Der kleine Fürst 249 – Adelsroman - Viola Maybach - E-Book

Der kleine Fürst 249 – Adelsroman E-Book

Viola Maybach

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Beschreibung

Viola Maybach´s Topseller. Alles beginnt mit einem Schicksalsschlag: Das Fürstenpaar Leopold und Elisabeth von Sternberg kommt bei einem Hubschrauberunglück ums Leben. Ihr einziger Sohn, der 15jährige Christian von Sternberg, den jeder seit frühesten Kinderzeiten "Der kleine Fürst" nennt, wird mit Erreichen der Volljährigkeit die fürstlichen Geschicke übernehmen müssen. Viola Maybach hat sich mit der reizvollen Serie "Der kleine Fürst" in die Herzen der Leserinnen und Leser geschrieben. Der zur Waise gewordene angehende Fürst Christian von Sternberg ist ein liebenswerter Junge, dessen mustergültige Entwicklung zu einer großen Persönlichkeit niemanden kalt lässt. Viola Maybach blickt auf eine stattliche Anzahl erfolgreicher Serien zurück, exemplarisch seien genannt "Das Tagebuch der Christina von Rothenfels", "Rosenweg Nr. 5", "Das Ärztehaus" und eine feuilletonistische Biografie. "Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. "Bitte, begleite mich, Steffi", sagte der kleine Fürst zu seiner Freundin Stephanie von Hohenbrunn. Sie legte den Kopf auf seine Schulter. Hier, im Wald rund um das Sternberger Schloss, konnte sie das tun, ohne befürchten zu müssen, dass Fotografen und Reporter sie belauerten, um im geeigneten Moment ein Foto des jungen Paares zu schießen. Stephanie war vierzehn, ›der kleine Fürst‹ Prinz Christian von Sternberg sechzehn Jahre alt. Sie waren derzeit eines der beliebtesten Fotomotive der Boulevardpresse, das jüngste Liebespaar unter den Berühmtheiten des Landes. Christian hatte den Namen ›der kleine Fürst‹ schon als Zweijähriger bekommen. Damals war er mit seinem Vater, Fürst Leopold, zum ersten Mal auf Reisen gewesen und hatte die Menschen, denen sie begegneten, so entzückt, dass sie das ungleiche Paar ›der große und der kleine Fürst‹ genannt hatten. Für Christian war es bei dem Namen geblieben, obwohl er längst nicht mehr klein war und erst mit achtzehn Jahren, mit Erreichen der Volljährigkeit, der nächste Fürst von Sternberg werden würde. "Wenn es nur darum ginge, dich zu begleiten, würde ich das sofort tun", erwiderte Stephanie nach einer längeren Pause. Sie war ein ausgesprochen hübsches Mädchen mit glänzenden rotbraunen, sich lockenden Haaren, einer niedlichen Stupsnase und schönen grauen Augen. Auch Christian sah gut aus mit seinem schmalen Gesicht, den dichten dunklen Haaren und den dunklen Augen, in deren Blick sich, seit er seine Eltern durch einen schrecklichen Unfall verloren hatte, Traurigkeit eingenistet hatte, die nie völlig verschwinden wollte, nicht einmal, wenn er fröhlich und guter Dinge war. "Ich weiß." Er stieß die Luft in einem langen Seufzer aus. "Sie werden uns nicht in Ruhe lassen, uns ständig fotografieren und vielleicht mit Fragen bombardieren. Aber es ist ein wichtiger Musikpreis für Nachwuchsmusiker. Die eine Preisträgerin ist erst zehn. Ich kann da nicht absagen. Sie brauchen Unterstützung, sie versprechen sich viel davon, wenn ich die Preise überreiche und eine kleine Rede halte."

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Der kleine Fürst – 249 –

Sehnsucht nach dem zweiten Glück

Viola Maybach

»Bitte, begleite mich, Steffi«, sagte der kleine Fürst zu seiner Freundin Stephanie von Hohenbrunn.

Sie legte den Kopf auf seine Schulter. Hier, im Wald rund um das Sternberger Schloss, konnte sie das tun, ohne befürchten zu müssen, dass Fotografen und Reporter sie belauerten, um im geeigneten Moment ein Foto des jungen Paares zu schießen. Stephanie war vierzehn, ›der kleine Fürst‹ Prinz Christian von Sternberg sechzehn Jahre alt. Sie waren derzeit eines der beliebtesten Fotomotive der Boulevardpresse, das jüngste Liebespaar unter den Berühmtheiten des Landes.

Christian hatte den Namen ›der kleine Fürst‹ schon als Zweijähriger bekommen. Damals war er mit seinem Vater, Fürst Leopold, zum ersten Mal auf Reisen gewesen und hatte die Menschen, denen sie begegneten, so entzückt, dass sie das ungleiche Paar ›der große und der kleine Fürst‹ genannt hatten. Für Christian war es bei dem Namen geblieben, obwohl er längst nicht mehr klein war und erst mit achtzehn Jahren, mit Erreichen der Volljährigkeit, der nächste Fürst von Sternberg werden würde.

»Wenn es nur darum ginge, dich zu begleiten, würde ich das sofort tun«, erwiderte Stephanie nach einer längeren Pause. Sie war ein ausgesprochen hübsches Mädchen mit glänzenden rotbraunen, sich lockenden Haaren, einer niedlichen Stupsnase und schönen grauen Augen.

Auch Christian sah gut aus mit seinem schmalen Gesicht, den dichten dunklen Haaren und den dunklen Augen, in deren Blick sich, seit er seine Eltern durch einen schrecklichen Unfall verloren hatte, Traurigkeit eingenistet hatte, die nie völlig verschwinden wollte, nicht einmal, wenn er fröhlich und guter Dinge war.

»Ich weiß.« Er stieß die Luft in einem langen Seufzer aus. »Sie werden uns nicht in Ruhe lassen, uns ständig fotografieren und vielleicht mit Fragen bombardieren. Aber es ist ein wichtiger Musikpreis für Nachwuchsmusiker. Die eine Preisträgerin ist erst zehn. Ich kann da nicht absagen. Sie brauchen Unterstützung, sie versprechen sich viel davon, wenn ich die Preise überreiche und eine kleine Rede halte.«

»Du sollst ja auch gar nicht absagen.«

»Aber ich will nicht ohne dich gehen.«

Stephanie, den Kopf noch immer an Christians Schulter, griff nach seiner Hand. »Also schön, ich begleite dich«, sagte sie. Mit einem kleinen Lächeln fügte sie gleich darauf hinzu: »Wenn ich gewusst hätte, was es bedeutet, die Freundin des kleinen Fürsten zu sein, hätte ich mich vielleicht nicht in dich verliebt.«

Er rückte ein Stück von ihr ab, um ihr in die Augen sehen zu können. »Meinst du das jetzt im Ernst?«

Unvermittelt fing sie an zu lachen: ein fröhliches, unbeschwertes Lachen, bei dem ihre Augen blitzten und ihr schön geschwungener Mund sich so in die Breite zog, dass sie wie ein kleines Mädchen aussah, dem ein besonders schöner Streich gelungen war. »Nein!«, rief sie. »Natürlich nicht. Ich wollte nur mal sehen, wie du reagierst, wenn ich so etwas sage.«

Er zog sie an sich und küsste sie, wobei er seine Hand langsam nach unten gleiten ließ, bis sie ihre linke Brust erreicht hatte. Er streichelte sie sanft, versuchte aber nicht, unter ihr T-Shirt zu gelangen, wie sie es ihm schon einige Male erlaubt hatte. Dann träumte er noch tagelang von ihrer seidigen Haut und dem festen und doch weichen runden Hügel, den er hatte berühren dürfen.

Doch heute hielt er sich zurück, weil er wusste, dass sie eigentlich längst wieder auf dem Weg zum Schloss hätten sein müssen. Stephanie würde mit der Familie zu Abend essen und im Schloss übernachten, in Annas Zimmer.

Anna von Kant war Christians Cousine, sie und ihr Bruder Konrad waren für ihn wie zwei Geschwister. Die Kants wohnten schon sehr lange im Schloss, weil Christians Eltern früh erfahren hatten, dass sie nach ihrem Sohn keine weiteren Kinder haben würden. Damit Christian nicht als Einzelkind aufwachsen musste, hatten Fürstin Elisabeth und Fürst Leopold Elisabeths Schwester Sofia und ihren Mann gefragt, ob sie nicht in den Westflügel von Sternberg ziehen wollten. Damals waren die Kinder noch klein gewesen. Baronin Sofia und Baron Friedrich von Kant hatten nicht lange gezögert und ihren Entschluss, im Sternberger Schloss zu leben, nie bereut. Sie waren es gewesen, die Christian nach dem Tod seiner Eltern als ihr drittes Kind zu sich in den Westflügel geholt hatten.

Anna war vierzehn, wie Stephanie, sie gingen in eine Klasse und waren enge Freundinnen geworden. Konrad, mit seinen siebzehn Jahren, war der Älteste der Sternberger Teenager.

Stephanie löste sich von Christian. »Müssen wir nicht zurück?«

»Ja, leider«, sagte er« Sein Hand lag nach auf ihrer Brust. »Ich … ich fasse dich so gerne an, Steffi.«

Sie beugte sich vor, um ihn noch einmal zu küssen. »Und ich habe es gern«, sagte sie leise. »Aber nicht, wenn wir im Schloss erwartet werden. Du weißt, deine Tante und dein Onkel mögen es nicht, wenn man zu spät zum Essen kommt.«

Das war allerdings richtig, und so zog er bedauernd die Hand zurück, und sie machten sich auf den Weg.

Dem Abendessen kam im Schloss eine besondere Bedeutung zu, da es die einzige Mahlzeit des Tages war, die alle gemeinsam einnahmen. Morgens hatten die Teenager keine Zeit, da sie grundsätzlich so spät aufstanden, dass sie mit knapper Not noch ein paar Bissen zu sich nehmen konnten, bevor sie den Sternberg im Eiltempo hinunter rannten, damit sie unten im Tal den Schulbus erwischten. Mittags waren sie noch in der Schule, und so blieb nur der Abend, an dem dann alles besprochen werden konnte, was jedem von ihnen wichtig erschien. Bei den Abendmahlzeiten gab es in der Regel angeregte Diskussionen über alle möglichen Themen, bei denen manchmal auch heftig gestritten wurde.

Baronin Sofia und Baron Friedrich legten abends Wert auf gepflegte Kleidung. »Frau Falkner kocht mit großer Sorgfalt und Liebe ein ganzes Menü für uns, das wir auch dadurch würdigen sollten, dass wir es in einem angemessenen Rahmen zu uns nehmen«, hatte der Baron einmal gesagt, und es hatte ihnen eingeleuchtet. Seitdem gab es keine Diskussionen mehr darüber, ob man nicht ausnahmsweise im Sommer auch mal in Shorts, knappem Top und Flip-Flops zum Essen erscheinen durfte: Man durfte nicht.

Am Hauptportal wurden sie bereits von Eberhard Hagedorn, dem alten Butler erwartet. Er galt allen, die ihn jemals erlebt hatten, als der perfekte Butler schlechthin, und es gab noch immer jedes Jahr zahlreiche Abwerbungsversuche, die Eberhard Hagedorn freilich nur mit mildem Lächeln quittierte. Er war schon so lange auf Schloss Sternberg tätig, dass er sich dort zu Hause fühlte. Er würde niemals weggehen und sagte es auch jedem gern, der danach fragte.

»Sind wir zu spät, Herr Hagedorn?« Christian war außer Atem, sie hatten das letzte Stück im Laufschritt zurückgelegt.

»Noch nicht, Prinz Christian, aber mit dem Umziehen müssten Sie sich jetzt wirklich beeilen.«

Sie rannten ohne weiteres Wort die breite, elegant geschwungene Treppe hinauf, die von der Eingangshalle nach oben führte, wo sich die Privaträume der Familie befanden, sowie die Gästesuiten. Sie waren in Jeans, T-Shirts und Turnschuhen unterwegs gewesen, so konnten sie sich im Salon nicht blicken lassen.

Als sie kaum fünf Minuten später wieder nach unten kamen, waren sie kaum wiederzuerkennen. Stephanie trug ein hübsches Sommerkleid in Blau, Christian hatte sich für sportliche helle Baumwollhosen und ein weißes Hemd entschieden. Anzugzwang bestand nämlich nicht, das hätten auch Sofia und Friedrich als übertrieben empfunden. Strengere Kleidervorschriften herrschten nur bei festlichen Essen, bei denen auch Gäste anwesend waren.

Die anderen warteten schon auf sie, aber da sie sich angeregt unterhielten, fiel ihre kleine Verspätung nicht auf.

Bei der Vorspeise fragte die Baronin: »Was gab’s Neues in der Schule?«

Anna, die mit ihren blonden Locken, dem hübschen runden Gesicht und den porzellanblonden Augen wie eine jüngere Ausgabe ihrer Mutter aussah, antwortete zuerst. Sie hatte sich über eine Zensur geärgert, die ihrer Meinung nach zu schlecht ausgefallen war. Darüber hatte sie sich bei der Lehrerin beschwert. »Na ja, dann hat sie mir das noch mal erklärt«, seufzte sie.

»Und hatte sie dann doch Recht?«, fragte Konrad. Er ähnelte eher seinem schmalen, groß gewachsenen Vater. Zwar war er blond wie seine Mutter, das klassische Profil jedoch hatte ihm der Baron mitgegeben.

»Zum Teil«, murmelte Anna.

Die anderen wechselten amüsierte Blicke. Anna war lebhaft, neugierig, und sie verfügte über eine schnelle Auffassungsgabe, aber auch über ein aufbrausendes Temperament. Sie regte sich schnell auf, ließ sich aber meistens ebenso schnell wieder besänftigen.

»Ich werde für diese Preisverleihung zusagen, Steffi begleitet mich«, berichtete Christian.

Baronin Sofia lächelte. »Das freut mich«, erwiderte sie mit warmer Stimme. »Es ist schön, dass ihr das macht, und die Veranstalter freut es sicher auch. Es wird dem Preis mehr Aufmerksamkeit bescheren.«

»Ich wollte erst nicht mitgehen«, gestand Stephanie, »weil mich das immer noch nervt, wenn die Fotografen hinter uns her sind. Und an so einem Tag soll es ja eigentlich um die Preisträger gehen und nicht um den, der die Preise überreicht und eine Rede dazu hält. Das finde ich blöd. Aber es stimmt schon: Wenn Chris dabei ist, wird darüber berichtet, die Sache wird ernster genommen.«

»Der Preis wird doch von der Stadt verliehen, oder?« Baron Friedrich runzelte die Stirn. »Ich muss gestehen, dass ich mich nicht näher damit beschäftigt habe.«

»Von der Stadt und der Musikschule«, sagte Christian. »Es ist eine gute Sache.«

»Was bekommen denn die Preisträger?«

»Ein Jahr kostenlosen Unterricht an der Musikschule und etwas Geld. Dieses Jahr sind es ein dreizehnjähriger Junge und ein zehnjähriges Mädchen. Der Junge ist Geiger, das Mädchen spielt Klavier. Ich habe gehört, dass sie immer auf einem geliehenen Klavier üben muss, weil sie zu Hause keins haben. Die Mutter ist Friseurin und mit ihren Kindern allein«, berichtete Christian. »Sie haben keinen Platz für ein Klavier – und Geld sowieso nicht.«

Unwillkürlich ließen daraufhin alle die Blicke über den schön gedeckten Tisch und die appetitlich angerichteten Speisen auf ihren Tellern schweifen, bevor sie einander ansahen.

»Ja, wir haben es gut!«, sagte die Baronin mit Nachdruck und sprach damit das aus, was jeder am Tisch zuvor gedacht hatte.

*

»Wir haben kein Geld für ein neues Auto«, sagte Saskia Eckert müde zu ihrem siebzehnjährigen Sohn Marco. »Ich weiß nicht, warum du immer wieder davon anfangen musst. Du weißt doch, wie wir finanziell dastehen.«

»Und wofür habe ich dann den Führerschein gemacht?«, rief er aufgebracht. »Ich darf fahren, wenn mich ein Erwachsener begleitet, und jetzt haben wir kein Auto mehr, weil das letzte den Geist aufgegeben hat. Das ist unfair!«

Sie verlor die Geduld, ihre Stimme wurde scharf. »Dein Führerschein hat meine letzten Ersparnisse aufgezehrt, das weißt du ganz genau. Und du weißt auch, dass ich, seit das Auto verschrottet werden musste, mit dem Rad zur Arbeit fahre. Denk nach, bevor du dich über die Ungerechtigkeit der Welt beschwerst. Für mich ist es sicher schlimmer, dass wir uns kein neues Auto leisten können als für dich. Du kannst mit dem Bus zur Schule fahren.«

Murrend aß er weiter. Sie betrachtete ihn verstohlen. Er war schon als kleiner Junge nicht einfach gewesen, aber seit er in der Pubertät war, fand sie ihn oft unerträglich. Er war ständig unzufrieden, an allem meckerte er herum, oft suchte er Streit. Er hatte eigentlich mit der mittleren Reife die Schule verlassen sollen, war aber überraschend sitzen geblieben. Es hatte sich herausgestellt, dass er häufig dem Unterricht ferngeblieben war. Getan hatte er für die Schule so gut wie nichts und dafür die Quittung bekommen.

Für Saskia war das ein herber Schlag gewesen. Sie war Friseurin und mit ihren Kindern allein. Das Geld war immer knapp bei ihnen, sie hatte so sehr auf Entlastung durch Marco gehofft. Wenn er eine Lehre begann, kam wenigstens etwas zusätzliches Geld in die Kasse, so ihre Überlegung.

Die Entlastung war dann von anderer Seite gekommen, von ihrer zehnjährigen Tochter Frieda, die offenbar ein musikalisches Wunderkind war, was ihre Finanzen seit Jahren zusätzlich belastete. Allein die Klavierstunden für Frieda kosteten ein Vermögen, obwohl die Lehrerin ihnen einen Sonderpreis gemacht hatte. Aber der Preis, den ihre Tochter jetzt gewonnen hatte, war ein Segen: Die Kleine würde etwas Geld bekommen und ein ganzes Jahr lang kostenlosen Unterricht. Das Geld würde sie natürlich zurücklegen, für Friedas weitere Ausbildung. Und das, was sie im kommenden Jahr für die Klavierstunden sparten, würde sie auf die Bank bringen, für Notfälle wie eine kaputte Waschmaschine oder ähnliches. Der neue Kühlschrank, den sie überraschend hatte kaufen müssen, hatte ihr Konto vorübergehend sogar ins Minus gebracht. Das brauchte sie kein zweites Mal.

»Aber Klavierstunden für Frieda, die konnten wir uns die ganze Zeit leisten«, schimpfte Marco. »Sie ist ja auch sooo begabt.«

»Ja, das ist sie und anders als ihr großer Bruder übt sie fleißig und muss nicht dauernd ermahnt werden, sich mehr anzustrengen, damit sie nicht durch eine Prüfung fällt.« Saskia unterbrach sich. Sie war die ständigen Streitereien mit ihrem Sohn so leid! »Du bist klug, Marco, du hättest ein viel besserer Schüler sein müssen. Ich habe dir das schon öfter gesagt, aber du willst es ja nicht hören. Und es ist deine Entscheidung, es geht um dein Leben. Wenn du nichts daraus machen willst, kann ich nichts daran ändern.«

Er schien gar nicht zugehört zu haben. »Und das Geld, das Frieda kriegt, weil sie diesen Preis gewonnen hat? Können wir das nicht für ein neues Auto nehmen? Und das, was wir sparen, weil sie ja jetzt kostenlos Unterricht kriegt?«

Sie starrte ihn einen Moment lang fassungslos an. Es fiel ihr schwer, ruhig zu bleiben. Am liebsten hätte sie ihn noch einmal angefahren, doch sie wusste, dass das zu nichts außer weiterem Streit führte. »Nein«, sagte sie schließlich und schaffte es, zumindest äußerlich ganz ruhig zu bleiben. »Nein, das können wir nicht. Es ist Friedas Geld, sie allein entscheidet, was sie damit machen möchte. Und das Geld, das wir sparen wegen der Klavierstunden, lege ich zurück. Wir leben von der Hand in den Mund, da darf nicht das Geringste schiefgehen, und wir sind in Not. Das ist mir zu viel Stress.«

Sie machte eine kurze Pause, bevor sie hinzusetzte: »Abgesehen davon, ist das Preisgeld viel zu wenig für ein neues Auto. Und ein neues Auto verursacht laufende Kosten, wir können uns das nicht leisten.«