Der Notarzt 498 - Caro Stein - E-Book

Der Notarzt 498 E-Book

Caro Stein

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Beschreibung

Jeden Morgen bindet die Floristin Marie Stern einen wunderschönen Blumenstrauß. Für wen, weiß nur sie ganz allein. Da erscheint eines Tages eine neue Kundin in ihrem Blumenladen und bestellt einen Strauß - für ihre eigene Beerdigung! Zunächst verstört, dann berührt, lässt Marie sich auf die Fremde ein. Zwischen Gesprächen über Leben und Tod entsteht eine außergewöhnliche Freundschaft. Hannah Weber offenbart, dass sie an Mukoviszidose leidet und nicht mehr lange zu leben hat. Sie hat längst beschlossen, den Kampf aufzugeben. Doch Marie spürt, dass sie Hannah nicht einfach gehen lassen kann. Als Dr. Peter Kersten, Hannahs Arzt, von einer neuen Behandlungsmethode spricht, steht Marie vor einer schwierigen Entscheidung: Kann sie ihre Freundin überzeugen, dem Leben noch eine Chance zu geben?


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Seitenzahl: 119

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Im Tal der Tränen

Vorschau

Impressum

Im Tal der Tränen

Wird dieser Frühling ihr letzter sein?

Von Caro Stein

Jeden Morgen bindet die Floristin Marie Stern einen wunderschönen Blumenstrauß. Für wen, weiß nur sie ganz allein. Da erscheint eines Tages eine neue Kundin in ihrem Blumenladen und bestellt einen Strauß – für ihre eigene Beerdigung!

Zunächst verstört, dann berührt, lässt Marie sich auf die Fremde ein. Zwischen Gesprächen über Leben und Tod entsteht eine außergewöhnliche Freundschaft. Hannah Weber offenbart, dass sie an Mukoviszidose leidet und nicht mehr lange zu leben hat. Sie hat keine Kraft mehr und den Kampf aufgegeben.

Doch Marie spürt, dass sie Hannah nicht einfach gehen lassen kann. Als Dr. Peter Kersten, Hannahs Arzt, von einer neuen Behandlungsmethode spricht, steht Marie vor einer schwierigen Entscheidung: Kann sie ihre Freundin überzeugen, dem Leben noch eine Chance zu geben?

Jeden Morgen begann die einunddreißigjährige Floristin Marie Stern ihren Arbeitstag mit demselben Ritual: Sie band einen frischen Blumenstrauß.

Routiniert griff sie nach weißen Lilien und Vergissmeinnicht, fügte zartes Schleierkraut und tiefblaue Kornblumen hinzu. Ihre Finger schnitten und banden die Stiele, als hätten sie ein Eigenleben. Der Strauß war allerdings nicht für die Auslage bestimmt, auch nicht, um Kunden zu beeindrucken – und doch blieb er nie unbemerkt.

»Wunderschön, wie immer«, hatte eine ältere Dame neulich gesagt, als sie am Tresen zahlte. »Gehört das zu Ihrem Konzept? Jeden Tag so ein Kunstwerk?«

Marie hatte gelächelt, aber nicht geantwortet. Denn in Wahrheit galt dieser Strauß nur einem einzigen Menschen.

Sie hielt einen Moment in ihrer Arbeit inne und betrachtete das Arrangement. Irgendetwas gefiel ihr noch nicht daran.

Bevor sie jedoch wusste, was nicht stimmte, klingelte das Glöckchen über der Ladentür. Sie hob sie den Kopf, um die erste Kundin an diesem Tag zu begrüßen.

Morgendliche Sonnenstrahlen leuchteten schräg durch das große Fenster herein und blendeten sie im ersten Augenblick. Dann erkannte sie eine junge Frau, die etwa Anfang zwanzig sein musste. Sie war so blass, dass ihre Haut beinahe durchsichtig erschien, und ihre Schultern wirkten viel zu schmal für den weiten Wollmantel, den sie trug. Die Frau zog die Tür langsam hinter sich und wirkte dabei so zerbrechlich, dass Marie den Impuls verspürte, ihr einen Stuhl anzubieten.

Ähnlich wie mit ihrem Blumenarrangement, hatte sie bei der Unbekannten das Gefühl, dass etwas nicht so war, wie es sein sollte, ohne den Finger darauf legen zu können. Ihre Erscheinung zog sie so in den Bann, dass Marie sie für einen Moment einfach anstarrte. Dann kam sie endlich wieder zu Besinnung.

»Kann ich Ihnen helfen?«

Die Frau stand immer noch im Eingangsbereich und sah sich unschlüssig um, als hätte sie Marie nicht gehört. Sie biss sich auf die Unterlippe und machte Anstalten, auf die weißen Lilien zuzugehen, die in einer großen Vase am Fenster standen, rührte sich dann aber doch nicht von der Stelle.

Marie wischte sich die Hände an ihrer Arbeitsschürze ab und kam hinter der Theke hervor.

»Suchen Sie nach etwas Bestimmtem?«

Dieses Mal sah die Kundin zu ihr. Sie wollte etwas sagen, doch ihre Worte verloren sich in einem Hustenanfall, den sie mit ihrem blauen Seidenschal abdämpfte.

Dann trafen sich ihre Blicke, und für den Bruchteil einer Sekunde tauchte ein Bild vor Maries Augen auf und verursachte einen brennenden Schmerz in ihrem Brustkorb. Nicht jetzt. Rasch schob sie die Erinnerung beiseite und konzentrierte sich auf ihre Arbeit.

Sie bediente oft Trauernde, die Blumen für eine Beerdigung bestellen wollten. Inzwischen erkannte sie an deren Körperhaltung und ihrem leeren Gesichtsausdruck, dass sie erst kürzlich einen Verlust erlitten hatten. Die Ausstrahlung der jungen Frau war ähnlich, passte aber wiederum auch nicht so ganz.

Sie spielte unruhig mit ihrem Schal und wich Maries Blick aus.

»Ich glaube, meine Bitte ist etwas seltsam.«

»Das kann ich mir nicht vorstellen, aber selbst, wenn es so wäre, finden wir bestimmt eine passende Lösung dafür.« Marie lächelte ihr aufmunternd zu, eine Geste, die seit einem Jahr unglaubliche Kraft erforderte.

»Ich suche nach Blumen«, sagte die junge Frau in nüchternem Tonfall, »für meine Beerdigung.« Ihre Augen waren stumpf, als wären sie zu müde, um Emotionen zu zeigen. Dennoch schien es ihr mit dieser Aussage völlig ernst zu sein.

Die Floristin blinzelte und spürte gleichzeitig, wie sich die Haare auf ihren Armen aufstellten. Mit einem Mal wurde ihr kalt. Hatte sie das eben richtig verstanden? Sie hatte mit einem Trauerkranz für einen geliebten Menschen gerechnet oder vielleicht mit einer Anfrage für einen Blumenstrauß, der ein trostloses Krankenzimmer aufhellen sollte.

Die Frau schien mit dieser Reaktion gerechnet zu haben, denn sie achtete nicht weiter auf Marie, sondern ging entschlossen auf die weißen Lilien zu. Behutsam strich sie mit den Fingerspitzen über eines der Blütenblätter.

»Die hier sind eigentlich ganz schön.« Ihre Stimme war immer noch leise, klang aber fester als vorhin. Sie drehte sich zu Marie um. »Aber auch ein bisschen gewöhnlich, finden Sie nicht? Mir wäre ja ein buntes Arrangement lieber. Was halten Sie davon?«

Während sie sprach, schweifte ihr Blick zu den verschiedenfarbigen Tulpen am gegenüberliegenden Ende des Ladens. Sie ging darauf zu und berührte die gelben Blüten. Erneut hustete sie mehrmals.

Allmählich gewann Marie ihre Fassung wieder zurück.

»Nun ja«, begann sie zögerlich, »bunte Tulpen stehen für den Frühlingsbeginn, Lebensfreude und Tatendrang und sind daher sehr passend für diese Jahreszeit.« Nun bewegte sie sich auf einem Terrain, in dem sie absolut sattelfest war, und geriet ins Plaudern. »Tulpen sind generell sehr beliebt für den Garten, aber auch als Dekoration in Wohnungen. Allerdings haben die Schnittblumen eine recht begrenzte Lebensdauer.«

Abrupt zog die Frau ihre Hand zurück, als hätte sie sich an den feinen Blättern gestochen.

Zu spät begriff Marie, dass sie mit ihren letzten Worten versehentlich ein empfindliches Thema angesprochen hatte. Hektisch formulierte sie in ihrem Kopf eine Entschuldigung, ohne zu wissen, ob sie diese aussprechen sollte. Womöglich trat sie der Kundin damit zu nahe. Schließlich kannte sie die Beweggründe für ihre ungewöhnliche Anfrage nicht.

Während Marie noch überlegte, was sie sagen sollte, ging die Kundin weiter zu den nächsten Blumenvasen und deutete auf die Mohnblumen.

»Die sehen doch auch hübsch aus.« Ein breites Lächeln, das Marie ihr gar nicht zugetraut hätte, zeigte sich auf ihrem Gesicht.

Sie nickte und trat näher. »Mohnblumen sind ein Symbol für Vergänglichkeit und die Zerbrechlichkeit des Lebens. Besonders roter Mohn steht für unerfüllte Träume und das Flüchtige.« Zum ersten Mal erschien Marie das leuchtende Rot der Pflanze wie ein letztes verzweifeltes Aufflackern kurz vor dem Ende.

»Das passt prima.« Die junge Frau wickelte sich den Schal vom Hals und stopfte ihn halb in die Tasche ihres Mantels. Ein Ende streifte am Boden entlang, als sie zu den sternförmigen Astern weiterging. »Die stehen für Abschied, richtig?«

»Und für die Vergänglichkeit der Zeit.« Marie folgte der Kundin weiter durch den Laden.

»Etwas melancholisch, aber perfekt.« Ironischerweise schienen die Vorbereitungen für ihre eigene Beerdigung der Frau Lebensfreude zurückzugeben. Ihre eingefallenen Wangen leuchteten zartrosa, und ihre Augen gewannen eine Spur Glanz zurück. Sie zog sich den Mantel aus und legte ihn sich über die Unterarme.

Marie erschien es immer noch merkwürdig, mit einer etwa Zwanzigjährigen das Blumenarrangement für die eigene Beerdigung zusammenzustellen, aber sobald sie den ersten Schock überwunden hatte, kamen die beiden in ein lockeres Gespräch darüber, welche Blumen sich sonst noch eignen würden.

Trotzdem musste Marie einige Male schwer schlucken, wenn sie an den Anlass für dieses Arrangement dachte. Den Grund verstand sie jedoch nach wie vor nicht. Ja, die junge Frau wirkte abgekämpft, und das ständige Husten sowie ihre zerbrechliche Erscheinung ließen den Schluss zu, dass es mit ihrer Gesundheit nicht zum Besten stand. In Maries Magen krampfte sich die Trauer um einen anderen Menschen zu einem festen Knoten zusammen und raubte ihr den Atem.

Ihre Kundin war hingegen mit überschwänglicher Begeisterung bei der Sache, so als würden sie Blumen für ihre nächste Party aussuchen und nicht für eine Trauerfeier. Aber vielleicht war das ihre Art, mit ihrer Situation umzugehen, wie auch immer diese genau aussehen mochte.

Am Ende entschied sich die Kundin neben den Mohnblumen und Astern auch für Vergissmeinnicht, Nelken und Nachtkerzen, die für den Wunsch nach Frieden standen.

Nachdem sie die Blumenauswahl festgelegt hatten, notierte Marie routiniert die Bestellung in ihrem Liefersystem.

»Wenn Sie mir bitte noch Ihren Namen, Telefonnummer und das Datum der ...« Sie stockte.

»Hannah Weber«, antwortete die Frau und nannte ihr die Handynummer ihrer Eltern und ihres Bruders Jonas. »Ich werde bei der Lieferung ja wahrscheinlich nicht mehr erreichbar sein. Falls doch, stimmt irgendetwas nicht.« Sie lachte trocken auf. »Und wegen des Datums.« Das freche Lächeln verschwand für einen Augenblick, kehrte dann aber zögerlich zurück. »Vermutlich in wenigen Monaten. Es wird sich dann jemand aus meiner Familie melden, vielleicht auch der Bestatter.« Hannah verzog entschuldigend das Gesicht. »So weit bin ich noch nicht in der Planung.«

Marie nickte stumm. Ihre Finger zitterten leicht, als sie eine entsprechende Notiz in ihren Computer eintippte. Also schien die Lage der jungen Frau tatsächlich besorgniserregend zu sein. Sollte Hannah ihre verbleibende Zeit dann nicht dazu nutzen, ihr Leben zu genießen und sich Träume zu erfüllen, bevor es zu spät war? Warum plante sie stattdessen diese Trauerfeier?

Sobald Marie alles eingegeben hatte, schlüpfte Hannah wieder in ihren Mantel.

»Vielen Dank für Ihre Hilfe ...« Sie schielte auf die Visitenkärtchen, die auf der Theke lagen, und griff nach einem. »Frau Stern?«

»Nennen Sie mich Marie.«

»Hannah.« Die junge Frau reichte ihr die Hand und wandte sich zum Gehen. »Das ist übrigens ein wunderschöner Strauß.« Sie deutete auf das Arrangement, das Marie am Morgen begonnen hatte. »Macht Lust, mehr Blumen zu kaufen. Sehr clever.«

Bevor Marie darauf antworten konnte, eilte Hannah bereits nach draußen. Durch die geöffnete Tür hörte die Floristin kurz das Zwitschern der Vögel, das die Farbenpracht der Tulpen, Hyazinthen und Ranunkeln in ihrem Laden strahlen ließ. Beinahe glaubte sie, die Wärme des beginnenden Frühlings zu spüren. Dann fiel die Tür zurück ins Schloss, und der endlose Winter zog wieder in Maries Herz ein.

Nachdem das Glöckchen verstummt war, sah sie wieder zu dem Blumenstrauß, den Hannah bewundert hatte. Es tat ihr leid, dass sie die junge Frau nicht über den eigentlichen Zweck der Blumen aufgeklärt hatte.

Am Ende ihres Arbeitstages würde der Strauß auf Pauls Grab liegen. Allein bei dem Gedanken daran bildete sich ein Kloß in ihrem Hals. Paul, der ihr mitten im Lavendelfeld von Valensole in der Provence einen Heiratsantrag gemacht hatte. Paul, der ihr ein Lachen entlockt hatte, selbst wenn ihr zum Heulen zumute gewesen war. Paul, ohne den sie sich ihr Leben nicht vorstellen konnte.

Und doch war sie nun allein hier.

Sie wandte den Blick von den Blumen ab. Die Begegnung mit Hannah wühlte ihre Gedanken auf wie Blütenblätter im Sturm. Eine Tasse heißer Tee und ein Stück Kuchen im Café gegenüber würden ihre Nerven sicherlich beruhigen.

Sie bückte sich nach ihrer Handtasche, die in einem Fach unter dem Tresen lag. Da bemerkte sie aus den Augenwinkeln etwas Blaues auf dem Boden. Ihre Schultern sackten kaum merklich nach unten, als sie erkannte, worum es sich handelte.

Hannah hatte ihren Schal verloren.

***

Drei Wochen später

Die einundzwanzigjährige Hannah saß auf dem Hocker vor der Theke, ihrem mittlerweile angestammten Platz im Blumenladen, und balancierte damit auf nur einem Stuhlbein. Anfangs hatte Marie sie ermahnt, aufzupassen, damit sie nicht umkippte, woraufhin Hannah stets nur entgegnete, sie sei vielleicht todkrank, aber nicht tollpatschig. Irgendwann hatte Marie resignierend geseufzt und das Thema nicht mehr angesprochen.

Fasziniert beobachtete Hannah, wie die Floristin eine weitere Variation für ein Gesteck zusammenband, das später auf den Tischen für das Totenmahl stehen sollte. Dieses Mal kombinierte sie weiße Nelken, Vergissmeinnicht und Mohnblumen.

Wenn Hannah nicht so sehr vom Leben enttäuscht gewesen wäre, hätte sie wohl gedacht, dass es das Schicksal gut mit ihr gemeint hatte, als sie ihren Schal in Maries Blumenladen vergessen hatte. Seitdem hatte sich zwischen den Frauen eine innige Freundschaft entwickelt, verbunden durch die Frage, welchen Sinn das Leben eigentlich hatte.

Hannah besuchte Marie täglich in ihrem Laden, trank Tee, plauderte mit ihr über Belanglosigkeiten und plante ihre Trauerfeier. Im Unterschied zu Hannahs Familie bemerkte sie kein Mitleid in den Augen ihrer neuen Freundin, sondern Verständnis. Womöglich war dies auch der Grund, weshalb Hannah sich ihr anvertraut hatte.

Inzwischen wusste Marie, dass Hannah unter Mukoviszidose litt, einer unheilbaren Krankheit, die vor allem die Lunge angriff, aber auch andere Organe wie die Bauchspeicheldrüse, Leber und Darm. Durch die Erkrankung sammelte sich zähflüssiger Schleim in ihren Atemwegen und den Verdauungsorganen an, was häufig zu Infektionen und Funktionsstörungen führte.

Erst gestern hatte Hannah mitten im Gespräch plötzlich einen heftigen Hustenanfall bekommen und nach Luft gerungen, während sich ihr Gesicht vor Anstrengung rot verfärbt hatte. Und beim Essen konnte es passieren, dass sie starke Bauchschmerzen bekam, da ihre Bauchspeicheldrüse nicht genügend Enzyme produzierte.

Im Gegenzug hatte Hannah von Paul erfahren, der vor einem Jahr durch einen Geisterfahrer auf der Autobahn ums Leben gekommen war. Obwohl Marie ihre Gefühle meistens verbarg, war es unübersehbar, wie sehr sie dieser Verlust noch immer schmerzte.

Ob ihre Freunde und Familie ebenso um sie, Hannah, trauern würden? Oder würden sie nach einem Jahr den Verlust zwar weiterhin im Herzen tragen wie eine Narbe, aber zu ihrem alten Leben zurückgefunden haben? Hannah schob die Frage weg. Sie würde es ohnehin niemals erfahren, also hatte es keinen Sinn, sich darüber Gedanken zu machen.

Sie nippte an ihrem Tee, den Marie jedes Mal für sie zubereitete, und beobachtete, wie das warme Licht von draußen in den Laden hereinfiel. Der Frühling hatte den Winter vertrieben und brachte endlich milde Temperaturen mit sich. Im Hintergrund lief leise ein Popsong im Radio, der sich angeblich seit Wochen in den Charts hielt.

Wahrscheinlich werde ich nie erfahren, welcher Song in einem Jahr angesagt ist. Der Gedanke war so schnell da, dass Hannah ihn nicht aufhalten konnte. Es erschien ihr surreal, den Frühling zum letzten Mal zu erleben und in naher Zukunft nicht mehr hier auf dem Hocker zu sitzen. Ihr wurde kalt. Rasch nahm sie einen weiteren Schluck von ihrem Tee, dessen Wärme in ihrem Inneren jedoch sofort zu einem Eisklumpen erfror.

Marie hat das Gesteck inzwischen fertiggestellt und musterte es kritisch von allen Seiten. Schließlich schob sie es ihr hin. »Was hältst du davon?«