Wer ist der Boss? - Viola Maybach - E-Book

Wer ist der Boss? E-Book

Viola Maybach

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Beschreibung

Diese Serie von der Erfolgsschriftstellerin Viola Maybach knüpft an die bereits erschienenen Dr. Laurin-Romane von Patricia Vandenberg an. Die Familiengeschichte des Klinikchefs Dr. Leon Laurin tritt in eine neue Phase, die in die heutige moderne Lebenswelt passt. Da die vier Kinder der Familie Laurin langsam heranwachsen, möchte Dr. Laurins Frau, Dr. Antonia Laurin, endlich wieder als Kinderärztin arbeiten. Somit wird Antonia in der Privatklinik ihres Mannes eine Praxis als Kinderärztin aufmachen. Damit ist der Boden bereitet für eine große, faszinierende Arztserie, die das Spektrum um den charismatischen Dr. Laurin entscheidend erweitert. »So kenne ich Sie gar nicht, Herr Burgmüller«, sagte Britta Stadler, »so still, meine ich. Es geht Ihnen hoffentlich gut?« Sie ließ sich nicht anmerken, dass sie recht genau zu wissen meinte, warum der Mann, der ihr gegenübersaß, so still war. Die Augen der anderen, die mit ihnen am Tisch saßen, richteten sich nun ebenfalls auf den jungen Ex-Sternekoch, der in der nächsten Woche seine neue Küche eröffnen würde – die Küche der Kayser-Klinik nämlich. Eine Großküche also. Alle am Tisch wussten mehr als David Burgmüller, nämlich, wer das Menü dieses Abends gekocht hatte. Und dass dieser Jemand mit Namen Simon Daume, der den Laurins den Haushalt führte und für sie kochte, derjenige gewesen war, der Leon Laurin geraten hatte, mit David Burgmüller wegen der Klinik-Küche in Kontakt zu treten. Leon hatte die Leitung der Klinik vor Jahren von seinem Schwiegervater Joachim Kayser übernommen und seither beständig Neuerungen und Modernisierungen vorgenommen. Eine eigene Klinik-Küche für Angestellte und Patienten war sein neuestes Projekt. David Burgmüller hatte einige Monate zuvor sein Restaurant geschlossen, weil er sich wieder mehr auf das Kochen konzentrieren wollte und weniger darauf, ob er seine Sterne verteidigen konnte oder nicht. Außerdem, hatte er verkündet, suche er nach neuen Herausforderungen – und davon wiede­rum hatte Simon gehört, dem nichts entging, was erstklassige Küche und ihre Köchinnen und Köche betraf. Britta, mittlerweile eine enge Freundin von Antonia Laurin, war die Architektin gewesen, die die Küche nach seinen Wünschen gebaut hatte, aber sie hatte zahlreiche Ideen beigesteuert, die er dankbar aufgegriffen hatte. Sie waren gut miteinander zurechtgekommen, obwohl Britta vorher gewarnt worden war: David Burgmüller sei schwierig, er habe seinen eigenen Kopf, lasse sich nichts sagen. Sie hatte sich umgehört, aber nicht abschrecken lassen. Nun saß sie mit ihrem Sohn Peter und David Burgmüller an einem von den Kindern sehr fantasievoll gedeckten Tisch im Esszimmer von Familie Laurin. Leon hatte seinen neuen Klinickoch mit der Behauptung eingeladen, er wolle die neue Küche feiern und ihm außerdem in Aussicht gestellt, endlich das Geheimnis zu lüften, von wem er den Rat bekommen hatte, den Job als Klinicküchenchef ausgerechnet ihm anzubieten. David hatte schon öfter danach gefragt, aber bislang war Leon standhaft geblieben und hatte ihm nur verraten, es sei ›die Person gewesen, die uns den Haushalt führt‹. Seitdem ging David Burgmüller von einer Haushälterin aus, die an hoher Kochkunst interessiert war. Leon hatte den Irrtum nicht ausgeräumt, das musste Simon selbst übernehmen, er hatte nämlich David Burgmüller auch sonst einiges zu erklären.

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Seitenzahl: 116

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Der neue Dr. Laurin – 32 –Wer ist der Boss?

Lucia und David können sich nicht einigen …

Viola Maybach

»So kenne ich Sie gar nicht, Herr Burgmüller«, sagte Britta Stadler, »so still, meine ich. Es geht Ihnen hoffentlich gut?« Sie ließ sich nicht anmerken, dass sie recht genau zu wissen meinte, warum der Mann, der ihr gegenübersaß, so still war.

Die Augen der anderen, die mit ihnen am Tisch saßen, richteten sich nun ebenfalls auf den jungen Ex-Sternekoch, der in der nächsten Woche seine neue Küche eröffnen würde – die Küche der Kayser-Klinik nämlich. Eine Großküche also. Alle am Tisch wussten mehr als David Burgmüller, nämlich, wer das Menü dieses Abends gekocht hatte. Und dass dieser Jemand mit Namen Simon Daume, der den Laurins den Haushalt führte und für sie kochte, derjenige gewesen war, der Leon Laurin geraten hatte, mit David Burgmüller wegen der Klinik-Küche in Kontakt zu treten.

Leon hatte die Leitung der Klinik vor Jahren von seinem Schwiegervater Joachim Kayser übernommen und seither beständig Neuerungen und Modernisierungen vorgenommen. Eine eigene Klinik-Küche für Angestellte und Patienten war sein neuestes Projekt.

David Burgmüller hatte einige Monate zuvor sein Restaurant geschlossen, weil er sich wieder mehr auf das Kochen konzentrieren wollte und weniger darauf, ob er seine Sterne verteidigen konnte oder nicht. Außerdem, hatte er verkündet, suche er nach neuen Herausforderungen – und davon wiede­rum hatte Simon gehört, dem nichts entging, was erstklassige Küche und ihre Köchinnen und Köche betraf.

Britta, mittlerweile eine enge Freundin von Antonia Laurin, war die Architektin gewesen, die die Küche nach seinen Wünschen gebaut hatte, aber sie hatte zahlreiche Ideen beigesteuert, die er dankbar aufgegriffen hatte. Sie waren gut miteinander zurechtgekommen, obwohl Britta vorher gewarnt worden war: David Burgmüller sei schwierig, er habe seinen eigenen Kopf, lasse sich nichts sagen. Sie hatte sich umgehört, aber nicht abschrecken lassen.

Nun saß sie mit ihrem Sohn Peter und David Burgmüller an einem von den Kindern sehr fantasievoll gedeckten Tisch im Esszimmer von Familie Laurin. Leon hatte seinen neuen Klinickoch mit der Behauptung eingeladen, er wolle die neue Küche feiern und ihm außerdem in Aussicht gestellt, endlich das Geheimnis zu lüften, von wem er den Rat bekommen hatte, den Job als Klinicküchenchef ausgerechnet ihm anzubieten. David hatte schon öfter danach gefragt, aber bislang war Leon standhaft geblieben und hatte ihm nur verraten, es sei ›die Person gewesen, die uns den Haushalt führt‹. Seitdem ging David Burgmüller von einer Haushälterin aus, die an hoher Kochkunst interessiert war. Leon hatte den Irrtum nicht ausgeräumt, das musste Simon selbst übernehmen, er hatte nämlich David Burgmüller auch sonst einiges zu erklären.

»Ich bin nicht still«, antwortete David endlich auf Brittas mit harmloser Stimme gestellte Frage. »Ich bin …, nachdenklich. Was wir bisher gegessen haben, war …, außergewöhnlich.«

»Ja, nicht?«, rief Kyra begeistert. Sie war das jüngste Kind der Laurins, elf Jahre alt, so wie ihr bester Freund Peter Stadler. »Si …«

Sie bekam von ihrer älteren Schwester Kaja einen schmerzhaften Tritt vors Schienbein. »Aua! Was …« Dann sah sie die Blicke der anderen und begriff, dass sie um ein Haar Simons Namen ausgesprochen hätte.

David Burgmüller lächelte sie an. »Mit ›sie‹ hast du sicher eure Haushälterin gemeint. Dein Vater hat mir versprochen, dass ich sie heute noch kennenlerne, denn sie hat mich ihm ja wohl empfohlen.«

Kyra hatte sich wieder gefangen und ihrer Schwester den Tritt verziehen. Sie lächelte nur, um nicht erneut Gefahr zu laufen, sich zu verplappern.

Kevin, ihr zwei Jahre älterer Bruder, rettete die Situation. »Es schmeckt Ihnen also?«, fragte er.

»Das ist zu wenig gesagt«, erklärte David. »Dieses Essen ist für mich ein ganz außergewöhnlicher Genuss, und ich muss gestehen, dass ich immer neugieriger auf die Dame werde, die bei euch in der Küche steht.«

»Beim Dessert«, sagte Konstantin, Kajas Zwillingsbruder. »Da werden alle Geheimnisse gelüftet. Aber vorher geht das Essen ja noch weiter. Jetzt kommt der Hauptgang.«

Sie ahnten, dass Simon in der Küche sich kein Wort ihres Gesprächs entgehen ließ, obwohl er sicherlich alle Hände voll zu tun hatte. Er würde überglücklich sein, dass sich der von ihm verehrte David Burgmüller so lobend über ihn geäußert hatte, so viel stand fest.

Der Hauptgang bestand aus raffiniert zubereiteten Perlhuhnbrüsten, die von Garnelen, mehreren Gemüsen und einer köstlichen Sauce begleitet wurden. Kyra aß, da sie seit einiger Zeit Vegetarierin war, nur die Gemüse und etwas Sauce und war hellauf begeistert von ihrem Geschmack.

»Du isst also kein Fleisch?«, erkundigte sich David Burgmüller. »Magst du es nicht?«

»Doch«, gestand Kyra, »aber ich will nicht, dass Tiere sterben müssen, weil ich sie essen will.« Sie überlegte einen Moment, bevor sie hinzusetzte: »Manchmal ist das schwer, besonders, wenn es so gut duftet, aber Si …, aber einmal oder zweimal in der Woche essen die anderen auch kein Fleisch, dann ist es leichter.«

»Und eure Haushälterin hat damit keine Probleme? Dass sie für dich extra kochen muss?«

Kyra schüttelte vorsichtshalber nur den Kopf.

Dieses Mal rettete Peter Stadler die Situation. »Wie machen Sie das denn in der Klinik?«, fragte er. »Es gibt ja mittlerweile ziemlich viele Leute, die kein Fleisch mehr essen wollen.«

»Wir werden das so organisieren«, antwortete David, »dass man sich sein Essen zusammenstellen kann. Es wird also kein festgelegtes Menü geben, sondern einzelne Bestandteile, wie bei einem großen Büffet, sodass man eine gute Auswahl hat und auf jeden Fall etwas findet, worauf man Lust hat. Wenn jemand gerne Fleisch isst, kann er das machen. Wer das nicht möchte, wählt gebratene Auberginen mit Tomatensauce und Käse. Zum Beispiel. Ich habe schon endlose Listen von denkbaren Kombinationen geschrieben.«

»Haben Sie eigentlich mal überlegt, wie es wäre, wenn das Experiment richtig schiefgeht?«, fragte Kaja.

»Ja, natürlich. Ich bin fest entschlossen, keine Niederlage einzustecken. Ich werde arbeiten bis zum Umfallen. Am Anfang geht sicherlich einiges schief, die Abläufe müssen sich ja erst einspielen. Und noch kenne ich mich mit den Mengen auch nicht gut aus. Aber ich lerne schnell. Ich gebe mir vier Wochen, dann muss das laufen.«

»Und wann genau geht es los?«, fragte Britta.

»Nächste Woche«, antwortete David. »Am Mittwoch wird es ernst, Montag und Dienstag starten ein paar Probeläufe. Meine Küchenbrigade steht, mir fehlt nur nach wie vor noch der Sous-Chef – also mein Stellvertreter. Das ist misslich, aber wir stehen alle in den Startlöchern und wollen nicht länger warten. Außerdem stehen unsere Lieferanten bereit, die müssen ja auch planen können. Das werden aufregende Wochen.«

»Für mich auch«, sagte Leon. »Ich kann nur sagen: Ich werde sehr froh sein, wenn die ewigen Klagen über das Essen endlich aufhören, die bin ich nämlich wirklich leid.«

»Oder sie werden schlimmer, weil niemandem das Essen von Herrn Burgmüller schmeckt.« Kevin grinste breit bei seinen Worten. Er liebte solche Sprüche.

David grinste auch. »Kann natürlich passieren«, sagte er.

Die Kinder hatten es an diesem Abend übernommen, nach jedem Gang den Tisch abzuräumen und den neuen Gang aufzutragen. Je zwei waren für einen Gang verantwortlich, und bislang hatte das hervorragend geklappt. Simon hatte mit ihnen geübt, was ganz offensichtlich eine gute Idee gewesen war.

Als alle den Hauptgang beendet hatten, sagte David: »Darf ich jetzt einen Blick in die Küche werfen und mich Ihrer Haushälterin vorstellen?«

»So ist das nicht geplant«, sagte Antonia Laurin, nachdem sie einen Blick mit ihrem Mann getauscht hatte.

»Sondern?«

»Wir werden beim Dessert eine Person mehr am Tisch sein«, erwiderte sie lächelnd. »Es gibt wahlweise Käse oder ein süßes Dessert. Oder, wer will, kann auch beides essen.«

Alle Kinder sowie Leon entschieden sich für das süße Dessert, die anderen wählten Käse.

David warf einen Blick in die Runde. »Sie alle verstehen es wirklich ausgezeichnet, jemanden auf die Folter zu spannen. Sie haben einen meiner Kollegen engagiert für diesen Abend, stimmt’s? Also, ich meine, einen meiner früheren Kollegen.«

Fröhliches Gelächter antwortete ihm, aber mehr bekam er nicht zu hören.

Fürs Dessert waren Kyra und Peter zuständig. Sie verschwanden in der Küche, gleich darauf kehrte Peter mit dem Käse zurück, während Kyra ein Tablett mit fertig dekorierten Tellern trug. Das süße Dessert bestand aus einer Auswahl von Eis aus den verschiedensten Schokoladen, dazu gab es geröstete Nüsse und winzige Kekse, die noch warm waren. In der Mitte jedes Tellers befand sich ein ebenfalls sehr kleiner warmer Schokoladenkuchen.

Jetzt erst bemerkte David Burgmüller, dass Antonia Laurin ein Stück zur Seite gerückt war, sodass neben ihr ein weiteres Gedeck Platz gefunden hatte, an dem auch bereits ein Stuhl stand.

Als auch die Käseliebhaber sich bedient hatten, öffnete sich die Küchentür, und ein noch sehr junger Mann erschien, der ein wenig verlegen lächelte. »Guten Abend, Herr Burgmüller«, sagte er. »Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern? Mein Name ist Simon Daume. Ich habe mich vor drei Jahren bei Ihnen um einen Ausbildungsplatz beworben und dann sehr kurzfristig abgesagt.«

David Burgmüller konnte es nicht fassen. Er hätte diese Erklärungen nicht gebraucht, denn Simon Daume war ihm im Gedächtnis geblieben – und sofort war sein Zorn wieder da auf diesen jungen Burschen, der damals, wenn er sich recht erinnerte, gerade volljährig geworden war, aber die Frechheit besessen hatte, ihn, den damals sehr berühmten und begehrten Koch, um dessen Ausbildungsplätze sich alle rissen, einfach sitzenzulassen.

»Ich erinnere mich«, sagte er steif.

Blicke flogen um den Tisch, dann standen wie auf Kommando alle auf, bis auf David Burgmüller, der verwirrt aussah. Simon stand noch immer.

»Wir nehmen das Dessert draußen auf der Terrasse zu uns«, erklärte Antonia. »Es ist ja heute warm genug. Ich denke, Sie haben einiges zu besprechen, was uns andere nichts angeht.«

»Es wäre besser«, widersprach Simon, »wenn Herr Burgmüller und ich nach draußen gingen, wir sind schließlich nur zu zweit. Ich meine, wenn Sie bereit sind, mit mir zu reden, Herr Burgmüller? Ich habe Ihnen ziemlich viel zu erklären, es wird also eine Weile dauern.«

Eigentlich war David keineswegs zu einem Gespräch bereit, aber etwas an der Stimme und am Blick des jungen Mannes und nicht zuletzt seine Worte rührten ihn, sodass er ein wenig widerstrebend sagte: »In Ordnung.«

Er stand auf, nahm seinen Teller und wartete darauf, dass Simon vorausging. Sein Zorn war schon wieder halb verraucht, die Neugier dagegen gewachsen. Was würde dieser Junge, der ihn damals schwer beeindruckt hatte durch seine offensichtliche Begabung, sein Wissen, seine Ernsthaftigkeit, aber auch durch seine Lockerheit, ihm nun als Erklärung dafür auftischen, dass er sich seinerzeit mit einem Einzeiler – per E-Mail! – begnügt hatte, um ihm abzusagen?

*

»Du bist eine richtige Internet-Größe geworden«, stellte Lukas Herrndorf fest, als er wieder einmal bei seiner Schwester Lucie zu Abend aß.

»Ja, es läuft ganz gut«, stimmte Lucie ihm zu. »Aber auf Dauer ist das nichts für mich. Ich will wieder in einer Küche mit anderen zusammenarbeiten, ich will die Gesichter der Leute sehen, die essen, was ich gekocht habe, ich will hören, was sie dazu zu sagen haben.«

»Aber als du deinen letzten Job gekündigt hast …«, begann Lukas.

Lucie winkte ab. »Ich weiß, ich weiß, sie sind mir alle total auf den Geist gegangen, besonders der eingebildete Chef, der dachte, dass er der Größte ist, dabei hat er nicht einmal besonders gut gekocht, er war ein richtiger Schaumschläger. Aber es gibt ja auch andere …«

»Und ich dachte, du gehst nie wieder in eine Restaurant-Küche.«

»Das dachte ich auch. Aber sieh mal, ich mache das hier jetzt seit einem Jahr, allmählich wird das auch langweilig. Ich brauche den direkten Kontakt mit Menschen. Es ist ganz nett, dass ich das jetzt mal eine Weile auf diese Weise ausprobiert habe, aber es neigt sich dem Ende zu.«

»Schade«, grinste Lukas, »mir gefällt es, eine berühmte Schwester zu haben. Onkel Kurt gefällt es auch. Er ist sehr stolz auf dich.«

»Ja, ich weiß, wir telefonieren öfter. Ohne ihn hätte ich das Kochen vielleicht nie entdeckt.«

»Du glaubst gar nicht, wie oft ich auf dich angesprochen werde.«

»Spinner«, sagte sie liebevoll. »Wie findest du die Teigtaschen?«

»Super, wie immer. Habe ich schon mal etwas von dem, was du gekocht hast, nicht gut gefunden?«

»So geht das nicht, du musst kritischer sein. Leute, die alles gut finden, was ich koche, können keine Testesser sein, das habe ich dir doch schon erklärt.«

»Wenn es mir doch aber immer schmeckt?«

Sie gab es auf. Lukas war sieben Jahre jünger als sie, er war gerade volljährig geworden, aber im Herzen war er immer noch der reinste Kindskopf. Sie liebte ihn mit jeder Faser ihres Herzens, denn er war der Bruder, den sie nach langen Jahren des Hoffens und Bangens dann doch noch bekommen hatte. Ihre Eltern hätten gern noch mehr Kinder gehabt, aber das Schicksal hatte es anders gewollt. Ihre Mutter war zu einem Zeitpunkt ein zweites Mal schwanger geworden, als niemand mehr damit gerechnet hatte, und die gesamte Schwangerschaft war von der Sorge überschattet gewesen, es könnte doch noch etwas schiefgehen. Doch Lukas war nach neun Monaten als ziemlich schwerer Brocken auf die Welt gekommen und nicht nur von den überglücklichen Eltern, sondern auch von seiner großen Schwester verwöhnt worden.

Seltsamerweise hatte ihm das nicht geschadet, eher im Gegenteil. Er war ein aufgeweckter, hilfsbereiter, liebevoller Junge geworden, der viele Freunde hatte und seinen Eltern mehr Freude als Kummer bereitete. Er hatte eine schwierige Phase mit fünfzehn, sechzehn gehabt, aber die war vorübergegangen, ohne dass sie größere Schäden angerichtet hätte – weder bei Lukas noch bei seiner Umgebung. Jetzt war er kein Junge mehr, sondern ein junger Mann, aber das verschmitzte Lächeln war geblieben, seine strubbeligen hellblonden Haare ebenso, und wenn er jemanden mochte, war er noch immer bereit, sich für ihn oder sie beide Beine auszureißen.

Man sah ihnen auf den ersten Blick an, dass sie Geschwister waren. Das lag nicht nur an ihrer identischen Haarund Augenfarbe, sie hatten auch die gleichen, schmalen, anziehenden Gesichter mit der geraden Nase und dem etwas zu großen Mund, und sie waren beide schlank. Nur hatte Lukas irgendwann begonnen, seine ›große‹ Schwester zu überragen. Lucie war eher zierlich geblieben, während Lukas sich anschickte, demnächst die Marke von einem Meter und neunzig zu knacken.