Der Jungbrunnen: Neue Märchen von einem fahrenden Schüler - Paul Heyse - E-Book
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Der Jungbrunnen: Neue Märchen von einem fahrenden Schüler E-Book

Paul Heyse

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Beschreibung

Paul Heyse, ein bekannter deutscher Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, präsentiert in seinem Werk 'Der Jungbrunnen: Neue Märchen von einem fahrenden Schüler' eine Sammlung von Märchen, die von einem wandernden Studenten erzählt werden. Heyse's literarischer Stil ist geprägt von einer märchenhaften Erzählweise mit tiefgründigen moralischen Botschaften. Die Geschichten entführen den Leser in eine Welt voller Fantasie und bieten zugleich subtile Kritik an gesellschaftlichen Normen seiner Zeit. Heyse knüpft dabei geschickt an die Tradition der Volksmärchen an, verleiht jedoch jedem Märchen eine eigene, unverwechselbare Note. Die Erzählungen sind vielschichtig und laden dazu ein, zwischen den Zeilen zu lesen, um die verborgenen Bedeutungen zu entdecken.

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Paul Heyse

Der Jungbrunnen: Neue Märchen von einem fahrenden Schüler

 
EAN 8596547072881
DigiCat, 2022 Contact: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Vorwort.
Das Märchen von der guten Seele.
Glückspilzchen.
Zweites Kapitel. Wie Hansel gar lustige Reisegesellschaft findet.
Drittes Kapitel. Was ihnen auf der Hochzeit begegnet.
Viertes Kapitel. Wie Glückspilzchen gar seltsam gebettet wird.
Fünftes Kapitel. Wie Glückspilzchen ihre Nachtherberge verläßt und mit der Frau Bösgewissen Bekanntschaft macht.
Sechstes Kapitel. Wie sich Alle wieder zusammenfinden und der lange Poet seine Fährlichkeiten erzählt.
Siebentes Kapitel. Wie sie noch Einiges zu schwätzen haben und sich dann auf den Heimweg machen.
Achtes Kapitel. Wie eine sehr gute bürgerliche Hochzeit dieser romantischen Geschichte ein Ende macht.
Das Märchen von Musje Morgenroth und Jungfer Abendbrod.
Erstes Kapitel. Wie Musje Morgenroth in noble Verhältnisse kommt und wo er die Nacht darauf zubringt.
Zweites Kapitel. Wie Musje Morgenroth sich einrichtet.
Drittes Kapitel. Wie durch einen verunglückten Kaffee viel Glück zu Wasser wird.
Viertes Kapitel. Wie es Musje Morgenroth wider seinen Willen nach Wunsch geht.
Fünftes Kapitel. Wie Musje Morgenroth zum Pikbuben kommt.
Sechstes Kapitel. Wie Musje Morgenroth das Wandern ankommt, ohne daß er Kehrt macht.
Siebentes Kapitel. Ende gut, Alles gut.
Veilchenprinz.
Das Märchen von Blindekuh.
Fedelint und Funzifudelchen.
Erstes Kapitel. Wie es sich ereignet, daß Funzifudelchen, noch ehe sie in der Welt war, von der bösen Fee Aurora Mesopotamia verwunschen wurde.
Zweites Kapitel. Wie der alte verrückte Kapellmeister den aufrührischen Bassisten nachläuft.
Drittes Kapitel. Wie Fedelint mit der alten rothnasigen Hexe in den Wald geht.
Viertes Kapitel. Wie Fedelint durch ein Unglück ein Glück macht.
Fünftes Kapitel. Abenteuer der Nixe Undula mit dem Professor Theophilus Sutorius.
Sechstes Kapitel. Fiedler und Student.
Siebentes Kapitel. Wie Fedelint an den Unrechten kommt.
Achtes Kapitel. Wie das Märchen von Fedelint und Funzifudelchen ein fröhliches Ende nimmt.
Epilog.

Vorwort.

Inhaltsverzeichnis

Es wird sich Mancher wundern, in der traurigen Zeit lustige Märchen auftauchen zu sehn und ein lachendes Gesicht zu gewahren, nachdem kaum die Meduse des Bürgerkriegs den Blick gesenkt hat, mit dem sie die Furcht auf allen Wangen versteinerte. Auch den lachlustigen Mund des fahrenden Schülers hatte das Gespenst starr gemacht, daß sich nur noch ein schmerzlicher Spott darauf regen mochte, und der wäre diesen Märchen übel zu Gesicht gestanden. Es sei daher bemerkt, daß sie schon im Jahr 1847 geschrieben wurden, wo der Humor noch im Stande der Unschuld war und im Flügelkleide harmlos herumlaufen durfte. Der gute Junge hat schnell ein Mann werden und sich an die Waffen gewöhnen müssen.

Daß aber das kleine Buch jetzt dennoch in die Welt tritt, bedarf kaum der Rechtfertigung, wenn es überhaupt je würdig war, vor so Vieler Augen zu kommen. Schnitzt man doch an den Stock, mit dem man auf Berge wandert und sich in bösen Händeln durchhilft, ein Pfeiflein, und wenn es eine ordentliche Flöte ist, um so besser! – Dann aber das junge Geschlecht, deren unschuldigen Augen die Gorgo noch nichts anhaben konnte! Wißt ihr nicht, daß der Wein, der feurig gedeihen soll, viel Sonnenscheins in seiner Jugend bedarf?

Beiläufig noch ein Wort über gewisse kluge Leute, die auch im Märchen ihrem Lieblingswild, der sogenannten Idee, nachjagen und es der Phantasie nie vergeben können, wenn sie von ihr noch so lieblich auf irren Wegen hin und her gelockt werden. Und doch führt nun einmal das Märchen nicht in der Ebene, wo das Ziel weit aus der Ferne winkt, sondern verschlungene, vielfach gewundene Bergpfade hinab und hinauf. Die Dame Moral, die das ewige haec fabula docet philisterhaft im Munde führt, reitet auf ihrem Grauthierchen gerade so weit vorauf, daß der Wanderer sie immer um die Krümme des Wegs hinter die Felsen biegen sieht, wenn er sie zu erreichen meint, und nur zuweilen ihr wehendes Schleierchen oder des Esels Schwanz gewahr wird. Jene klugen Leute stolpern ihr hastig nach, gerathen in fruchtlosen Schweiß und büßen die Aussicht ein in die bunte Landschaft und in die frischen Waldgründe voll Vogelsangs und rauschender Quellen. – Lieber Leser, wonach gelüstet dich mehr, nach der fröhlich wuchernden Natur, oder nach jenes Esels Schwanz?

Unter den heitern Geschichten ist eine betrübte, die zu den übrigen nach Stil und Stimmung nicht wohl zu passen scheint. Sie ist die älteste Schwester, entstanden in einer Zeit, da der fahrende Schüler von einem schwülen Liebesgewitter tief verschattet war. Und die Vögel singen ja ängstlich und wunderlich, wenn ein Wetter aufzieht. Er hat aber dies Lied nicht zurückhalten wollen, um seinem Herzen Genüge zu thun, und wenn es einem schönen dunkeln Augenpaar begegnet, möge es einen freundlichen Gruß sagen und an Einen erinnern, der gern vergeßlicher wäre.

Geschrieben in der Schweiz, am 6. Sept. 1849.

Das Märchen von der guten Seele.

Inhaltsverzeichnis

Es war einmal ein blutarmes, verlassenes Ding, das hieß die gute Seele, und war schlank und fein gewachsen und hatte rechte Elfenbeinchen, die aber leider barfuß laufen mußten. Verwandtschaft hatte sie auf der ganzen Welt nicht; nur einen Bierbruder und eine Kaffeeschwester, die gingen mit ihr um, als wäre sie das Aschenputtel, und gaben ihr kein gutes Wort. Das stand die gute Seele eine Zeitlang aus, bis sie vom Herrn Pastor eingesegnet war. Nun, dachte sie, hab' ich Schuh' und Strümpfe, da geh' ich in die Fremde, weit weit weg. Aber weil sie doch einmal die gute Seele war, brachte sie's nicht übers Herz, fortzulaufen, ohne ihrem Bierbruder und ihrer Kaffeeschwester was davon zu sagen. Alle die eingesegneten Mädchen, sprach sie, haben sich einen Schatz angeschafft, und meine Freundinnen schauen sich nicht mehr viel nach mir um. Ich will sehen, ob ich auch irgendwo einen Liebsten aufgabele, oder eine neue Freundin. – Ja, du Zeisig, erwiederte der Bierbruder, meinethalb magst du nach Lappland gehn, wo du hingehörst! Aber dein schwarzes Abendmahlskleid lass' ich dir nicht; das Bairische wird mir immer theurer. – Und mir geht der Zucker auf die Neige und der Stippzwieback, sagte die Kaffeeschwester. Gieb flink deine Schuh' und Strümpfe her! wir müssen Alles wieder auf den Trödel geben. – Da zogen sie der guten Seele ohne Mitleid ihre alten Fetzchen wieder an, gaben ihr eine trockne Brotrinde und ließen sie laufen. – Das ging langsam genug; denn alle Augenblick kam ein Käfer über den Weg gelaufen, den konnte sie doch nicht todt treten; oder eine Blume stand todtmüde oder gar halb ohnmächtig auf der Seite, da mußte sie geschwind die Händchen in den Bach tauchen und ihr ein bischen Wasser ins Gesicht spritzen, daß sie wieder zu Athem kam. Das hat man davon, wenn man die gute Seele ist, sagte sie vor sich. Man wird gar nicht fertig.

Nun kam sie in einen Wald, da standen Erdbeeren in Fülle und sie labte sich recht daran. Sie werden doch gepflückt, entschuldigte sie sich dabei, ob ich sie esse oder ein Anderer. Dann setzte sie sich, weil ihr die zarten Füße weh thaten, holte ihr Tagebuch heraus und beschrieb ihre bisherigen Reise-Abenteuer, und wie sie damit fertig war, dachte sie: Singst du jetzt ein Lied, oder nicht? Am Ende weckt es ein krankes Vöglein, das eine Stunde geschlummert hat. Aber wenn dich gerade eine sterbende Lerche hört, meint sie, sie vernähme schon den Gesang der Engel im Himmel und du machst ihr letztes Gebet fröhlich. – Also fing sie an zu singen, und das klang recht ordentlich so, als ob eine gute Seele sänge:

Der Tag wird kühl, der Tag wird blaß,Die Vögel streifen übers Gras;Ei wie die Halmen schwankenVor ihrer Flügel Wanken,Und leise wehn ohn' Unterlaß.
Und Abends spät die Liebe wehtOb meines Herzens Blumenbeet.Das ist ein heimlich Beben,Und süße Gedanken webenSich in mein tiefstes Nachtgebet.
Du fernes Herz, komm zu mir bald!Sonst werden wir Beide grau und alt,Sonst wächst in meinem HerzenViel Unkraut und viel Schmerzen;Da wird's den Blumen gar zu kalt!

Wie sie aufsah, gewahrte sie eine große Tafel am Wege, da stand drauf: Reitweg. Ach Gott, sagte sie, da muß ich nur wo anders gehn; der arme Weg wird ohnehin genug von den Hufschlägen zu leiden haben; was soll ich noch mit meinen dünnen Elfenbeinchen drauf herumstapeln! Sie wollte eben fort, da hörte sie Einen daherreiten im Schritt, eine prächtige zerrissene Fahne in der Faust, denn es war der schwarzbraune Fähnrich mit dem wunderschönen Schnurrbart. Wie den die gute Seele sah, blieb sie stehn, faßte an ihr Herz und sagte: Gottlob! eben verliebe ich mich. Der Fähnrich aber ritt heran und sagte: Liebe gute Seele, wo geht der Weg nach Küssemich? – Darauf antwortete die gute Seele ganz fix: Lieber schwarzbrauner Fähnrich mit dem wunderschönen Schnurrbart, es ist ganz nah, vom Rößlein herab, drei Schritte zu mir, dann ein bischen gebückt, weil ich eine gar zu kleine Person bin. – Ach was! sagte der Reiter, versteh mich recht; ich meine das Dorf Küssemich, das drei Stunden südlich von Lieberose liegt. – Da weiß ich den Weg bei Gott nicht, erwiederte die gute Seele; aber sag, schwarzbrauner Fähnrich, willst du nicht mein Schatz sein? siehst du, ich bin eben eingesegnet und habe noch keinen und auch keine Busenfreundin. – Wie der zu Roß das hörte, fing er an zu lachen, ritt ohne Antwort weiter und sang:

Nun stehn die Rosen in Blüte,Da wirft die Lieb' ein Netzlein aus.Du schwanker, loser Falter,Du hilfst dir nimmer heraus!
Und wenn ich wäre gefangenIn dieser jungen Rosenzeit,Und wär's die Haft der Liebe,Ich müßte vergehen vor Leid.
Ich mag nicht sehnen und sorgen;Durch blühende Wälder schweift mein Lauf.Die lust'gen Lieder fliegenBis in die Wipfel hinauf.

Wie die gute Seele den Fähnrich so schnöde davonreiten sah, ging sie auch traurig mitten in den Wald hinein und seufzte dabei: Ach aber er hat doch einen gar zu schönen Schnurrbart! Wo krieg' ich nun geschwind so einen Schatz wieder! Indem sie ganz schwermüthig darüber nachdachte, begegnete ihr ein alter Herr, gar wohl parfümirt, in schönem grünem Frack, der hieß Waldmeister. Guten Tag, gute Seele, sagte er. Hast du nicht den schwarzbraunen Fähnrich reiten sehn? Sein Rößlein ist bei mir eingekehrt und hat mir meine besten Kräuter gefressen, und ist dann auf und davon, ohne die Zeche zu bezahlen. – Ach der! sagte die gute Seele, der ist nach Küssemich geritten. – Danke schön, erwiederte der Waldmeister. Nun will ich dir auch einen Gefallen thun. Gehe noch ein Weilchen, bis wo der Wald hell wird, da wirst du eine Hütte finden, in der wohnt die Busenfreundin. – So ließ er die gute Seele auf einmal allein und wartete ihr Bedankemich gar nicht ab. Die gute Seele aber war wie im siebenten Himmel, lief was sie konnte und kam richtig an die lichte Stelle, wo das Hüttlein stand. Da klopfte sie höflich an, und innen rief's: Nur immer herein, du gute Seele! Das ließ sie sich nicht zweimal sagen und fand innen wahrhaftig die Busenfreundin, die ihr gleich einen Kuß gab und sagte: Dein bis in den Tod! Und noch länger bis in alle Ewigkeit! fügte die gute Seele hinzu, und die Busenfreundin sagte: Ja freilich!

Nachdem sie einander recht das Herz ausgeschüttet und jede der andern ihr Tagebuch vorgelesen hatte, zeigte die Busenfreundin der guten Seele all ihre Herrlichkeiten. Nun war das Hüttchen gar eng, und stand nur Ein Tisch und Ein Stuhl und Ein Bett darin, aber ein großer großer Glasschrank, der war ganz voll von Stammbüchern, alle in rothem Sammt mit Goldschnitt. Da setzten sich die Beiden hin, nahmen ein Stammbuch und schrieben den halben Tag lang Stammbuchverse; zum Exempel: Nie verlösche die Flamme der Freundschaft! oder: Rosen und Nelken, alle diese Blumen welken, aber meine Liebe nicht; lebe wohl, vergiß mein nicht! und noch eine Menge andrer. Das schrieben sie aber Alles, weil sie so unzertrennlich waren, mit einer einzigen Feder, weiß der Himmel, wie sie's gemacht haben, aber wahr ist es. Zu Mittag aßen sie Sonnenstäubchen mit Freundschaftskalteschale, und schrieben dann eilig weiter, denn es waren ja noch so sehr viel leere Stammbücher im Glasschrank.

Plötzlich hörten sie draußen Pferdegetrappel, und die gute Seele sah zum Fenster hinaus und erblickte den schwarzbraunen Fähnrich auf seinem Rößlein. Ach Gott! seufzte sie, denke nur, liebe Busenfreundin, in den habe ich mich vorhin verliebt und er mag mich nicht! Die Busenfreundin hatte den schmucken Reiter mit dem wundervollen Schnurrbart wohl bemerkt und sagte: Er ist auch viel zu gut für dich, du armes Barfüßerchen. Damit stand sie auf und trat zur Hütte hinaus. Die gute Seele blieb ganz traurig sitzen und schrieb weiter: »Heiter und helle riesele die Quelle deiner dich ewig liebenden guten Seele«, horchte aber immer hinaus. Da vernahm sie, wie der schwarzbraune Fähnrich der Busenfreundin erzählte, er wäre einem Herrn im grünen Frack begegnet, der habe ihm die Wege gewiesen nach Küssemich; es wär' aber ein completter Filou, denn er habe ihn schmählich in die Irre geführt. Er kenne ihn schon und werd's ihm eintränken. Ei, erwiederte die Busenfreundin, den Weg nach Küssemich weiß ich wohl. Ihr müßt aber Hochzeit mit mir halten. Indessen schrieb die gute Seele drinnen in der Hütte: Ich will hinein und muß hinein, und soll's auch in die Quere sein! Dann rief sie: Busenfreundin, Busenfreundin! kommst du bald? – Gleich! gab die zur Antwort; aber sie saß schon hinten bei dem schwarzbraunen Fähnrich auf dem Sattel. Wie sie nun immer noch nicht kam, schaute die gute Seele durchs Fenster und bekam ihren ganz ordentlichen Schreck. Um Gotteswillen, Busenfreundin, wo willst du hin? – Hochzeit machen, gute Seele! – So laß mich doch wenigstens deine Brautjungfer sein! – Das geht nicht, gute Seele, hast ja weder Strumpf noch Schuh, auch kein sauberes Kleid dazu! – Was soll ich nun aber machen so allein? – Stammbuchverse, gute Seele; alle die Stammbücher schenk' ich dir; und nun leb wohl, und wirst du einst an deine Freundinnen denken, denk doch auch an mich zurück! Wirst du ihnen Stunden schenken, schenke mir nur einen Augenblick! – Wie sie das gesagt hatte, machte das Rößlein Kehrt, der schwarzbraune Fähnrich schwenkte seine Fahne und sang:

Mein Herzblut geht in Sprüngen,Mein Rößlein geht im Trab.Das nenn' ich noch ein Reiten!Wildfremdes Land zur Seiten;Bergauf da geht's fein sachte,Und hurrah fliegt's bergab.
Der Gaul kennt alle Schenken,Da kaut er süßes Gras.Sein Herr ißt Kraut im SchüßleinUnd giebt dem Mädel ein Küßlein;Dann trinkt er einen Schoppen–Ei das gefällt ihm baß.

Damit flogen die zwei in den fernen Forst hinein und es war grabstille um die Hütte herum, so daß man die Thränen fallen und tropfen hörte, die die gute Seele weinte. Die aber hatte auch nicht länger Ruh und Rast in der Hütte der Busenfreundin, schrieb nur noch auf das letzte Blatt eines Stammbuchs: »Wer dich lieber hat als ich, der schreibe sich hinter mich«, und nahm's mit zum Andenken; dann ging sie hinaus und wieder zwischen die Bäume, daß ihr ordentlich gruselte, denn die Vögel flogen ihr dicht an dem Köpfchen vorbei und alle Augenblick stieß sie ihre Elfenbeinchen wund. Sie kam auch wieder ins freie Feld, begegnete aber keiner Seele, als einem Ehemann, der an einem langen Bindfaden seinen Hausdrachen steigen ließ, und der guten Seele von Herzen gratulirte, daß ihr der schwarzbraune Fähnrich durchgegangen sei; sonst wäre sie am Ende auch ein Hausdrache geworden, obwohl sie so eine gute Seele sei; denn in der Ehe da würden die Allerbesten hochfahrend. Da bat die gute Seele noch für den Hausdrachen, und wenn der Bindfaden risse, wär's doch ein halsbrechend Ding, bis der Ehemann endlich nachgab. Gottlob! dachte die gute Seele und ging ihrer Wege weiter.

Nun kam sie auf einen hohen Berg, drauf im Winter ewiger Schnee lag; dazumal aber war er schön grün. Oben stand eine Hütte, und man hörte einen schnarchen drinnen. Da wollte die gute Seele schon wieder weg, um den Schläfer nicht zu stören; aber auf einmal kam ein Erzengel durch die Luft daher, und das war der Michael, der rief: Jacob, Jacob! es ist sieben, Uhr! Wie lange wird's heute mit den Sternen? der Herrgott hat eben das Psalmbuch weglegen müssen, weil's so dunkel ist. – Nach einer Weile kam der alte Jacob richtig herausgewackelt aus der Hütte, und hatte ziemlich schief geladen, so daß die Himmelsleiter, die er auf der Schulter trug, gefährlich hin und her schwankte. Laßt einem doch auch sein bischen Ruhe! brummte er; die alten Knochen sind lahm genug. Aber sieh da, da ist ja die gute Seele. Ei komm näher, liebes Kind! wart da ein bischen, bis ich oben die Lampen angezündet habe; dann sollst du schon dein blaues Wunder sehen. Damit drückte er die gute Seele auf ein Bänkchen neben der Hütte, stellte dann die Leiter an die Sterne an, der Reihe nach, und kletterte, für seine Jahre behend genug, hinauf. Dann macht' er's wie die Laternenputzer sonst, und rutschte ganz bequem wieder herunter; und das that seinen Beinkleidern gar nichts, denn die waren von dem Fell des Schafböckleins, mit dem er seinen Bruder Esau betrogen hatte. Als oben Alles gehörig brannte, nahm er die gute Seele auf den Arm und stieg mit ihr bis in den Himmel hinauf; das war noch eine gute Viertelstunde höher, als zu den Sternen. Am Himmelsthor aber übergab er sie dem heiligen Thürhüter Sankt Peter, der mit dem Erzengel Michael die gute Seele gar freundlich empfing und zu einer Menge kleiner Engel schickte, die auf einer großen Wiese Ringel-Ringel-Rosenkranz spielten. Da lieh ihr gleich eins seine Flügel, bis der Herrgott ihr neue hatte machen lassen, und gab ihr auch ein Stückchen Heiligenschein ab, womit sie vorläufig sich behalf. Nun kann jeder denken, wie froh die gute Seele war, und daß sie geschwind all ihre Stammbuchblätter vertheilte. Es war auch dafür gesorgt, daß auf der Wiese weder Blumen noch Gras wuchsen, die sie hätte zertreten können; und doch war's weich und ihre Elfenbeinchen thaten ihr nimmer weh.

So lebte die gute Seele alle Tage in lauter Freuden, und lernte sehr schön Choral singen und Sternschnuppen aus Goldpapier schnitzeln. Ihren Bierbruder und ihre Kaffeeschwester sah sie nicht wieder, weil die nicht in den Himmel kamen. Aber einmal, als sie gerade am Himmelsfenster stand und hinunterschaute, sah sie die Busenfreundin an einem langen Bindfaden in der Luft schweben; denn sie war auch ein Hausdrache geworden und sehr hochfahrend, und unten stand der schwarzbraune Fähnrich mit dem wundervollen Schnurrbart und ließ sie steigen. Hui! da kam plötzlich ein Windsbräutigam angeflogen und entführte die Busenfreundin hoch in die Luft, und der schwarzbraune Fähnrich hielt sich an dem Bindfaden fest und flog seinem Hausdrachen immer nach. So schwebten sie zwischen Himmel und Erde und konnten gar nicht wieder Ruhe finden. Wie die gute Seele das sah, fing sie bitterlich an zu weinen; denn es war doch ihre Busenfreundin. Da trat plötzlich der Herrgott zu ihr heran und sagte: Es hilft dir nichts, gute Seele; 's ist ihnen schon ganz recht, und sie müssen noch ein paar tausend Jahre so herumfliegen. – Ach Gott, seufzte die gute Seele, und dann? – Dann wollen wir weiter sehn, gab der Herrgott zur Antwort; aber vorläufig ist das Märchen zu Ende.

Glückspilzchen.

Inhaltsverzeichnis

Es war einmal ein kleines, flachshaariges Schusterjüngelchen, das die Dorfbuben den Pechhansel nannten, obwohl sein richtiger Taufnamen ein gar schöner war, nämlich Johannes. Vater und Mutter hatte er nicht mehr, die waren alle beide todt. Sein Vormund aber hatte ihn geschwind einsegnen lassen und zu dem Schuster von Gansdorf in die Lehre gethan, und ihm noch zum Valet und Angedenken an ihn eine wunderschöne Zieh-Harmonica mitgegeben, mit acht Klappen und drei Luftlöchern, denn er sollte ein ganzer Schusterjunge werden, und ohne die Harmonica wär' er doch nur ein halber gewesen. Trotzdem mochte ihn die Frau Meisterin nicht leiden, denn er war zuweilen ein bischen grob gegen sie; und den Herrn Meister konnte er wieder nicht ausstehn, denn der war grob gegen ihn, und wenn er einen Wasserstiefel verschnitten hatte oder einen Holzpantoffel, war der Meister nicht faul hinterher, machte ihm einen warmen Umschlag von Prügeln über den Rücken, und dann konnte man auf selbigem die vier russischen Nationalfarben schauen, nämlich braun und blau, und grün und gelb, und die Frau Meisterin, die in der Küche stand, sagte ganz laut: Es muß immer noch besser kommen.

Hansel aber, wenn er wieder beim Leisten auf dem Schemelchen kauerte und die hellen Thränen ihm vor lauter Aerger immer noch aus den Augen liefen, dachte bei sich: Bin ich nicht ein schmucker Bursch, und zu Pfingsten werd' ich sechzehn Jahr alt? Und hören mich die Dorfmädel nicht für ihr Leben gern auf der Harmonica spielen? Soll ich mir immer noch den groben Haselstock auf dem Rücken tanzen lassen? Ja, Kuchen! schloß er jedesmal; aber es blieb dennoch beim Alten, denn draußen lag Weg und Steg verschneiet, und die Winde hielten ein Wettrennen und pfiffen dabei so arge Stücklein, daß einem alles Ausreißen verging. Da mußt' es Hansel denn aushalten bei dem Herrn Meister und der Frau Meisterin, obwohl es spitzigkalt war in seiner Kammer und in seinem Magen auch; denn Warmes, wenn's auch nur ein Süpplein gewesen wäre, bekam der Arme alle heilige Zeit einmal zu kosten. Warum war er auch grob zu der Frau Meisterin!

Wie es nun Frühling wurde, heizte ihm zwar die Sonne seine Kammer gar behaglich ein, und der Kirschbaum, der gerade davor stand, hing voll schneeweißer Blüten, aber mit der Frau Meisterin ihrer Kost sah's nicht besser aus. Das kam daher, daß ihr Mann statt des Pfriemen die Schaufel in die Hand nahm und auf sein bischen Acker ging, um die Saat zu bestellen. Denn die Dorfleute stellten Schuh und Stiefel in den Kasten und gingen mit splitternackten Füßen umher in dem lieben Sonnenschein. Wer aber keine Schuh' trägt, zerreißt keine, und an dem hat der Schuster sein Recht verloren und des Schusters Hansel auch. Die Frau Meisterin aber dachte: Wozu füttern wir den Faulenzer? – Denn vom Ackern und Säen verstand er nichts, weil er aus der Stadt war, und wollte auch nichts anders sein, als ein ganzer Schusterjunge; das hatte ja auch der Vormund gewollt. Er lief also den ganzen Tag mit der Harmonica im Walde herum, suchte sich Beeren, so viel er fand, und wurde leidlich satt. Zuweilen saß er auch daheim und las. Nun war freilich nur ein einzig Buch im Hause, eine alte vergriffne Bibel nämlich; die fing er von vorn an, und die Bilder gefielen ihm über die Maßen, aber die Geschichten nicht minder.

Eines Tages aber, wie er über dem zweiten Buch Mose war, wurde er plötzlich ganz tiefsinnig und saß eine ganze Stunde und dachte nach. Dann klappte er das Buch zu, packte seine Siebensachen zusammen in ein Bündel und trat marschfertig in die Küche zur Frau Meisterin. Die machte ein verwundertes Gesicht, wie sie hörte, es gefalle dem Hansel nimmer bei ihr und er wolle fort und nach den Fleischtöpfen Aegypti wandern. Denn, sagte er, das ewige Beeren-Essen bringt einen ganz von Kräften, Frau Meisterin, und Ihre Brotrinden und Kartoffeln haben mich auch nicht fett gemacht, daß Sie's nur weiß! Adjes also, und empfehl' Sie mich dem Meister. – Damit machte er linksum Kehrt und stapelte was er nur konnte zum Hause hinaus und das Dorf hinab, daß die Hühner und Gänse kaum Zeit genug hatten, ihm Platz zu machen. Denn er hatte Angst, daß der Meister ihn einholen möchte und seine Glieder so zurichten, daß damit nichts anzufangen wäre, am wenigsten eine Reise nach den Fleischtöpfen Aegypti.

Der Meister kam aber nicht, sondern ein Dirnlein über dem andern. Denn wie sie den Hansel reisefertig vorbeimarschieren sahen, hielten sie's nicht aus drinnen, ließen alles stehn und liegen und liefen ihm nach; denn sie wollten ihn gar zu gern noch einmal spielen hören. Kommet nur mit bis ins Wäldchen, sagte er; hier darf ich nicht, sonst hört mich der Meister; denn er soll's nicht wissen, daß ich nach den Fleischtöpfen Aegypti wandere. Jesus! riefen die Mägdlein, so grausam weit! Der Hansel aber machte eine wichtige Miene und sagte: Am Ende noch weiter, in die Türkei oder nach den Buschmännern. Die Welt soll schon noch von mir zu hören kriegen! – Da kicherten die Mädchen unter einander und flüsterten: Der Hansel ist irre; er wird Tollbeeren geschluckt haben!