Mit dem Kopf durch die Wand - Viola Maybach - E-Book

Mit dem Kopf durch die Wand E-Book

Viola Maybach

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Beschreibung

Viola Maybach hat sich mit der reizvollen Serie "Der kleine Fürst" in die Herzen der Leserinnen und Leser geschrieben. Alles beginnt mit einem Schicksalsschlag: Das Fürstenpaar Leopold und Elisabeth von Sternberg kommt bei einem Hubschrauberunglück ums Leben. Ihr einziger Sohn, der 15jährige Christian von Sternberg, den jeder seit frühesten Kinderzeiten "Der kleine Fürst" nennt, wird mit Erreichen der Volljährigkeit die fürstlichen Geschicke übernehmen müssen. "Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. »Was meinst du, Albert?«, fragte Kurt Wille. »Schaffen wir das bis heute Abend?« Die junge Frau, die er mit »Albert« angesprochen hatte, schob sich ihren Bauhelm in den Nacken und betrachtete nachdenklich den noch nicht vollendeten Brückenpfeiler. Sie hatte dunkle kurzgeschnittene Haare, ebenfalls dunkle Augen und ein sehr ausdrucksvolles Gesicht. Wer sie nur flüchtig ansah, konnte sie zunächst für einen jungen Mann halten, zumal sie wie alle anderen hier einen Blaumann trug. Erst bei näherem Hinsehen fielen der volle Mund, die weiche Rundung ihrer Wangen und ihre zarte Haut auf. »Ja«, beantwortete sie die Frage ihres Kollegen jetzt mit großer Entschiedenheit. »Wenn wir uns ranhalten, schaffen wir das!« »Ihr habt es gehört, Jungs!«, dröhnte Kurt, ein blonder Riese mit hellblauen Augen und beeindruckend breitem Kreuz. »Zeigen wir den Bürohengsten mal, wozu echte Männer imstande sind!« Er grinste. »Entschuldige, Albert, ist nicht persönlich gemeint.« »Weiß ich doch, Kurt!« Albertina von Braun lachte vergnügt, dann drehte sie sich um und ging wieder an die Arbeit. Sie war schneller als die meisten ihrer männlichen Kollegen, und sie hatte sich deren Respekt innerhalb kürzester Zeit verschafft. Als Bau-Ingenieurin war sie in eine Männerdomäne eingebrochen, aber das hatte sie vorher gewusst, und sie war bereit gewesen, einiges einzustecken für ihren Traumberuf.

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Der kleine Fürst – 356 –

Mit dem Kopf durch die Wand

Viola Maybach

»Was meinst du, Albert?«, fragte Kurt Wille. »Schaffen wir das bis heute Abend?«

Die junge Frau, die er mit »Albert« angesprochen hatte, schob sich ihren Bauhelm in den Nacken und betrachtete nachdenklich den noch nicht vollendeten Brückenpfeiler. Sie hatte dunkle kurzgeschnittene Haare, ebenfalls dunkle Augen und ein sehr ausdrucksvolles Gesicht. Wer sie nur flüchtig ansah, konnte sie zunächst für einen jungen Mann halten, zumal sie wie alle anderen hier einen Blaumann trug. Erst bei näherem Hinsehen fielen der volle Mund, die weiche Rundung ihrer Wangen und ihre zarte Haut auf. »Ja«, beantwortete sie die Frage ihres Kollegen jetzt mit großer Entschiedenheit. »Wenn wir uns ranhalten, schaffen wir das!«

»Ihr habt es gehört, Jungs!«, dröhnte Kurt, ein blonder Riese mit hellblauen Augen und beeindruckend breitem Kreuz. »Zeigen wir den Bürohengsten mal, wozu echte Männer imstande sind!« Er grinste. »Entschuldige, Albert, ist nicht persönlich gemeint.«

»Weiß ich doch, Kurt!« Albertina von Braun lachte vergnügt, dann drehte sie sich um und ging wieder an die Arbeit. Sie war schneller als die meisten ihrer männlichen Kollegen, und sie hatte sich deren Respekt innerhalb kürzester Zeit verschafft. Als Bau-Ingenieurin war sie in eine Männerdomäne eingebrochen, aber das hatte sie vorher gewusst, und sie war bereit gewesen, einiges einzustecken für ihren Traumberuf. Als sie an ihrem ersten Arbeitstag auf der Baustelle erschienen war, hatte man sie mit verdächtiger Freundlichkeit empfangen. Sie war auf der Hut gewesen – zu Recht. Überall hatten sie ihr kleinere und größere Fallstricke ausgelegt und gespannt auf ihre Reaktion gewartet.

Sie hatte sich Zeit gelassen bis zur Mittagspause, dann war sie aufgestanden, hatte sich breitbeinig vor die Männer gestellt und gesagt: »Ihr werdet mich nicht los, und wenn ihr euch auf den Kopf stellt. Von mir aus spielt eure blöden Spielchen weiter, lasst mich ausrutschen oder ein paar Meter tief stürzen – ihr werdet mich nicht los. Dies ist der Beruf, den ich liebe. Ich bin gut, mindestens so gut wie ihr. Aber wahrscheinlich habt ihr ja nur Angst, dass ihr es mit mir nicht aufnehmen könnt.«

Nach dieser Rede hatte erst einmal verblüfftes Schweigen geherrscht, bis der Schichtleiter angefangen hatte zu lachen. »Du bist schon richtig, Albert!«, hatte er gerufen. »Wer sich so frech hier herstellt und eine solche Rede hält, dem geben wir zumindest eine Chance – oder, Jungs?«

Das war der Anfang gewesen, vor einem Jahr. Seitdem war niemand mehr auf die Idee gekommen, Albertinas Fähigkeiten als Ingenieurin in Zweifel zu stellen. Heute bereitete es ihr selbst ein diebisches Vergnügen, zusammen mit »den Jungs« neue Kollegen ein wenig an der Nase herumzuführen.

Sie arbeitete hart, war nicht zimperlich und hatte sich bisher noch nicht einen Tag krank gemeldet. Und sie behielt fast immer den Durchblick – das unterschied sie von anderen, die unter Stress schon mal die Nerven und auch die Übersicht verloren. Auf Albertina war immer Verlass, und das wussten ihre Kollegen zu schätzen. Dass sie eine Adelige und aus vermögendem Hause war, wusste freilich niemand. Sie hatte das »von« in ihrem Namen bei der Vorstellung einfach unterschlagen. Es machte alles leichter für sie, wenn die anderen sie für Albertina Braun hielten. Den Spitznamen »Albert« hatten sie ihr bereits am ersten Tag verpasst. Ihr war es recht.

Sie schafften die Vorgabe für diesen Tag tatsächlich, genau wie sie es vorhergesagt hatte – allerdings waren sie dafür abends auch alle ziemlich fertig. »Das war hart heute«, stellte Albertina fest.

»Kannst du laut sagen«, brummte Kurt Wille. Mit ihm verstand sie sich am besten. Er hatte sich als einer der Ersten auf ihre Seite gestellt – zu einem Zeitpunkt, da mancher seiner Kollegen sie noch skeptisch beäugt hatte. Der große, starke Kurt und die schmale, wendige Albertina bildeten seitdem ein perfektes Arbeitsteam, meistens verstanden sie sich blind.

»Dafür wird es morgen leichter«, stellte Albertina fest. »Von jetzt an müssten wir eigentlich gut vorankommen – vorausgesetzt, es passieren nicht neue Katastrophen.«

Ein Wassereinbruch hatte sie in der vergangenen Woche zurückgeworfen, doch der Auftraggeber pochte darauf, dass der Vertrag erfüllt werden musste. Die Brücke war lange in der Planung gewesen, noch länger war der Bau hinausgezögert worden von Gegnern des Vorhabens. Aber nun endlich wurde sie gebaut, und sie sollte so schnell wie möglich fertig werden.

Kurt reckte sich. »Heute Abend haue ich mich früh in die Falle«, brummte er. »Bin echt müde.«

»Ich auch, aber ich habe leider noch was vor.« Albertina nahm den Helm ab. »Wir sehen uns morgen, Kurt.« Sie seufzte. »Ich arbeite ja wirklich gern, aber ein freier Samstag wäre zur Abwechslung auch mal wieder schön, finde ich.«

»Was hast du denn vor?«, fragte er. »Neuer Verehrer?«

Sie knuffte ihn kumpelhaft in die Seite. »Quatsch – es gibt keinen Mann neben dir, das weißt du doch, Kurt!«

Kurt war glücklich verheiratet und stolzer Vater dreier Kinder, aber er hörte es gern, wenn Albertina so etwas sagte, und sie wusste das.

»Ich muss zu meinen Eltern, das wird sicher ein bisschen anstrengend. Bis morgen dann!«

Sie verabschiedete sich auch von den anderen Kollegen, dann stieg sie in ihren alten, ziemlich verbeult aussehenden Kleinwagen und machte sich auf den Heimweg.

Sie war bereits nach fünf Minuten zu Hause, hatte aber zu ihren Eltern dann noch fast eine Dreiviertelstunde zu fahren. So hatte sie genügend Zeit, sich innerlich auf den vor ihr liegenden Abend vorzubereiten.

Doch bevor sie sich erneut auf den Weg machte, hatte sie noch etliches zu tun. Sie zog sich schnell aus, duschte – und dann begann das, was sie »Albertinas Verwandlung« nannte. Dieser Vorgang nahm insgesamt eine halbe Stunde in Anspruch. Die junge Frau, die im Anschluss daran das Haus verließ und in einen gepflegten, blitzblanken Sportwagen stieg, hätte niemand »Albert« genannt, so viel stand fest.

*

»Sehr schönes Haus«, bemerkte Baronin Sofia von Kant.

»In der Tat«, stimmte Baron Friedrich seiner Frau zu.

Langsam näherten sie sich dem Eingang der stilvollen Villa, in der Eliane und Johannes von Braun wohnten. Sie hatten das Ehepaar erst kürzlich kennengelernt und gleich sympathisch gefunden. Dieses war ihre erste Einladung im Hause von Braun.

Sie hatten den Chauffeur gebeten, sie unten an der Straße aussteigen zu lassen, damit sie noch ein paar Schritte zu Fuß gehen konnten.

»Wir haben so häufig Gäste, Fritz, aber selbst gehen wir kaum aus. Wieso eigentlich?«

»Vielleicht, weil es auf Sternberg so schön ist?«

Sie lachte leise. »Ja, das spielt sicherlich eine Rolle«, gab sie zu. »Und vielleicht liegt es auch daran, dass ich immer noch denke, wir können die Kinder nicht allein lassen.«

»Lass sie das nicht hören, dass du sie Kinder nennst!«

Sie hatten die Villa erreicht und wurden herzlich begrüßt von den Gastgebern. Eliane von Braun war eine aparte Schwarzhaarige, ihr Mann Johannes, lang und dünn, überragte sie um einen ganzen Kopf. »Wie schön, dass Sie gekommen sind!«, sagte Eliane. »Wir haben uns richtig auf diesen Abend gefreut.«

»So wie wir«, erklärte Sofia.

Als sie in einen großzügigen Wohnsalon geführt worden waren, erwartete sie eine Überraschung: Sie trafen dort auf ein ihnen bekanntes Paar, Gräfin Caroline und Graf Ernst zu Kallwitz. Die Freude war groß, die Begrüßung ein weiteres Mal herzlich.

»Unsere Tochter wird auch noch kommen«, erklärte Eliane von Braun. »Sie hat zwar sehr viel zu tun, aber wir haben ihr gesagt, wie schön wir es fänden, wenn sie unsere neuen Freunde kennenlernen würde, und so wird sie uns wenigs-tens beim Essen Gesellschaft leis-ten. Sie kommt sicher bald. Was dürfen wir Ihnen als Aperitif anbieten?«

Sofia fühlte sich wohl. Sie genoss die geschmackvolle Einrichtung, die angeregte Unterhaltung, die Gesellschaft von Menschen, die sie gern hatte.

Sie nippte gerade an ihrem trockenen Sherry, als eine Tür geöffnet wurde und eine bezaubernde junge Frau eintrat: Das musste Albertina von Braun sein. Sie trug ihre schwarzen Haare ziemlich kurz, was ihr ausgezeichnet stand. Ein klares Gesicht mit klugen Augen und einem ausgesprochen sinnlichen Mund. Das helle Seidenkleid unterstrich Albertinas zarte Figur. Mit schnellen Schritten kam sie herein.

»Albertina, da bist du ja endlich«, rief Eliane und setzte dann mit sichtlichem Stolz hinzu: »Das ist unsere Tochter!«

Erst als die Vorstellung beendet war, begrüßte Albertina ihre Eltern mit liebevollen Umarmungen und Küssen.

Was für eine reizende junge Frau, dachte Sofia.

*

Graf Carl zu Kallwitz stöhnte, als er im Fitness-Studio vom Laufband stieg. Eine Dreiviertelstunde hatte er trainiert und dabei eine ziemlich hohe Geschwindigkeit eingestellt. Jetzt reichte es ihm. Er griff nach seinem Handtuch und trocknete sich die schweißnasse Stirn.

»Bist du schon fertig?«, fragte eine Stimme hinter ihm.

Er drehte sich um und nickte. »Du nicht?«, fragte er seinen Freund Robert Heuser. Sie trafen sich oft im Studio.

»Eigentlich nicht, aber ich habe keine Lust mehr. Lass uns noch irgendwo ein Bier trinken und über die Schlechtigkeit der Welt reden.«

Carl musste lachen. »Nichts dagegen«, sagte er.

Sie duschten ausgiebig und steuerten anschließend ein Lokal an, in dem sie gelegentlich nach dem Training einkehrten. »Also, was ist dir heute passiert?«, fragte Carl, nachdem sie zwei Pils bestellt hatten.

Robert sah mit düsterem Gesicht vor sich hin. »Sabine«, war alles, was er antwortete.

»Bitte, nicht schon wieder!«, rief Carl. »Kannst du dir diese Frau nicht endlich aus dem Kopf schlagen, Robert? Sie macht sich nichts aus dir – akzeptier das und such dir eine andere.«

»Ich will aber nur Sabine«, murmelte Robert.

»Dir ist echt nicht zu helfen. Sie ist nett, sie sieht toll aus, ich finde sie sympathisch – aber sie liebt dich nicht. Und das hat sie dir auch schon ungefähr hundert Mal gesagt. Und weißt du was? Ich glaube, du liebst sie auch nicht.«

Die Pilsgläser landeten vor ihnen auf dem Tisch.

Robert sah seinen Freund ent-geistert an. »Wie kannst du so etwas sagen? Natürlich liebe ich Sabine.«

»Wenn du das tätest, würdest du auch mal an sie denken und nicht immer nur an dich. Sie leidet da-runter, dass sie dich ständig abweisen muss, weil du offenbar taub bist. Du vermiest ihr das Leben.« Er sah, dass seinem Freund dieser Gedanke offenbar noch nie gekommen war.

»Ich … ihr?«, fragte Robert zweifelnd. »Aber sie macht mich unglücklich, Carl!«

Geduldig setzte Carl ihm seinen Gedanken noch einmal ausführlich auseinander. »Wenn du sie liebst«, beendete er seinen Vortrag, »dann müsstest du wollen, dass es ihr gut geht – und nicht, dass sie sich ständig mit einem schlechten Gewissen herumplagen muss.«

»Mann«, sagte Robert endlich, »wenn das wahr wäre, dann müsste ich aber wirklich umdenken.«

»Es ist wahr, und du musst umdenken, Robert.«

»Ja, wahrscheinlich«, erwiderte Robert nach einer Weile überraschend. »Ich habe mich lange genug zum Narren gemacht, das muss aufhören. Sabine ist ja beinahe so etwas wie eine fixe Idee für mich geworden.«

»Das klingt ja fast so, als hättest du etwas begriffen.«

»Habe ich – es ist nur trotzdem schwer, sein Verhalten zu ändern. Hast du noch nie Liebeskummer gehabt? Ich meine, weil du total verknallt warst, deine Angebetete aber nichts von dir wissen wollte?«

»Doch, das habe ich auch schon erlebt«, gab Carl zu, »aber da war ich sechzehn, siebzehn. Seitdem verliebe ich mich nicht mehr in Frauen, die mich nicht wollen – das ist besser für mich.«

Robert gab eine Art Grunzlaut von sich und wechselte das Thema. Der Name Sabine fiel kein einziges Mal mehr an diesem Abend.

*

Albertina saß beim Essen zwischen Baron Friedrich von Kant und Graf Ernst zu Kallwitz – und sie fühlte sich wider Erwarten gut unterhalten. Sie war nur ihren Eltern zuliebe hier, die sie sehr liebte und denen sie ewig dankbar dafür sein würde, dass sie Ingenieurin hatte werden dürfen, obwohl vor allem ihre Mutter das »wenig weiblich« fand. Hätte Eliane geahnt, in welch rauer Gesellschaft sich ihre Tochter auf Baustellen befand und wie sie sich dort Tag für Tag durchsetzen und bewähren musste – sie hätte wahrscheinlich keine ruhige Minute mehr gehabt.

Albertina trennte ihre beiden Leben fein säuberlich voneinander, das bereitete ihr keine Schwierigkeiten – wobei freilich feststand, dass ihr alles, was mit ihrem Berufsleben zusammenhing, viel wichtiger war als die sogenannten »gesellschaftlichen Verpflichtungen«. Auf die hätte sie gern verzichtet, wären nicht ihre Eltern gewesen, denen sie keinen Kummer bereiten wollte. Auf Baustellen und mit ihren »Kumpels« fühlte sie sich allemal wohler als bei eleganten Einladungen. Manchmal stellte sie sich vor, Kurt und die anderen könnten sie sehen, wenn sie in vornehmen Villen oder auf Schlössern dinierte – das reizte sie jedes Mal zum Lachen.

Dieser Abend allerdings verlief anders als sonst. Das lag an ihren beiden Tischherren, die offenbar so wenig Interesse wie sie selbst an belanglosem Geplauder hatten. Baron Friedrich fragte sie gleich zu Beginn des Essens, was sie beruflich machte, da ihre Mutter erwähnt habe, sie sei so eingespannt.

Kaum hatte Albertina erzählt, dass sie Ingenieurin war, hatte sich auch Graf zu Kallwitz in das Gespräch eingeklinkt. »Wie interessant! Ich habe früher selbst mit der Idee geliebäugelt, diesen Beruf zu ergreifen. Leider ist es anders gekommen – ich musste in die väterliche Firma einsteigen. Aber ich trauere dieser verpassten Gelegenheit noch immer ein wenig nach, muss ich gestehen.«

Die beiden Herren erkundigten sich eingehend nach Albertinas Berufsalltag, und sie erzählte ihnen bereitwillig davon, obwohl ihr auffiel, dass ihre Mutter ihr immer wieder beunruhigte Blicke zuwarf. Arme Mama, dachte sie, sie leidet schon wieder, weil ich über »unweibliche« Themen spreche.

»Wie interessant«, meinte Graf Ernst. »Sie bauen also an dieser Riesenbrücke mit?«

»Ja, schon seit einem Vierteljahr. Sie soll ja pünktlich fertig werden.«

»Aber das klappt doch garantiert nicht?«

»Doch, das klappt – jedenfalls, wenn es nach uns geht. Wir sind gut in der Zeit, trotz einiger Rückschläge.«

»Sie sind doch wahrscheinlich die einzige Frau auf der Baustelle, oder? Ist das nicht schwierig, sich da durchzusetzen?«, fragte Baron Friedrich.

Sofort war Albertina auf der Hut. Über diesen Teil ihrer Arbeit gab sie niemals Auskunft. Sie legte nicht den geringsten Wert darauf, dass jemand, den sie privat kannte, mitbekam, wie es auf Baustellen zuging. Das war eine eigene Welt, niemand, der hier am Tisch saß, konnte sich das vorstellen.