Der kleine Fürst Classic 63 – Adelsroman - Viola Maybach - E-Book

Der kleine Fürst Classic 63 – Adelsroman E-Book

Viola Maybach

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Beschreibung

Viola Maybach´s Topseller. Alles beginnt mit einem Schicksalsschlag: Das Fürstenpaar Leopold und Elisabeth von Sternberg kommt bei einem Hubschrauberunglück ums Leben. Ihr einziger Sohn, der 15jährige Christian von Sternberg, den jeder seit frühesten Kinderzeiten "Der kleine Fürst" nennt, wird mit Erreichen der Volljährigkeit die fürstlichen Geschicke übernehmen müssen. Viola Maybach hat sich mit der reizvollen Serie "Der kleine Fürst" in die Herzen der Leserinnen und Leser geschrieben. Der zur Waise gewordene angehende Fürst Christian von Sternberg ist ein liebenswerter Junge, dessen mustergültige Entwicklung zu einer großen Persönlichkeit niemanden kalt lässt. Viola Maybach blickt auf eine stattliche Anzahl erfolgreicher Serien zurück, exemplarisch seien genannt "Das Tagebuch der Christina von Rothenfels", "Rosenweg Nr. 5", "Das Ärztehaus" und eine feuilletonistische Biografie. "Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. "Was ist das eigentlich für eine Geschichte zwischen dir und Sebas­tian?" Die Frage kam aus heiterem Himmel. Caroline von Solln war darauf nicht vorbereitet gewesen, und so stieg ihr die verräterische Röte ins Gesicht, bevor sie sich abwenden konnte. Außerdem war sie erschrocken zusammengezuckt, und sie war ganz sicher, dass ihrem Großvater Theodor von Solln, der diese Frage gestellt hatte, beides nicht entgangen war. Dennoch brachte sie es fertig, Verwunderung in ihre Stimme zu legen, als sie fragte: "Wieso Geschichte, Opa? Wir sind Freunde, das weißt du doch." Theodor betrachtete seine schöne Enkelin nachdenklich. Ihre hellblonden Haare trug sie an diesem Tag offen, was sie viel jünger aussehen ließ als ihre siebenundzwanzig Jahre. Ihr klassisch geschnittenes Gesicht wurde von großen blauen Augen beherrscht, die manchmal ins Violette spielten. Es waren vor allem diese Augen, die einen fesselten, wenn man ihr zum ersten Mal begegnete. Er hing an Caroline stärker als an seinen beiden Söhnen und den anderen Enkeln. Das freilich war sein gut gehütetes Geheimnis – obwohl er manchmal dachte, dass Caroline es eigentlich spüren musste. Doch er wollte keine Eifersüchteleien in der Familie haben, und so behielt er die besondere Liebe zu Caroline für sich. Seine verstorbene Frau Elisabeth freilich hatte sie geteilt und ihm noch kurz vor ihrem Tod gesagt: "Achte auf Caroline, Theo, versprich mir das. Sie wird deine Hilfe brauchen." Noch immer fragte er sich, was sie damit wohl gemeint haben könnte. Er hatte ihr diese Frage gleich gestellt, aber sie hatte nur gelächelt und gesagt: "Du wirst es wissen, wenn es so weit ist." Wenig später war sie gestorben. Caroline jedenfalls machte bisher keinesfalls einen hilfsbedürftigen Eindruck, und einmal mehr fragte er sich, ob Elisabeth sich vielleicht ganz einfach geirrt hatte in ihrer Einschätzung. Seine jüngste Enkelin war eine sehr selbstständige junge Frau, die genau wusste, was sie wollte und ihre selbst gesteckten Ziele in aller Regel auch erreichte.

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Seitenzahl: 117

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Der kleine Fürst Classic – 63 –

Dein Glück ist in Gefahr!

Halte die Liebe fest, Sebastian …

Viola Maybach

»Was ist das eigentlich für eine Geschichte zwischen dir und Sebas­tian?«

Die Frage kam aus heiterem Himmel. Caroline von Solln war darauf nicht vorbereitet gewesen, und so stieg ihr die verräterische Röte ins Gesicht, bevor sie sich abwenden konnte. Außerdem war sie erschrocken zusammengezuckt, und sie war ganz sicher, dass ihrem Großvater Theodor von Solln, der diese Frage gestellt hatte, beides nicht entgangen war. Dennoch brachte sie es fertig, Verwunderung in ihre Stimme zu legen, als sie fragte: »Wieso Geschichte, Opa? Wir sind Freunde, das weißt du doch.«

Theodor betrachtete seine schöne Enkelin nachdenklich. Ihre hellblonden Haare trug sie an diesem Tag offen, was sie viel jünger aussehen ließ als ihre siebenundzwanzig Jahre. Ihr klassisch geschnittenes Gesicht wurde von großen blauen Augen beherrscht, die manchmal ins Violette spielten. Es waren vor allem diese Augen, die einen fesselten, wenn man ihr zum ersten Mal begegnete.

Er hing an Caroline stärker als an seinen beiden Söhnen und den anderen Enkeln. Das freilich war sein gut gehütetes Geheimnis – obwohl er manchmal dachte, dass Caroline es eigentlich spüren musste. Doch er wollte keine Eifersüchteleien in der Familie haben, und so behielt er die besondere Liebe zu Caroline für sich.

Seine verstorbene Frau Elisabeth freilich hatte sie geteilt und ihm noch kurz vor ihrem Tod gesagt: »Achte auf Caroline, Theo, versprich mir das. Sie wird deine Hilfe brauchen.« Noch immer fragte er sich, was sie damit wohl gemeint haben könnte. Er hatte ihr diese Frage gleich gestellt, aber sie hatte nur gelächelt und gesagt: »Du wirst es wissen, wenn es so weit ist.« Wenig später war sie gestorben.

Caroline jedenfalls machte bisher keinesfalls einen hilfsbedürftigen Eindruck, und einmal mehr fragte er sich, ob Elisabeth sich vielleicht ganz einfach geirrt hatte in ihrer Einschätzung. Seine jüngste Enkelin war eine sehr selbstständige junge Frau, die genau wusste, was sie wollte und ihre selbst gesteckten Ziele in aller Regel auch erreichte. Sie war Kinderpsychologin geworden und hatte gemeinsam mit einer Kollegin eine Praxis eröffnet, die nach den üblichen Anlaufschwierigkeiten jetzt gut lief.

Nur was Sebastian von Kalow betraf, schien Caroline bemerkenswert blind zu sein. Selbst ihm, Theodor, war ja längst aufgegangen, dass sie den jungen Mann liebte, von dem sie behauptete, er sei nichts weiter als ein guter Freund. Deshalb hatte er jetzt auch diese Frage gestellt. Ihre Reaktion war deutlicher ausgefallen als erwartet.

»Ich dachte, ihr hättet euch vielleicht ineinander verliebt«, bemerkte er betont beiläufig. Schließlich wollte er ihr kein Gespräch aufzwingen, das hätte er aufdringlich gefunden.

»Ganz bestimmt nicht!«, erklärte Caroline ein wenig zu heftig. Sie hatte sich jetzt wieder in der Gewalt, ihre Stimme klang sehr bestimmt, die Röte war aus ihrem Gesicht gewichen. »Sebastian wird sich niemals binden, das hat er schon öfter gesagt. Und ich möchte mich jetzt auch nicht verlieben, wo ich gerade erst angefangen habe, in meinem Beruf zu arbeiten.«

Theodor trat sofort den Rückzug an. »Schon gut, dann habe ich mich wohl geirrt«, sagte er lächelnd. »Er ist ein sympathischer Mann, aber auch sehr schwierig, oder? Nicht, dass ich das beurteilen könnte, ich kenne ihn ja kaum, aber er kommt mir sehr verschlossen vor.«

Caroline war offensichtlich froh, dass nicht länger von Liebe die Rede war, und so ging sie bereitwillig auf seine Frage ein. »Ja«, gab sie unumwunden zu, »leicht zugänglich ist er nicht – und das macht auch unsere Freundschaft manchmal schwierig.«

Vorsichtig tastete Theodor sich weiter. Immerhin schien sie nichts dagegen zu haben, über ihren »guten Freund« Sebastian zu reden. »Und woran liegt das? Ich meine, warum ist er ein so schwer zugänglicher Mann?«

»Seine Familiengeschichte«, murmelte Caroline. »Die Tatsache, dass sein Vater ihn und die Mutter einfach hat sitzenlassen – er kann das nicht verwinden. Er hat mir das einmal erzählt, aber seitdem redet er nicht mehr über seinen Vater. Es ist so, als existierte der Mann überhaupt nicht.«

»Wie lange ist das jetzt her, dass sein Vater weggegangen ist?«

»Fünfundzwanzig Jahre. Sebastian kam eines Tages aus der Schule nach Hause – und sein Vater war weg. Die Mutter ist zusammengebrochen, es muss ganz schrecklich gewesen sein. Seitdem fühlt sich Sebastian für seine Mutter verantwortlich – und hasst seinen Vater.«

»Und der Mann hat sich nie wieder gemeldet, hat nicht versucht, mit seinem Sohn Kontakt aufzunehmen?«, fragte Theodor ungläubig.

»Nie wieder. Da kann man doch verstehen, dass Sebastian auf ihn nicht gut zu sprechen ist, oder?«

Theodor ließ diese Frage unbeantwortet und wollte stattdessen wissen: »Und hat er selbst es auch nicht versucht? Hat Sebastian nicht das Bedürfnis verspürt, seinen Vater zur Rede zu stellen?«

»Das habe ich ihn auch gefragt, aber er sagt nein.«

»Ich erinnere mich jetzt an die Geschichte«, murmelte Theodor. »Seltsam, dass mir das erst jetzt wieder einfällt, aber das ist ja auch schon sehr lange her. Es gab einige Gerüchte damals …«

»Gerüchte? Was denn für Gerüchte, Opa?«

»Das weiß ich im Einzelnen nicht mehr. Aber ich glaube, es hieß, der Mann sei nicht ohne Grund weggegangen …« Theodor forschte angestrengt in seinem Gedächtnis, gab aber schließlich auf. »Mehr weiß ich nicht, tut mir leid.«

»Ich kann mir schon denken, dass die Leute damals geklatscht haben, Opa, aber es war jedenfalls so, dass er eine Freundin hatte, die viel jünger war als Sebastians Mutter – und mit der wollte er ein neues Leben anfangen. Die typische Geschichte also.«

»Das weiß Sebastian aber nur von seiner Mutter, oder?«, fragte Theodor vorsichtig.

»Natürlich, sein Vater stand ja für Gespräche nicht mehr zur Verfügung«, erklärte Caroline.

»Und wie verstehst du dich mit seiner Mutter?«

»Ich kenne sie kaum, Opa. Und die wenigen Male, als wir uns getroffen haben, war sie sehr freundlich zu mir. Sie muss einmal eine ausgesprochene Schönheit gewesen sein – sie sieht immer noch gut aus.« Caroline stand auf. »Ich muss zurück in die Praxis. In einer Stunde habe ich einen Patienten, und ich möchte mir die Akte vorher noch einmal in Ruhe ansehen.«

Er brachte sie zur Tür und umarmte sie liebevoll zum Abschied. »Komm bald wieder, Caro.«

Sie lachte. »Spätestens übermorgen, da hast du mich zum Essen eingeladen – schon vergessen?«

Er lachte auch. »Ja, daran hatte ich im Augenblick tatsächlich nicht mehr gedacht.« Als ihr Auto nicht mehr zu sehen war, kehrte er in den großzügigen Salon zurück, in dem er zuvor mit Caroline gesessen hatte.

Wenige Augenblicke später erschien sein Butler Ernest Wilkins. Trotz seiner Jugend – er war noch keine dreißig – erledigte er seine Arbeit bereits nahezu perfekt. Er war in England ausgebildet worden, aber dank seiner deutschen Mutter zweisprachig aufgewachsen. Bei Theodor arbeitete er seit zwei Jahren, und beide empfanden ihre Beziehung zueinander als ausgesprochen angenehm.

»Haben Sie einen Wunsch, Herr von Solln?«, fragte der Butler.

Theodor sah auf und seufzte. »Ernest, könnten Sie mir einen Gefallen tun? Sie kennen sich doch mit diesen Internetgeschichten aus, oder?«

Der junge Butler strahlte. »Soll ich etwas für Sie herausfinden?«

»Ja, es handelt sich um ein paar Klatschgeschichten, die ein Vierteljahrhundert zurückliegen. Schaffen Sie das?«

»Wenn es etwas darüber gibt, dann finde ich es auch. Um wen drehen sich denn die Geschichten, Herr von Solln?«

Theodor sagte es ihm. »Wie lange wird das dauern?«

»Wenn ich mich gleich dransetze, kann das ganz schnell gehen. Wie gesagt, es kommt darauf an, ob es über die Sache überhaupt etwas im Internet gibt. Könnte es sein, dass die Zeitungen damals darüber berichtet haben?«

»Möglich wäre es, aber ich glaube es eigentlich nicht – das ist alles ziemlich ruhig abgelaufen, jedenfalls nach außen hin. Alle Beteiligten haben sich offenbar bemüht, die Sache diskret zu behandeln. Es war ja schließlich auch ein Kind betroffen von dieser Trennung.«

»Soll ich mich gleich an die Arbeit machen, oder haben Sie zunächst noch andere Wünsche?«

»Setzen Sie sich bitte umgehend an den Computer, Ernest.«

Beglückt zog sich der junge Butler zurück. Solche Aufträge liebte er ganz besonders.

*

»Ja, bitte?«, fragte Franziska von Kalow.

Jemand atmete am anderen Ende der Leitung, und sie bedauerte es sofort, selbst an den Apparat gegangen zu sein. Warum hatte sie das nicht ihrer Haushälterin überlassen, wie sonst auch?

»Wer ist da?«, fragte sie ungeduldig.

»Ich bin’s«, antwortete eine Stimme, die sie sofort erkannte, obwohl sie sie lange nicht gehört hatte.

Sie hielt erschrocken den Atem an. Ihr erster Impuls war, aufzulegen, aber etwas hielt sie davon ab. »Was willst du?«, fragte sie schroff. »Wir hatten vereinbart, dass …«

»Ich weiß, was wir vereinbart hatten, Franziska. Aber seitdem ist eine lange Zeit vergangen, und ich habe viel nachgedacht. Ich möchte Kontakt zu …«

Sie unterbrach ihn. »Nein!«, sagte sie hart. »Lass uns in Ruhe, hörst du? Wir haben unser Leben im Griff, ich will nicht, dass alte Geschichten wieder aufgewärmt werden.«

»Ja, das kann ich mir vorstellen.« Die Stimme klang trocken.

»Lass uns in Ruhe! So, wie es ist, ist es gut, alles andere würde nur für Unruhe sorgen.«

»Vielleicht ist es für dich gut, aber nicht für mich.«

»Es ist vor allem für Sebastian gut, und darum geht es doch, oder nicht?«

»Er ist kein Kind mehr. Also sehe ich nicht ein …«

»Uns geht es gut, und du hast immer gesagt, dass das die Hauptsache für dich ist.«

»Ob es dir gut geht, ist mir, ehrlich gesagt, mittlerweile vollkommen gleichgültig, Franziska – aber es soll Sebastian gut gehen, das liegt mir in der Tat am Herzen.«

»Dann überleg dir, was du tust. Er hat seinen inneren Frieden gefunden – willst du den jetzt stören, um deine egoistischen Bedürfnisse zu befriedigen?«

Ein bitteres Lachen antwortete ihr. »Du hast es gerade nötig, von Egoismus zu reden, Franziska!« Im nächsten Augenblick klickte es, das Gespräch war beendet.

Franziska musste sich setzen, denn ihr wurden die Knie weich. So lange hatte er sich ruhig verhalten, und jetzt tauchte er mit einem Mal wie ein Flaschengeist wieder auf und beschwor die Vergangenheit herauf, die sie längst zu den Akten gelegt hatte …

Nein, korrigierte sie sich sofort, nicht zu den Akten, denn dazu war diese Vergangenheit noch viel zu lebendig. Oft quälten sie Träume, die sie mitten in der Nacht schweißgebadet aufwachen ließen. Dann saß sie minutenlang keuchend im Bett und versuchte, die Traumbilder zu verjagen. Meistens gelang es ihr, aber nicht immer.

»Frau von Kalow?«

Die besorgte Stimme schien von weither zu kommen.

Franziska sah auf. Lisa Gehrke, ihre Haushälterin, stand vor ihr und sah besorgt auf sie hinunter. »Was ist denn passiert? Sie sind ja kreidebleich!«

»Eine … eine schlechte Nachricht, Frau Gehrke, es geht … sicher gleich wieder.«

Lisa Gehrke verschwand und kehrte mit einem gefüllten Glas zurück. »Trinken Sie das!«, sagte sie in ihrer resoluten Art. »Das wird Ihnen helfen.«

Franziska fragte nicht, worum es sich handelte, sie konnte es sich denken. Sie kippte das Zeug in einem Zug hinunter. Daraufhin begannen ihre Augen zu tränen, und sie musste husten, aber in ihrem Magen breitete sich wohlige Wärme aus, und sie spürte, wie ihre Kräfte zurückkehrten. »Danke, Frau Gehrke«, krächzte sie.

Lisa Gehrke blieb vor ihr stehen. »Es hat also jemand angerufen?«, fragte sie.

Franziska nickte.

»Ich war im Keller, deshalb habe ich das Telefon nicht gehört. Es wäre besser gewesen, Sie hätten das Gespräch nicht selbst entgegengenommen. Ich hätte Sie vorwarnen können, dann wäre die schlechte Nachricht für Sie nicht so überraschend gekommen.«

Wieder nickte Franziska. »Bitte, lassen Sie mich eine Weile allein, Frau Gehrke«, bat sie.

Die Haushälterin zog sich umgehend zurück. »Bitte klingeln Sie, wenn Sie etwas brauchen, Frau von Kalow«, sagte sie noch, als sie die Tür bereits erreicht hatte. Dann zog sie sie behutsam hinter sich zu.

Franziska schloss die Augen. Wenn er sich nun wieder meldete? Wenn er sie ab jetzt nicht mehr in Ruhe ließ? So lange lag das alles zurück, so gut waren die damaligen Wunden verheilt, und jetzt kam er, und drohte, das alles zunichte zu machen!

Diese Vorstellung trieb ihr Tränen der Verzweiflung in die Augen, gegen die sie vergeblich ankämpfte. Eine Weile weinte sie lautlos, bis sie sich die Tränen energisch abwischte. Sie war immer eine Kämpferin gewesen, sie würde auch jetzt kämpfen!

*

»Wolltest du nicht heute Abend eigentlich zu deiner Mutter fahren?«, erkundigte sich Alexander von Stein bei seinem Freund und Kollegen Sebastian von Kalow. Die beiden jungen Männer arbeiteten in einem großen Elektronikunternehmen in der Entwicklungsabteilung. Jetzt aßen sie gemeinsam zu Abend – der Vorschlag dazu war von Sebastian gekommen.

»Ja, aber sie hat mir abgesagt, weil sie sich nicht gut fühlt.«

»Kommt selten vor, oder? Hat sie überhaupt schon einmal eins eurer Treffen abgesagt?«

»Noch nie – das ist es ja, was mich ein bisschen beunruhigt. Aber ich habe dann noch mit ihrer Haushälterin gesprochen, die meinte, sie brauchte bloß ein bisschen Ruhe, ich sollte mir keine Gedanken machen.«

»Weißt du eigentlich, dass ich dich um das Verhältnis zu deiner Mutter immer beneidet habe?«, fragte Alexander. »Ihr kommt mir wie ein verschworenes Team vor – streitet ihr auch manchmal?«

»Nein, aber das ist doch auch verständlich, Alex. Du kennst meine Geschichte. Wenn der Vater dich im Stich lässt – ausgerechnet in den Jahren, in denen du ihn wirklich brauchst, dann hältst du dich automatisch an deine Mutter. Und sie ist ja noch viel schlimmer verlassen worden als ich. Sie hat nicht nur den Mann verloren, den sie liebte, sondern auch den Partner, mit dem sie gemeinsam ihren Sohn aufziehen wollte. Er hat ihr Leben zerstört, da konnte ich ihr nicht auch noch Kummer bereiten. Mir war damals schon klar, dass sie so viel hat einstecken müssen, dass ich geradezu verpflichtet war, ihr weitere Sorgen zu ersparen.« Sebastian unterbrach sich. »Wie sind wir jetzt eigentlich auf dieses Thema gekommen? Ich rede sonst nie darüber.«

»Ja, ich weiß. Vielleicht ist das gar nicht so gut?«

»Wie kommst du darauf? Ich denke sogar, dass es sehr gut ist. Es gibt nichts Neues dazu zu sagen, außerdem ist es nicht angenehm für mich, daran erinnert zu werden, dass der eigene Vater mich nicht einmal gern genug gehabt hat, um sich ab und zu nach meinem Befinden zu erkundigen.«

»Dass du nicht einmal das Bedürfnis verspürt hast, ihn zur Rede zu stellen …«