Der kleine Fürst 108 – Adelsroman - Viola Maybach - E-Book

Der kleine Fürst 108 – Adelsroman E-Book

Viola Maybach

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Beschreibung

Viola Maybach´s Topseller. Alles beginnt mit einem Schicksalsschlag: Das Fürstenpaar Leopold und Elisabeth von Sternberg kommt bei einem Hubschrauberunglück ums Leben. Ihr einziger Sohn, der 15jährige Christian von Sternberg, den jeder seit frühesten Kinderzeiten "Der kleine Fürst" nennt, wird mit Erreichen der Volljährigkeit die fürstlichen Geschicke übernehmen müssen. Frau von Hagen", sagte die alte Dame, "das war ein ganz wunderbarer Roman, den Sie mir neulich empfohlen haben. Etwas in der Art hätte ich gern noch einmal! Irina von Hagen lächelte ihr schüchternes Lächeln. "Es freut mich sehr, dass Ihnen das Buch gefallen hat, Frau Heller.

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Der kleine Fürst –108–

Das hässliche Entlein

Liebe macht schön, Irina!

Roman von Viola Maybach

»Frau von Hagen«, sagte die alte Dame, »das war ein ganz wunderbarer Roman, den Sie mir neulich empfohlen haben. Etwas in der Art hätte ich gern noch einmal!«

Irina von Hagen lächelte ihr schüchternes Lächeln. »Es freut mich sehr, dass Ihnen das Buch gefallen hat, Frau Heller.«

»Ich konnte gar nicht aufhören zu lesen, mein Mann hat sich schon beschwert«, berichtete die Kundin. »Wenn er wüsste, dass ich heute schon wieder bei Ihnen im Laden bin, wäre er sicher gar nicht erfreut!« Karin Hellers lebhafte Augen blitzten. »Aber er hat ja gewusst, dass ich eine Leseratte bin, als wir geheiratet haben, also darf er sich jetzt auch nicht beschweren, habe ich Recht?«

»Ich möchte aber nicht, dass er böse auf mich ist«, erklärte Irina, holte ein Buch aus dem Regal und reichte es der alten Dame. »Sehen Sie es sich in Ruhe an. Möchten Sie vielleicht einen Kaffee trinken?«

»Gern!« Karin Heller strahlte noch mehr und ging zu der gemütlichen Leseecke im hinteren Teil des Verkaufsraums. Irina schenkte ihr eine Tasse Kaffee ein, stellte sie mit Milch und Zucker auf ein Tablett und brachte sie ihr.

»Danke, Frau von Hagen. Ich kaufe es bestimmt, aber ein bisschen reinschnuppern möchte ich schon gern …« Mit diesen Worten versank die alte Dame in dem Roman, und Irina zog sich zurück.

Es waren noch einige andere Kunden im Laden, die sich jedoch selbst umsehen wollten. Einmal mehr fragte sich Irina, warum sie ohne Probleme mit fremden Menschen über Bücher reden konnte, wo ihr doch bei jedem anderen Thema sofort die Worte im Halse stecken blieben. Sie war schon als kleines Mädchen überaus schüchtern gewesen, und leider hatte sich die Vorhersage ihrer Grundschullehrerin: »Keine Sorge, das wächst sich aus« bisher nicht bewahrheitet. Im Gegenteil, sie selbst hatte den Eindruck, dass es von Jahr zu Jahr eher schlimmer wurde.

Nur hier, in ihrer eigenen Buchhandlung, bei deren Eröffnung ihre Eltern sie unterstützt hatten, vergaß sie ihre Schüchternheit. Sobald es um Bücher ging, war sie um Worte nicht verlegen. Aber wehe, ein Kunde versuchte, sie in ein allgemeines oder sogar persönliches Gespräch zu ziehen: Dann floh sie, so schnell sie konnte.

Sie hatte zwei sympathische Angestellte gefunden, die mit ihrer ausgeprägten Schüchternheit ganz selbstverständlich umgingen: Margret Sonnenbauer war blond und rundlich, fünfzig Jahre alt und überglücklich, wieder eine Stelle zu haben, nachdem sie sich schon beinahe damit abgefunden hatte, nie wieder in ihrem erlernten Beruf arbeiten zu können. Ihr Kollege Hannes Zenk war ein gut aussehender Blonder von Ende Dreißig, der auf jüngere Leserinnen wie ein Magnet wirkte. Immer wieder staunte Irina darüber, wie viele Frauen zwischen zwanzig und fünfzig offenbar allein seinetwegen in den Laden kamen. Er flirtete dezent mit ihnen, verkaufte viel und freute sich ganz unschuldig darüber.

Einige Minuten später öffnete sich die Tür der Buchhandlung erneut, aber dieses Mal war es kein Kunde, der hereinkam, sondern Irinas Bruder Nikolaus – noch so ein Typ, auf den die Frauen flogen. Es faszinierte Irina jedes Mal von Neuem, wie sich die Atmosphäre in einem Raum veränderte, sobald ihr Bruder ihn betrat. Die anwesenden Frauen veränderten ihre Haltung, verstohlene Blicke flogen in seine Richtung, die Stimmen klangen anders.

Nikolaus umarmte Irina liebevoll und flüsterte ihr ins Ohr: »Gehst du mit mir Mittag essen?«

Gleich darauf eilte eine junge Frau auf Irina zu, um sich beraten zu lassen. Sie hatte vorher erklärt, sie komme allein zurecht. Nikolaus wartete geduldig, solange seine Schwester mit der Kundin sprach. Die aber schien kaum zuzuhören, stattdessen warf sie Nikolaus immer wieder herausfordernde Blicke zu. Er antwortete mit einem nichtssagenden Lächeln und wandte sich schließlich ab, bis die Kundin enttäuscht aufgab und wenig später den Laden verließ, ohne etwas gekauft zu haben.

»Hab ich sie vergrault?«, fragte Nikolaus besorgt.

Irina und er hatten beide die dunklen Haare des Vaters geerbt, aber sonst unterschieden sie sich äußerlich sehr. Ihr Bruder war groß, Irina eher klein und zierlich; seine Augen waren blau, ihre braun; er war ein ausgesprochen gut aussehender Mann mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein, sie tat wegen ihrer Schüchternheit alles, um möglichst nicht aufzufallen. Sie trug die schönen, dichten dunklen Haare kurz geschnitten und benutzte kein Make-up, und während Nikolaus bei seiner Kleidung viel Wert auf Stil legte, bevorzugte Irina Kostüme und Hosenanzüge in gedeckten Farben wie grau, dunkelblau, braun und beige. »Tarnfarben«, sagte ihre Schwester Cornelia dazu. Annäherungsversuchen entging Irina auf diese Weise tatsächlich: Niemand kam bei ihrem Aussehen auf die Idee, einen Flirt mit ihr zu suchen, und so war es ihr gerade recht.

»Sie hätte sowieso nichts gekauft«, seufzte sie jetzt. »Sie hatte gehofft, Hannes im Laden anzutreffen, aber er hat ja erst ab heute Nachmittag Dienst. Sie wollte nicht gleich wieder gehen, weil sie immer denkt, ich wüsste nicht, dass sie nicht wegen der Bücher kommt.«

»Soll ich jetzt beleidigt sein?«, fragte Nikolaus belustigt. »Ich war also nur der Lückenbüßer für deinen Kollegen?«

Sie strich ihm liebevoll über den Arm. »Wenn du noch zehn Minuten wartest, gehe ich mit dir – aber ich mag meine Kunden nicht hinauswerfen.«

»Eigentlich solltest du aber schon geschlossen haben«, bemerkte Nikolaus nach einem Blick auf die Uhr.

Sie nickte nur. Eine Viertelstunde später waren alle Kunden gegangen, auch Karin Heller, die glückstrahlend mit ihrem neuen Roman abgezogen war, und Nikolaus führte seine Schwester in ein versteckt gelegenes französisches Restaurant. »Die haben neu aufgemacht«, erklärte er, als sie sich verwundert umsah. »Sehr gutes Essen, ich habe es schon getestet – und weil es noch neu ist, hat man hier seine Ruhe.«

Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Er wusste natürlich, dass sie ruhige Orte bevorzugte. Viele Leute, Lärm und Hektik wurden ihr schnell zu viel.

Sie studierten noch die Speisekarten, als jemand sagte: »Niko! Wenn das keine Überraschung ist!«

Irina sah auf und begegnete einem neugierigen Blick aus dunklen Augen. Der Mann war blond, nicht sehr groß und sah nett aus. Er lächelte sie an. Sie erwiderte das Lächeln, dann sah sie zu ihrem Bruder hinüber, der aufgesprungen war, um den Blonden zu begrüßen. Er wich ihrem Blick beharrlich aus, als er seinen Bekannten bat, doch bei ihnen am Tisch Platz zu nehmen, falls er allein sei.

»Ja, bin ich, aber ich will nicht stören.«

»Du störst doch nicht, Leo. Irina, das ist Leo von Brühl, wir kennen uns von früher.«

Die Freude über das unerwartete Auftauchen ihres Bruders verflog. Sie hatte gedacht – gehofft – er sei wirklich gekommen, um sie zu sehen und mit ihr zu reden. Aber jetzt zeigte sich, dass es wieder einmal nur das Übliche war …

Die Mahlzeit verlief wie viele andere vor ihr: Die beiden jungen Männer unterhielten sich lebhaft miteinander, wobei vor allem Nikolaus bemüht war, seine Schwester ins Gespräch zu ziehen, was ihm nur sehr unzureichend gelang. Je mehr er sich bemühte, desto mehr verschloss sie sich, und sie erhob sich bereits, bevor Nikolaus um die Rechnung gebeten hatte.

»Ich muss zurück, Niko«, behauptete sie, obwohl sie noch über eine halbe Stunde Zeit hatte, bis der Laden wieder öffnete. »Ich muss noch ein paar Bestellungen rausschicken.« Sie wandte sich an Leo von Brühl. »Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen. Auf Wiedersehen.« Aber ein Wiedersehen würde es auf keinen Fall geben.

»Jetzt bleib doch wenigstens noch, bis ich bezahlt habe, Irina!«, protestierte Nikolaus, sie ließ sich jedoch nicht aufhalten, umarmte ihn, dankte ihm für die Einladung und verließ eiligst das Restaurant. Wann würde ihre Familie endlich aufhören, einen passenden Mann für sie zu suchen? Sie brauchte keinen Mann, sie wollte nur in Ruhe gelassen werden, doch das war offenbar mehr, als ihre Eltern und Geschwister verstehen konnten.

Sie atmete erst auf und begann sich besser zu fühlen, als sie sich in der Buchhandlung in ihr kleines Büro zurückgezogen hatte. Das nächste Mal, schwor sie sich, würde sie eine Einladung zum Essen, ob nun von ihrem Bruder, ihrer Schwester oder ihren Eltern ausgesprochen, gleich ablehnen. Es war einfach immer das Gleiche: Irgendwann tauchte ›zufällig‹ ein alter Freund oder Bekannter auf …

Sie hatte genug davon. Endgültig genug.

*

Viktor von Lowitz, einer der weltbesten Dressurreiter, feierte seinen dreißigsten Geburtstag in großem Stil. Zahlreiche Reden wurden gehalten, witzige und weniger witzige, Freunde und Weggefährten erinnerten an vergangene Zeiten, es wurde sogar ein Film gezeigt, der wichtige Stationen seines bisherigen Lebens aufzählte. Viktor wurde also gebührend gefeiert und insgeheim heftig beneidet – nicht nur wegen seiner sportlichen Erfolge, sondern auch, weil er ständig von schönen Frauen umgeben war. Im Augenblick hieß seine Freundin Annetta Voncampe. Sie war eine rassige Rothaarige mit Traumfigur, die sich wie ihre Vorgängerinnen gute Chancen ausrechnete, Viktor endlich zum Gang vor den Traualtar bewegen zu können.

Er selbst wusste freilich, dass es ihr so wenig gelingen würde wie den anderen. Er liebte sie nicht, er hatte noch keine seiner Freundinnen geliebt. Immer gab es einen Moment, da er dachte: ›Ja, vielleicht ist es dieses Mal die Richtige‹, doch die Erkenntnis, dass dem nicht so war, folgte bald darauf. Er fragte sich gelegentlich, ob er vielleicht unfähig war, aufrichtig zu lieben. Aber vielleicht lagen seine fehlenden Gefühle auch darin begründet, dass er nie wusste, ob wirklich er, Viktor, gemeint war oder doch eher der berühmte Dressurreiter.

Sicher, er sah gut aus mit seinen dichten braunen Haaren und dem schmalen Gesicht, und er hielt sich selbst für einigermaßen anständig und sympathisch, aber das schien den Frauen nicht so wichtig zu sein wie die Tatsache, dass er ein bekannter Mann war.

Annetta kam mit wiegenden Hüften auf ihn zu, ein verführerisches Lächeln auf den Lippen. Noch bevor sie ihn erreicht hatte, wusste er bereits, was sie sagen würde, und er stellte erschrocken fest, wie sehr ihn das Zusammensein mit ihr langweilte. Was war mit ihm los? Sie war schön und sinnlich, viele Männer beneideten ihn um diese Freundin – und er langweilte sich mit ihr?

»Liebst du mich?«, flüsterte sie ihm zu, während sie sich an ihn schmiegte.

»Lass das bitte«, antwortete er und schob sie ein wenig schroff zurück. »Es gibt noch ein paar Leute, mit denen ich reden möchte, Annetta.« Mit diesen Worten ließ er sie stehen. Sie würde ein bisschen schmollen, aber nicht lange, denn ihr Ziel, ihn zu heiraten, verlor sie nie aus den Augen. Dazu gehörte es ihrer Meinung nach, dass sie sich nicht lange streiten durften, und deshalb verzieh sie ihm jede Unhöflichkeit. Wenn sie es doch nur einmal auf einen richtigen Streit mit ihm hätte ankommen lassen!

Ich bin verrückt, dachte er, dass ich mich nach Streit sehne, während andere Männer sich ständig über ihre streitlustigen Freundinnen und Frauen beklagen. Aber er war diese zur Schau getragene Harmonie einfach leid.

Während er sich mit einem seiner Kollegen unterhielt, beobachtete er Annetta verstohlen. Sie machte gute Miene zum bösen Spiel, gab sich heiter und unverkrampft, aber er merkte doch, dass es ihr schwerfiel. Mit einem Mal tat sie ihm leid. Er würde sich umgehend von ihr trennen, damit sie sich nicht länger Illusionen hingab, die sich niemals erfüllen würden. Das war nur fair. Er liebte sie nicht, er würde sie nicht heiraten, das wusste er, also konnte er es ihr genauso gut auch sagen.

Nach diesem Entschluss fühlte er sich besser.

»Wirst du sie heiraten?«, fragte sein Gesprächspartner in diesem Augenblick.

»Wen?«, fragte er zurück.

Der andere lachte. »Du bist gut. Hast du noch mehr Freundinnen, dass du so eine Frage stellst? Annetta natürlich. Ihr seid immerhin schon ein halbes Jahr zusammen, für dich ist das ja beinahe so etwas wie ein Rekord.«

»Ein halbes Jahr«, murmelte Viktor.

»Du wunderst dich wohl selbst darüber, was?«

Viktor lächelte verlegen, zog es aber vor, nicht zu antworten. Bald darauf begannen sich die Gäste zu verabschieden, und als nur noch einige Unverbesserliche an der Bar saßen, die dort vermutlich auch in ein paar Stunden noch sitzen würden, näherte er sich Annetta und sagte: »Wenn du willst, können wir jetzt gehen.«

Sie schien seine Reaktion von vorhin vergessen zu haben, denn sie strahlte ihn an, als sei nichts gewesen, und griff nach seiner Hand. Wieder tat sie ihm leid. Er würde ihr ein unschönes Ende dieses Geburtstagsfestes bereiten müssen. Aber wenn er einen solchen Entschluss einmal gefasst hatte, dann setzte er ihn auch in die Tat um. Wozu das Ende hinauszögern, wenn es doch unausweichlich war? Das machte es nur schlimmer.

Während der Fahrt schwiegen sie beide, in Viktors luxuriöser Wohnung schlang Annetta ihre Arme um ihn. »Endlich sind wir allein«, flüsterte sie.

Dieses Mal schob er sie sanfter zurück als vorhin auf der Party. »Es ist vorbei, Annetta«, sagte er. »Du willst, dass wir heiraten, aber ich will das nicht. Und ich will dieses Spiel auch nicht länger spielen. Du machst dir Illusionen, die ich vielleicht bestärkt habe. Das tut mir leid. Du bist eine sehr attraktive Frau, du verdienst einen Mann, der dich aufrichtig liebt. Ich bin dieser Mann nicht.«

Ihre Arme waren herabgesunken, sie stand vor ihm wie ein Kind, das unter dem Weihnachtsbaum das sehnlichst erwünschte Geschenk nicht gefunden hat. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, ihre Unterlippe begann zu zittern.

Wenn Viktor etwas fürchtete, so waren es Tränen, denn er konnte ihnen nur schwer widerstehen. Hilflos nahm er Annetta in die Arme. »Jetzt wein doch nicht«, bat er. »Ich habe dir doch damals gleich gesagt, dass das das mit uns nicht lange dauern wird.«

»Aber ich habe dir nicht geglaubt!«, schluchzte sie. »Ich dachte, bei mir ist es anders, weil ich anders bin als deine früheren Freundinnen. Wir passen doch so gut zusammen, und du warst verrückt nach mir, und …«

»Nicht, Annetta«, bat er. »Es liegt nicht an dir, es liegt an mir. Ich glaube, ich bin kein Mann zum Heiraten.«

»Bist du wohl!« Sie weinte jetzt stärker, ihr ganzer Körper bebte.