Der kleine Baumarkt-Physiker - Sven Sommer - E-Book

Der kleine Baumarkt-Physiker E-Book

Sven Sommer

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Beschreibung

Sven Sommer lässt es bei seinen physikalischen Versuchen garantiert krachen, zischen und rauchen – und gibt einfache Anleitungen für das perfekte Wochenendexperiment zu Hause. Alle Materialien dafür finden sich im Baumarkt, Supermarkt oder liegen bereits im Küchenschrank zu Hause. So wird komplexe Naturwissenschaft durch zündende Ideen zum Selbermachen endlich verständlich und zeigt dabei auch noch, wie sich mit Feuer, Wasser, Luft und Licht der Grill anzünden lässt oder der perfekte Drink gelingt. 

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Inhalt

Cover & Impressum

Vorwort

Kapitel 1: Feuer und Flamme für den Grill

Elementares aus dem Feuer und der Chemie

Disco, Partnerwahl und heiße Stimmung

Brennende Finger, Geldscheine und Fahrenheit 451

Kerzenbau, Tacochips und Goethes Klagen

Adiabatische Spaghetti, Champagnernebel und ein flammendes Thermometer

Riesenspinnen, Grubenexplosionen und Zucker mit Zigarette

Branddreieck, riskante Flatulenz und Grill-Life-Hacks

Kapitel 2: Ins kalte Wasser geworfen

Schnee von gestern und morgen

Wunderkerzen, Schnäpse und Partnerwechsel

Heißer Kaffee, Pizza Margherita und Schokoladenlifting am Berg

Werbung in den Achtzigern, Schwimmen mit Descartes und Auftrieb für die Titanic

Geladene Gäste, Schokoladenchips und andere Katastrophen

Frühstück auf dem Mount Everest, wechselnde Aggregatszustände und die U-Bahn zur Rushhour

Unechte Rosen, Westerntänze und der Gang übers Wasser

Eiskalte Life-Hacks, Napoleons mobiler Kühlschrank und selbst gemachte Kristallgeoden

Kapitel 3: Es (f)liegt was in der Luft

Über den Wolken …

Das Nichts, konstante 600 Trillionen und die »Veggie-Vibes«

Alles oder nichts, Pümpel, Lerchen und Einhörner

Massig Luft, die Zombieapokalypse und Elefanten auf unserem Kopf

Superlative, Eier in Milchflaschen und die Sichtbarkeit von Tiefkühlpizza

Hummeln, Bernoulli und das Fliegen an sich

Raketen, Raketen und Raketen

The end is the beginning is the end

Kapitel 1Feuer und Flamme für den Grill

Elementares aus dem Feuer und der Chemie

Ob Winter oder Sommer, immer wieder zieht es uns ans Feuer. Wenn die Tage länger werden, werden auch in der modernen Welt nicht nur die LED-Lampen angeknipst oder die Lagerfeuer-App am HD-Fernseher gestartet, sondern auch die traditionelle Kerze oder gleich ein paar Holzscheite im Kamin angezündet. Im Sommer wird trotz Induktionsherd und Mikrowelle die Kohle ausgepackt und der Grill angeheizt. Die Feuerstätte ist seit jeher der zentrale Ort im Privatleben von Höhlenmenschen, Nomaden, römischen Civis, Rittervolk bis zum Homo graticula assare, dem modernen Menschen am Grill!

Ein paar überzeugende Zahlen dazu: 72,7 Prozent der Deutschen geben in einer aktuellen Umfrage an, dass der Sommer ohne Grillen für sie kein richtiger Sommer ist. Erstaunlicherweise liegen die Damen sogar leicht vor den Herren, wenn es um die Frage geht, wie oft gegrillt wird. 30,7 Prozent von ihnen würden sogar jeden Tag im Sommer am Grill verbringen. So geben auch nur 8,5 Prozent der Befragten an, dass sie Grillen zu aufwendig finden, wobei Männer das Grillen mit 11,6 zu 5,6 Prozent etwas aufwendiger wahrnehmen als die Damen. Liegt das an klassischen Rollenverteilungen oder der besseren Technik der Damen am Grill? Schließlich verfügt die Republik nach Angaben der Bevölkerung nur über 5,7 Prozent Profigriller. Wie dem auch sei: Die Liebe zum Grillen hängt direkt mit der Liebe zum Feuer zusammen, denn ist der Ofen aus, bleibt die Küche kalt.

Über Generationen hinweg haben sich ausgeprägte Kulturtechniken entwickelt, um den Grill anzuheizen und am Laufen zu halten. Da gibt es den Puristen, der die Grillkohle nur mit Zeitungspapier zündet und mit Bierträgerpappe und gleichförmigen Wedelbewegungen das Feuer in Gang bringt. Der Fortschritt elektronischer Haushaltsgeräte bringt dann den Grilltechniker hervor, der mit Heißluftföhn oder Gasbrenner den Anteil menschlicher Arbeitskraft wegrationalisiert. Auf die Extremform der Elektronikgrillnutzer gehen wir an dieser Stelle nicht weiter ein, es soll in diesem Kapitel ja um das Feuer gehen. Ob es sich beim Elektrogrill überhaupt noch um Grillen handelt, ist außerdem gesellschaftlich durchaus umstritten. Auch Gasgrill oder Subformen wie den Dutch Oven, den BBQ-Smoker, den Tatarenhut oder den Solarkocher lassen wir erst einmal beiseite und bleiben beim klassischen Kohlegrill.

Ebenso nicht unumstritten ist der Pyro-Griller, der mithilfe von Alkohol, flüssigen Kohlenwasserstoffen oder sogar Benzin die Kohlen zündet. Dass es hier immer wieder zu sehr gefährlichen Verpuffungen und Verletzungen kommt, hat sich so weit herumgesprochen, dass heute viele kreative Ideen existieren, die gefahrloses Grillen ermöglichen. Letztlich bedarf es bei alledem nur etwas Wissen über das Phänomen des Feuers und ein bisschen Experimentierfreude. Dann ergeben sich Ideen wie der peruanische Grillkohlevulkan oder Taco-Chips als Grillanzünder quasi von selbst. Doch dazu später mehr. Befassen wir uns zunächst einmal genauer mit dem Feuer selbst, bevor wir das Wissen in der Praxis, also am Grill, anwenden.

Feuer ist eine der ältesten und nützlichsten Erfindungen der Menschheit. Genau genommen hat der Mensch das Feuer natürlich nicht erfunden, es war schon lange vor ihm da. In der griechischen Sage stiehlt Prometheus das Feuer von Helios’ Sonnenwagen, nachdem die Götter ihm die Nutzung des Feuers versagten. Die Menschen mussten nun nicht mehr frieren, und Prometheus wurde zur Strafe an einen Felsen gekettet, wo ihm täglich die Leber von einem Adler zerhackt wurde. Keine schöne Strafe. Der Mythos zeigt aber, wie zivilisationsfreundlich und zugleich frevlerisch die Tat des Prometheus dargestellt wurde.

In der Tat: Das Feuer hat zivilisatorisch zwei Seiten. Die bisher ältesten Überreste einer Feuerstelle haben Forscher in der Wonderwerk-Höhle in Südafrika entdeckt. Die verbrannten Knochen und Pflanzenteile sind rund eine Million Jahre alt. Der junge Homo erectus zündelte nicht mit Holz, sondern mit Gras, Zweigen und Blättern als Brennstoff.

Feuer ermöglichte dem jungen Urzeitmenschen wohl schon vor etwa 1,5 Millionen Jahren einen gewaltigen Sprung nach vorne. Feuer erhellt das Dunkel, Feuer hält warm, Feuer vertreibt Feinde, ermöglicht Abfallverwertung, vertreibt Ungeziefer, härtet Holz und Lehm und macht Speisen haltbar und genießbar. Das erinnert schon stark an die Qualitäten von Smartphones heute, nicht wahr? Vor allem der letztgenannte Punkt war für die Entwicklung der Menschheit wesentlich. Mit dicken Reihen von mahlenden Backenzähnen ist das Kauen und Verwerten von Fleisch nicht einfach. Vegan war also durchaus schon bei den ersten Menschenaffen sehr angesagt, wenn auch eher zwangsweise. Mit den richtigen Garmethoden auf dem Grill der Urzeit konnte das zähe Fleisch verwertbar gemacht werden. Der Energieschub durch die enzymatische Aufspaltung ließ den Homo habilis nicht nur physisch stärker werden, es wurde auch mehr über Kulturtechniken nachgedacht. Kochen und Jagen als soziale Strukturgeber führten in der Folge zu besseren Waffen, bereicherten die gemeinsame Sprache und brachten Gemeinschaftsverbände hervor. Im Prinzip läuft es heute noch nicht anders, sowohl am Grill wie auch in der Politik.

Feuer ist also nicht nur zum Kochen und Heizen sinnvoll, es ist auch in Kultur und Biologie fest verankert. Der heimische schwarze Kiefernprachtkäfer kann das Feuer sehr gut leiden. Seine Larven ernähren sich besonders gerne von frisch verbranntem Holz. Mit einem mechanischen Infrarotsensor spürt der Käfer Brände auf, indem er die Druckveränderungen wahrnimmt. Ein kleiner Behälter in seinem Infrarotorgan, ähnlich dem Grubenorgan von Klapperschlangen, enthält einige Hundertmilliardstel Milliliter Wasser, das sich bei plötzlicher Erwärmung schlagartig ausdehnt. Diese Druckänderung alarmiert den Käfer, sich fürs Mittagessen bereitzuhalten. Nicht nur in der Biologie, auch in unserer Kultur ist das Feuer durchaus positiv belegt. Das höchste Lagerfeuer der Welt loderte 2016 bei der Mittsommerfeier im norwegischen Ålesund in den Himmel: Allein der Holzstapel war gigantische 47,4 Meter hoch, und dennoch war das Feuer kontrolliert und lockte Tausende von Schaulustigen zur Feier an.

Anders sieht es aus, wenn das Feuer unkontrolliert lodert. Der Weltenbrand in der nordischen Ragnarök oder das Fegefeuer der christlichen Hölle sind Vorstellungen, die schreckliche Erfahrungen mit Feuersbrünsten aufgreifen. Kaiser Nero brannte Rom angeblich aus bauplanerischen Gründen ab, Städte wie London oder Hamburg brannten aufgrund ihrer schmalen Gassen und Holzbauten ab, andere durch Kriege, Naturkatastrophen, Unfälle. Zu den größten dokumentierten Bränden zählen die Buschfeuer in Australien. Am 7. Februar 2009 traten im australischen Bundesstaat Victoria mehrere Großfeuer auf, die rund 430.000 Hektar Land verbrannten. Das ist in etwa die Größe des Schwarzwalds.

Am 1. September 1923 wurde die japanische Kantō-Ebene von einem Erdbeben der Stufe 7,9 zerstört. Teile der Städte Yokohama und Tokio litten aber darüber hinaus unter dem sich daraus entwickelnden Feuersturm. Die dicht beieinanderstehenden Holzhäuser der Bewohner gingen zu Tausenden in Flammen auf, und viele der 142.800 Todesopfer sind auf die Feuer nach dem Beben zurückzuführen. Es muss nicht gleich ein gewaltiges Erdbeben sein, ein unachtsamer Moment, ein Funke reicht oft schon aus, die Dinge außer Kontrolle zu bringen.

Der sprichwörtliche Funke und noch einige andere feurige Begriffe haben bis heute einen festen Platz in der Begriffswelt unserer Sprache gefunden. Feuer wird zumeist mit positiven Dingen assoziiert, soweit wir die Kontrolle darüber haben. Unkontrolliert steht es für große Gefahr und große Macht, für Zorn und Wut. Vor allem aber die Liebe und das Feuer scheinen sehr ähnlich: Uns wird »warm ums Herz«, wenn wir auf unsere Flamme treffen, etwas plump ist manch einer »richtig heiß« auf seinen Schwarm, und ein anderer muss »die Kohlen aus dem Feuer holen«, wenn »der Funke nicht übergesprungen ist« und man sich nicht »füreinander erwärmen kann« (weil er sich die Finger an einer anderen verbrannt hat). Ist »das Feuer aus«, ist die Liebe erloschen, und man sucht sich einen anderen Reaktionspartner, um eine neue Verbindung einzugehen. Man strahlt und leuchtet ebenso, wie es Atome im Feuer tun.

Der Weg zu dieser Erkenntnis war lang. Im antiken Griechenland war das Feuer Teil der Vier-Elemente-Lehre, zu deren Entwicklung Thales von Milet, Anaximenes oder Platon beitrugen. Das Element Feuer wird von Platon als Tetraeder dargestellt, Aristoteles ordnet ihm die Eigenschaften warm und trocken zu, Paracelsus den Salamander als Elementarwesen. Seine Himmelsrichtung ist der Süden, sein Körpersaft die gelbe, cholerische Galle und sein Erzengel Michael. Leider helfen uns diese Betrachtungen des Elements Feuer am Grill bislang nicht weiter. Erst der Chemiker Robert Boyle machte aus dem Elementbegriff im 17. Jahrhundert das, was wir heute darunter verstehen.

Vorweg ein kurzer Abstecher in die Chemie, um Verständigungsproblemen vorzubeugen. Chemiker sind die Modellbauer unter den Wissenschaftlern. Sie verwenden nicht nur zahlreiche Modelle, sie befassen sich ausgiebig mit Bausteinen und was man aus diesen bauen kann. Die kleinsten Bausteine, mit denen der Chemiker umgeht, sind die Atome. »Atomos« ist das griechische Wort für »unteilbar«. Ein Papier ist immer wieder in der Mitte teilbar, bis wir zu einem Punkt kommen, wo wir auf etwas stoßen, das wir nicht weiter teilen können, das Atomos oder kurz Atom.

Teilchenphysiker können heute das Atom zwar weiter teilen, für den Chemiker reichen die Atome als »Legosteine« des Universums erst einmal aus. Aus ihnen bauen sich alle Dinge (der Chemiker sagt »Stoffe«) auf. Versammelt im Periodensystem der Elemente, finden wir alle 118 bislang bekannten Atome. All diese einzelnen Bausteine zu entdecken und richtig einzusortieren war eine gewaltige Leistung. Die ehrfurchtsvoll auch als »Farbpalette Gottes« bezeichnete Tafel zeigt uns anschaulich, dass die komplexe Welt da draußen, bestehend aus Milliarden von Stoffen und Verbindungen, auf einige wenige Grundbausteine zurückgeführt werden kann. Je nach Anordnung und Menge der einzelnen Bausteine wird daraus ein Stuhl, eine Pizza, ein Parkscheinautomat, ich und du und Müllers Kuh.

So weit, so gut. Mit zwei, drei Handvoll echten Bausteinen aus Kindertagen: Lego, Duplo oder Holzbauklötzen verdeutlichen wir uns schnell noch ein paar weitere elementare chemische Begriffe, bevor wir uns wieder ans Feuer begeben. Mit den kleinen Plastikbausteinen aus Dänemark funktioniert unsere Analogie am besten, weil die Bausteine so gut aufeinandergesteckt werden können und auf diese Weise feste, größere Gebilde möglich sind; ebenso wie es das Universum bei den Atomen macht. Schauen wir uns das mal an.

Atome verbinden sich im Bausteinmodell

Wir benötigen dazu:

zehn grüne Bausteine,

zehn gelbe Bausteine,

zehn rote Bausteine,

weitere Bausteine.

Durchführung:

Wir legen die Bausteine zu einem großen Bausteinhaufen zusammen und sortieren je fünf Steine von einer Farbe auf einzelne Haufen.

Aus den übrigen Steinen bauen wir verschiedene größere Gebilde.

Beobachtungsaufgabe:

Wie viele mögliche Kombinationen ergeben sich, wenn wir 20 Bausteine miteinander kombinieren?

 

Das Spiel mit Bausteinen liefert viele Ansichten über die Chemie. Kommen die Atome in der Natur einzeln und sortenrein wie in einem Haufen einer Sorte von Bausteinen vor, sprechen wir von Elementen. Wir haben in unserem Versuch also ein rotes Element mit roten Atomen, ein gelbes Element mit gelben Atomen und ein grünes Element mit grünen Atomen entdeckt.

Mischen wir die Steine mit einer anderen Sorte, würde der Chemiker das Ergebnis Gemisch oder Mischung nennen. Wir können die Steine einfach wieder auseinandersortieren, um zurück zu den Elementen zu kommen. Der Chemiker hat es in der Regel schwerer, er muss verschiedene Verfahren und Eigenschaften der Atome nutzen, um sie wieder zu trennen.

Nun gibt es aber nicht nur einzelne Bausteine, sondern auch fest miteinander verbundene. Wir haben mehrere Verbindungen gebaut. Der Chemiker spricht bei solch größeren Gebilden mit mindestens zwei Steinen von einer Verbindung und von Molekülen. Da gibt es ganz einfache Verbindungen aus zwei Steinen der gleichen Sorte, wie zum Beispiel den Wasserstoff, der in der Natur meist im Zweierteam, als Wasserstoffmolekül vorkommt, oder der Sauerstoff, der ebenfalls meist im Doppelpack von zwei Atomen vorkommt.

Der Vergleich mit der realen makroskopischen Welt liegt auf der Hand. Auch hier wird ja oft den Damen nachgesagt, dass sie lieber mit der besten Freundin anstatt alleine unterwegs sind. Manchmal kommt der Sauerstoff auch im Dreierteam vor, ist dann aber weniger stabil. (Wir nennen diese drei Damen im Verbund übrigens Ozonmolekül.)

Viele Atome verbinden sich mit nur einem weiteren Atom. Es gibt aber umso mehr Atome, die sich mit mehreren Atomen verbinden, je nach Situation mal mit mehr oder weniger Partnern.

Die Partnersuche zwischen den Atomen nennt sich »chemische Reaktion«. Bei diesen Gelegenheiten trennen sich verbundene Atome, finden sich zu neuen Verbindungen oder ordnen sich anders an. So kann es sein, dass aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom ein Molekül namens Diwasserstoffmonoxid entstehen kann. Im Bausteinmodell setzen wir zwei rote Steine auf einen gelben Stein und haben damit Wasser hergestellt!

Da Chemiker grundsätzlich faul sind, fassen sie die Liebesgeschichten der Atome mit wenigen Buchstaben zusammen, und da Chemiker natürlich Latein beherrschen (zumindest die früheren), werden die »Protagonisten« mit ihren lateinischen Initialen abgekürzt. Bei der Wasser-Romanze liest sich die Lovestory dann folgendermaßen:

 

6 H2 + 3 O2 → 6 H2O

 

Wasserstoff und Sauerstoff reagieren zu Wasser.

(Hydrogenium) + (Oxygenium) → (Diwasserstoffmonoxid)

 

Warum und wieso ein so reger Partnertausch zwischen den Atomen besteht, werden wir später noch genauer erfahren. Da Formeln auch im weiteren Verlauf des Buches noch vorkommen, sei noch erwähnt, dass diese Formel nicht einfach nur kurz, sondern in erster Linie auch äußerst stichhaltig ist. Der Chemiker kann mit ihr wie in einem Rezept genau ablesen, wie viele Bausteine verwendet wurden. Es sind hier sechs Wasserstoffmoleküle, also insgesamt zwölf Wasserstoffatome (weil in jedem Molekül ja zwei Atome stecken), die sich mit drei Sauerstoffmolekülen, also sechs Sauerstoffatomen (hier ebenfalls zwei Atome pro Molekül), zu sechs Wassermolekülen verbinden. Was links vor dem Reaktionspfeil steht, muss auch rechts wiederauftauchen, nur eben neu kombiniert. Halbe Atome sind nicht möglich, und falls rechts mehr oder weniger Atome landen, als ursprünglich links standen, ist die Geschichte falsch erzählt und muss korrigiert werden.

Wem das in drei Zeilen zu kurz war, dem empfehle ich den Nachbau des Wassermoleküls mit Legosteinen nach dem oben genannten Zahlenverhältnis. Wer mit einzelnen Sauerstoffatomen statt Sauerstoffmolekülen arbeitet, kommt sogar auf ein kleineres Zahlenverhältnis, aber in natura geht der Sauerstoff eben meist nur zu zweit durchs Leben und beschert uns besagtes Zahlenspiel. Nun aber genug zum Wasser und zur Chemie. Mit den bislang gelernten Vokabeln schauen wir nun ein bisschen tiefer ins Feuer.

Disco, Partnerwahl und heiße Stimmung

Nichts eignet sich mehr, um mit dem Experimentieren zu beginnen, als das Feuer einer Kerzenflamme. Diese Ansicht vertrat schon Michael Faraday, der im 19. Jahrhundert nicht nur die elektromagnetische Induktion entdeckte, auf die der Faraday’sche Käfig zurückgeht. Faraday gilt bis heute als einer der bedeutendsten Experimentalphysiker. In regelmäßigen Weihnachtsvorlesungen verzauberte er seine Zuhörer mit der Magie der Naturphänomene.

Über seine erste weihnachtliche Experimentalvorlesung zu Phänomenen des Feuers und der Kerze schreibt er 1861 in seinem Buch »Die Naturgeschichte der Kerze«: »Die […]Kerze wählte ich schon bei einer früheren Gelegenheit zum Thema meines Vortrags, und stände die Wahl nur in meinem Belieben, so möchte ich dieses Thema wohl jedes Jahr zum Ausgang meiner Vorlesung nehmen, so viel Interessantes, so mannigfache Wege zur Naturbetrachtung im Allgemeinen bietet dasselbe dar. Alle im Weltall wirkenden Gesetze treten darin zutage oder kommen dabei wenigstens in Betracht, und schwerlich möchte sich ein bequemeres Tor zum Eingang in das Studium der Natur finden lassen.«

Nutzen wir dieses Tor und schreiten damit ein gutes Stück durch Chemie und Physik. Naturwissenschaftlich besehen, ist Feuer ein Phänomen, das bei vielen chemischen Reaktionen auftritt. Zur optimalen Nutzung dieses Buches empfehle ich daher, den folgenden Versuch erst einmal durchzuführen und dabei die Beobachtungsaufgaben in Ruhe durchzugehen und, wenn möglich, zusammen mit anderen zu besprechen, bevor es mit den Erläuterungen weiter im Text geht (das gilt für alle vorgestellten Versuche, nicht nur beim Kerzenanzünden).

Eine Kerze wird angezündet

Wir benötigen dazu:

eine Kerze,

eine Packung Streichhölzer,

eine Untertasse,

eine feuerfeste Unterlage (z. B. ein Küchenbrett).

Durchführung:

Wir stellen eine Untertasse auf eine feuerfeste Unterlage.

Wir stellen die Kerze auf die Untertasse und zünden sie mit dem Streichholz an.

Beobachtungsaufgaben:

Welche äußeren Merkmale hat ein Feuer? Was zeichnet es aus?

Wie brennt ein Streichholz schneller? Wenn die Flamme nach oben oder nach unten gehalten wird?

Warum brennt ein benutzter Kerzendocht schneller als ein noch unbenutzter?

 

Die Kerze brennt! Wir erkennen die typischen Merkmale eines Feuers: Wir sehen das helle Licht der Kerzenflamme, spüren seine Wärme, sehen und riechen den Rauch. Schon bei diesem unheimlich einfachen Versuch haben wir viel beobachten können.

Zuallererst mussten wir das Streichholz entzünden. Das funktioniert mit der Reibefläche der Streichholzschachtel. Im Streichholzkopf befinden sich im Wesentlichen drei Stoffe: Schwefel, Antimon(V)-sulfid und Kaliumchlorat. Die Reibefläche besteht aus feinem Glaspulver und rotem Phosphor. Der Chemiker teilt diese Stoffe in Oxidationsmittel und Reduktionsmittel ein. Für den Anfang reicht es aber aus zu wissen, dass diese Stoffe miteinander Verbindungen eingehen können, wie wir es im Versuch mit den Bausteinen durchgespielt haben. Offen blieb dort die Frage, warum Atome sich zu Verbindungen zusammenfinden.

Wie in der Liebe muss man ihnen erst einmal einen kleinen Schubs geben, damit sie sich mit einem anderen Atom einlassen. In vielen Jahren wird sich zwischen Reibefläche und Streichholzkopf nichts abspielen, wenn nicht bestimmte Bedingungen eintreten, die sie zu einer Verbindung bewegen. Stellen wir uns eine große Disco vor. Hier die Liebe des Lebens für eine feste Verbindung zu finden ist nur dann möglich, wenn auch entsprechende Kandidaten die Disco besuchen. Discothekenbesitzer haben das schon lange verstanden und die »Ladys’ Night« eingeführt, um nicht nur traurige Single-Männerherzen an der Bar sitzen zu haben. Es bedarf aber noch mehr: Die Stimmung muss stimmen! In einer vollen Disco mit viel Tanz, heißen Rhythmen und kalten Getränken ist die Chance, als Paar nach Hause zu gehen, ungleich größer. In der Chemie ist es im Grunde genommen ebenso. Mit der Reibefläche geben wir Aktivierungsenergie ins System, die die Reaktion zwischen den Partnern startet. Die ersten Pärchen haben solch eine Wirkung auf die anderen, dass sie gleich mehrere weitere Paare folgen. Es wird Energie frei, die den Fortlauf der Reaktion ermöglicht. Die Verbindung von Stoffen setzt nämlich (bei exothermen Reaktionen) in der Regel Energie frei, die wir uns hier im Streichholz für die nächste Reaktion zunutze machen wollen.

Die Menge der frei werdenden Energie können wir sogar bedingt steuern. Dem Start der Reaktion über den Streichholzkopf folgt nämlich umgehend die Reaktion des eigentlichen Holzes. Je nach Neigung wird die Flamme größer oder kleiner. Neigt sich das Streichholz mit Flamme nach unten, wird mehr Holz von der Flamme erreicht, und das Streichholz brennt schneller ab. Wird die Flamme auf der Spitze gehalten, kann das Streichholz sogar ausgehen, weil die Energie der Flamme für das Holz nicht (mehr) erreichbar ist.

Nähern wir die Flamme des Streichholzes an den Kerzendocht an, starten wir mit ihrer Energie eine weitere Reaktion. Das Anzünden einer frischen Kerze dauert immer ein wenig länger als bei einem Docht, der schon verwendet wurde. Das Streichholz, vielmehr die Energie der Reaktionspartner in Streichholzkopf und Streichholzholz, schmilzt zunächst die Wachsschicht, die sich am Docht befindet. Das flüssige Wachs im Docht ist nun ein Bestandteil der nächsten Reaktion, an deren Ende die Kerzenflamme leuchtet. Wieso? Dazu gibt es noch viel zu entdecken. Beginnen wir erst einmal mit den Partnern, die sich hier treffen.

Nachweis der Bestandteile einer Kerzenflamme

 

Wir benötigen dazu:

eine dicke Kerze,

eine Packung Streichhölzer,

ein kleines und ein großes Glas,

zwei Esslöffel,

einen Eiswürfel,

eine Untertasse,

eine feuerfeste Unterlage (z. B. ein Küchenbrett).

Durchführung:

Wir stellen eine Untertasse auf eine feuerfeste Unterlage.

Wir stellen die dicke Kerze auf die Untertasse und entzünden sie.

Wir halten einen Löffel dicht über die Spitze der Kerzenflamme.

Wir nehmen einen weiteren Löffel und legen einen Eiswürfel darauf.

Wir halten den kalten Löffel mit Eiswürfel dicht über die Spitze der Kerzenflamme.

Wir stellen das Glas über die Kerze.

Beobachtungsaufträge:

Welche Veränderungen zeigen sich an der Unterseite der Löffel?

Auf welche Stoffe oder Elemente weisen die Veränderungen hin?

Warum geht die Kerze nach einiger Zeit aus, wenn sie unter dem Glas steht?

Wie verändert sich die Zeit zum Erlöschen der Flamme, wenn wir ein größeres oder kleineres Glas nehmen?

 

Mit den verwendeten Materialien haben wir viel über das Feuer lernen können. Die Kerze ist unter dem Glas ausgegangen. Ein kleines Glas lässt die Kerze schneller erlöschen als ein großes Glas. Es muss etwas in dem Glas vorhanden sein, das Teil der Reaktion ist. Carl Wilhelm Scheele und Joseph Priestley (nicht zu verwechseln mit Jason Priestley aus der berühmten Fernsehserie Beverly Hills 902010) machten um das Jahr 1771 herum ähnliche Experimente, zum Teil auch ein wenig makabre unter Beihilfe von Tieren, die unter Glasglocken gestellt wurden. Scheele erhitzte Braunstein und Kaliumpermanganat und erhielt dadurch ein farbloses Gas, das die Verbrennung förderte. Er nannte dieses Gas »Feuerluft«, erkannte es als Bestandteil der Luft und beschrieb, welche Bedeutung diese Feuerluft für Mensch und Tier hat. Der heutige Name Sauerstoff für die Feuerluft geht auf Joseph Priestley zurück. Priestley und Scheele konkurrierten – nach guter alter Wissenschaftstradition – mit der Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse.

Es ist der Sauerstoff, den wir hiermit als einen Reaktionspartner entdeckt haben. Ist reichlich von ihm vorhanden, läuft die Reaktion stärker ab. Wenn wir an die Flirtparty in der Disco zurückdenken, wird klar, dass ein Angebot an vielen netten Damen die Chancen auf eine Verbindung erhöht. Sind alle »Ladys« vergeben, ist die Party zu Ende, das Feuer geht aus.

Die passenden Kerle für die Damen, um im Bild zu bleiben, haben wir mit den anderen Hilfsmitteln zu entdecken versucht. Der Löffel, den wir in die Kerzenflamme gehalten haben, hat sich schwarz verfärbt. Die Kerzenflamme rußt. Chemisch gesehen, besteht dieser Ruß überwiegend aus Kohlenstoff.

Als wir den eiswürfelgekühlten Löffel an die Flamme gehalten haben, haben sich kleine, feine Tröpfchen an der Unterseite des Löffels gezeigt. Diese Tröpfchen waren zuweilen auch am Glasrand zu entdecken, als wir das Glas über die Kerze stülpten. Es ist also Wasser bei der Reaktion entstanden.

Wenn wir weiter kombinieren, muss das Wasser, also die Verbindung von Sauerstoff mit Wasserstoff, unter Beisein von Wasserstoff entstanden sein. Etwas muss die Luft aufgebraucht haben. Es sind Kohlenstoff und Wasserstoff aus dem Kerzenwachs, das chemisch betrachtet nichts anderes als eine Mischung langkettiger Kohlenwasserstoffe (Alkane, Lipide, Ester) ist, also überwiegend aus Verbindungen dieser zwei Elemente besteht, die wiederum beide mit dem Sauerstoff reagieren können.