwurst ab. Mit vollem Mund setzte er die Flasche an und trank drei große Schlucke. Leif nippte unterdessen an seinem Wasser und wartete darauf, dass sein Freund ihm sagte, was er ausgebrütet hatte. Er wusste, dass ein Deal mit Berger zustande gekommen war, das Treffen war ihm nicht entgangen.

Lasse kaute zu Ende, fuhr mit der Zunge im Mund herum und nahm abschließend noch ein paar Schlucke Malzbier. Er rülpste leise.

»Wir können heute fünftausend machen.« Er sah Leif erwartungsvoll an.

»Soso. Warum so viel?«

»Ich hab ihm gesagt, dass wir den Teppichflieger ausschalten.« Lasse ließ seine Augenbrauen auf und ab hüpfen und grinste breit.

»Und du weißt natürlich auch, wie du das anstellen willst?«

»Sicher. Deshalb das Malzbier.«

Leif blickte auf die fast leere Flasche, die von einigen Sonnenstrahlen durchflutet wurde. Sie leuchtete braun, fast rötlich, wie geronnenes Blut. Man konnte einige Fingerabdrücke darauf schimmern sehen. Leif dachte, dass die Polizei sie darüber schnell identifizieren könnte.

Lasse hob die Flasche und trank sie aus. »Braunes Glas ist der Schlüssel, Alter. Mit deinem blöden Wasser geht das nicht. Aber hiermit.«

»Ich versteh immer noch nichts. Könntest du mich bitte aufklären?«

Lasse schob sich näher an Leif heran und stützte sich dabei mit seinen Ellbogen auf den Tisch, dass die Leisten knarrten. »Braun sieht man einfach nicht.«

Mit einer ruckartigen Armbewegung fegte er die Flasche samt Pappteller vom Tisch. Es klirrte, und die Flasche zersprang auf dem Boden.

»Oh, nein! Scheiße, tut mir leid«, rief Lasse laut und sprang auf. Die Dame mit dem Drachentattoo blickte müde auf die Scherben und zog ein altes verbeultes Kehrblech und einen zerfransten Handbesen unter dem Tresen hervor. Lasse kniete schon am Boden, als sie kam. Er scharrte die Bruchstücke mit dem Pappteller zusammen, und Leif sah, wie sein Freund sich einige Scherbensplitter aussuchte und sie in seiner Jackentasche verschwinden ließ.

»Tut mir wirklich leid«, sagte er.

»Ja, ja, einfach mal besser aufpassen! Ihr Jungs seid zu nervös, ständig am Rumzappeln.«

»Du hast mich so nervös gemacht«, meinte Lasse mit gesenkter Stimme.

Die Frau hielt inne und sah ihn irritiert an.

»Ja, ich hab grad meinem Freund gesagt, wie verdammt gut du aussiehst.«

»Verarschen kann ich mich alleine.«

»Nein, ganz im Ernst. Ich steh total auf deine Uniform und so. Die schmutzige Schürze, das Tattoo. Macht mich total scharf. Dazu deine alte, ledrige Haut und deine falschen Zähne. Ich steh auf so was.«

Die Frau fuhr brüskiert zurück. Sie starrte Lasse an, der sich langsam erhob. Er grinste über das ganze Gesicht, aber seine Augen blitzten eiskalt. Ängstlich entfernte sich die Frau. Lasse trat ganz gelassen zurück an den Tisch.

»Komm, Alter, Showtime!«

»Was hast du zu ihr gesagt?«, wollte Leif wissen.

Lasse sah zur Würstchenbude hinüber. Die Frau stand mit dem Rücken zu ihm hinter dem Tresen, doch ihre zuckenden Schultern verrieten, dass sie weinte.

»Ich hab ihr ’n Kompliment gemacht. Ich glaub, sie ist ganz gerührt.«

Lasse zog seinen Freund am Ärmel.

»Lass uns gehen.«

Sie gingen in die Stallungen, wo die Reiter ihre Pferde für die Einsätze im Turnier vorbereiteten. Die Tiere wurden gebürstet, gehalftert und gesattelt, bandagiert und getränkt. Aladdin stand fertig gesattelt und gezäumt im Gang vor der letzten Box links hinten im Stall. Bernd Hofstätter war Besitzer einer kleinen Zucht in der Nähe von Burgdorf, außerdem besaß er eine erfolgreiche Logistikfirma für den Pferdetransport. Aladdin war sein Paradepferd und hier im Landgestüt zum Beritt untergebracht. Er und sein Sohn Tillmann standen bei dem Tier und unterhielten sich. Tillmann war der Reiter, und es sah so aus, als würde der Vater seinem Sohn gerade ein paar gute Tipps und eine Marschroute für den Wettkampf vorgeben. Das Pferd war vollkommen ruhig. Fast so, als wüsste es, wie sicher es heute gewinnen würde.

»Na dann los«, flüsterte Lasse, und Leif verließ den Stall wieder. Lasse ging in eine leere Box und tat so, als wäre er dort beschäftigt. Kurze Zeit später ertönte die Alarmanlage eines Autos.

»Ist das der Porsche?«, hörte er Tillmann fragen. Als Antwort vernahm Lasse nur die eiligen Schritte von Hofstätter und gleich darauf auch die von Tillmann.

Im Stall war zu diesem Zeitpunkt nur eine Handvoll Menschen mit ihren Pferden beschäftigt. Die meisten konzentrierten ihre Aufmerksamkeit ganz auf ihre Tiere. Eine Reiterin, die bereits auf ihrem Pferd saß, blickte amüsiert aus einem Fenster.

»Da laufen die beiden. Wenn’s um ihr Auto geht, sind sie fast so schnell wie ihr Gaul«, feixte sie, und einige lachten. Lasse nutzte den Moment der Ablenkung und stahl sich zu Aladdin hinüber. Der kannte das Geräusch des Porsche wohl schon, denn der nervige Alarmton störte ihn überhaupt nicht. Lasse näherte sich dem Tier, und schon drehten sich dessen Ohren in seine Richtung. Aladdin warf ihm einen unaufgeregten Blick zu.

»Alles gut. Feines Tier. Alles gut.« Lasse streichelte den Hengst am Hals, ging nach hinten, fuhr mit seiner Hand über das dunkel glänzende Fell und ließ sie über Aladdins Hinterhand bis zur Fessel hinabgleiten. Draußen piepte es noch immer. Die Reiterin stand jetzt in ihrem Sattel und fasste für die anderen zusammen, was sie sah. Lasse bückte sich, holte die Splitter aus seiner Jackentasche und nahm ein paar Brocken von der feuchten Erde vom Abreitplatz auf, die hier überall verstreut lagen. Daraus formte er einen kleinen Klumpen und ließ die Splitter darin verschwinden. Dann nahm er den Huf des Pferdes hoch. Aladdin schaute nach hinten, beschwerte sich aber nicht. Seine Ohren waren aufmerksam gespitzt. Ganz behutsam klebte Lasse den Brocken unter den Huf, direkt auf den Hufstrahl des Pferdes, wo die Splitter am schnellsten eindringen konnten. Ebenso vorsichtig ließ er den Huf wieder herunter. Er sah das Pferd an, das den Hinterlauf entspannt hängen ließ, und schlich sich zurück in die Box. Kaum war er drin, ging der Alarmton aus, und fast gleichzeitig hörte man ein lautes Wiehern von Aladdin. Der hatte den Hinterlauf belastet, trat nun mit allen vieren voll auf und drückte sich die Splitter so immer tiefer in den Huf hinein. Er warf unruhig seinen Kopf hoch, dass sich die Zügel spannten.

»Hey, kann sich mal einer um das Pferd kümmern?«, rief die Reiterin.

Aladdin wurde immer nervöser und trampelte aufgeregt herum. Seine Hufe klapperten laut auf dem Steinboden. Als zwei Männer sich dem Pferd nähern wollten, trat Lasse aus der Box, eilte zu Aladdin und packte ihn mutig am Halfter. Der Hengst sah ihn aus großen panischen Augen an. Ein Ruck mit dem Kopf hätte Lasse fast umgeworfen, doch er hielt fest. In dem Moment betraten Hofstätter und sein Sohn den Stall und kamen Lasse zu Hilfe. Während sie den Hengst beruhigten, lieferte einer der beiden Männer hinter ihnen die entlastende Begründung für das Verhalten des Tieres: »Dieses Gepiepe hat ihn ganz verrückt gemacht.«

Der andere sagte: »Aber der junge Mann hier hat schnell reagiert.«

Hofstätter wandte sich Lasse zu, während Tillmann das Pferd endgültig beruhigte.

»Vielen Dank, junger Mann! Er hätte sich sonst verletzen können«, sagte er und reichte Lasse die Hand.

»Kein Problem. Alles gut. Was war denn mit dem Auto?«

»Ach, keine Ahnung. Bei dem ganzen Trubel hier kann das schon mal passieren. Neulich ist unsere Hündin vorn gegen die Stoßstange gelaufen, und das Ding ging los. Empfindlich wie ein Frauenzimmer.« Hofstätter lachte, und alle stimmten ein. Nur Tillmann nicht.

»Papa, sollen wir ihn durchchecken lassen?«

»Ist jetzt keine Zeit mehr dafür. Du reitest ihn ein, und dann sehen wir mal.«

* * *

Sebastian Renter besaß einen recht großen Garten, in dem immer wieder Abfälle anfielen oder für den er Erde, Rindenmulch und Pflanzen heranschaffen musste. Aus diesem Grund hatte er sich beim Autokauf für eine Anhängerkupplung entschieden und sich einen Nachzieher zugelegt, ähnlich dem, den Herr Tiesberg für Shelly vorrätig gehabt hatte. Jetzt aber mit einem Pferdeanhänger zu fahren, war ein ganz anderes Gefühl. Schon als er vom Hof des Gestüts gefahren war, war ihm der Schweiß ausgebrochen. Nun, auf dem Flughafengelände, wo es ohnehin unübersichtlich und eng war, spürte er sein Herz im Hals pochen. Sein Oberhemd war am Rücken völlig durchnässt, und unter seinen Achseln hatten sich tellergroße Schweißflecken gebildet. Natürlich hatte er in seiner Aufregung die Cargo-Abfahrt verpasst und so einmal umsonst um den Flughafen herumkurven müssen, bevor er endlich vor dem richtigen Gebäude parken konnte.

Er stieg aus, ging den kurzen Weg zum Eingang und betrat die Halle durch die automatische Schiebetür. Es war niemand zu sehen. Alle Schalter waren unbesetzt. Irgendwo von draußen hörte er Rufe, das Heulen von Turbinen und ein merkwürdiges Geklapper.

»Hallo?«, rief er, und seine Stimme wurde in einem kleinen Echo zurückgeworfen. »Hallo!«

Niemand antwortete. Er ging zum Tresen und suchte vergebens nach einer Klingel. Ein Telefon läutete. Vielleicht lockt das ja einen Mitarbeiter hervor, dachte er. Doch das Läuten hörte wieder auf, und nichts geschah.

»Ist da jemand?«, rief er nach hinten. Noch immer bekam er keine Antwort. Er wollte gerade wieder gehen, als eine Tür aufsprang und eine Frau vom Flughafenpersonal hereinstürzte. Sie beachtete ihn überhaupt nicht, riss nur den Hörer von einem der Telefone und atmete schwer wie nach einem Zirkeltraining in die Muschel.

»Hallo, Security? Wir brauchen hier Hilfe in der Frachthalle. Auf dem Rollfeld vor der Frachthalle. Schicken Sie ein paar Männer, gleich!« Sie legte auf und wollte sich wieder davonmachen.

»Entschuldigung?«, rief Renter.

»Ich kann im Moment nur schlecht … Was wollen Sie denn?«

»Ich will Frau Kutscher abholen.«

Da regte sich plötzlich etwas in ihrem Gesicht.

»Sie sind das?«

»Ja.«

»Kommen Sie mit«, sagte sie so, als würde sie kein Nein zulassen, und eilte voraus. Renter hastete hinter ihr her, durch zwei Sicherheitsschleusen und ein geöffnetes Tor hindurch. Sonnenlicht blendete ihn. Die Geräusche wurden immer lauter. Sie betraten das hell betonierte Rollfeld am linken Ende des Flughafenareals. Überall fuhren hier diese kleinen orangefarbenen Fahrzeuge, kreuz und quer, sodass man aufpassen musste, nicht überfahren zu werden. Noch weiter links erstreckte sich unter der Anflugschneise der Flugzeuge eine weitläufige Rasenfläche.

»Da hinten!«, schrie die Frau ihm durch den Lärm hindurch zu. Sie deutete auf eine Gruppe von Flughafenangestellten, die in ihren blauen Uniformen scheinbar ziellos über den Rasen liefen. Renter kamen sie vor wie eine Herde panischer Schafe, die sich hierher verirrt hatten. Und dann kam hinter der Gebäudeecke plötzlich ein braun-weiß geflecktes Pferd hervorgeprescht. Auf ihm, ohne Sattel reitend, saß Shelly. Sie hielt die Zügel in der rechten Hand und lenkte das Tier souverän an ihren Verfolgern vorbei, um sie herum und wieder von ihnen weg.

»Holen Sie sie endlich da weg! Sie kann hier nicht einfach rumreiten!«, schrie die Mitarbeiterin neben Renter.

»Warum tut sie das?«, fragte er.

»Sie meinte, ihr verdammter Gaul bräuchte Auslauf. Hat ihn einfach genommen und ist mit ihm rausgeritten. Die ist völlig durchgedreht!«

Während sie das sagte, wurden sie auch schon von drei in Schwarz gekleideten Männern von der Security umringt, die hinter ihnen aus dem Gebäude getreten waren.

»Was gibt’s?«, rief der eine. Er war fast zwei Meter groß, hatte eine Glatze und einen Vollbart. Die Dame streckte nur ihren Arm aus und zeigte auf Shelly. Sofort legten die Männer Hand an ihre Elektroschocker und wollten lossprinten.

»Halt! Nein! Ich mach das schon. Ich hole sie«, schrie Renter und lief los. Die blaue Gruppe wurde immer langsamer und unkoordinierter, als er näher kam. Er hob die Arme und winkte. »Hallo, Frau Kutscher! Anhalten! Ich bin Herr Renter!«

Shelly zog leicht an den Zügeln, und das Pferd stand. Sie äugte in seine Richtung und setzte sich wieder in Bewegung.

»Frau Kutscher! Bitte halten Sie an! Ich bin Herr Renter«, rief er wieder.

»Gut, dass Sie endlich kommen«, rief sie zurück.

Renter blickte nach rechts, von wo die Gruppe auf sie zugestolpert kam. Er hob beschwichtigend eine Hand. »Alles in Ordnung! Ich hole sie ab!«

Fünf Minuten später standen die drei Männer von der Security und ein Großteil der Mitarbeiter in einem Halbkreis um sie herum und sahen zu, wie sie das Pferd in den Anhänger beförderten. Shelly ließ sich davon kaum beeindrucken, sie schimpfte nur unablässig vor sich hin, während sie Pancake in den Anhänger führte. Der ließ das alles in noch größerer Ruhe mit sich geschehen.

»Neun Stunden Flug für so ein Tier, was denken die sich eigentlich?« Sie nuschelte noch etwas auf Englisch hinterher, was aber kaum zu verstehen war.

»Können wir?«, fragte Renter, als Shelly die Klappe geschlossen hatte.

»Sehr gern«, erwiderte sie energisch.

»Vielen Dank noch mal für Ihr Verständnis und Ihre Geduld«, sagte Renter kleinlaut zu der Gruppe.

»Nehmen Sie sie bloß mit, diese Irre«, zischte einer, der immer noch ganz aus der Puste war.

»Frau Kutscher, könnten Sie vielleicht fahren?«, fragte Renter, dem die Aufregung doch ein wenig an die Substanz ging.

»Sicher.« Shelly stiefelte auf die Fahrerseite, öffnete die Tür und nahm dabei Mütze und Brille ab. »Möchte vorher noch jemand ein Autogramm?«, fragte sie hämisch. Jetzt erst erkannten einige von ihnen, wer Shelly war.

Ein kleiner Mann von der Security hob vorsichtig den Arm. Sofort wurde er von seinem Kollegen mit der Glatze angerempelt und nahm den Arm ganz schnell wieder runter.

»Gut, dann bis nächstes Mal«, sagte Shelly und stieg ein. Sie startete den Motor und ließ ihn einmal laut aufjaulen, bevor sie davonrollten.

Die Flughafenleute sahen dem Gespann geplättet hinterher.

»Das war Marshall Stone«, sagte der kleine Security-Mann mit piepsiger Stimme.

»Halt doch endlich die Klappe«, wies ihn sein Kollege zurecht. »Die war gemeingefährlich.«

»Marshall Stone!«, piepste er erneut.

Zwei

Sie hatten den Flughafen auf der Zufahrtsstraße verlassen und waren auf der Messeautobahn in Richtung Osten gefahren. Renter wies Shelly an, die Ausfahrt Burgdorf zu nehmen; anschließend folgten sie der B188 Richtung Wolfsburg und Gifhorn. Die Sonne hatte sich gegen alle Wolken durchgesetzt und warf ihr helles, warmes Licht über der Landschaft aus. An den Bäumen konnte man die ersten Knospen erkennen, die Äcker waren frisch aufgeworfen, und die Stoppelfelder leuchteten unter einem blauen Himmel. Trecker waren unterwegs, frische Spuren auf der Landstraße zeichneten ihre Fahrtroute nach. In nahezu jedem Ort entlang ihrer Strecke sah man Pferdekoppeln, Weiden und Ställe. Das hier war ein weicheres, fruchtbareres Land als in Shellys Heimat. Immer wieder passierten sie Waldstücke, die die für texanische Verhältnisse kleinen Felder einrahmten oder die Landstraßen flankierten. Aber es war zweifellos ein Pferdeland. Und genau das ließ Shelly sich nicht fremd fühlen, während sie mit ihrem Pferd hinter sich durch die Landschaft glitt. Vielleicht war es auch die Tatsache, dass ihre familiären Wurzeln hier lagen. Es kam ihr fast so vor wie ein Nachhausekommen. Renter beschrieb ihr viele Eigenheiten dieses Landstrichs, klärte sie über den Anbau von Kartoffeln und Spargel, Braunkohl und Grünkohl auf und war ein wenig erleichtert, dass er die Anwesenheit der Wohnwagen, die alle zwei-, dreihundert Meter entlang der niedersächsischen Spargelstraße in Feldwegen parkten, nicht genauer erläutern musste.

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