Gib nicht auf, Jasmin! - Viola Maybach - E-Book

Gib nicht auf, Jasmin! E-Book

Viola Maybach

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Beschreibung

Diese Serie von der Erfolgsschriftstellerin Viola Maybach knüpft an die bereits erschienenen Dr. Laurin-Romane von Patricia Vandenberg an. Die Familiengeschichte des Klinikchefs Dr. Leon Laurin tritt in eine neue Phase, die in die heutige moderne Lebenswelt passt. Da die vier Kinder der Familie Laurin langsam heranwachsen, möchte Dr. Laurins Frau, Dr. Antonia Laurin, endlich wieder als Kinderärztin arbeiten. Somit wird Antonia in der Privatklinik ihres Mannes eine Praxis als Kinderärztin aufmachen. Damit ist der Boden bereitet für eine große, faszinierende Arztserie, die das Spektrum um den charismatischen Dr. Laurin entscheidend erweitert. »Weil Martin sich morgen in den Urlaub absetzt, während wir hier weiter schuften müssen, gibt er heute einen aus«, verkündete Jonas Schmieder mit lauter Stimme. Fröhliches Geschrei antwortete ihm, und Martin Wiedemeyer wurde von mehreren Kollegen so kräftig auf die Schulter geklopft, dass er in die Knie ging. Jonas schenkte ihm sein breitestes, unschuldigstes Grinsen, denn er wusste ganz genau, dass Martin nichts Dergleichen vorgehabt hatte. Er würde sich bei Gelegenheit dafür rächen, dass sein Kollege und bester Freund ihn so überfahren hatte, nahm Martin sich vor. Natürlich machte er gute Miene zum bösen Spiel, und so zog wenig später eine Gruppe von fünf Rettungssanitätern in die nahe gelegene Kneipe, zwei Frauen und drei Männer. Die Stimmung war gut, und Martin hatte sich bereits damit ausgesöhnt, dass Jonas ihn hereingelegt hatte. Ihr Dienst war meistens hart, sie sahen viel Leid und Elend, da musste man sich kleine Inseln schaffen, auf denen man sich wohlfühlte und vergessen konnte, was der Beruf an Belastungen mit sich brachte. Und wenn es ein Feierabendbier war – oder auch mehrere, denn darauf würde es heute natürlich hinauslaufen, das war ihm von Anfang an klar. Letzten Endes gab er nicht nur eine Runde aus, sondern sogar drei. Ihm war plötzlich danach. Er fühlte sich gut. Bianca Sommer, die neue Kollegin, flirtete ein bisschen mit ihm, und er würde sich vielleicht darauf einlassen. Sie war sehr hübsch, und er war frei und ungebunden. Eigentlich fand er diesen Zustand ganz schön, er hatte in den letzten Jahren fast immer Freundinnen gehabt, aber es war nie die Eine dabei gewesen, mit der er gern zusammengeblieben wäre, um sein Leben mit ihr zu teilen. Aber er war ja noch jung, erst sechsundzwanzig, er hatte es nicht eilig. Auch nicht mit Bianca. Das konnte warten bis nach seinem Urlaub. Erst einmal würde er in den Bergen wandern, sich nur draußen aufhalten, seinen Kopf durchlüften. Das hatte er nötig.

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Der neue Dr. Laurin – 20 –

Gib nicht auf, Jasmin!

Erst Unfall, dann Freund weg – wie soll sie das verkraften?

Viola Maybach

»Weil Martin sich morgen in den Urlaub absetzt, während wir hier weiter schuften müssen, gibt er heute einen aus«, verkündete Jonas Schmieder mit lauter Stimme.

Fröhliches Geschrei antwortete ihm, und Martin Wiedemeyer wurde von mehreren Kollegen so kräftig auf die Schulter geklopft, dass er in die Knie ging. Jonas schenkte ihm sein breitestes, unschuldigstes Grinsen, denn er wusste ganz genau, dass Martin nichts Dergleichen vorgehabt hatte. Er würde sich bei Gelegenheit dafür rächen, dass sein Kollege und bester Freund ihn so überfahren hatte, nahm Martin sich vor.

Natürlich machte er gute Miene zum bösen Spiel, und so zog wenig später eine Gruppe von fünf Rettungssanitätern in die nahe gelegene Kneipe, zwei Frauen und drei Männer. Die Stimmung war gut, und Martin hatte sich bereits damit ausgesöhnt, dass Jonas ihn hereingelegt hatte. Ihr Dienst war meistens hart, sie sahen viel Leid und Elend, da musste man sich kleine Inseln schaffen, auf denen man sich wohlfühlte und vergessen konnte, was der Beruf an Belastungen mit sich brachte. Und wenn es ein Feierabendbier war – oder auch mehrere, denn darauf würde es heute natürlich hinauslaufen, das war ihm von Anfang an klar.

Letzten Endes gab er nicht nur eine Runde aus, sondern sogar drei. Ihm war plötzlich danach. Er fühlte sich gut. Bianca Sommer, die neue Kollegin, flirtete ein bisschen mit ihm, und er würde sich vielleicht darauf einlassen. Sie war sehr hübsch, und er war frei und ungebunden. Eigentlich fand er diesen Zustand ganz schön, er hatte in den letzten Jahren fast immer Freundinnen gehabt, aber es war nie die Eine dabei gewesen, mit der er gern zusammengeblieben wäre, um sein Leben mit ihr zu teilen. Aber er war ja noch jung, erst sechsundzwanzig, er hatte es nicht eilig.

Auch nicht mit Bianca. Das konnte warten bis nach seinem Urlaub. Erst einmal würde er in den Bergen wandern, sich nur draußen aufhalten, seinen Kopf durchlüften. Das hatte er nötig.

Ihre Kollegin Amelie Düringer war auch hübsch, aber eher auf die unauffällige Art, und sie war eine ganz Stille. Fachlich war sie erstklassig, aber er wurde nicht klug aus ihr. Immerhin war sie mitgegangen, das gefiel ihm.

Und dann war da noch Jasper Kobel, der immer für einen dummen Spruch gut war. Er redete zu laut, liebte schmutzige Witze und fiel schon mal aus der Rolle, wenn er ein Bier zu viel getrunken hatte, aber er hatte das Herz auf dem rechten Fleck und arbeitete, wenn es nötig war, bis zum Umfallen. Sie wussten, was sie an ihm hatten. Im größten Chaos war Jasper plötzlich der Fels in der Brandung, auf den sich die anderen hundertprozentig verlassen konnten.

Als sie sich von Bianca, Amelie und Jasper verabschiedet hatten, machten sich Martin und Jonas auf den Heimweg.

»Ich dachte eigentlich, du und Bianca …«, begann Jonas, doch Martin winkte gleich ab.

»Vielleicht später«, sagte er. »Jetzt habe ich Urlaub, da fange ich doch vorher nichts mit einer Frau an.«

»Wieso nicht?«

»Weil ich dann ständig telefonieren und Nachrichten schicken muss, das kann ich jetzt nicht gebrauchen. Ich will überhaupt keine Verpflichtungen haben, wenn ich in den Bergen herumkraxele.«

»Du warst ein bisschen sauer vorhin, oder? Weil ich gesagt habe, dass du einen ausgibst?«

»Zuerst ein bisschen, dann fand ich es eigentlich nett. Aber rechne damit, dass ich mich bei Gelegenheit revanchiere.«

Jonas grinste. »Das war mir von Anfang an klar.« Er verstummte, und Martin ahnte, dass er etwas auf dem Herzen hatte, aber noch nicht wusste, wie er es ausdrücken sollte.

»Spuck’s aus«, sagte er, als ihm das Schweigen zu lange dauerte.

Jonas warf ihm einen schrägen Blick zu, er fühlte sich ertappt. »Du kennst mich zu gut, das finde ich unheimlich«, sagte er.

»Du kennst mich auch zu gut, wir sind also quitt. Nun sag schon, was dir zu schaffen macht.«

»Die Bianca … also, sie gefällt mir, und ich dachte, ich könnte versuchen, sie näher kennenzulernen, aber wenn du … Also, ich meine, sie steht auf dich, nicht auf mich, jedenfalls im Moment, aber wenn …« Jonas brach ab. Es kam selten vor, dass er um Worte verlegen war. Martin staunte, er hatte seinen Freund noch nie so erlebt.

»Dich hat es ja richtig erwischt«, stellte er fest. »Dass ich das noch erleben darf!«

»Sieht so aus«, gab Jonas verlegen zu. »Blöd, nicht? Ich habe ja die Blicke gesehen, die sie dir vorhin zugeworfen hat …«

»Die haben doch nicht viel zu bedeuten«, erwiderte Martin ruhig. »Du kennst das Spiel. Man testet zuerst mal, was geht. Gut, ich war nicht abgeneigt, aber ich bin nicht verliebt, überhaupt nicht. Sonst würde ich ja jetzt auch nicht sagen: Das kann warten. Wenn man verliebt ist, kann überhaupt nichts warten.«

»Du hast also nichts dagegen, wenn ich es mal versuche? Ich meine, vielleicht gelingt es mir ja, sie zu überzeugen, dass ich die bessere Wahl bin …« Jonas grinste schon wieder, was Martin sehr erleichterte.

»Meinen Segen hast du«, erklärte er betont feierlich. »Sie ist nett, und sie ist hübsch, und sie beherrscht ihren Job.«

»Na ja«, bemerkte Jonas betont gleichmütig, »wahrscheinlich will sie nichts von mir wissen, aber ich teste mal, wie meine Chancen stehen.«

»Ich bin gespannt, ob ich Bianca bei meiner Rückkehr morgens im Badezimmer begegne«, erwiderte Martin.

Jonas und er teilten sich eine Zweizimmerwohnung im Münchener Südwesten. Sie hatten Glück, die Miete war erschwinglich, und sie hatten nette Nachbarn im Haus, die die beiden jungen Männer wegen ihrer medizinischen Sachkenntnis zu schätzen wussten. Schon zwei Mal hatten sie Erste Hilfe geleistet, was ihr Ansehen im Haus stark hatte ansteigen lassen.

»Das wird nicht passieren«. versicherte Jonas. »Du kennst mich doch, ich bin in diesen Dingen nicht so schnell«,

Martin schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. Sie hatten es beide leicht bei den Frauen, aber während Martin sich wieder trennte, sobald ihn etwas störte, hielt Jonas eher an Beziehungen fest, weil er die Hoffnung nicht zu schnell aufgeben wollte. Seit einigen Monaten waren sie nun beide Singles. Aber während Martin dieser Zustand recht gut gefiel, machte er Jonas unruhig: Er wollte heiraten und Kinder haben, am liebsten drei oder vier, und er fand, bei diesen Plänen musste er früh anfangen. Nur fehlte ihm leider die Frau, mit der er sie hätte umsetzen können.

»Du machst das schon, Jo!«

Sie nahmen den Aufzug ins Dachgeschoss, wo ihre kleine Wohnung sich befand. Das Haus war schon dunkel und still, nur im zweiten Stock war noch Licht.

»Bleibt es dabei, dass du morgen nicht so früh aufbrichst?«, fragte Jonas.

»Auf jeden Fall, ich will ausschlafen, sonst habe ich ja schon gleich wieder Stresse, den brauche ich nicht.«

»Sehr gut«, seufzte Jonas. »Ich habe ja Spätdienst, also kann ich auch ausschlafen, und vielleicht frühstücken wir beide dann noch zusammen.«

»So gegen Mittag, schätze ich. Gute Nacht, Alter, träum schön von Bianca.«

Jonas zeigte seinem besten Freund eine unflätige Geste, sah aber ganz vergnügt dabei aus. Dann verschwand er in seinem Zimmer.

Als Martin im Bett lag, war ihm etwas schwindelig. Natürlich, er hatte eindeutig zu viel getrunken, aber das machte nichts. Er würde erst wieder aufstehen, wenn er sich ausgeschlafen fühlte, und dann würde er die Arbeit und alles, was damit zusammenhing, erst einmal hinter sich lassen.

Zufrieden rollte er sich auf die Seite und war im nächsten Moment eingeschlafen.

*

»Aber du hast gesagt, du kommst mit!« Jasmin Schaller war einigermaßen fassungslos und zeigte das auch deutlich.

Ihr Freund Severin Korte überspielte sein schlechtes Gewissen, indem er laut wurde. »Ja, ich weiß, dass ich das gesagt habe, aber ich bin ja kein Hellseher, der damals schon wusste, dass ich leider für einen Kollegen einspringen muss und dich nicht begleiten kann.«

»Und das weißt du erst seit heute? Das konntest du mir nicht schon etwas früher sagen?«

»Tut mir leid, dass ich es vergessen habe. Hey, Jasmin, jetzt mach kein Drama draus, okay? Deine Oma will sowieso vor allem dich sehen …«

»Darum geht es nicht.«

Jasmin war eine zarte Blondine, deren feines Gesicht von veilchenblauen Augen beherrscht wurde. Diese Augen waren es, die den meisten Betrachtern zuerst auffielen. Es war nicht nur die ungewöhnliche Farbe, die Aufmerksamkeit erregte, sondern auch der intensive Blick, mit dem Jasmin andere Menschen zu betrachten pflegte: ganz so, als versuchte sie, ihnen auf den Grund der Seele zu blicken. Genau so sah sie jetzt Severin an, der sich unter ihrem Blick mit jeder Sekunde unbehaglicher fühlte.

»Es geht darum«, fuhr Jasmin fort, »dass du mir erst so spät Bescheid sagst. Jetzt habe ich keine Möglichkeit mehr, den Besuch zu verlegen, und das weißt du auch ganz genau. Du hattest keine Lust, mit mir zu meiner Oma zu fahren, und hast deshalb nach einem Grund gesucht. Wahrscheinlich hast du dem Kollegen selbst angeboten, für ihn einzuspringen.«

Das kam der Wahrheit so nahe, dass Severin es vorzog, darauf nichts zu erwidern. Er hatte tatsächlich keine Lust gehabt, Jasmin zu ihrer Oma zu begleiten. Für ihn waren das langweilige Stunden in diesem Nest in den Bergen, die er lieber anderweitig verbringen wollte. Er hatte ohnehin wenig Freizeit, da brauchte er sich nicht auch noch lästige Besuche bei Leuten aufzuhalsen, mit denen er nicht einmal verwandt war. Jasmin zuliebe hatte er sie einige Male begleitet, aber er fand, der Aufwand war einfach zu groß. Also hatte er zwar nicht direkt angeboten, für seinen Kollegen einzuspringen, aber doch deutlich durchblicken lassen, dass es ihm nicht besonders viel ausmachen würde …

»Jetzt sei nicht mehr sauer«, sagte er. »Beim nächsten Mal komme ich ja wieder mit.«

Er ging zu Jasmin und umarmte sie. Zuerst machte sie sich steif, doch dann gab sie nach und ließ ihren Kopf an seine Brust sinken. »Ich bin trotzdem immer noch sauer«, ließ sie ihn wissen.

Er begann sie zu streicheln und zu küssen, aber damit kam er dieses Mal nicht durch. Sie befreite sich kurzerhand aus seiner Umarmung. »Ich muss packen«, sagte sie. »Ich bleibe über Nacht.«

»Du bleibst über Nacht? Seit wann das denn?«, fragte er verwundert. »Das war doch gar nicht geplant. Man kann sehr gut an einem Tag hin- und auch wieder zurückfahren.«

Sie ließ ihn nicht aussprechen, ihre schönen Augen blitzten ihn an und rieten ihm, besser den Mund zu halten. »Es war auch nicht geplant, dass ich allein fahre«, sagte sie. »Trotzdem ist es jetzt so. Mir ist das zu anstrengend an einem Tag, ich komme erst morgen zurück. Vielleicht auch erst am Wochenende.«

»Du hast doch morgen gar keinen Urlaub!«

»Doch, habe ich.« Sie funkelte ihn zornig an. Jasmin war Fremdsprachenkorrespondentin bei einer mittelständischen Firma. »Ich habe heute und morgen Urlaub genommen, weil ich dachte, dass wir beide vielleicht Lust hätten, noch in den Bergen zu bleiben.« Damit ließ sie ihn stehen.

Severin biss sich ärgerlich auf die Unterlippe. Sie war echt sauer, damit hatte er nicht gerechnet. Jasmin war der sanfteste Mensch, den er kannte, sie schaffte es einfach nicht, jemandem länger böse zu sein, besonders dann nicht, wenn er sich bei ihr entschuldigt hatte. Und das hatte er schließlich getan! Außerdem: Wieso hatte sie ihm nicht gesagt, dass sie zwei Tage Urlaub genommen hatte vor dem Wochenende?

Er sah auf die Uhr und fluchte. Höchste Zeit, dass er ins Büro kam. Er würde Jasmin später eine Nachricht schicken und sich noch einmal entschuldigen, dann würde sie sich schon wieder einkriegen.

Sein Abschiedsgruß wurde mit einem knappen Kopfnicken erwidert. Er entschied sich daraufhin, zu gehen und nicht sofort den nächsten Versöhnungsversuch zu unternehmen. Ganz offensichtlich brauchte sie noch Zeit, um sich wieder abzuregen.

Als er das Haus verließ, war seine Laune im Keller. Kein Mensch brauchte solchen Ärger – und schon gar nicht am frühen Morgen!

*

»Aber du fährst vorsichtig!«, sagte Frederik Strasser zu seinem Sohn Philipp. »Du hältst dich an die vorgegebene Geschwindigkeit, du trinkst keinen Tropfen Alkohol, und dein Smartphone ist während der Fahrt tabu!«

»Mann, Papa, das weiß ich doch alles, du musst mir das nicht vor jeder Fahrt erzählen.« Philipp hatte den Führerschein seit einem halben Jahr, und er war stolz darauf. Bei seinen ersten Fahrversuchen mit Führerschein hatte sein Vater darauf bestanden, ihn zu begleiten, mittlerweile vertraute er ihm immerhin so weit, dass er ihn kürzere Fahrten auch allein machen ließ. Philipp fehlte die Fahrpraxis, aber er verhielt sich, soweit seine Eltern das beurteilen konnten, am Steuer sehr vernünftig.

An diesem Tag wollte er mit dem Auto zur Schule fahren, um direkt von dort einen Freund zu besuchen, der außerhalb von München wohnte. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln würde die Fahrt viel zu lange dauern, das hatte auch Philipps Vater Frederik eingesehen, und so schließlich die Erlaubnis erteilt. Sie hatten nur ein Auto in der Familie, einen Kleinwagen, wie er in einer Stadt mit fehlenden Parkplätzen sinnvoll war. Philipp war mit dem Wagen vertraut, und er würde vor Einbruch der Dunkelheit wieder zurück sein, so war es ausgemacht. Frederik würde ausnahmsweise mit der Bahn in sein Büro fahren.

»Können wir jetzt endlich fahren?« Philipps jüngere Schwester Mara stand an der Tür. Er würde sie mitnehmen zur Schule.

»Ja, könnt ihr«, sagte Frederik. »Also dann, gute Fahrt, ich muss jetzt los, mit der Bahn brauche ich ja etwas länger als sonst.«

»Danke, Papa!«

Frederik verließ das Haus, seine Frau war schon weg, sie arbeitete am liebsten frühmorgens. In ihrer Behörde gab es eine Gleitzeitregelung, die ihr entgegenkam. Sie war immer die Erste im Büro und daher auch die Erste, die nachmittags wieder nach Hause kam.

Wenig später brachen auch Philipp und Mara auf. Mara sagte kein Wort mehr, nachdem sie ihrem Bruder mitgeteilt hatte, dass sie gleich eine Mathearbeit schreiben würde, auf die sich nur höchst ungenügend vorbereitet hatte.

Er sagte nichts dazu. Mara war ein Superhirn, niemand konnte ihr das Wasser reichen. Selbstverständlich war sie die beste Schülerin ihrer Klasse, sie fühlte sich immer ungenügend vorbereitet, das war nichts Neues. Trotzdem schrieb sie nur Einsen.